FDGB-Pokal 1983/84 - Finale: BFC Dynamo - SG Dynamo Dresden 1:2

Das logische Finale gewannen die Stilvolleren
Die Szene war eigentlich ein Feuilleton wert. Wolfgang ("Paule") Seguin, der Mann, der 1974 das 2:0 des 1. FC Magdeburg zum EC II-Endspieltriumph gegen den AC Mailand im Rotterdamer "Kuip" schoß, gratulierte "Dixie" Dörner spontan in der Kabine: "Klasse, wie ihr gespielt und vor allem auch gekämpft habt." "Das haben wir von euch gelernt", gab der Dresdner Kapitän freudig-erregt, glückstrahlend zurück. Zwischen einstigen Auswahlfreunden brauchte es nicht mehr Worte. Das Finale war logisch. Schließlich hatten es die Saisonbesten, Meister und Vizemeister, erreicht. Was zwischen Gleichstarken zählte, war allein die Tagesform, die physische und die spielerische Fitneß, nicht Zahlenspielerei. Danach nämlich lagen alle Trümpfe bei den Hauptstädtern.

Die letzten vier Punktspiele (4:2, 2:1, 2:1, 3:3) hatten sie erfolgreich gestaltet, vor keinem der drei Endspiele gegen den Namensvetter war die Saison-Punktspielausbeute so gut (2:1/A, 4:2/H) wie diesmal (1970/71: 0:1, 1:2; 1981/82: 1:2, 2:1). Und im dritten Anlauf endlich das begehrte Double zu schaffen, dieser Wunsch brannte obendrein wie ein verzehrendes Feuer in den BFC-Akteuren! Das 33. Cupfinale bot viel Sehenswertes, hochklassigen Ansprüchen entsprach es nicht; auch die erregende Schlußphase mit ausgesprochenen Schocktoren änderte nichts daran. Aber die Fairneß gegenüber beiden engagierten Kollektiven verlangt die Feststellung, daß sie bis zur letzten Minute auf untadelige Art und Weise bemüht blieben, ihre Stilvorstellungen durchzusetzen.

Taktisch, konzeptionell war Dresden besser beraten. Sammer hielt sich an Orthodoxes, an das 1-3-3-3 mit betontem Flügelspiel, das erstens quicklebendig, raumgreifend in die Tiefe ging und mit dem zweitens der vorzügliche Center Minge entlastet wurde. Wie der beispiellos offensive Dörner dirigierte, wie jeder Mittelfeldspieler modernes Umkehrspiel beherrschte, war sehenswert. Von Häfner und Pilz durfte Sammer das erwarten. Ihrer Klasse waren sie das schuldig. Den bemerkenswertesten Part offerierte jedoch der 18jährige Stübner, mutig, selbstbewußt, Energiebündel und Techniker zugleich. Aus diesem Holz werden Individualisten mit dem Gespür für Teamwork gemacht! In der Besetzung des Meisters steckten seine Vorzüge und Nachteile zugleich.

Er verfügte ganz zweifellos über ein Plus an deckungstreuen Charakteren, ein unschätzbarer Vorteil bei einem Torvorsprung. Aber da sich der rationelle, der lakonische Stil des BFC gegen Dresdens Elastizität nicht entscheidend durchzusetzen verstand, wurde mit zunehmender Spielzeit immer offensichtlicher, daß ein ehrgeiziger Ernst weder zwei Dresdner Abwehrstrategen auszumanövrieren, noch die Probleme an den Flügeln zu lösen vermochte. Dort, rechts wie links, waren die Berliner von Torgefährlichkeit, Witz und Wucht abgenabelt, da fehlte ein kompakt, dynamisch nachrückendes Mittelfeld. Backs unternahm noch die besten Versuche, sich vorn Gegner wegzuspielen. Schulz bot wenig Konstruktives. Rohdes Fehlpässe erstaunten über alle Maßen.

Was blieb, waren Terletzkis und Troppas Freistoßstandards als Ultima ratio. Das genügte diesmal nicht, denn Dresden hatte seine Erfolgsstraße nicht nur mit guten Vorsätzen gepflastert. sondern die Dörner-Elf wußte sich auf ihr auch variabel, spielerisch-einfallsreich zu bewegen. Gleich zweimal mußten zunächst Troppa (7.) und dann Backs (27.) auf der Linie retten, als Rudwaleit nach turbulenten Strafraumaktionen schon geschlagen war, während Pilz (19./ von Lippmann völlig freigespielt) am Auswahlschlußmann aus Nahdistanz scheiterte. Dresdens Chancen setzte Troppa einen knallharten 25-Meter-Direktfreistoß (12.) an den Pfosten entgegen. Schüsse von Backs, Ernst, Prange und Kubowitz meisterte Jakubowski ausnahmslos.

16:0 lautete Dresdens Torausbeute vom Pokalauftakt bei Chemie Buna Schkopau bis hin zu Dörners Freistoß- und Häfners Strafstoßtreffern gegen den BFC. Die Cuptrophäe ohne jedes Gegentor zu gewinnen. wäre wirklich der Clou gewesen! Die Enttäuschung der Berliner, zum viertenmal hintereinander (1979, 1982 und 1984 jeweils im "Stadion der Weltjugend") im Endspiel gescheitert zu sein, war verständlich. Das Double immer wieder zu verpassen, steckt ihnen wie eine kratzende Gräte im Hals. Aber Endspiele gewinnt man nur mit einem topfiten Team. das über jeden Schatten springt; die von Ullrich, Rohde, Schulz, Prange. Kubowitz, Terletzki waren zu lang. Der Cupsieger '84 hatte keine Schwachstelle in der Elf. Er ließ das Gras des Vergessens über die Punktspielschlappen gegen den Meister wachsen und siegte mit den stilvolleren Mitteln. Darum auch zu Recht.


BFC Dynamo:
Rudwaleit; Trieloff; Maek, Troppa, Ullrich; Terletzki, Schulz, Backs, Rohde; Ernst, Prange (69. Kubowitz)
SG Dynamo Dresden:
Jakubowski; Dörner; Döschner, Trautmann, Schuster; Stübner, Pilz, Häfner; Lippmann (84. Schade), Minge, Gütschow (67. Schülbe)

0:1 Dörner             (81.)
0:2 Häfner             (82.)
1:2 Troppa             (85.)

Schiedsrichter:        Henning (Rostock)
Zuschauer:             48.000


Günter Simon, Neue Fußballwoche, 29.05.1984