27. Spieltag 1996/97: FC Berlin - FC Energie Cottbus 0:0

Nur Geyer zeigt sein Temperament / Beim 0:0 von Energie Cottbus in Hohenschönhausen bleiben die Lausitzer Pokalhelden einfallslos
Die aufregendste Szene spielte sich nur am Rande des Spielfeldes im Berliner Sportforum ab: Nach 82 Minuten schickte Schiedsrichter Bley aus Sehma den Energie-Trainer Eduard Geyer auf die Tribüne. Der zog es vor, gleich in der wärmenden Kabine zu verschwinden. Zuvor hatte er sich lautstark mit dem FCB-Abwehrrecken Mario Maek angelegt. "Der Maek, der schob ständig. In fast jeder Szene", erklärte Geyer seinen Ausbruch und machte den Linienrichter madig: "Der hat grundsätzlich alles falsch beurteilt." Der Cottbuser Erfolgstrainer, dessen Mannschaft nach dem 0:0 im naßkalten Schneegestöber von Hohenschönhausen 51 Pflichtspiele in Folge ungeschlagen ist, zeigte sich aber großmütig: "Die Linienrichter-Entscheidungen hatten keinen Einfluß auf das Resultat." Ein FCB-Akteur hätte sich an diesem Nachmittag berühmt schießen können: Roman Müller. Der Angreifer mit der hünenhaften Gestalt verstolperte in der 72. Minute die Riesenchance zum 1:0 und vielleicht späterem Siegtreffer.

 Insgeheim hofften viele unter den 740 Besuchern auf das Ende der ungewöhnlichen Cottbuser Erfolgsserie. Auch der Trainer der Gastgeber, Werner Voigt, hatte seinen Akteuren eingebleut, daß "diese Cottbuser zu packen sind". In einem Kampfspiel zeigten dann einige FCB-Kicker immer noch zu viel Respekt vor der Übermannschaft der Regionalliga Nordost. Trainer Voigt mit Blick auf Müller: "Man muß auch mal den Ball treffen." Roman Müller dürfte sich nicht allzulange grämen. Auch die dank der DFB-Pokalkämpfe inzwischen weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt gewordenen Energie-Angreifer Toralf Konetzke (bisher 14 Treffer), Detlef Irrgang (10) oder Matthias Zimmerling (6) blieben temperament- und torlos. "Der BFC stand hinten gut", verfiel Eduard Geyer in den Jargon aus alten DDR-Oberligazeiten, "wir müssen uns jetzt schnell straffen und konzentrieren."

Das letzte Auswärtsmatch vor dem Spiel des Jahres in Cottbus (15. April DFB-Pokal-Halbfinale gegen den Karlsruher SC) brachte den Gästen nicht das angestrebte "Erfolgserlebnis durch Tore" (Geyer). Der Trainer kam vielmehr zu dieser Erkenntnis: "Wenn wir im Pokal so spielen wie gegen den FC Berlin, dann sind wir gegen den KSC chancenlos." Der überaus ehrgeizige Fußball-Lehrer, über den Energie-Präsident Dieter Krein sagt: "Der hat aus einem Haufen Lehm erst Männer geformt", weiß genau, daß er trotz aller Appelle das KSC-Spiel während der Punktekämpfe nicht völlig aus den Köpfen seiner Spieler verbannen kann. Der eine oder andere will sich nicht verletzen, um gegen den Erstligisten präsent sein zu können. Und noch etwas anderes entwickelt sich bei den Pokal-Helden (bisher Siege gegen Stuttgarter Kickers, VfL Wolfsburg, MSV Duisburg und FC St. Pauli) zum Problem: das Wissen, trotz der ungeheuren Erfolgsbilanz am Ende mit leeren Händen dastehen zu können.

Nach dem Pokalhit gegen Karlsruhe mit total ungewissem Ausgang warten im Juni die beiden unseligen Relegationsspiele um den Aufstieg in die 2. Bundesliga gegen den Nord-Ersten Hannover 96. "Mit den wichtigsten Spielern haben wir Vorverträge für die zweiten Liga und die Regionalliga abgeschlossen", sagt Präsident Krein. Im Falle des Aufstiegs, der sehr spät feststehen wird, sind Verstärkungen überlebenswichtig. "Wir müssen dann das nehmen, was noch auf der Wiese steht", umschreibt Dieter Krein die Problematik. Geld für Neueinkäufe ist vorhanden und wird nach dem Pokalfight gegen Karlsruhe noch reichlicher fließen. Die Generalprobe steigt am Freitagabend gegen Lok Altmark Stendal. Zum erstenmal unter 850 Lux hellem Flutlicht im "Stadion der Freundschaft". Trainer Geyer: "Diese Atmosphäre wird alle beflügeln." Ein Auftritt wie in Berlin, wo der Trainer der Temperamentvollste seines Ensembles war, wird sich kaum wiederholen.

FC Berlin:
Bartel; Brestrich; Maek, Kallnik; Dahlke, Reckmann, Jonelat, Höppner (46. Ohly); R. Müller, Gezen; Seruga (66. Lau)
FC Energie Cottbus:
Wehner; Hoßmang; Jesse, Melzig, Benken; Kronhardt, Woltmann, Lazic (66. Irrgang), Zöphel; Konetzke, Seifert (76. Zimmerling)

Schiedsrichter:        Bley (Sehma)
Zuschauer:             740

Michael Jahn, Berliner Zeitung, 06.04.1997