09. Spieltag 1996/97: FC Berlin - 1. FC Union Berlin 0:6

Union hinterläßt dem alten Rivalen ein Sixpack / In der Regionalliga bereitet der FC Berlin den Wuhlheidern beim 0:6 einen angenehmen Nachmittag
Eine Halbzeit lang hatte sich Werner Voigt heiser geschrien und durfte sogar guter Hoffnung in die Kabine gehen. Nur 0:1 lag sein FC Berlin gegen den Favoriten 1. FC Union zurück. Doch in Hälfte zwei mußte Voigt statt mannhafter Fußballer, "nur noch aufgescheuchte Hühnervögel" in grün-weißen Trikots beobachten. Der FC Berlin fiel widerstandslos in sich zusammen, Trainer Voigt duckte sich angesichts der Torlawine tief in seinen Sitz. 0:6 - also sprach Bankdrücker Voigt von einer "Blamage" seines allzu braven Teams. Der FCB hat Dresden geschlagen und TeBe mit feudalem Spiel einen Punkt abgeknöpft. Doch viel mehr ist nicht drin, so wird es wieder gegen den Abstieg gehen. Voigt vermißt Sebastian Müller (Kreuzbandriß) und Toralf Arndt. Der neuverpflichtete Nigerianer Teibowei konnte sich Union auch nicht entgegenstemmen, weil er zur Beschaffung eines Arbeitsvisums mal eben nach Lagos gedüst war.

Ein Viertel der Mannschaft hat in der vergangene Saison noch in der 2. Mannschaft in der Kreisliga gekickt. Einige dieser Junioren, glaubt Voigt, "werden total überschätzt". Am Samstag fehlte es überraschend auch an spielerischer Substanz. Den nach der Verletzung beider Stammtorhüter reaktivierten Keeper Ingo Rentzsch traf am Tore-Sixpack noch die geringste Schuld. Der 1. FC Union dagegen baute im Gastspiel beim alten Rivalen neues Selbstbewußtsein auf. Die routinierte Achse Tormann Kosche - Libero Meyer - Kapitän Schwanke und Stümer Boer zählt ohnehin noch immer zum Besten der Regionalliga. Als Schwanke nach einer Stunde Rot-Gelb sah, weil er sich über eine Schiedsrichterentscheidung belustigt hatte, legten die Wuhlheider zu zehnt noch vier Tore nach. Neben Torsten Boer war der eingewechselte Marco Küntzel der überragende Mann.

Das 4:0 besorgte er selbst, zweimal leistete der bei Hansa Rostock ausgemusterte 20jährige Glatzkopf treffliche Vorarbeit. Union-Trainer Karsten Heine mochte im Spiel seines Teams "keine Krümel suchen". Doch Mitleid mit dem FC Berlin verspürte Heine allemal: "Denn beim 0:4 gegen Cottbus haben wir so harmlos wie heute der FCB gespielt." Nach der Einstellung der sportlichen Übungen folgte die übliche Verlängerung abseits des Rasens. 200 Kräfte hatte die Berliner Polizei ins Sportforum entsandt, darunter auch sogenannte "Aufklärer" in Zivil, um den befürchteten Übergriffen der FCB-Hooligans vorzubeugen. Die Aktion verlief relativ reibungslos. Während die zahlenmäßig unterlegenen Union-Fans das Stadion bereits verließen, wurden die FCB-Anhänger noch eine Viertelstunde eingekreist. Dabei kam es zu einigen Handgreiflichkeiten, acht Hooligans wurden für einige Stunden festgenommen. Das Lagezentrum der Polizei meldete einen "ganz normalen" Nachmittag.

FC Berlin:
Rentzsch; Brestrich; Maek, Reckmann; Kallnik (46. Lätsch), Höppner (64. Göllnitz), Jonelat, Ohly (64. Lau), Dahlke; Pronischew, Lesch
1. FC Union Berlin:
Kosche; Meyer; Persich, Rehmer; Klews, Petrowsky, Schwanke (62. Platzverweis), Struck, Wendt (57. Petzold); Boer (79. Skela), Jank (57. Küntzel)

0:1 Boer               (44.)
0:2 Küntzel            (61.)
0:3 Struck             (65.)
0:4 Boer               (75.)
0:5 Rehmer             (81.)
0:6 Klews              (84.)

Schiedsrichter:        Augar (Berlin)
Zuschauer:             1.850

Jens Weinreich, Berliner Zeitung, 30.09.1996