05. Spieltag 1994/95: BFC Türyiemspor Berlin 1978 - FC Berlin 3:4

Voigt als Unglücksrabe
Dramatik pur in der Schlußviertelstunde. Und ein unglückliches Ende für Türkiyem, das die meiste Zeit geführt hatte, dann allerdings die (Deckungs-) Nerven verlor. Freilich wäre es verkehrt, die ganze Schuld auf den wackeligen Keeper Voigt abzuladen, dem Trainer Thomas Remark drei Gegentreffer ankreidete. Denn im gesamten Abwehrbereich machte sich das Fehlen des verletzten Wolfram und des gesperrten Catic höchst negativ bemerkbar. Den ganzen Kopf jedoch wollte der neue Coach seiner Elf nicht abreißen. "Es lagen Welten zwischen heute und dem 0:2 gegen TeBe," resümierte Remark, "Einsatz und Wille waren da." Das ist sicher richtig. Und Recht hat der frühere Hertha-Stürmer wohl auch mit dem Hinweis auf die Personalprobleme, waren doch neben Wolfram und Catic auch die blessierten Kahraman und Ozman nicht dabei, während Drabow nach Cottbus abgewandert ist.

Nur - ein paar Ausfälle wird es im Laufe einer langen Saison immer geben. Da darf nicht gleich das ganze Konzept ins Wanken geraten. Ein ambitioniertes Team braucht halt nicht elf, sondern 16, 17 gute Spieler. Jeweils zu Beginn beider Halbzeiten dominierte Türkiyem derart deutlich, daß der Sieg eigentlich nicht in Frage zu stehen schien. Erst 2:0 geführt, dann lange 2:1, schließlich noch das leicht anrüchige, weil mit der Hand vorbereitete 3:2 durch Herbst acht Minuten vor Schluß. Doch der Wirt, ohne den die Rechnung gemacht wurde, hieß FC Berlin. "Kompliment für die Moral der Mannschaft", freute sich Trainer Helmut Koch, ohne vom Boden der Tatsachen abzuheben: "Zeitweise haben wir große Probleme im Deckungsgefüge gehabt." Torwart Oster, Libero Brestrich, Stürmer Steffen sowie Zöphel, der mit 25 Jahren schon zu den "Opas"

in diesem blutjungen Team zählt, das sind die Korsettstangen, um die herum nur Jungs um bzw. unter 20 vehement nach vorn drängen. Manchmal freilich wird noch mit dem Hintern eingerissen, was vorn mühsam aufgebaut wurde (Nikol, Schröder, Kallnik). Doch Spiel um Spiel dürfte die Erfahrung wachsen. Jedenfalls brennt Feuer in dieser Truppe, die unter einer schief gewickelten Anhängerschaft leidet ("Ausländer raus..."), wofür sie jedoch nichts kann. Die Polizei war mit neun Mannschaftswagen präsent. Sportlich rassig und lobenswert fair ging's Gott sei Dank auf dem Spielfeld zu. Prächtige Duelle prägten die Szenerie: An der Spitze Mankowski gegen Steffen (beide stark) und Krämer gegen Hennig (dito), aber auch Gosto gegen Zöphel, Kunert gegen Kallnik oder Kolloff gegen Talent Fensch. Am Ende gewann in der Tat die glücklichere Mannschaft...

BFC Türkiyemspor Berlin 1978:
Voigt, M. Öztürk; Mankowski, Polenski; Arduc (37. Sekinajew), Krämer, Kunert, Gosto, Kücükboyaci; Caljkusic (75. Herbst), Kolloff
FC Berlin:
Oster; Brestrich; Fensch, Müller; Schröder, Zöphel, Kallnik, Nikol (83. Reckmann), Hennig; Franke, Steffen

1:0 Kallnik            ( 6., Eigentor)
2:0 Krämer             (14.)
2:1 Schröder           (18.)
2:2 Müller             (78.)
3:2 Herbst             (82.)
3:3 Hennig             (83.)
3:4 Steffen            (85.)

Schiedsrichter:        Müller (Dresden)
Zuschauer:             890

Wolf Reimer, Fußballwoche, 29.08.1994