27. Spieltag 1991/92: FC Berlin - PFV Bergmann Borsig Berlin 2:0

Zu wenig riskiert / Bergmann gegen FC Berlin ohne Chance
Wenn nicht alle Stricke reißen, war dies am Dienstag das Meisterstück des FC Berlin. Souveräner als erwartet hielten sich die Mannen von Trainer Bogs ihren hartnäckigsten Verfolger vom Leib und siegten zweifellos hochverdient. Zwar übernahmen die Pankower nach Halbzeit die Initiative, aber es war zu spät. Gegen eine kompakte, voll konzentrierte FCB-Deckung gab es strenggenommen nicht eine einzige klare Torchance für die Bergmänner, die man im Vorwärtsgang schon wesentlich stärker gesehen hat, u.a. beim 0:0 im hochklassigen Hinspiel. Wobei die Qualität jener Begegnung diesmal nicht ganz erreicht wurde. Entschieden wurde die Partie schon in der ersten Halbzeit, als sich Bergmann für einen Herausforderer viel zu passiv verhielt. Warum eigentlich? Die Pankower hatten doch absolut nichts zu verlieren. Sie ließen zwar den langen Schulz weiter vorgeschoben agieren (Bogs: "Dadurch war Backasch hinten gebunden"), der Effekt blieb jedoch gleich null. War also die Taktik falsch gewählt?

BB-Trainer Scholz veneinte: "Wir kamen einfach nicht zu einem organisierten Spielaufbau, weil wir in der Mittelfeldzone früh gestört wurden, zuviele Zweikämpfe verloren." Richtig. Aber Scholz sagte auch (über das offene Visier seiner Elf nach der Pause): "Der Spielstand bestimmt die Taktik." Na bitte. Gerade die entscheidenden Figuren der Bergmänner wirkten über weite Strecken lahmgelegt. Weder Hackbusch noch Wehrmann gelang es, den "tödlichen" Paß zu spielen. Zum einen lag das womöglich am fehlenden Esprit der beiden, andererseits konnten die Spitzen Kolloff und Jopek ihre bärenstarken Widersacher Reckmann und Lenz auch nie richtig abschütteln. Und über die Außen (Joppien rechts, Siwa links) ließ sich der erhoffte Dampf ebenfalls nicht erzeugen. Jürgen Bogs drückte es wohlkorrekt aus: "Ich habe den Gegner stärker in der Offensive erwartet." Wir auch. Was beim Sieger besonders imponierte, war die nahezu perfekte Raumaufteilung, einhergehend mit äußerster taktischer Disziplin.

Auch gelang es dem FC Berlin mitunter vorzüglich, das Tempo zu beschleunigen bzw. bei Bedarf zu verschleppen. Eine große erste Halbzeit legte Leichtfuß Tolkmitt hin, viele gescheite Pässe kamen von Rambow, unermüdlich auf Achse waren Fügner und besonders der routinierte Backs. Aber Bogs wäre nicht Bogs, hätte er nicht doch ein paar Haare aus der Suppe gefischt. "Auf der rechten Seite hatten wir Probleme," so der Coach. Und: "Nach Halbzeit haben wir zu schnell die Bälle verloren." Da ist das Spiel des FC Berlin in der Tat noch verbesserungsfähig. Dennoch: In dieser Form dürfte der FCB ein ernsthaftes Wörtchen in der Aufstiegsrunde mitsprechen. Der spionierende Union-Trainer Werner Voigt wird sich so seine Gedanken gemacht haben. Schmerzlich ist natürlich der langfristige Ausfall von Pronischew, für den Zöphel (in ungewohnter Rolle) kein adäquater Ersatz war. Nun soll mit Hennig als einzige Spitze ein Versuch gemacht werden. Aber so leicht wird der Russe nicht zu ersetzen sein.

FC Berlin:
Nofz; Brestrich; Lenz, Reckmann; Backasch, Rehbein (86. Jesse), Rambow, Tolkmitt, Fügner, Backs; Zöphel (85. Hennig)
PFV Bergmann Borsig Berlin:
Hartmann; Wagner; Petsch, Zavanko; Joppien, Wehrmann (85. Rosalski), Schulz, Hackbusch, Siwa (68. Schulze); Kolloff, Jopek

1:0 Reckmann           (32.)
2:0 Tolkmitt           (43.)

Schiedsrichter:        Blumenstein (Berlin)
Zuschauer:             1.595

Raimund Wilheim, Fußballwoche, 04.05.1992