03. Spieltag Aufstiegsrunde 1992: FC Berlin - 1. FC Union Berlin 3:0

FCB konternd zum Sieg / Erster Sieg! / Unions Pechvogel: Olaf Besser
Wer es positiv aus der Sicht des FC Berlin werten will: Mit nur drei Torchancen bis zur 68. Minute wurde das Lokalderby entschieden! Die Schöneweider "Kanarienvögel" in ihren gelb-grün gesprenkelten Hemden und Hosen hatten bis dahin in solcher Berechnung ein klares Plus (8:1!) und hätten daher eigentlich schon klar in Front liegen müssen. Ihr Trainer Voigt brachte es nachher wieder mal mit dem lakonischen Satz. "Wer keine Tore schießt, kann nicht gewinnen", auf den Punkt. Und wenn wir bei der Besten-Benotung Unions fixer Stürmer dennoch auch Besser nennen, mag´s paradox klingen, denn er allein hatte vor der Pause vier Gelegenheiten auf dem Latschen: Als er volley losdrosch - genau auf den famosen Nofz (12.). Nach schnellem Flankenlauf die Kugel rechts ans Außennetz setzend (20.). Neun Minuten später, dicht vor Nofz eine scharfe Flanke verpassend.

Und vier weitere Minuten danach, köpfend das Tor nicht treffend. Hätte er auch nur einmal getroffen - vermutlich wäre er am Ende auf den Schultern begeisterter Union-Fans in die Kabine geritten. So aber zählte er zu den enttäuschenden und enttäuschten Verlierern. Vier weiter Union-Gelegenheiten vor Halbzeit gingen aufs Konto von Maek (4.), Hofschneider (17.), Bennert (39.) und Henschel (43.), jeweils an Nofz scheiternd oder das Tor verfehlend. Wobei Henschel dem Treffer am nächsten kam, dessen Gewaltschuß der biegsame FC-Schlußmann gerade noch an die Latte lenken konnte. Gegen alle diese Chancen stand eine einzige des FC: Als Lenz flankte (16.), köpfte der aufmerksame Backasch vorbei. Es irrt aber, wer nun meint, Union habe unverdient verloren! Und weil ein Spiel nunmal zweimal 45 Minuten dauert, setzte sich schließlich das geruhsamere, aber methodischere Vorwärtsspiel der Schwarzroten durch.

Wobei ihnen freilich die Unioner mit kapitalen Deckungsfehlern entgegenkamen. Wo waren bei Backaschs Treffern, aber auch bei Backs´ Tor (Spötter meinten, es war das erste Kopfballtor des kleinen 29jährigen!) Unions Abwehrleute? Wie Salzsäulen standen sie herum. Als es erst 1:0 stand, Bennert mit verzweifeltem 30-m-Schuß (57.) auf Nofz, und Brestrich dem einschußbereiten Schneider (63.) gerade noch den Ball vom Fuß hatte spitzeln können, ahnte man, was kommen würde. Backasch band mit dem 2:0 sozusagen den Sack zu. Lethargie machte sich breit unter den Unionern. Am Ende hatte der FC mit 6:10 den Chancenrückstand zwar noch nicht ausgebügelt, aber den Kampf alles in allem verdient gewonnen. Daß hier individuelle Fehler entschieden, beweist wieder mal die Unwägbarkeit des Spiels. So müssen die athletischen FC-Manndecker Lenz und Reckmann als Sieger gegen Unions "Zwillinge" Besser und Henschel genannt werden.

Obwohl diese beileibe nicht schwächer waren als etwa Zöphel und Tolkmitt, denen der Riese Maek und der aufmerksame Placzek "über" waren. Bleibt die Frage unbeantwortet, ob etwa der später für Bennert ins Team gekommene Gibby Mbasela als emsiger, technisch geschickter Stürmer mehr herausgeholt hätte. Gegönnt hätte man es ihm, dem sympathischen Afrikaner, der sich im übrigen unflätiger Verbal-Angriffe des FC Berlin-Anhangs ausgesetzt sah. Matthias Zimmerling, schon vorher als "Feuerwehr" am linken Flügel ins Team genommen, lief als frischer Mann in keiner Phase zu jener Form auf, von der sich die Unioner den nötigen Druck im Finale erwartet hatten. Aber das Spiel war da praktisch schon verloren. Wie das so ist: Ein lokales Spiel dieser Art wird meistens mit dem ersten Treffer entschieden.

FC Berlin:
Nofz; Brestrich; Lenz, Reckmann (73. Manke); Backasch, Backs, Rehbein, Jesse, Fügner; Tolkmitt (80. Hennig), Zöphel
1. FC Union Berlin:
Lihsa; Vogel; Placzek (51. Zimmerling), Maek; Bennert (60. Mbasela), Schneider, Fandrich, Hendel, Hofschneider; Besser, Henschel

1:0 Backasch           (47.)
2:0 Backasch           (68.)
3:0 Backs              (86.)

Schiedsrichter:        Schmidhuber
Zuschauer:             4.520

Lutz Rosenzweig, Fußballwoche, 01.06.1992