01. Spieltag 1988/89: BFC Dynamo - HFC Chemie 2:2

Machold und die fünf Minuten
Schlafende Hunde soll man bekanntlich nicht wecken. Diese Erfahrung machte der Meister bereits das zweite Mal mit dem HFC, der ihm ja bereits im Frühjahr nach einem 0:1-Rückstand noch ein 2:1-Schnippchen geschlagen hatte. Der größte Leidtragende war Bodo Rudwaleit, der in den ersten 45 Minuten auch seinen fünfjährigen Filius Robert hätte in den Kasten stellen können. Bis dahin passierte nämlich gar nichts davor, "fehlte uns jegliche Zweikampfforsche und Biß", bekannte Lutz Radtke, durchgängig der Stabilste bei den Gästen. Aber dann schlugen die fünf Minuten des pfeilschnellen Uwe Machold, und dem langen BFC-Keeper blieb nichts anderes übrig, als von drei Bällen, die auf sein Tor kamen (!), zwei aus dem Netz zu holen. Zuerst wuchtete der Blondschopf nach einem exakten 40-Meter-Flugball von Penneke die Kugel aus dem vollen Lauf unter den Balken.

Ich wußte, diese Chance kommt nicht noch einmal", erzählte freudestrahlend der 26jährige. Dann versuchte er es mit einem Rieseneinwurf, den auf der Gegenseite Bernd Schulz zuvor sechsmal vergeblich praktiziert hatte. Und der zeitigte sofort Wirkung in der BFC-Abwehr. "Wer so leichtfertig seine Vorteile aus der Hand gibt und mit der Vielzahl von Chancen lax umgeht, der muß dafür bestraft werden." Wer verstand nicht den Ärger von Jürgen Bogs, dessen Elf über eine Stunde durchaus mit der Favoritenrolle zu leben verstand. Die Abwehr, aus der von Rohde und Köller die stärksten Impulse nach vorn ausgingen, gestattete dem Gast vor der Pause keine Chance und nur ein Schuß neben das Tor (Machold/45.). Im Mittelfeld (ohne Ernst, Backs), wo Ksienzyk erstmals auftauchte, schlug man die schärfere, wuchtigere Klinge gegenüber den 18jährigen Karl und Tretschok. Das 2:0, von Thom nach eindrucksvollem Solo für Küttner vorbereitet, spiegelte noch nicht einmal Feld- und Chancenvorteile in der ersten Phase exakt wider.

Das verhinderte nicht zuletzt Adler, im Vorjahr nur auf der Bank zu finden. Er parierte Pastors Flachschuß in großer Manier (24.) und nahm auch Thoms Sturmlauf, der allein vor ihm auftauchte, mit toller Fußabwehr (34.) die Spitze. In den 20 Minuten nach dem Wechsel gar, "als unser Spiel immer lockerer, aber wohl auch zu selbstsicher wurde", so Frank Rohde, trieben die Dynamos mit einer Vielzahl klarster Chancen vor dem HFC-Gehäuse regelrecht mit Entsetzen Scherz. Vornweg Pastor und Doll, der die Kugel zwar am herauslaufenden Adler vorbei, aber nicht ins Tor bekam (65.). "Wir hatten gehöriges Glück, aber letztlich auch das des Tüchtigen", urteilte Karl Trautmann, angetan von der Steigerung, vom Behauptungswillen seiner Elf, in der neben Lorenz, Machold, Penneke und Wagenhaus auch die Youngster im Mittelfeld merklich auftauten. Hier aber geriet das Spiel der Berliner, auch die Auswechslungen belegten es, doch merklich auf tönerne Füße.

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Herzog, Reich, Köller; Ksienzyk, B. Schulz (83. M. Schulz), Küttner (74. Fochler); Doll, Pastor, Thom
HFC Chemie:
Adler; Wagenhaus; Lorenz, Penneke, Radtke; Tretschok, Wiermann (46. Schütze), Karl, Trocha; Schülbe, Machold

1:0 Pastor           (31., Foulstrafstoß)
2:0 Küttner          (40.)
2:1 Machold          (66.)
2:2 Schülbe          (70.)

Schiedsrichter:      Prokop (Erfurt)
Zuschauer:           15.000

Klaus Thiemann, Neue Fußballwoche, 16.08.1988