26. Spieltag 1987/88: BFC Dynamo - FC Vorwärts Frankfurt (Oder) 1:0

Ein Tor - zwei Welten
Was ist schon ein Tor in einer langen Saison? Es kann alles, aber auch alles bedeuten. In Berlin brachte es zwei Welten: den Jubel des alten und neuen Champions und die tiefe Bitterkeit des Absteigers FC Vorwärts. Der Zugzwang bestand für beide Mannschaften vor dem Anpfiff. Beim Sieg für den HFC brauchte kein Blick nach Leipzig folgen, bei einem Unentschieden blieb der FCV in der Oberliga! Reichs Kopfball - anscheinend hatten die Rot-Gelben nicht das Pokalspiel des BFC gegen Hansa vor Augen, ansonsten wäre man auf eine Tor-Dublette besser vorbereitet gewesen - ließ die Waage zugunsten der Hauptstädter ausschlagen. Im Spielverlauf selbst konnten dagegen keine Unterschiede registriert werden. Der Titelverteidiger wandte erneut die Taktik aus der erfolgreichen Partie gegen die Dresdner an, als Sicherung erstes Gebot war, "mit einer kontrollierten Offensive der Torerfolg gesucht werden sollte", meinte Jürgen Bogs.

Auch solche taktischen Denkweisen gehören in das Repertoire einer Meistermannschaft, selbst wenn das Spiel dann nicht immer das ansehenswerteste ist, weil einfach zu wenig riskiert und damit zu wenig Torchancen registriert werden. Thom versuchte es zweimal (7., 8.), dann zog es den Dribbelkünstler auch mehr in die Sicherungsgefilde zurück. Doll wurde früh angeschlagen und Ernsts Stärken lagen diesmal mehr im kämpferischen Nachsetzen. So manövrierte sich der Champion in eine ungemütliche Situation hinein, aus der er spielerisch zu selten herausfand (M. Schulz). Aber mit Cleverneß und Stabilität auf den wichtigsten Positionen (Rohde, Rudwaleit) wurde der letzte Stein beim Meisterbau gesetzt Daß der Absteiger nicht wie einer aussah, wen wird das beim FCV in den nächsten Tagen noch interessieren?

Spielerisch kann ich der Mannschaft keine Vorwürfe machen. Unsere Hintermannschaft hatte den renommierten BFC-Angriff gut im Griff", urteilte Gerhard Reichelt Der FCV versteckte sich nicht, sondern suchte mit offensivem Spiel den doch so alles entscheidenden Punkt zu retten. Auf seiner Seite lagen sogar die klareren Chancen, denn Schnürer kam in Mittelstürmerposition frei in Ballbesitz und verhaspelte sich (7.), Rudwaleit mußte bei Schüssen von Bennert (18.) und Duckert (45.), später wiederum Bennert (53.) und Schnürer (74., 80.) gehörig auf der Hut sein. "Aber was gegen den FCK der Lutz Schnürer noch so gut machte, hier versagten ihm die Nerven", so noch einmal Gerhard Retchelt So blieb Reichs Tor das einzige auf der Anzeigetafel. Ein Tor, das die ganze Gefühlswelt zweier Mannschaften beinhaltete. Was ist ansonsten schon ein einziges Tor?

BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Reich, Köller, Ksienzyk; Küttner, B. Schulz, M. Schulz (60. Pastor); Ernst, Thom, Doll (84. Grether)
FC Vorwärts Frankfurt (Oder):
Wiehnhold; Hause; Roth, Sauer, Schneider; Vogel, Bennert, Fischer (57. Gajewski); Duckert, Schnürer, K. Schulz (84. Steinfurth)

1:0 Reich            (36.)

Schiedsrichter:      Roßner (Gera)
Zuschauer:           7.000

Jürgen Nöldner, Neue Fußballwoche, 31.05.1988