21. Spieltag 1987/88: BSG Stahl Riesa - BFC Dynamo 1:3

Wieder einmal scheint der Meister seine Kreise an der Spitze zu ziehen. Jedenfalls rein resultatsmäßig. Doch trotz des am Ende deutlichen 3:1 - es war lange nicht in dem Topf, in dem es kochen sollte. Wer wollte überhaupt auf Sparflamme kochen?
Eigentlich hatte diese Partie schon nach wenigen Sekunden die dem BFC angenehme Würze angenommen. Im Husarenstil schien die Riesaer Festung zu nehmen sein. Dolls frühes Tor deutete zumindest ziemlich deutlich darauf hin. Doch von jener Klasse, einen angeschlagenen Kontrahenten nach allen Regeln der Kunst auszumanövrieren, sind die Berliner anscheinend nicht mehr. "Die meisten dachten wohl, mit dem ersten Tor wäre der wichtigste Teil der Aufgabe schon bewältigt. Und schon bekamen wir ungewollt Probleme", urteilte Kapitän Frank Rohde kritisch-nüchtern. Daß diese zum Teil selbst aufgestellten Hürden schließlich doch noch übersprungen wurden, dazu bedurfte es vor allem einer Konzentrationssteigerung.

Im Vorbeigehen waren die Riesaer aber auch dann nicht zu bezwingen. Natürlich erspielten sich die Gäste optische Vorteile, standen hin und wieder sogar frei vor Boden (Doll/Grether). Der letzte Pepp aber fehlte. "Da mußte ich zur Halbzeit sogar laut werden und an die Einsatzbereitschaft appellieren, denn nach der schnellen Führung gingen wir nicht mehr engagiert genug zu Werke", meinte Jürgen Bogs. Daß die Berliner bis zuletzt ihrer Sache nicht sicher sein durften, war das Verdienst der phasenweise über sich hinauswachsenden Riesaer. Wer hatte schon angenommen, Leonhardt könnte Thom zumeist neutralisieren und zudem selbst torgefährlich werden (Sololauf von der Mittellinie bis in den Strafraum, wo er sich dann das Leder zu weit vorlegte/58.)?

Wer rechnete damit, daß sich Müller als Widerpart von Ernst so "zerreißen" würde? Und wohl niemand damit, daß selbst Libero Frank Dünger nur um Haaresbreite den Torerfolg verpaßte (Lattenschuß/8.)? Respekt, Respekt! Das war nicht von schlechten Eltern, wenngleich es dafür keine Punkte gab. Ihre moralische Wirkung dürfte diese erbauliche Vorstellung aber nicht verfehlen. Schließlich erbrachten die 90 Minuten auch Manfred Lienemann den Beweis, daß sich die Mannschaft noch lange nicht aufgegeben hat. "In kämpferischer Beziehung mache ich an der Leistung keinerlei Abstriche. Das sollte uns Mut machen", meinte der Trainer, der seiner Elf bescheinigte, sich achtbar aus der Affäre gezogen zu haben. "Mit einem Punkt durften wir ja kaum liebäugeln", blieb auch Sektionsleiter Klaus Lehmann Realist. Wer die Riesaer kennt, der weiß, daß sie dieses Resultat ohnehin in ihre Überlegungen und Rechnungen einbezogen hatten.

BSG Stahl Riesa:
Boden; F. Dünger; Leonhardt, Martick, St. Dünger; Frenzel (74. M. Schulz), Müller, Jentzsch; F. Kerper (78. Wude), Maaß, Pfahl
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Ksienzyk, Reich, Köller; B. Schulz, Ernst (81. Herzog), Fochler (71. Pastor); Doll, Grether, Thom

0:1 Doll             ( 2.)
1:1 Pfahl            (26.)
1:2 Doll             (62.)
1:3 Thom             (78.)

Schiedsrichter:      Roßner (Gera)
Zuschauer:           5.200

Andreas Baingo, Neue Fußballwoche, 19.04.1988