05. Spieltag 1987/88: FC Hansa Rostock - BFC Dynamo 0:4

Schon das zweite blaue Auge
Zum Fußball gehört auch Geduld, nicht nur bei den Zuschauern. Wer, in Rückstand geraten, überstürzt angreift, ohne sich um die eigene Deckung zu kümmern, der braucht sich am Ende nicht zu wundern, wenn ein "cooler" Kontrahent eben diesen Umstand ausnutzt und entschlossen zuschlägt. "Uns ist das schon bei Lok passiert", gab Hansa-Mittelfeldspieler Heiko März zu. "Und obwohl uns der Trainer noch einmal eindringlich gebeten hatte, diesen Fehler nicht noch einmal zu wiederholen, sah es gegen den BFC nicht anders aus." Innerhalb weniger Tage also das zweite blaue Auge für den Neuling. Es bleibt abzuwarten, ob er, dermaßen lädiert, sich noch im Labyrinth des Oberhauses zurechtfindet. Vorerst sieht es jedenfalls so aus, als müßte er sich nach neun Gegentreffern in zwei Spielen tiefgründige Gedanken über das gesamte Abwehrverhalten der Mannschaft machen...

Trainer Werner Voigt machte gar keine Ausflüchte. "Unsere Taktik ist danebengegangen, weil es uns nicht gelungen ist, Thom und Doll wenigstens hin und wieder zu neutralisieren." Die beiden haben sich wirklich gesucht und gefunden. Wie sie beispielsweise das zweite Tor machten, hätte ein objektiveres Publikum als das in Rostock sicherlich zu Beifall auf offener Szene veranlassen können. Thoms Antritt aus dem Mittelfeld, bei dem er seinem "Bewacher" Littmann keine Chance gab, Paß auf Doll, der exakt im rechten Augenblick seinem "Schatten" Ullrich entwischt war, und schon schlug der Flachschuß am langen Pfosten ein. Ein fußballerischer Leckerbissen! Trainer Jürgen Bogs war nach den 90 Minuten verständlicherweise zufrieden, nicht allein wegen des klaren Sieges.

Er verkannte aber keinesfalls die Naivität, mit der die Hanseaten in der Abwehr zu Werke gingen. "Sie erlaubten uns fast klassische Konter zu spielen. Das passiert wirklich nicht allzuoft." Der Gastgeber hatte, nüchtern betrachtet, sogar noch das Glück auf seiner Seite. So als der BFC unmittelbar vor der Pause im Quartett auf den von seinen Vorderleuten schmählich im Stich gelassenen Wahl zulief, dann aber Küttner einen haarsträubenden Paß spielte. Oder auch kurz nach dem Wechsel, als Ksienzyk mit einer scharfen Eingabe Kaehlitz fand, der aber per Kopf das Leder aus Nahdistanz über die Querlatte wuchtete. Ein halbes Dutzend wäre dann ja wohl doch zu grob gewesen. Das mag auch der BFC gedacht haben, der sich in den letzten 30 Minuten austrudeln ließ...

FC Hansa Rostock:
Kunath; Wahl; Ullrich, Littmann, Babendererde; Weilandt; Schlünz, März, Uteß (58. Schulz); Jarohs, Kruse
BFC Dynamo:
Rudwaleit; Rohde; Köller, B. Schulz, Ksienzyk; Küttner, Ernst, Backs (28. M. Schulz); Thom, Kaehlitz, Doll (76. Pastor)

0:1 Thom               (23.)
0:2 Doll               (30.)
0:3 Thom               (41.)
0:4 Kaehlitz           (59.)

Schiedsrichter:        Roßner (Pößneck)
Zuschauer:             25.000


Rainer Nachtigall, Neue Fußballwoche, 08.09.1987