25. Spieltag 1968/69: FC Karl-Marx-Stadt - BFC Dynamo 1:2

Becker war der BFC-Spielmacher
"Ja, wenn wir wenigstens die zahlreichen Chancen der zweiten Halbzeit genutzt hätten, könnten manche Schwächen an diesem Tage noch verschmerzt werden", erklärte FCK-Cheftrainer Bringfried Müller in einem Anflug von Galgenhumor. Er dachte gewiß an Lienemann, der zweimal nur Latte und Pfosten traf (67.) und gegen den Lihsa im Herauslaufen rettete (86.). Doch er sprach nicht von Glück und Pech und erwähnte auch nicht das 11:2-Eckenverhältnis für seine Elf. Kritisch-sachlich kommentierte er: "Das siebente Spiel in 21 Tagen, das zehrte an den Kräften. Die Laufarbeit war heute ungenügend. Ich muß von einigen Spielern trotzdem mehr verlangen. Es wurde zu locker gedeckt, die Ballsicherheit vernachlässigt.” Die Berliner Dynamo-Elf wußte als die frischere, kraftvoller operierende Mannschaft diese Schwäche klug zu nutzen.

Sie konterte geschickt und blitzschnell. Aedtner und Lyszczan stießen immer wieder voller Schneid in die FCK-Deckung hinein, Becker und Schneider rückten bei eigenen Vorstößen sofort zum Angriff auf, und auch Meynhardt wurde oft offensiv. Im Mittelfeld besaßen die Gäste diesmal erstaunlich viel Spielraum. Und so überraschte es nicht, daß hier über weite Phasen nicht der FCK, sondern der Berliner Becker die bestimmende Rolle spielte. Er operierte klug, spielte genau seine Vorderleute auf kurzer und weiter Distanz an und besaß gegenüber Erler auf der Gegenseite den unschätzbaren, ihm Auftrieb gebenden Vorteil, daß er in Schneider und den Stürmern, die auf seine Ideen eingehenden, sich durch fleißiges Laufpensum anbietenden Mitstreiter fand.

 "Wir besaßen in der ersten Halbzeit die größeren Spielanteile", bemerkte so zu Recht BFC-Cheftrainer Hans Geitel, "der FCK erreichte nie die gewohnte Dynamik. Das Auslassen seiner Chancen war ein Ausdruck seiner konditionellen Schwächen. Becker war unser stärkster Mann, und daß Aedtner von Göcke bewacht wurde, das spricht wohl für den Respekt, den der FCK unserem Stürmer entgegenbrachte. Trotz des Erfolges muß ich meinen Abwehrspielern aber einige vermeidbare taktische Fehler ankreiden." Dabei dachte er an Stumpfs lockere Deckungsart gegenüber Vogel, Meynhardts lobenswerte, aber ungesicherten Ausflüge (durch Zeidler zum 1:1 bestraft) und daran, daß Carow nicht immer der resolute letzte Mann war. Unzulänglichkeiten, die diesmal vom FCK nicht schärfer bestraft wurden, weil "heute das Tempo und die Kraft fehlten" (Vogel) und die "Chancen nicht konzentriert genutzt wurden" (Erler).

FC Karl-Marx-Stadt:
Gröper; Göcke; A. Müller, Feister, P. Müller; Klemm (20. Zeidler), Erler, Steinmann (28. Wiedensee); Schuster, Lienemann, Vogel
BFC Dynamo:
Lihsa; Stumpf; Trümpler, Carow, Meynhardt; Becker, Schütze (67. Hall), Schneider; Lyszczan, Aedtner, Großmann (78. Jakob)

0:1 Becker             (22.)
1:1 Zeidler            (23.)
1:2 Aedtner            (74.)

Schiedsrichter:        Neumann (Forst)
Zuschauer:             10.000


Wolfgang Hempel, Neue Fußballwoche, 13.05.1969