23. Spieltag 1963/64: SC Dynamo Berlin - SC Turbine Erfurt 0:1

Selbst gegen 10 Mann voller Nervosität / Bleys Ausscheiden nach fünf Minuten verkraftete Dynamo nicht
Wir sind weit davon entfernt, etwa außer acht lassen zu wollen, daß Meisterschaftsspielen in der Endphase der Saison, so ihnen außerdem auch noch außerordentliche Bedeutung im Kampf gegen den Abstieg zukommt, Nervosität und Unruhe anhaften kann. Das ist durchaus verständlich, ist immer wieder anzutreffen. Was allerdings in dieser Beziehung diesmal von beiden Mannschaften geboten wurde, war denn doch des Unguten zuviel, ging weit Ober das normale, erträgliche Maß hinaus! An dieser Feststellung kommt man nicht vorbei, sie traf auf beide Kollektive mit unterschiedlichem Akzent zu. Zunächst in diesem Zusammenbang zum SC Dynamo: Die Berliner traf schon in der 5. Minute ein empfindlicher Schlag, als Bley nach einem Zweikampf schmerzverzerrt an den Spielfeldrand humpelte und auch nach einer Behandlung nicht wiederkam. Muskelriß im rechten Wadenbein lautete die Diagnose, sie verurteilte die letzthin konstruktivste und produktivste Kraft der Berliner im Mittelfeld zum Ausscheiden.

Sicher blieb dieser Ausfall beim SC Dynamo nicht ohne Schockwirkung, hätte auch über manche spielerische Schwäche In der Folgezeit hinwegsehen lassen können. Nicht aber darüber, daß die Mannschaft - und das auf mehreren Positionen - keinen unbeugsamen Kampfeswillen vermissen ließ, sich nicht mit letzter Eifer darum bemühte, die zahlenmäßige Reduzierung dadurch auszugleichen. Das traf vor allem auf beide Flügelstürmer zu! Trümpler gelang kaum eine nennenswerte Aktion, derart viele Abspielfehler sah man in letzter Zeit tatsächlich selten von einem Oberligaspieler. In dieser Verfassung war der Dynamo-Rechtsaußen ganz einfach undiskutabel! Kaum wirkungsvoller spielte Klingbiel am linken Flügel. Sinnwidrige Täuschungsmanöver gingen mit unproduktiven Dribblings, direkt in die gegnerische Abwehr hinein, Hand in Hand. Unverständlich vor allem, daß sich der Linksaußen In der Schlußphase des Spiels auch noch entschloß, auf den rechten Flügel zu wechseln.

Hatte er sich vorher schon gegen den jungen Preuße nicht durchzusetzen vermocht, so war sein Vorhaben, das gegen Franke zu erreichen, ein nahezu aussichtsloses Unterfangen! Lediglich Hall und Wolff rackerten aufopferungsvoll, ihnen aber stemmte sich die zahlenmäßig stets überlegene Abwehr der Blumenstädter erst recht energisch entgegen, um den Angriffsgeist der beiden einzigen torgefährlichen Kontrahenten schon im Keime zu ersticken. Die Kritik an der Spielweise der Erfurter richtet sich weniger gegen die kompromißlose, aufopferungsvolle Abwehrarbeit der Männer um den schlagsicheren, stets die Übersicht behaltenden Wehner im Deckungszentrum, als gegen die taktische Unzulänglichkeit des SC Turbine, den Gastgeber nach dem Ausscheiden Bleys nicht spielerisch beherrscht zu haben. Zwar inszenierten Gratz und Bach aus dem Mittelfeld heraus - Watzlaw und Dittmann traten offensiv kaum in Erscheinung - keineswegs ungefährliche Spielzüge. Ideen- und Einfallsreichtum aber waren auch nicht die Stärken des Erfurter Angriffsspiels.

Knobloch bereitete Mühlbächer zwar erhebliche Schwierigkeit, durfte durch sein rastloses Laufspiel von der Dynamo-Abwehr deshalb auch niemals aus den Augen gelassen werden, verschenkte aber einen größeren Nutzeffekt seines aufwendigen Einsatzes durch oftmals unüberlegtes Abseitslaufen, wovon im übrigen der gesamte Erfurter Angriff nicht frei war. Eine Bemerkung sei uns noch zum Schluß erlaubt: Es muß einfach Unverständnis auslösen, daß ausgerechnet jetzt, im entscheidenden Abschnitt der Meisterschaft, ein Unparteiischer mit der Leitung dieses Spiels betraut wurde, der vorher noch kein Meisterschaftsspiel der höchsten Spielklasse gepfiffen hatte! Eine derartige Überforderung, der sicher vorhandenen Möglichkeiten muß durchaus nicht sein, dürfte einem jungen Mann wie Schiedsrichter Lorenz auch kaum dienlich sein. Ausdruck dessen war die mangelnde Konsequenz zur Strafstoßentscheidung, als Knobloch von Marquardt, wenige Meter vor dem Tor beim Umspielen zu Fall gebracht wurde, und der Pfiff dennoch ausblieb. Eine noch klarere Strafstoßsituation war schlechterdings undenkbar!

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Stumpf, Mühlbächer, Skaba; Bley (5. verletzt ausgeschieden), Unglaube; Hall, Renk, Trümpler; Wolff, Klingbiel
SC Turbine Erfurt:
Reßler; Preuße, Wehner, Franke, Dittmann, Watzlaw; Dittrich, Gratz; Knobloch, Bach, Schröder

0:1 Knobloch           (21.)

Schiedsrichter:        Lorenz (Dresden)
Zuschauer:             5.000

Günter Simon, Neue Fußballwoche, 14.04.1964