15. Spieltag 1963/64: SC Dynamo Berlin - SC Chemie Halle 2:0

Völlig ungefährliche Hallenser im Endspurt besiegt! / Prächtiger Einsatz aller Dynamo-Spieler, aber noch zuviele Unausgeglichenheiten im Angriff
Besteht nach diesem Treffen Veranlassung, das 2:0 des SC Dynamo als Bestätigung einer sich nun endlich anbahnenden Stabilisierung zu bewerten? Man muß vorsichtig bei der Formulierung der Antwort verfahren, denn überzeugend ist die Partie des Siegers auch diesmal nicht ausgefallen! Das wird man beim SC Dynamo, bei aller verständlichen Freude über diesen ungemein wichtigen Erfolg im Kampf gegen den Abstieg, ganz gewiß nicht außer acht lassen! Denn vergessen wir eines nicht: Erst als die gastgebende Mannschaft zu einem bewundernswerten Schlußspurt ansetzte und sich gegen die nunmehr kräftemäßig immer mehr abbauende Hallesche Elf deutlich in Vorteil brachte, gelang die Sicherstellung der beiden Punkte. Aber bis zu diesem Zeitpunkt, besonders vom Beginn der zweiten Halbzeit an, sah es keinesfalls vielversprechend für den Gastgeber aus!

Hier hat sich mit aller Deutlichkeit gezeigt, daß die Mannschaft auf dem Weg zu einer gewissen Leistungsbeständigkeit und auch spielerischen Reife noch beträchtliches zu leisten hat. Diesmal verkraftete sie Unzulänglichkeiten auf diesem Gebiet, weil der beispielgebende persönliche Einsatz alles überstrahlte und zum anderen der Gegner keinen allzuhohen Maßstab setzte. Doch das wird schon demnächst (denken wir nur an das Treffen bei Wismut Aue) anders sein! Niemand wird der Elf bestreiten können, daß sie auch auf diesem kräftezehrenden Boden von vornherein aufopferungsvoll bemüht war, daß dieser körperliche Aufwand auch zunächst für klare Vorteile im Spiel sorgte. Doch fehlerfrei funktionierte in dieser Zeit nur die Abwehr, in der sich Dorner mit bewundernswertem Einsatz ständige Vorteile verschaffte und auch Skaba seinen schnellen Widersacher Meißner im direkten Zweikampf immer wieder mit Erfolg stellte.

Schon aus dem Mittelfeld heraus aber ergaben sich, trotz Bleys großem und jederzeit zweckdienlichem Aufwand, allzuviele Mißverständnisse und Fehler im Kombinationsspiel - Ausdruck einer noch ungenügenden Abgeklärtheit einiger Spieler (Wolff, Trümpler). Darunter mußte die Sicherheit im Spiel zwangsläufig leiden! So überstand der SC Chemie diese für ihn äußerst bedenkliche Phase torlos, sich in Dynamos ständigen Angriffsfolgen dabei vor allem auf die Zuverlässigkeit seines Schlußmannes und die kompromißlose Spielweise von Mittelverteidiger Urbanczyk stützend. Und es war nach ungefähr 15minütiger Spieldauer deutlich zu erkennen, daß der Halblinke Lehrmann immer souveräner zum entscheidenden Mann der Hallenser aufwuchs und dem Angriffsspiel allmählich einen klugen Zuschnitt verlieh. Doch wo blieb in diesem Treffen die Ausgewogenheit der Angriffsreihe, wo der Ansatz zu wirklich torgefährlichen Aktionen?

Lehrmanns Initiative und seine immer wieder in den Raum geschlagenen Paßbälle (hervorragend mit dem Außenrist getreten!) mußten einfach ohne Nutzeffekt bleiben, weil bei straffer Bewertung nur Meißner bescheinigt werden kann, sich klug eingeordnet zu haben. Alles andere blieb mehr oder weniger unter dem Limit. Stein insbesondere, der aus der Tiefe heraus nicht ein einziges Mal den Mut zum kraftvollen Durchstoß oder zu einem herzhaften Torschuß fand. Wie wollte der SC Chemie unter diesen Voraussetzungen die Entscheidung für sich herbeiführen? Es läßt sich nicht von der Hand weisen, daß der SC Dynamo vor allem in den ersten 20 Minuten der zweiten Halbzeit von diesem Umstand begünstigt wurde, denn in diesem Abschnitt war von einem inneren Zusammenhalt und wohldurchdachten Angriffsfolgen wenig zu sehen. Erst mit Halls Führungstreffer gewann die Elf endlich ihr volles Selbstvertrauen. Jetzt war ihr der Sieg nicht mehr zu nehmen!

SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Dorner; Heine, Skaba, Bley; Unglaube, Hall, Wolff; Trümpler, Mühlbächer, Geserich
SC Chemie Halle:
Wilk; Heyer, Urbanczyk, Okupniak, Hoffmann; Bransch, Meißner, Walter; Stein, Lehrmann, Topf

1:0 Hall               (73.)
2:0 Trümpler           (78.)

Schiedsrichter:        Zülow (Rostock)
Zuschauer:             2.000

Dieter Buchspieß, Neue Fußballwoche, 28.01.1964