10. Spieltag 1963/64: SC Turbine Erfurt - SC Dynamo Berlin 1:1

Flügellahm und ohne jede Idee / Herbe Sonnabendenttäuschung für Fernsehzuschauer und Turbine-Anhänger
Was soll man zu einem solchen Spiel noch sagen? Was soll man noch schreiben, wenn direkt über den Fernsehbildschirm der Beweis des Unvermögens zweier Mannschaften geliefert wurde, ein konstruktives, ideenreiches, modernes Spiel aufzuziehen? Sollte Geserichs Tor in der 5. Minute, durch energisches Einschalten in eine unnötige Kurzpaßkombination zwischen Brandt und Dittrich ermöglicht, der Turbine-Elf einen solchen Schock versetzt haben? Von diesem Augenblick an häuften sich die Mängel im Abspiel, zum Teil hervorgerufen durch zu langes Ballhalten, griff die Unkonzentriertheit in der Abwehr und im Aufbau der Angriffe Platz, verlief der Angriffsschwung im Sande. Trainer Wolfgang Seifert hatte wiederum Wehner nach vorn beordert, um seinem Angriff etwas Halt, um ihm einen Regisseur zu geben. Aber Wehner ist noch nicht der gewünschte Regisseur. Zu wenig inspirierte er seine Nebenleute zu überraschenden Aktionen.

Und da Bach das Spiel oft verzögerte und die Läufer genau wie ihre Kollegen von Dynamo wenig Konstruktivität bewiesen, mußte der Erfolg ausbleiben. Immer wieder wurde dasselbe versucht: hohes Steilspiel unter grober Vernachlässigung der Flügel. Die Gerechtigkeit gebietet festzustellen, daß Dynamo wenigstens den Versuch machte, dem Spiel eine klarere Linie zu geben. Aber auch hier blieben Ideen rar und die Flügel lahm. Geserich und Wolff sollten zwar "hängende Außen" spielen, aber so darf man es wohl doch nicht tun, wie es Wolff praktizierte: nämlich nach jedem Abspiel eine Pause zu machen und sich bloß nicht weiter in das Angriffsspiel einschaltent Immerhin zeigte sich die Dynamo-Abwehr etwas mehr auf der Höhe als am Vorsonntag in Leipzig.

Und vorn machte Hall bis zu seiner Herausstellung (nach Reflexhandlung gegen Franke) einigen Wirbel. Ja, um ein Haar hätte er das Spiel nach der Pause klar für seine Mannschaft entschieden. In der 59. Minute hatte er die zögernde Turbine-Abwehr wieder einmal ausgespielt - freistehend schoß er jedoch über das Tor, und in der 67. Minute plazierte er, obwohl von Brandt bedrängt, das Leder an den Pfosten. Fritz Gödicke sprach von einer leichten Formverbesserung seiner Mannschaft gegenüber dem 0:4 bei Chemie Leipzig, und die war unzweifelhaft auch festzustellen. Aber um die kritischen, auf gutes Oberliga-Niveau bedachten Beobachter und die Fernsehzuschauer vollends zufriedenzustellen, dazu bedurfte es gegen die diesmal indiskutablen Gastgeber doch etwas mehr.

SC Turbine Erfurt:
Bojara; Preuße, Brandt, Franke; Dittrich, Watzlaw; Schröder, Wehner, Knobloch, Bach, Gratz
SC Dynamo Berlin:
Marquardt; Stumpf, Heine, Skaba; Bley, Nebeling; Wolff, Udo Hofmann, Hall, Mühlbächer, Geserich

0:1 Geserich           ( 5.)
1:1 Dittrich           (75.)

Schiedsrichter:        Männig (Böhlen)
Zuschauer:             5.000

Günter Bonse, Neue Fußballwoche, 19.11.1963