25. Spieltag 1956: SC Wismut Karl-Marx-Stadt - SC Dynamo Berlin 3:1

Da bewies Tröger seine Qualitäten! / Der Tabellenführer hatte schwer zu kämpfen, um gegen gleichwertiges Dynamo zu siegen
Waren es die Auswirkungen der anstrengenden Spiele, vor 14 Tagen in Leipzig gegen Kaiserslautern und vor einer Woche in Sofia, wo immerhin fünf Spieler aus Aue mitgewirkt hatten? Ließ man es an der nötigen Konzentration fehlen in der Annahme, Dynamo würde ohne Herbert Schoen keine Gefahr bedeuten? Stellte schließlich nicht der Gegner durch zeitweise Zurücknahme seines Mittelstürmers das Angriffsspiel der Gastgeber vor eine ungewohnte Aufgabe? Gleich, welche von den drei Fragen man als entscheidend ansehen will, oder ob vielleicht alle drei Punkte zusammen erst die Erklärung für das diesmal schwache Spiel des Spitzenreiters ergeben, Tatsache bleibt jedenfalls, daß es bei Wismut an diesem Tag nicht so recht klappen wollte.

Da holte sich noch S. Wolf mit einem klugen Täuschungsmanöver, bei dem er zwei Gegenspieler in die falsche Richtung laufen ließ, den Sonderbeifall der Zuschauer, um im nächsten Moment den Ball in die Beine eines Gegners zu passen. Da zielte Manfred Kaiser nach einem gelungenen Dribbling einen Torschuß in Richtung Eckfahne. Da war von Arnim Günther nicht viel zu sehen. Kurzum, ein Spiel, das die Fußballfreunde in Aue absolut nicht mitreißen konnte. Auch Dynamo machte die lasche und unkonzentrierte Gangart eine Halbzeit lang mit. "Dynamo ist so schlecht wie sie stehen", bemerkte ein Besucher auf der Tribüne. "Wismut spielt auch entfernt nicht so gut, wie es der Tabellenstand andeutet", möchte man erwidern.

Ja, die ersten 45 Minuten boten nicht viel. Vergessen wir aber nicht den Überraschungsschuß von Willi Tröger, mit dem der Mittelstürmer in der 22. Minute Torwart Klemm überwand. Lassen wir für Dynamo als Entschuldigung gelten, daß Schoen und Schneider ersetzt werden mußten: Immerhin stellten die Gäste den Favoriten mit der Zurücknahme von Maschke vor eine ungewohnte Aufgabe. Unermüdlich pendelte die Nr. 9 im Mittelfeld hin und her, schaltete sich immer wieder mit Erfolg in die Kombinationen der Gastgeber ein und hatte auch noch genügend Kraft und Luft, verschiedentlich sogar wieder die Spitze zu bilden. Welch ein Wandel auf beiden Seiten nach dem Seitenwechsel! Das Tempo steigerte sich zusehends.

Der Einsatz erhöhte sich gewaltig. Die Spannung stieg. Den äußeren Anlaß hierfür bildete wahrscheinlich der Ausgleich, den Holze mit herrlichem Schuß auf Vorlage von Schröter zehn Minuten nach der Pause herausholte. Von nun an wurde Dynamo ein gefährlicher Gegner für den Meisterschaftsanwärter: Jetzt gab es den erwarteten Kampf um die Punkte. K. Wolf rettete mit Spagat, Bringfried Müller im Hechtsprung. Dann überspielte Tröger nacheinander drei Mann, und in der 25. Minute der zweiten Halbzeit war, vielleicht dem Spielverlauf nicht ganz gerecht, Wismut wieder vorn, erneut durch eine herrliche Einzelleistung von Tröger. So kann eben nur der Mittelstürmer von Wismut und unserer Auswahl vollstrecken!

Als nach einem Wechselpaß zwischen S. Wolf und Viertel das Leder steil in den Raum gepaßt wurde, nahm er es im Lauf mit der Brust mit, brachte es unter Kontrolle und schoß trotz des Angriffs von Michael hoch in die rechte Ecke. Doch Dynamo steckte nicht auf. Wieder stoppte der Kopf von "Binges" einen Scharfschuß von Schröter. Dann rettete die Latte gegen einen "Unhaltbaren" von Pinske, den der aufgeregte Thiemann bedient hatte. Die Eckenskala veränderte sich von 4:0 für Wismut vor der Pause auf 6:5 nach dem Wechsel. Die 5. Ecke für Dynamo übernahm Holze nach einem Kurzpaß zwischen Matzen und Pinske direkt mit dem linken Fuß. Knapp zischte der Ball am nahen Tor vorbei. Dann kam der zweite Konter von Wismut, der zugleich das dritte Tor des schußgewaltigen Mittelstürmers bedeutete.

Als Schlußfolgerung in diesem Spiel war für beide Mannschaften im Hinblick auf die nächsten Meisterschaftskämpfe zu ziehen: Ohne Herbert Schoen besitzt die Abwehr Dynamos nicht jene Sicherheit, um sich gegen eine Elf mit einem so starken Mittelstürmer wie Willi Tröger halten zu können. Es wird, wenn der Mittelverteidiger doch längere Zeit ausfallen sollte, nicht leichtfallen, die für den Erhalt der Klasse nötigen Punkte zu sichern. Immerhin sorgte die gute Moral der Mannschaft auch in Aue trotz der 1:3-Niederlage für ein im Feld zumindest gleichwertiges Spiel. Wismut wird und muß, um das gesteckte Ziel, die Meisterschaft, zu erreichen, in Zukunft mit größerer Konzentration und besserem Zusammenwirken aufwarten. Doch darf man gewiß sein, daß, wie eingangs gesagt, nach den Anstrengungen der letzten beiden Wochen die Spieler des Tabellenführers in Zukunft wieder zu ihrer alten starken Form zurückfinden werden.

SC Wismut Karl-Marx-Stadt:
Steinbach; Glaser, Müller, Bauer; K. Wolf, S. Wolf; Wagner, Kaiser, Tröger, Günther (63. Freitag), Viertel
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Skaba, Michael, Heine; Mühlbächer, Thiemann; Holze, Schröter, Pinske, Maschke, Matzen

1:0 Tröger             (22.)
1:1 Holze              (55.)
2:1 Tröger             (60.)
3:1 Tröger             (89.)

Schiedsrichter:        Schaub (Leipzig)
Zuschauer:             8.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 23.10.1956