07. Spieltag 1956: BSG Rotation Babelsberg - SC Dynamo Berlin 1:0

Rotationer explodierten geradezu / Klemm meisterte tolle Sachen / Kampfkraft!
Wenn es noch eines Beweises dafür bedürft hätte, wieviel Dramatik die Meisterschaftsspiele doch noch in sich bergen, dann wurde er auf dem Babelsberger Karl-Liebknecht-Sportplatz im Treffen zwischen dem SC Dynamo Berlin und Rotation Babelsberg vollauf erbracht. 90 Minuten lang dominierten die Babelsberger, obwohl so bewährte Kräfte wie Adam und Marquardt fehlten. Adam saß mit vergipstem Knie auf der Tribüne, Jeronimus ersetzte ihn aber fast gleichwertig. "Schrippe" Schröder, der für Marquardt einsprang, machte einen sicheren Eindruck und beging keinen Fehler. Man sah sich wieder in die Zeit der Blitzstarts der Babelsberger Elf zurückversetzt, die von allen Mannschaften von jeher mehr als gefürchtet sind.

Trotzdem dauerte es eine halbe Stunde, ehe Selignow aus halblinker Position mit einem kapitalen Schuß völlig unhaltbar für Klemm zur 1:0-Führung einkanonierte. Es schien nur eine Frage der Zeit, wann der errungene 1:0-Vorsprung der Gastgeber weiter ausgedehnt würde, aber Rechtsaußen Philipp konnte in der zweiten Halbzeit drei "todsichere" nicht zu Toren verwerten. Die 0:1-Niederlage der Gäste ist deshalb mehr als schmeichelhaft. Klemm war bei Dynamo der einzige Lichtblick. Hätte er nicht einen großen Tag erwischt, es hätte bös für die Berliner auslaufen können. Nicht nur in kämpferischer, nein auch in spielerischer Hinsicht war Rotation seinem Gegner überlegen.

Wenn man die Chancen der Dynamo-Stürmer, abwägt, so muß man sagen, daß sie - obwohl Hänsicke wieder mitwirkte - während der 90 Minuten nicht eine reelle Torchance hatten. In der Hintermannschaft der Berliner waren viele schwache Punkte. Das Fehlen von Herbert Schoen machte sich sehr bemerkbar. Sogar "Moppel" Schröters Selbstvertrauen - Harbolla wich ihm in der ersten Halbzeit nicht von den Fersen - war so stark erschüttert, daß ihn Trainer Petzold in der zweiten Spielhälfte als Außenläufer fungieren ließ und Heine in den Sturm beorderte. Diese Lösung machte sich bei Dynamo aber auch nicht vorteilhaft bemerkbar.

Meisterschaftstreffen werden nicht immer allein durch spielerisches Können gewonnen, sondern Kampfgeist, das taktische Rezept und die besseren Nerven sind am Ende doch mitentscheidend für den Erfolg einer Mannschaft. Über die zuletzt angeführten Faktoren verfügt Babelsberg im Augenblick in genügendem Maße. Die Rotationer sind dadurch zur Spitze vorgedrungen. Für die Filmstädter, das muß man an dieser Stelle noch einmal betonen, zweifellos eine große Leistung. Was sie heute auszeichnet, ist der unbedingte Siegeswille, und dieser versetzt bekanntlich Berge...

BSG Rotation Babelsberg:
Schröder; Jeronimus; Bartholomäus, Hagen; Harbolla, Tietz; Philipp, Schöne, Selignow, Gießler I, Gießler II
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael; Schneider, Haufe; Maschke, Heine; Wrobel, Schröter, Hänsicke, Punt, Matzen

1:0 Selignow           (30.)

Schiedsrichter:        Meißner (Dommitzsch)
Zuschauer:             10.000

Hans Wolfram, Neue Fußballwoche, 24.04.1956