13. Spieltag 1955: SC Dynamo Berlin - BSG Chemie Karl-Marx-Stadt 9:0

Chemie-Deckung hilflos gegen Dynamo-Wirbel / Stopper Riedel fand keine Mittel zur wirksamen Gegenwehr / Berliner konditionsstark!
Der höchste Sieg, der in der Übergangsrunde bisher erzielt wurde, war dieses 9:0 des SC Dynamo Berlin gegen Chemie Karl-Marx-Stadt. Erfreulich ist vor allem die Feststellung, daß Dynamo auch nach einer schon sicheren 4-5:0-Führung nicht in der Konzentration nachließ, sondern weiter mit voller Kraft um eine Erhöhung des Resultats bemüht blieb. Das setzt gute Einstellung zum Spiel und Willen voraus! Im Laufe der Zeit steigerten sich die Berliner in immer größere Spiellaune. Allerdings erleichterte ihnen der Gegner die Erzielung so vieler Treffer wesentlich. Man darf diese Tatsache auch bei Dynamo trotz aller verständlichen überschwenglichen Freude über diesen Erfolg nicht vergessen. Nun, wie wir Trainer Petzold kennen, der wieder auf seinem Klappstühlchen hinter seinem Schlußmann Klemm "Quartier" bezogen hatte, wird der das seinen Schützlingen schon sagen.

Man könnte bei Kenntnis des Resultats versucht sein, anzunehmen, Dynamo habe seine Gäste stückweise auseinandergenommen. In der Endkonsequenz war es schließlich auch so, aber zumindest hat es nach der reinen Anschauung und der Aufteilung der Erfolge im Mittelfeld nicht so kraß ausgesehen. Die Ursache zu der zahlenmäßig so hohen Niederlage war eine katastrophale Deckung mit einem von allen guten Geistern verlassenen Stopper Riedel, der nicht die Mittel fand, das Torso um sich herum einigermaßen im Zaum zu halten. Er selbst ist auch nicht mehr elastisch genug, um einmal selbst in höchster Not zu retten, wenn seine Nebenleute ausgespielt waren, wie man es bei vielen anderen Stoppern sieht. So war Haake meist hilflos auf sich allein angewiesen. Er hielt noch einige kraftvolle Schüsse eindrucksvoll, sonst wäre eine zweistellige Niederlage fällig gewesen! Dynamo nutzte vor allen Dingen die weit größere Schnelligkeit aus: Gute Kondition, die Chemie nicht annähernd erreichte, gestattete es den Berlinern, das scharfe Tempo bis zum Schlußpfiff durchzuhalten.

Da alle fünf Stürmer (Hänsicke fiel in der ersten, Schäffner in der zweiten Halbzeit etwas ab) auf Grund ihrer gut ausgebildeten Technik sehr viel direkt spielten und besonders von Maschke gute Mittelfeldunterstützung erhielten, sah sich die Chemie-Deckung meist einer schwer zu bekämpfenden Übermacht gegenüber. Ein oder auch zwei Stürmer Dynamos waren meist frei. Alle Tore, die jedes in "Ruhe und Würde" erzielt wurden, zeugen dafür. Der Chemie-Angriff dagegen, in dem übrigens Mittelstürmer Hübner wegen schwerer Verletzung (Beinbruch) fehlte (wir wünschen schnelle Genesung!), spielte zu hausbacken, durchsichtig, ohne die von Dynamo gezeigten Ideen und schon vor allem entweder gar nicht oder schlecht. Das sind wohl die Gründe dafür, warum nicht wenigstens das hochverdiente Ehrentor fiel. Heinz Klemm hatte einen sehr geruhsamen Nachmittag!

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Maschke, Heine; Holze, Schröter, Hänsicke, Schäffner, Matzen
BSG Chemie Karl-Marx-Stadt:
Haake; Schwerig, Riedel, Junige; Below, Ahnert; Schulze, Schlosser, Loh, Jurek, Ritter

1:0 Schröter           (12.)
2:0 Schröter           (22.)
3:0 Matzen             (25.)
4:0 Hänsicke           (52.)
5:0 Matzen             (57.)
6:0 Schröter           (60.)
7:0 Michael            (61., Foulstrafstoß)
8:0 Holze              (75.)
9:0 Hänsicke           (86.)

Schiedsrichter:        Paul (Dessau)
Zuschauer:             3.000

Günther Bonse, Neue Fußballwoche, 19.11.1957