11. Spieltag 1955: SC Lok Leipzig - SC Dynamo Berlin 2:1

Konzak und Krause auf Schneeparkett im Element! / Offensivstärke Dynamos durch Leipzigs Angriffsspitzen aufgehoben / Zwei Abseitstore, zwei Treffer von Krause
Nach den letzten Leistungen beider Mannschaften zu urteilen - der SC Dynamo glänzte beim 9:0 über Chemie Karl-Marx-Stadt, der SC Lok befand sich trotz des 2:0 über den SC Fortschritt Weißenfels nicht gerade in besonders guter Form - gab es wohl für viele Fußballfreunde, darunter auch den Verfasser dieses Berichtes, nur eine Meinung: Tip 2. Nachdem ich die Aufstellung beider Mannschaften studiert hatte - die Berliner mit voller Standard-Besetzung, die Leipziger nun wieder mit Krause, Günter Busch und Behne, wurde ich noch nicht schwankend in meiner Meinung. Ein Blick auf das Spielfeld. das man wohlweislich geschont hatte: dünne Schneedecke auf glattem Besen, ließ indessen schon ahnen, was sich nachher im Bruno-Plache-Stadion abspielen würde. Doch zunächst galt es, die Pläne beider Trainer einzuholen.

Helmut Petzold sagte: "Wir spielen wie immer voll offensiv. Die Läufer und Halbstürmer sollen so schnell wie möglich die Flügelstürmer bedienen und dabei vorzugsweise über die linke Flanke angreifen, weil wir rechts bei Lok eine Schwäche erwarten." Fritz Wittenbecher meinte: "Wir wollen in den ersten fünf Minuten mit vier Spitzen angreifen: Fröhlich, Krause, Konzak, Behne, und uns später mit drei Spitzen begnügen. Fröhlich soll dann den absoluten "Verbinder" Baumann im Mittelfeld unterstützen. Das Schwergewicht der Angriffe werden wir auf die rechte Seite verlagern, da wir die Dynamo-Abwehr links etwas schwächer einschätzen." Noch war nicht viel Zeit seit dem Anpfiff vergangen, da konnte man schon feststellen, das Spiel der einheimischen Elf lief besser als das der Gäste. Ein schöner Zieher von Krause setzte Baumann auf halbrechts ein, die flache Eingabe begrub Klemm unter sich.

Der Dynamo-Hüter hielt auch einen 20-Meter-Schuß von Baumann und lenkte einen Scharfschuß von Fröhlich zur ersten Ecke (Gesamteckenverhältnis 9:6 für Lok). Konzak köpfte dann eine Flanke von Baumann auf das Tor, doch wieder parierte Klemm zur Ecke. Dazwischen bedrohten zwei schöne Freistöße von Michael das Leipziger Tor. Was ergab sich hieraus? Die Leipziger Spieler bewegten sich mit großer Sicherheit auf dem glatten Untergrund. Vor allem Konzak und Krause setzten immer wieder technische Mittel und Gewandtheit im Kampf um den Ball mit Erfolg ein, täuschten ihre Gegenspieler und schufen für sich und ihre Mitstürmer günstige Ausgangspositionen für erfolgreiche Torschüsse. Die körperlich stärkeren Dynamo-Spieler hatten es dagegen schwer, sich im Stand, beim Antritt nach dem Ball und Im Kampf um das Leder zu behaupten. Weit mehr Berliner als Leipziger mußten auch ohne Einwirkung des Gegners mit dem feuchten Boden Bekanntschaft machen.

Nur "Moppl" Schröter, von der Natur mit leichtem Körper und ausgeteilter Technik bedacht, konnte im Kampf der Techniker und Akrobaten völlig mithalten: Das war zuwenig. Auch die tatkräftige Unterstützung, vor allem von Herbert Schoen und Manfred Michael, reichte da nicht aus. Die Sicherheit der Gastgeber im Kampf mit dem Ball, Boden und Gegner ließ auch die Kombinationszüge der Leipziger besser gelingen. Bei Dynamo kam man nicht wie gewünscht zusammen. Andererseits blieben die Versuche der drei Angriffs-Spitzen, Holze, Hänsicke und Matzen, jetzt allein mit Kraft, Schnelligkeit und Forsche zu operieren, erfolglos. Ihre Gegenspieler, in der Hauptsache die beiden jungen Kräfte Brandt und Dieter Busch stellten sich klug, setzten sich hart und kompromißlos ein und bemühten sich auch um die Schaffung der Voraussetzungen für neue Gegenangriffe.

Mit einem Satz: Dynamo kam nicht dazu, wie gewünscht die Offensive zu ergreifen, während Lok die volle Stoßkraft des Angriffes, die nur für den Beginn des Spieles vorgesehen war, auch später beibehielt. Das war richtig, wie sich nach der Pause zeigen sollte. Erst kam noch in der 52. Minute zu Recht der Abseitspfiff des Schiedsrichters, als Konzak nach Zusammenspiel zwischen Behne und Krause die Planke einköpfte. Zwei Minuten darauf klingelte es aber doch erstmalig beim ausgezeichneten Torhüter Klemm. Die 8. Ecke von links köpfte zunächst Behne gegen den Pfosten. Den nicht weit genug abgewehrten Ball schob Polland gleich wieder in den Strafraum, und Krause vollstreckte aus der Drehung halbhoch an vielen Spielern vorbei zum 1:0.

Noch resignierte Dynamo nicht, im Gegenteil: Ein Diagonal-Paß von Maschke an Matzen brachte den Linksaußen in völlig freie Schußposition, so daß der herauslaufende Busch keine Chancen hatte. Es stand 1:1! Der Höhepunkt des dramatischen und gutklassigen Geschehens war gekommen. Beide Tore gerieten nun abwechselnd in Gefahr. Erst mußte ein zweiten Mal einem Leipziger Treffer die Anerkennung versagt werden, als Baumann aus Abseits-Stellung gegen die Latte knallte und Krause köpfte. Dann hielt Günter Busch zweimal Scharfschüsse von Hänsicke und Holze. Lok wechselte nun Fröhlich gegen Schoppe aus, der sich gleich im Duett mit Behne auszeichnete. Krause übernahm die Vorlage des Linksaußen und schoß zum 2:1 für den SC Lok Leipzig ein.


SC Lok Leipzig:
G. Busch; Zenker, D. Busch, Brandt; Polland, Stieglitz; Fröhlich (79. Schoppe), Krause, Konzak; Baumann, Behne
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael; Schoen, Bock; Maschke, Heine; Holze, Schröter, Hänsicke, Scheffner, Matzen

1:0 Krause             (54.)
1:1 Matzen             (60.)
2:1 Krause             (69.)

Schiedsrichter:        Hasch (Karl-Marx-Stadt)
Zuschauer:             12.000

Lothar Nagel, Neue Fußballwoche, 13.12.1955