10. Spieltag 1955: SC Einheit Dresden - SC Dynamo Berlin 0:2

41. Minute: Das war der echte Hänsicke! / Dresdener Einheit-Elf aber auch wieder im Kommen / Schießen war die Parole Dynamos
"Wir führen jetzt 2:0, diesen Vorsprung gilt es zu verteidigen." Ruhig sagte das Dynamo-Trainer Petzold seinen Mannen während der Halbzeit in der Kabine. "Die Verteidiger decken konsequent und stören den Gegner risikolos bei der Ballannahme." Diese Worte gab Trainer Petzold seinen Leuten noch mit auf den Weg, und sie waren goldrichtig. Nach dem Wiederanpfiff drückte Einheit eine Viertelstunde lang, suchte mit aller Energie den verlorengegangenen Boden aufzuholen. In dieser Zeit bot sich auch den Stürmern mehr als einmal die Chance, Anschluß und Ausgleich zu erzielen. Die Spieler um "Matz" Vogel hatten ihre stärkste Zeit sofort nach dem Anpfiff und in der ersten Viertelstunde nach der Pause. Da wurde rochiert, direkt gespielt, daß man meinte, die frühere starke Dresdener Elf zu sehen (Lattenschuß von Prenzel, verfehlendes Tor von Peterson).

Dann beging man allerdings den Fehler, in der Mitte durchstoßen zu wollen, das Spiel über die Flügel zu vernachlässigen und vor allem zuviel zu dribbeln und zu engmaschig zu operieren. Zugegeben, der Platz in Görlitz ist ein wenig schmal und auch uneben, dennoch war das kein Grund, diese spielentscheidenden Fehler zu machen. So gab man der Dynamo-Deckung, die die Worte ihres Trainers jederzeit beherzigte, immer wieder Gelegenheit, erfolgreich einzugreifen. Dabei stellten sich die Abwehrspieler gut auf ihre Gegner ein. "Wir wollen versuchen", so sagte mir Hans Siegert vor dem Spiel, "mit drei verschiedenen Angriffsvarianten zu arbeiten. Die erste Möglichkeit ist die, daß beide Außen und der Mittelstürmer vorgeschoben spielen, dann die beiden Halben, und zum dritten soll Arlt zur Mitte wechseln und die Spitze bilden, während Prenzel seine Position einnimmt!"

Das wurde auch des öfteren getan, doch nie verlor die Berliner Deckung durch diese Maßnahme den Überblick. Herbert Schoen nahm sich stets des am weitesten vorgeschobenen Stürmers an. Das andere regelte sich beinahe von allein. "Wir schießen aus allen Lagen", das war die Devise der Dynamo Stürmer. und sie war richtig. Zwanzig Bälle werden über oder neben das Ziel gehen, der 21. aber trifft, so sagt man oft unter Fußballern, und so war es auch hier. Wie viele Male traf man nicht das 7,32 m breite und 2,44 m hohe Rechteck. Es ist so groß und war oft doch so klein. Aber zweimal schlug es bei Fritze Ritter ein, und diese beiden Male genügten. Den Führungstreffer holte der schußgewaltige Michael durch einen Freistoß aus etwa 25 Meter Entfernung heraus.

Das zweite Tor erzielte der nach langer Pause mit seinem Rechtsaußen Holze erstmalig wieder eingesetzte Hänsicke durch einen Bombenschuß aus der gleichen Entfernung, der hoch im Dreieck einschlug. Diese 41. Minute zeigte den echten Hänsicke. Wie einst im Mai gelang ihm diese Aktion. Sie darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, daß ihm trotz ständigen Bemühens und großen Einsatzes noch einiges danebenging; daß er - wie auch Karli Holze - noch an sich arbeiten muß. Wie Trainer Petzold im Sturm, so scheint nun auch Hans Siegert in der Abwehr die richtige Formation gefunden zu haben. Mit Pfeiffer, der einen guten, schon erstaunlich kaltblütigen Stopper abgab, dürfte das Mittelverteidiger-Problem gelöst sein, und gerade das bereitete den Dresdenern ja in letzter Zeit einige Sorgen und kostete Tore.

SC Einheit Dresden:
Ritter;, Albig, Pfeiffer, Jochmann; Hansen (75. Legler), Nicklich; Arlt, Vogel, Prenzel, Müller, Peterson
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Maschke, Heine; Holze, Schröter, Hänsicke, Scheffner, Matzen

0:1 Michael            (30.)
0:2 Hänsicke           (41.)

Schiedsrichter:        Schulz (Berlin)
Zuschauer:             10.000

Klaus Schlegel, Neue Fußballwoche, 08.11.1955