08. Spieltag 1955: SC Dynamo Berlin - SC Fortschritt Weißenfels 3:2

Dynamos Flügelstürmer sorgten für die Wendung
Mit bedenklicher Miene wandte sich Dynamo-Trainer Helmut Petzold in der Pause den Kabinen zu. Es war ihm anzusehen, daß er mit seiner Mannschaft ganz und gar nicht zufrieden war. "Wir wissen, daß der SC Fortschritt in der massierten Abwehr seinen stärksten Mannschaftsteil hat. Für uns gibt es deshalb nur eine Parole: über die Flügel spielen, dabei schnell und direkt." Aber der Verlauf der ersten Halbzeit zeigte nur allzu deutlich, daß Dynamo sich nicht an diese taktische Konzeption hielt. Holze beging den Fehler, zur Mitte zu drängen. Er spielte dabei vielfach kopflos ab oder verfing sich mit kräftezehrenden Sololäufen. Es entstand im Mittelfeld eine Zusammenballung, man störte sich gegenseitig im Aktionsradius. So war der Fortschritt-Abwehr nicht beizukommen, denn man ließ den Gegner zunächst kommen und an der geschickten Staffelung festrennen. Es war ein vergebliches Bemühen, aus der Mitte heraus eine Bresche in dieses Bollwerk schlagen zu wollen. Schröters Führungstor nach 13 Minuten, zurückzuführen auf ein unnötiges Geplänkel von Fredy Reinhardt mit Hänsicke fast an der Auslinie, stimmte die nur 1.500 Zuschauer optimistisch.

Aber Weißenfels wehrte sich äußerst klug. Harnisch hatte den Auftrag bekommen, aus dem Mittelfeld heraus mit langen Pässen speziell die schnellen Flügelstürmer einzusetzen. Das tat der linke Läufer streckenweise mit recht gutem Verständnis und bei sofortiger Erkenntnis der gegnerischen Abwehrschwäche (Bock!). Das geschah ohne Zeitverlust und meist auf schnellstem Wege. Besonders tatenfreudig war der junge Riemenschneider auf Rechtsaußenposition. Seinem Eifer entsprang auch der Ausgleichstreffer, als der hart bedrängte Bock das Leder nicht weit genug zurückspitzeln konnte, Riemenschneider dazwischenfuhr und den Ball sofort mit dem linken Fuß wundervoll ins lange Eck jagte. Michaels unglückliches Selbsttor nach vorausgegangenem Eckball (Torhüter Klemm stand fangbereit hinter dem "Torschützen") ließ die Gäste mit einer erfolgverheißenden 2:1-Führung die Seiten wechseln. Man muß der Dynamo-Elf bescheinigen, daß sie auf Grund ihrer gewaltigen Steigerung in der zweiten Hälfte diesen Kampf durchaus verdient für sich entschieden hat.

Weißenfels glaubte offensichtlich, mit betonter Defensiveinstellung das 2:1 halten zu können. Dynamos Sturm machte diesem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Eine kleine Standpauke in der Pause schien ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben. Nun hielt man sich vor allem an die von Trainer Petzold aufgezeigte taktische Marschroute. Holze und Matzen zogen mit rasanten Sprints an ihren Gegenspielern vorbei und rissen so ein Loch in das Deckungszentrum der Weißenfelser. Eine Kombination, Ausgangspunkt für das 2:2, soll dafür als typisches Merkmal angeführt werden. "Moppel" Schröter paßte in Mittelstürmerposition den Ball zum aufgerückten Heine zurück, der sofort zu Rechtsaußen Holze weiterleitete. Matzen (!) lief blitzschnell in die Gasse, erhielt den Ball und flankte fast von der Grundlinie in die halblinke Position. Schröter nahm den Ball direkt an und schoß ihn mit unheimlicher Vehemenz in die Maschen. Ein Tor, sowohl in Vorarbeit als auch Ausführung prachtvoll! Reserven: 3:0. Damit wurde der SC Dynamo Staffelbester der Übergangsrunde.

SC Dynamo Berlin:
Klemm; Michael, Schoen, Bock; Maschke, Heine; Holze, Schröter, Hänsicke, Schäffner, Matzen
SC Fortschritt Weißenfels:
Fernau; Wenzel, F. Reinhardt, Wiesemann; Bechstedt, Harnisch; Riemenschneider, Vollrath (56. Lazer), K. Meyer, Ackermann, H. Meyer

1:0 Schröter           (13.)
1:1 Riemenschneider    (23.)
1:2 Michael            (35., Eigentor)
2:2 Schröter           (53.)
3:2 Hänsicke           (80.)

Schiedsrichter:        Meißner (Dommitzsch)
Zuschauer:             1.500

Autor nicht bekannt, Neue Fußballwoche, 20.12.1955