04. Spieltag 1955: SC Motor Zwickau - SC Dynamo Berlin 0:4

Langsamkeit - Kardinalscwäche der Motor-Abwehr! / Nur Kaiser war für Dynamo gefährlich
Kaum zwei Minuten sind gespielt, da kommt ein langer Paß in den Motor-Strafraum. Scheffner ist schneller als Mittelverteidiger Neumerkel und vollendet sicher. Nur kurze Zeit danach wird die eindeutige Schwäche der der Zwickauer Verteidigung zur Gewißheit: wieder ist Scheffner seinem Widersacher auf und davon gelaufen, umspielt Torwart Baumann und schießt ein. Diese beiden Tore bewiesen augenscheinlich, woran Zwickaus Hintermannschaft zur Zeit krankt. Da auch noch die übrigen Abwehrspieler eine spritzige, elastische Verteidigungsmethode nicht ihr eigen nennen, so werden sich, falls dem nicht bald abgeholfen wird, unliebsame Überraschungen in der Zukunft einstellen. Trotz dieser beiden Überraschungstore gaben sich die Gastgeber nicht geschlagen. Vielmehr erreichten sie durch überlegenen Einsatz eine Beherrschung des Mittelfeldes fast über die gesamten 90 Minuten.

Bewiesen wird das zum Teil durch die Tatsache, daß das Eckenverhältnis am Ende 12:0 stand! Vor allem Kaiser lieferte auf dem linken Flügel eine glänzende Partie. Wie er seinen Mann leerlaufen ließ, flankte und auch sonst immer wieder nachsetzte, war nicht nur technisch hervorragend, sondern auch eine konditionsmäßige Meisterleistung. Doch gerade in dieser Zeit zeigte die Dynamo-Abwehr, vor allem in taktischer Hinsicht, eine vorbildliche Einstellung. Zu einem undurchdringlichen Block schlossen sich sechs, zuweilen sogar sieben Feldspieler bei gegnerischen Angriffen zusammen. Ein Sonderlob verdiente sich Mittelverteidiger Schoen, der nicht nur bei Kopfbällen unüberwindlich war, sondern auch am Boden Überdurchschnittliches leistete.

Die Verbindung zum Sturm stellte "Moppel" Schröter her, dessen meist langlinige Pässe auf dem schnellsten Wege das Mittelfeld überbrückten und die jungen, äußerst zielbewußt spielenden Sturmkameraden in günstige Positionen brachten. Eine Meisterleistung vollbrachte Schröter bei Dynamos drittem Treffer: Matzens abgewehrten Flankenball stoppte der Kapitän der Auswahl an der 16-Meter-Grenze, um dann sofort das Leder scharf und genau ins lange Eck zu senden. Dieses Tor sollte für viele Stürmer in Anbetracht seiner schnellen (!) und exakten Ausführung beispielgebend sein. Erst kurz vor Schluß fiel Dynamos viertes Tor durch Scheffner. Aber Motors Sturm hatte, mit Ausnahme von Kaiser, nicht mehr die Kraft und das Können, um die Kombinationen weiter als bis zum Strafraum zu tragen.

BSG Motor Zwickau:
R. Baumann; Hertzsch, Neumerkel, Oettler; Witzger, Kluge (46. Schmidt); Meinhold, W. Baumann, Franz, Espig, Kaiser
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Punt, Schoen, Heine; Maschke, Heine; Scheffner, Stang, Schröter, Wrobel, Pinske, Matzen

0:1 Scheffner          ( 2.)
0:2 Scheffner          ( 5.)
0:3 Schröter           (30.)
0:4 Scheffner          (81.)

Schiedsrichter:        Paul (Dessau)
Zuschauer:             17.000

Lothar Wolske, Neue Fußballwoche, 27.09.1955