01. Spieltag 1955: SC Aktivist Brieske-Senftenberg - SC Dynamo Berlin 0:4

Jünemann stand mehrfach falsch postiert / Schröter und Maschke sorgten für klare Linie
Nachdem der ZSK Vorwärts die Berliner Fußballgemeinde beim Start in die Übergangsrunde enttäuscht hat, schaffte der andere Vertreter Berlins in der Oberliga einen wohl kaum erwarteten Erfolg im Lausitzer Kohlenrevier. Bei den Briesker Kumpeln einen Sieg, noch dazu in dieser Höhe, hat sicher niemand von den Berlinern erwartet, die mit ihrer teilweise verjüngten Mannschaft auf die eingespielte Elf des SC Aktivist trafen. Die CSR-Reise steckte den Brieskern offensichtlich noch in den Knochen, denn sie vermochten in der letzten Viertelstunde nicht mehr mitzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt war aber die Entscheidung schon gefallen, und die schwarz-gelbe Deckung hatte daran ihr gerüttelt Maß schuld. Das beginnt bei Torhüter Jünemann, dessen Stellungsspiel einmal mehr große Schwächen zeigte. Auch der einzige Neuling in der Briesker Mannschaft, der rechte Verteidiger Krüger, muß noch vor allem seine Spielübersicht verbessern.

Die Fehler dieser beiden Spieler kosteten das erste Tor. Krüger mißlang eine Kopfballabwehr, Wrobel nahm den ball auf und setzte blitzschnell Holze ein. Dessen Schuß aus etwa 16 Metern mußte Jünemann passieren lassen, da er mindestens fünf Meter vor seinem Tor stand. Das war in der 51. Minute. Bis dahin hatte das Spiel wenig Linie. Beide Mannschaften offenbarten erhebliche Schwächen im Zuspiel. Lief der Ball wirklich einmal über zwei Stationen, so konnte man sicher sein, daß der dritte Paß beim Gegner landen würde. Erst die 19. Minute sah eine mustergültige Kombination der Briesker über den rechten Flügel, und den anschließenden Schuß Frankes konnte Klemm nur mit Mühe zur Ecke abwehren. Überhaupt waren die Gastgeber, bei denen wieder wie schon in der vergangenen Saison dem Linksaußen die Rolle des aufbauenden Stürmers im Mittelfeld übertragen war, entschlossener mit dem Torschuß

Vor allem Lemanczyk, Franke und auch Weist riskierten Schüsse aus allen Lagen, meist jedoch wenig zielsicher und aus zu großer Entfernung. Das war so ziemlich die einzige spannende Situation, bevor der ausgezeichnete Schiedsrichter Kober zur Halbzeit pfiff. Nach dem Wiederbeginn gab es zunächst eine kurze Offensive der Gastgeber mit einem tollen Schuß von Lemanczyk, den Klemm nur mit Mühe zurückfausten konnte, dann verlieh jedoch das Führungstor den Berlinern den nötigen Auftrieb. Nun brachten Schröter und Maschke Ruhe und Ordnung in die Aktionen Dynamos. Damit aber traten erschreckende Mängel in der Briesker Deckung zutage. Plötzlich stand Pinske völlig frei in halbrechter Position vor dem Tor. Das 0:2 war nur noch Formsache, zumal Jünemann abermals einige Schritte zu weit vor seinem Gehäuse postiert war.

Brieske erkämpfte sich zwar mit 8:6 das bessere Eckenverhältnis, aber die Mannschaft war ausgepumpt, hinter den Vorstößen lag kein Druck mehr, und das Zuspiel war nicht besser als vor der Pause. Zudem zeigte sich die neuformierte Berliner Verteidigerreihe jeder Situation gewachsen. Eine besonders erfreuliche Partie lieferte der junge Heine, der immer mehr in die Rolle eines überlegenen Stoppers hineinwächst. Gegen ihn konnte auch der für Schwandt hereingekommene Berkes nicht zum Zuge kommen. Als dann schließlich Punt angeschlagen in den Sturm ging, verteidigte für ihn "Moppl" Schröter. Diese Umstellung und die Konditionsschwierigkeiten der Kumpel bedingten wenig aufregende Momente in den letzten Minuten.

SC Aktivist Brieske-Senftenberg:
Jünemann; Krüger, Ratsch, John; Auras, Lehmann; Pietrczak, Lemanczyk, Schwandt (75. Berkes), Franke, Weist
SC Dynamo Berlin:
Klemm; Punt, Heine, Bock; Maschke, Usemann (23. Scheffner); Holze, Schröter, Wrobel, Pinske, Matzen

0:1 Holze              (51.)
0:2 Pinske             (58.)
0:3 Wrobel             (65.)
0:4 Wrobel             (73.)

Schiedsrichter:        Kober (Plauen)
Zuschauer:             8.000

Joachim Schulz, Neue Fußballwoche, 30.08.1955