Juris Eintrag |
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Anfechtbarkeit eines Seminarvertrages wegen arglistiger TäuschungOrientierungssatzEin Seminarvertrag kann wegen arglistiger Täuschung angefochten werden, wenn einem Seminarteilnehmer (am ersten Seminartag) trotz entsprechender Nachfrage verschwiegen wird, dass anläßlich der Seminarveranstaltung Gedankengut der Scientology Church bzw die Lehren ihres Gründers Hubbard verbreitet wird bzw werden. |
NJW-RR 1996, 558 |
Anfechtung eines Seminarvertrags wegen Scientology-GedankengutLeitsatz
Zum SachverhaltDer Kl. hat der Bekl. für die Teilnahme an Seminarveranstaltungen 1390 DM gezahlt. Nach dem ersten Seminartag hat der Kl. den Vertrag angefochten und fristlos gekündigt. Er trägt vor, ihm sei trotz Nachfrage verschwiegen worden, daß Thema der Seminarveranstaltung die Lehren Hubbards, des Gründers der Scientology Church, gewesen sei.Das AG hat der auf Rückzahlung von 1390 DM gerichteten Klage stattgegeben. Aus den Gründen2. Dem Kl. steht gegen die Bekl. ein Zahlungsanspruch in Höhe von 1390 DM gem. § 812 I 1 Alt. 1 BGB zu. Die Bekl. hat etwas - nämlich Besitz und Eigentum an 1390 Dm - durch eine Leistung des Kl. erlangt. Es besteht jedoch kein Rechtsgrund für die Leistung, da der Kl. den Seminarvertrag wirksam gem. § 123 I BGB durch Schreiben vom 18.7.1994 an die Bekl. (§ 143 I BGB) wegen arglistiger Täuschung angefochten hat mit der Folge, daß der Seminarvertrag als von Anfang an nichtig anzusehen ist (142 I BGB).Die Anfechtungsfrist des § 142 I BGB wurde eingehalten. Auf der Grundlage der durchgeführten Beweisaufnahme ist das Gericht zu der Überzeugung gelangt, daß der Kl. von G, einem Mitarbeiter der Bekl., durch die bewußt unrichtige Vorspiegelung der Tatsache, Grundlage der von der Bekl. durchgeführten Seminare sei nicht das Gedankengut der von Hubbard gegründeten Scientology-Church, zum Abschluß des Seminarvertrages veranlaßt wurde. (Wird ausgeführt.) Dagegen ist zwischen den Parteien unstreitig, daß das Seminar auf den Lehren des Gründers der Scientology-Church Hubbard beruhte. Es ergibt sich für das Gericht somit ein unzweifelhafter Zusammenhang zwischen den in den Seminaren der Bekl. verwendeten Lehren und der Scientology-Church. Somit steht für das Gericht fest, daß die Auskunft des Mitarbeiters G objektiv wahrheitswidrig war. Mit seiner deutlichen Aussage "Um Gottes Willen" hat er beim Kl. den Eindruck erweckt, daß die Bekl. keinesfalls auf die Lehren der Scientology-Church zurückgreift. Der Kl. wurde somit getäuscht. Wenn nicht vorsätzlich, so hat der Mitarbeiter der Bekl. zumindest in s Blaue hinein die unrichtige Behauptung aufgestellt, daß das Seminar nichts mit Scientology zu tun habe. Eine arglistige Täuschung ist somit gegeben (Palandt/Heinrichs, BGB, 51 Aufl., § 123 Rdnr. 11). Die arglistige Täuschung ist auch ursächlich für den Abschluß des Vertrages gewesen, da aufgrund der konkreten Nachfrage des Kl. davon ausgegangen werden muß, daß dieser bei wahrheitsgemäßer Auskunft den Vertrag nicht abgeschlossen hätte. Eine Teilvergütung für den ersten in Anspruch genommenen Seminartag steht der Bekl. nicht zu, daß keine Saldierung der gegenseitigen Ansprüche (Rückzahlung des Seminarbetrages einerseits und Rückgabe der Seminarleistung bzw. Wertersatz andererseits) vorgenommen werden kann. Eine Anwendung der hierbei in Betracht kommenden Saldotheorie ist ausgeschlossen, da sie von ihrem Schutzzweck her dann ausscheidet, wenn sie zum Schutz schutzunwürdiger Personen führen würde. Da zur Überzeugung des Gerichts eine arglistige Täuschung vorliegt, entfällt diesbezüglich eine Anrechnung der Teilleistung. Die Bekl. ist somit verpflichtet, das Erlangte gem. §§ 812, 818 II BGB an den Kl. herauszugeben. Sie ist zur Zahlung von 1390 DM verpflichtet. Die Zulässigkeit bzw. Wirksamkeit der fristlosen Kündigung kann dahinstehen. (Mitgeteilt von Rechtsanwalt J. Bechhofer, Frankfurt a. M.) |