Gericht: |
OLG München 21. Zivilsenat |
Datum: |
10.05.1995 |
Az: |
21 U 3622/93 |
NK: |
BGB § 823 Abs 1, BGB § 824, BGB § 826, BGB § 1004,
GG Art 2 Abs 1, GG Art 4, GG Art 5 Abs 1 |
Fundstelle: |
OLG-Rp München 1995, 255-257 (LT) |
Rechtszug: |
vorgehend LG München I XX 9 O 9034/92 |
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Widerrufsanspruch bei negativer Presseberichterstattung
über ein Management-Unternehmen durch Zuordnung des Inhabers zur
Scientology-Church; Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und
Pressefreiheit; Schadenersatzanspruch wegen Kreditschädigung
Leitsatz
- Der Widerrufsanspruch setzt die objektive Unwahrheit einer
aufgestellten Tatsachenbehauptung voraus, welche als beeinträchtigende
Maßnahme zu widerrufen ist. Den Beweis für die Unwahrheit hat der
Kläger zu führen.
- Zum Begriff und den Voraussetzungen von Ansprüchen auf einen
qualifizierten und einen eingeschränkten Widerruf. Solange ernsthafte
Anhaltspunkte für die Wahrheit einer Behauptung nicht ausgeräumt
sind, besteht kein Widerrufsanspruch, auch nicht in eingeschränkter
Form.
- Einfluss des Grundrechts der Meinungsäußerungsfreiheit auf
die Qualifizierung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung (hier:
Zuordnung des Inhabers eines Service-Unternehmens zur Scientology).
- Abwägung zwischen Persönlichkeitsrecht und Pressefreiheit in
einem Einzelfall. Einfluss des Grundrechts der negativen
Bekenntnisfreiheit und des öffentlichen Interesses auf die
Abwägung.
- Namentliche Nennung des Inhabers eines Service-Unternehmens und
Management-Trainers im Zusammenhang mit einer Berichterstattung über
verdecktes Verbreiten von Gedankengut von Scientology.
- Ausschluß eines Schadensersatzanspruchs wegen
Kreditschädigung bei Anwendung pressemäßiger Sorgfalt.
Orientierungssatz
Wegen der Spannungslage zwischen dem grundrechtlich geschützten
allgemeinen Persönlichkeitsrecht und der verfassungsrechtlich
gewährleisteten Meinungs- und Pressefreiheit, ist eine
einzelfallbezogene Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich
geschützten Werte und Interessen erforderlich. Die Rechte des von der
Presseberichterstattung betroffenen Inhabers eines Schulunternehmens
für Manager werden vorliegend durch die geschützte Funktion der
Presse überlagert. Die beanstandeten Äußerungen, die den
Betroffenen (nach seiner Weltanschauung und der Ausgestaltung seines
Unternehmens und der von diesem veranstalteten Kurse) in der Nähe der
Scientology-Church rücken, sind deshalb nicht rechtswidrig.
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