Margery Wakefield

Meine Lebensgeschichte (Original in englisch: Testimony)

Inhalt

Prolog

Kapitel 1 - Kindheit

Kapitel 2 - High-School

Kapitel 3 - London

Kapitel 4 - Jenny

Kapitel 5 - Los Angeles

Kapitel 6 - Eine Milliarde Jahre

Kapitel 7 - Die Grade

Kapitel 8 - Reisen

Kapitel 9 - Ehe

Kapitel 10 - Die Feuerwand

Kapitel 11 - Ausgestoßen

Kapitel 12 - Zurück nach Florida

Kapitel 13 - Zusammenbruch

Kapitel 14 - Zurück in der Wog Welt

Prolog

Ich saß da, die E-Meter Dosen in meinen Händen, starrte den Director für Processing an und versuchte zu verstehen, was er zu mir sagte.

"Ab jetzt," sagte er zu mir mit der unbewegten Miene, dem starren Blick und der monotoner Stimme aller guten Scientology Auditoren, "werden Sie in Ihrem Zimmer eingeschlossen bleiben. Eine Wache wird ständig vor Ihrem Zimmer aufgestellt sein. Sie dürfen ihr Zimmer unter keinen Umständen verlassen. Ihre Mahlzeiten werden Ihnen gebracht werden. Haben Sie verstanden?"

Ich war sprachlos. Ich wurde bestraft. Aber wofür?

Ich schaute zu ihm auf. "Was habe ich falsch gemacht?" stotterte ich.

Aber er würde es mir nicht erzählen. "Wir tun das aus Sicherheitsgründen für die Org (Organisation)," antwortete er. "Das ist alles, was ich Ihnen dazu sagen kann. Sie können jetzt gehen."

Aus dem Nichts tauchte ein junges Mädchen an meiner Seite auf.

"Dana," befahl ihr der D of P (Director für Processing), "Würden Sie bitte Frau Wakefield zu ihrem Zimmer eskortieren. Jetzt."

Ich war entlassen.

Ich saß auf meinem Bett und versuchte zu verstehen.

Zuerst wagte ich noch zu hoffen.

"Über den Regenbogen," dachte ich. "Sie werden mich über den Regenbogen schicken". Dies war der Begriff, der für den geheimen gehaltenen Aufenthaltsort unseres Gründers L. Ron Hubbard benutzt wurde. Niemand außer ein paar hochrangigen Mitgliedern wusste, wo er und sein persönliches Personal sich befanden. Es war ein streng gehütetes Geheimnis.

"Sie werden mich über den Regenbogen schicken, weil ich Schwierigkeiten mit meinem Auditing hatte." Es gab Gerüchte, dass schwierige Preclears manchmal "über den Regenbogen" geschickt wurden, damit ihre Fälle vom Assistenten von Hubbard, David Mayo, bearbeitet würden, oder vielleicht sogar von Hubbard selbst.

Ich ging zur Tür meines Zimmers und schaute nach. Ein junger Mann saß gegenüber meiner Tür auf dem Boden. Er schaute mich bedrohlich an. Ich zog mich wieder auf mein Bett zurück.

Wie versprochen kamen meine Mahlzeiten laut Zeitplan.

Die Tage gingen vorüber. Langsam verwelkten meine Hoffnungen. Es schien mir, als ob die Welt mich vergessen hätte.

Eine Nacht spähte ich aus meinem Zimmer und sah, dass mein Wächter eingeschlafen war. Ich schlich mich aus dem Zimmer und ging die Halle hinunter bis zum Treppenhaus am Ende der Halle. Ich lief die Treppe hinunter und war draußen.

Es war eine klare Nacht, beinahe Vollmond. Ich begann, durch das stille Viertel im Osten der Org zu laufen. Einige Blocks weiter fand ich einen kleinen Schuppen mit Sitzen, wo man über das schwarze Wasser der Bucht hinweg blicken konnte.

Ich saß da, starrte auf das Wasser und versuchte nachzudenken. Aus irgendeinem Grund lehnte mein Verstand es ab mitzumachen. Ich hatte das Gefühl, als ob ich mich durch eine dicke Schlammschicht durcharbeiten würde. Was sollte ich jetzt machen? Wohin sollte ich mich wenden?

Ein paar Blöcke weiter war die Org, dort war ich in Sicherheit. Hier draußen war die gefährliche "wog" Welt. Ich versuchte später, Leuten außerhalb von Scientology zu erklären, dass ich mich wie ein zwei Jahre altes Kind fühlte. Ich war unfähig mein Zuhause zu verlassen. Sie besaßen meine Seele. Die Bänder, die mich mit der Org verbanden, waren zwar unsichtbar, aber mächtiger als irgendeine physische Fessel hätte sein können. Ich war in eine Falle, mächtiger als irgendein Käfig mit eisernen Stäben und einem Schloss. Geistig gehörte ich ihnen.

Langsam ging ich wieder zurück zur Org. Ich öffnete die Tür und kehrte leise in mein Zimmer zurück. Die Wache schlief noch. Da ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte, ging ich zu Bett.

Die Tage zogen vorbei.

Eines Nachts kamen drei Leute vom Guardian's Office (scientologischer Geheimdienst; inzwischen in Office for Special Affairs = OSA umbenannt; d. Übers.) in mein Zimmer. Sie sagten mir, dass ich packen sollte.

"Morgen", so sagten sie mir, "werden Sie zum Flughafen gebracht werden. Sie können irgendwohin außerhalb des Staates von Florida fliegen. Sie werden hierher nicht zurückkehren können. Sie müssen sich von jeglichen Scientology Zentren fernhalten, wo auch immer Sie hingehen werden."

Ich war geschockt. Ich verstand, was das zu bedeuten hatte. Ich wurde ausgestoßen. Ich fing an zu weinen. Ich bettelte sie an noch einmal darüber nachzudenken, aber es war nutzlos. Der Befehl war von oben gekommen.

Mein Schock verwandelte sich in Ärger. Sie konnten mich doch nicht einfach so rauswerfen. Zwölf Jahre lang hatte ich ihnen alles gegeben, was ich gehabt hatte. Meine Zeit. Mein Geld. Ich hatte für sie geschuftet. Sie konnten mich doch nicht rauswerfen.

Aber ich wusste, daß sie es konnten.

Ich hatte es bei vielen anderen geschehen sehen.

Meine vagen Hoffnungen, daß ich über den Regenbogen gehen würde, waren vollständig zerstört. Ich versuchte nachzudenken, nachdem sie mein Zimmer verlassen hatten. Ausgestoßen. Aber warum?

Und langsam verstand ich.

Es war wegen der Frau aus der Schweiz.

Vor einer Woche hatte sich eine Schweizerin, die auf dem gleichen fortgeschrittenen Level war wie ich in die Sturmwellen in der Nähe der Org geworfen und war ertrunken. Es war in den Zeitungen gestanden, und wenn herauskommen würde, daß sie eine Anhängerin von Scientology war, wäre das sehr peinlich für die Org gewesen.

Es war wohlbekannt, dass ich bei meinem Auditing nicht weiterkam. Ich hatte schreckliche Albträume gehabt und war mitten in der Nacht schreiend aufgewacht. Während des Tages ging es mir nicht viel besser.

Ich war peinlich für die Org, und da ich mich immer über mein Auditing beschwerte, war ich ein schlechtes Beispiel für die anderen Preclears, von denen manche Hunderttausende von Dollars bezahlt hatten um hier zu sein.

Ich hatte verstanden. Die Schweizerin. Sie hatten Angst davor, daß auch ich mich umbringen würde. Ich hatte ja praktisch im Auditing davon gesprochen.

Also packte ich meine Sachen.

Am nächsten Morgen wurde ich in einem Minibus und unter Bewachung zum Internationalem Flughafen von Tampa gebracht. Sie fragten mich, wo ich hingehen wollte.

Immer noch unter Schock und mit dem Gefühl, in einem schlechten Traum zu sein, antwortete ich zögernd, "Madison, Wisconsin", wo meine Eltern lebten. Ich hatte keinen anderen Ort, wo ich hingehen konnte.

Der Flug ging an mir vorüber wie ein Traum. Mein Wächter saß neben mir. Ich schaute hinunter auf die schneebedeckten Februarfelder von Wisconsin. Das war alles zu viel, um es zu verstehen.

Zwölf Jahre lang hatte es kein Leben außerhalb von Scientology für mich gegeben.

An diesem Punkt wäre der Tod der Verbannung vorzuziehen gewesen. Tatsächlich habe ich den Tod erwartet. Denn es gab viele Gerüchte in Scientology, daß, wenn man die Organisation mit einem unvollständigen Level des Auditings verließ, man innerhalb von zwölf Tagen daran sterben könnte.

Ich stieg aus dem Flugzeug aus und mein Wächter verschwand. Ich schaute mich nach meinen Eltern um, die ich von Florida aus angerufen hatte, um sie wissen zu lassen, dass ich kam. Ich habe sie nicht gesehen.

Plötzlich war ich allein und aufs Geratewohl in der „wog“ Welt.

Dieser Gedanke erfüllte mich mit Panik.

Kapitel 1 - Kindheit

Meine Geschichte beginnt am 20. November 1947 - der Tag, an dem Königin Elizabeth und Prinz Philip heirateten.

Meine Großeltern waren im Wohnzimmer ihres großen viktorianischen Hauses und sahen eine Sendung von der königlichen Hochzeit, als das Telefon klingelte. Es war mein Vater.

"Es ist ein Mädchen," verkündete er ihnen. Das war mein Anfang.

Ich wurde in einer kleinen Stadt auf der eisigen aber schönen oberen Halbinsel von Michigan geboren, die manchmal von ihren Einwohnern als "das Land Gottes" bezeichnet wird wegen der nördlichen Küstenlinie, der urtümlichen Landschaft und der frischen klaren Luft.

Zuerst lebten wir in einer Wohnung über der Eisenwarenhandlung, die mein Vater betrieb. Meine erste Erinnerung ist, dass ich auf dem Boden dieser dunklen Wohnung liege und mit meinem Kuscheltier spiele. Als ich laufen konnte, ging ich mit meiner Mutter in den Hinterhof um die Wäsche aufzuhängen. Manchmal gingen wir die lange Vordertreppe hinunter und hinaus in die Welt, die da auf mich wartete.

Als ich zwei Jahre alt war wurde mein Bruder Charles geboren, ein Ereignis, an das ich mich nicht erinnere.

Meine erste Erinnerung an meine Mutter ist die, dass sie in der Küche unserer Wohnung steht, Plätzchen aussticht, die wie Hühnchen aussehen, und ich darf Johannisbeeren auf die Plätzchen drücken, die die Augen darstellen.

Meine erste Erinnerung an meinen Vater war, dass er meine Geburtstageballons aufblies und sie dann mit seiner Zigarette platzen lies, während ich auf seinem Schoß saß und schrie. Obwohl mein Vater viele gute Qualitäten hatte und all die Jahre pflichtgetreu hart arbeitete, um uns ein bequemes Leben zu ermöglichen, war er doch zuweilen unglücklich, ein Zug, der uns alle beeinflussen würde.

Meine Eltern haben sich durch eine Fotografie getroffen.

Meine Mutter und die Schwester meines Vaters teilten sich ein Zimmer an der Hochschule und meine zukünftige Tante hatte ein Bild meines sehr attraktiven Vaters in Uniform auf ihrer Kommode stehen. Meine Eltern begannen schon während des Krieges miteinander zu korrespondieren, und sie heirateten bald nach Beendigung des Krieges.

Es war eine schwierige Ehe. Beide waren jung, und - zu bald mit einer wachsenden Familie konfrontiert - entdeckten sie zu spät, dass sie in vielen Dingen nicht zueinander passten. Es gab häufig Streitigkeiten, und ich begann die Feindseligkeiten zwischen ihnen zu hassen.

Ich hörte ihre Stimmen bis in die Nacht wie sie sich zankten, und während ich in der Dunkelheit dalag, fragte ich mich, was da vor sich ging.

Als ich vier war, zogen wir ins graue Haus auf dem Hügel, und dies wurde meine neue Welt.

Die wichtigste Person in meiner Welt war zu der Zeit mein Großvater. Meine Großeltern lebten in einem viktorianischen Haus weiter unten auf der Straße, und ihr Haus war eine wunderbare Welt mit seinen vier Stockwerken voll von Zimmern und Geheimnissen, die man erforschen konnte.

Mein Großvater liebte es mit mir zu spielen, und ich erinnere mich, wie er mich auf dem schiefen eisernen Tor hinter ihrem Haus hin und her schwang in einem Spiel, von dem ich nie genug bekommen konnte. Oder er zeigte mir die Rosen in seinem Garten. Oder er nahm mich auf seinem Schoß und las mir vor. Er hatte eine besondere Vorliebe für Bücher, etwas, das ich später mit ihm teilen würde.

Während meines vierten Lebensjahres nahmen mich meine Großeltern auf ihre jährliche Wintersonnwendreise nach Florida mit. In Georgia bekam ich Magenbeschwerden und meine Großmutter flößte mir Magnesiummilch ein. Am nächsten Tag schlief ich auf dem Rücksitz des Autos, und als ich aufwachte, sah ich Palmen, worüber ich fürchterlich erschrak.

Meine Großeltern brachten mir auf dieser Reise das Lesen bei, indem sie auf Hinweisschilder zeigten und sie mir dann vorlasen. Als ich wieder heim kam konnte ich lesen, obwohl niemand es bemerkte. Ich machte mir einen Spaß daraus, dass ich bei Tisch die Müslischachteln und Milch-Kartons las.

Florida war ein Paradies. Ich liebte den Strand und das Wasser und die langen Spaziergänge, die mein Großvater mit mir unternahm, und die ernsten Gespräche, die er geduldig mit seiner vier Jahre alten Enkelin führte. Irgendwo habe ich ein Bild von ihm und mir von jenem Winter, wie wir am Strand entlang gehen, und das ist mein Lieblingsbild. Er war ein sanfter und gütiger Mann.

Florida war voll von Überraschungen. Einmal fuhren wir in einem Boot mit verglastem Boden, und ich durfte auf dem Glasboden sitzen; ich war von der lebendigen Welt unter mir verzaubert.

Eines Tages nahmen mich meine Großeltern zu einem Film mit. Es gab eine Szene in einem Werbespot gleich am Anfang, in dem ein Mann in eine große Schüssel Tomatensuppe fiel. Ich fing an, aus voller Lunge zu schreien, und nichts konnte mich wieder zur Ruhe bringen. Schließlich brachten mich meine verzweifelten Großeltern aus dem Theater; ich erinnere mich dass meine Großmutter sehr böse war. Wir sind nicht mehr hinein gegangen.

Bald waren wir zurück in Michigan und die nächste neue Welt für mich war die Vorschule von Frau McKevitt. Es war eine verwirrende Welt mit so vielen neuen Dingen, die auf einmal geschahen. Graham Cracker und Orangensaft, Schläfchen auf unseren Decken, Lieder am Klavier, Mäntel in der Garderobe und immer musste man zu den erwachsenen Leuten in der Welt aufschauen.

Jeder neue Lehrer hatte seine eigene Spezialität. In der ersten Klasse war das Thema lesen. Mir war langweilig. Ich konnte ja schon lesen.

Um die Zeit totzuschlagen, nutzte ich die Möglichkeiten, die sich mir boten. Ich spuckte auf meinen kleinen braunen Schreibtisch und malte Bilder mit der Spucke. Eines Tages, auf diese Weise in meine ersten künstlerischen Versuche vertieft, blickte ich auf und sah Mrs. Faull wie sie zornig auf mich hinunterstarrte. Ich bekam ihr Lineal auf meiner Hand zu spüren. Das war das Ende meiner künstlerischen Laufbahn. An diesem Tag zeichnete ich nur noch Leute mit Stöcken.

In der zweiten Klasse ging es ums Schreiben. Reisende Ovale waren Mrs. Prince einzige Mission im Leben. Sie war eine alte Jungfer. Eines Tages, als wir von Mittagessen zurückkamen, lies sie uns unsere Schreibhefte schließen und leise an unseren Schreibtischen mit gefalteten Händen sitzen. Die Welt, sagte sie, würde um zwei Uhr untergehen. Wir saßen da und schauten zu, wie der Minutenzeiger seinen unerbittlichen Weg zur vollen Stunde voranschritt. Nichts geschah. Wir warteten noch etwas länger. Dann machten wir wieder mit unseren Schreibübungen weiter. Das war damals schon etwas eigenartig - die Idee eines Weltuntergangs ist für eine Siebenjährige unverständlich.

Ungefähr um diese Zeit wurde mein Bruder John geboren. Ich erinnere mich wie sie das Fruchtwasser verlor; einige Tage später kam sie dann mit dem neuen Baby nach Hause.

Zu dieser Zeit wurden Charles und ich Spielkameraden. Wir verbrachten Stunden zusammen auf den Holzstössen gegenüber unseres Hauses mit endlosen Variationen von „Cowboy und Indianer“ und „Höhlenmenschen“.

Eines Abends brachte mein Vater ein Schwarz-Weiß Fernsehgerät nach Hause mit und wir probierten es vor dem Abendessen aus. Bald waren Crusader Rabbit und Zorro und Der einsame Ranger Teil des Alltags.

Als ich sieben war, nahmen mich meine Eltern und Großeltern zu einem Konzert in einer nahegelegenen Stadt mit – die Roman Sisters, zwei Schwestern, die als Piano-Duo reisten und konzertierten. Ich entdeckte das Klavier.

Ich ließ meine Eltern nicht mehr in Frieden. Ich wollte Klavierstunden haben. Ich wollte dieses magische Instrument spielen.

Bald danach kam ich von der Schule nach Hause und ein Klavier stand in unserem Wohnzimmer, ein Geschenk von Tante Jessie. Ich war verzückt. Ich brachte Pat Gilles, ein Nachbarnmädchen, dazu, mir zu zeigen, wie man spielt. Sie brachte ein Klavierbuch mit und ich legte los.

Am nächsten Morgen stand ich früh morgens auf und setzte mich mit einem der Bücher hin, die mit dem Klavier gekommen waren, und ich lernte still alle Noten. Bald spielte ich alle Lieder in den grauen und purpurnen Büchern meiner Mutter, und bald danach wurde entschieden, dass ich einen Lehrer brauchen würde.

Nach ein paar miserablen Lektionen bei einem reizbaren örtlichen Lehrer, der mir mit einem Lineal auf meine Hände schlug, sobald ich einen Fehler gemacht hatte, beschwerte ich mich laut genug, sodass ich eine zweite Chance bei jemand anderen erhielt.

Dieser jemand anders stellte sich als eine wunderbare Frau in einer nahegelegenen Stadt heraus, die mich unter ihre Fittiche nahm und mich in die Freude an der Musik einführte. Sie wird immer mein Freundin bleiben.

Es gab viele glückliche Ereignisse in meiner Kindheit, viele Dinge, auf die man sich freuen konnte: Die Fahrradparade am 4. Juli, Rollschuhlaufen, die Entdeckung, dass die ersten Krokusse durch den letzten Schnee des Winters stoßen, auf dem Weg zur Schule in den Pfützen zu spielen, die der letzte Schnee hinterlassen hatte, Baseball auf der Straße, Übernacht-Partys mit Freunden, und Reisen, um Oma und Opa Graves in Süd-Dakota zu besuchen.

Ich bekam nicht viel davon mit, dass die ehelichen Probleme meiner Eltern zu einer Entscheidung kamen. Ich war mir nicht einmal bewusst, dass sie sich getrennt hatten. Ich wurde für den Sommer zu meinen Großeltern in Süd-Dakota geschickt, wo ich einen glücklichen Sommer verbrachte.

Zwei Dinge von Wichtigkeit geschahen in jenem Sommer.

Das erste war, dass ich die Religion entdeckte. Ich war ungefähr acht Jahre alt. Meine Großmutter hatte Baptisten Schriften im Badezimmer und ich fing an sie zu lesen. Ich war von den Geschichten über Jesus fasziniert. Bald wurde er mein unsichtbarer Freund. Wir trafen uns gewöhnlich im weißen Zimmer im hinteren Teil des Hauses und dort redeten wir. Meine Großmutter gab mir eine Bibel und ich las sie mit großem Interesse. Ich war verliebt in Jesus.

Das zweite Ereignis von Wichtigkeit geschah am 4. Juli; es war ein Schatten, der mein Leben zum ersten Mal kreuzte.

Ich hatte dieses Gefühl gehabt, als ich mit den Freunden in meinem Alter zusammen war, die mir meine Großmutter vorgestellt hatte, dass etwas verkehrt mit mir war. Es war ein unterbewusstes Gefühl. Aber beim Picknick zum 4. Juli kam der unterbewusste Schatten an die Oberfläche. Ich wusste, dass etwas falsch mit mir war. Ich erzählte niemand etwas davon, weil ich nicht wusste, was ich hätte erzählen sollen. Ich wusste nur, dass etwas falsch war. Ich kannte diese Falschheit nur als einen Schatten, für den ich keine Worte hatte.

Der Schatten folgte mir nach Hause. Zurück in Michigan, fing ich an, Dinge in den Fenstern zu sehen, die nicht dort waren. Abscheuliche Gesichter. Ich ging weg und versteckte mich unter dem Telefontisch in der Eingangshalle. Später in der Junior High-School habe ich versucht, Wörter für den Schatten zu finden.

"Etwas ist falsch," erzählte ich meinem Lehrer in Wissenschaft. "Ich habe keine Persönlichkeit". Das war die einzige Art, wie ich das Phänomen beschreiben konnte.

Seit der Zeit, als ich von Süd-Dakota zurückkam, war der Schatten immer da. Es ist immer noch bei mir. Der einzige Unterschied ist, dass ich ihn jetzt benennen kann. Aber ich greife vor.

Als ich zehn Jahre alt war, wurde meine Schwester Joann geboren. Ich freute mich.

Als Joann ein Baby war, schlief sie in einer Krippe in meinem Zimmer. Eine Nacht wachte ich auf und hörte eigenartige Geräusche aus ihrem Bett. Ich ging rüber zu ihr, weil ich nicht sicher war, was da los war. Ich ging zu meinen Eltern und habe sie aufgeweckt. Sie kamen herein um nachzuschauen. Meine Schwester hatte einen Erstickungsanfall. Meine Eltern eilten mit ihr zum Krankenhaus, wo ihr das Leben gerettet wurde. Sie hatte tatsächlich einen Erstickungsanfall, eine Komplikation verursacht von einer Krankheit namens infanta roseola.

Ich habe meine Schwester immer geliebt. Wenn ich ihr das Leben gerettet habe, ist das das Beste, das ich je in meinem Leben fertiggebracht habe. Allein das wäre schon genug.

Kapitel 2 - High-School

Meine Großeltern hatten ein großes Landhaus beim Lake Superior namens Bete Gris und ich genoß es sehr, dort die Zeit mit den drei lebhaften Schwestern meines Vaters und ihren Familien zu verbringen. Das Glück dieser Familien stand im Kontrast zum Unglück, das ich in meinem eigenen Heim fühlte.

Eines Nachts, ich war ungefähr elf Jahre alt, weckte mich meine Mutter mitten in der Nacht auf und sagte mir, dass ich mich ankleiden sollte; dann fuhren wir die dreißig Meilen zurück zur Stadt. Man erzählte mir nur, dass Opa krank war.

Das nächste Mal, als ich ihn sah, war er im Krankenhaus. Er lag im Koma. Dann war die Beerdigung. Nach der Beerdigung stand ich in der Vorhalle im Haus meiner Großeltern. Es gab viele Leute in der Küche und meine Großmutter war im hinteren Schlafzimmer und sie weinte, während andere Frauen versuchten sie zu trösten. "Was ist los"? fragte ich. Ich verstand noch nicht, dass dieser Opa tot war.

Zu Hause war ich weiter unerträglich. Die Schule verschaffte mir eine Schonfrist von den andauernden Streitigkeiten meiner Eltern. Ich liebte es zu lesen und ich genoss es gut in der Schule zu sein. Ich war nur kein glückliches Kind. Ich versuchte, die Aufmerksamkeit meiner Lehrer zu erregen und immer Auszeichnungen zu erhalten, ich erledigte zusätzliche Arbeiten und stellte viele Fragen. Die Aufmerksamkeit, die ich von meinen Lehrern erhielt, entschädigte mich für den Mangel an Liebe zu Hause.

Ich hatte eine beste Freundin namens Christine. Als wir bei ihr waren und sie und ihre Mutter sich umarmten und küssten sich, fühlte ich den Schmerz, dass mir diese Liebe nicht gegeben wurde.

In der Junior High-School begann ich crushes zu einigen meiner Lehrer, sowohl männliche als weibliche, zu entwickeln. Größtenteils wünschte ich mir, daß sie meine Eltern wären. Meine übliche Routine war, dass ich von der Schule nach Hause kam, mir irgendetwas aus der Küche zum Essen schnappte, dann in mein Zimmer hinaufging, die Tür und die Fensterläden schloss und so im Dunkeln saß, essend und darüber phantasierend welche Lehrer mich adoptieren würden. Dies war meine einsame Welt.

Ich spielte noch Klavier, und ich wurde von meinem Lehrer zu verschiedenen Musikwettbewerben im ganzen Bundesstaat geschickt. Nach einem dieser Wettbewerbe wurde ein Film über ein Musikcamp in Interlochen im unteren Michigan gezeigt. Ich wusste sofort, dass ich dorthin wollte.

Irgendwie habe ich es fertig gebracht, die Adresse dieses Camps zu erhalten. Eines Tages kam ich von der Schule nach Hause, meine Mutter war nicht da; ich stellte das Tonbandgerät auf und machte Aufnahmen meines Klavierspiels. Ohne irgendjemand etwas zu erzählen, schickte ich es nach Interlochen. Nach ein paar Wochen kam ein Brief zurück, in dem man mir mitteilte, dass ich ein Stipendium zum Camp bekommen würde. Ich nahm den Brief mit zur Schule und weinte fast den ganzen Tag. Ich war so glücklich, dass ich weg von Zuhause kommen würde.

Meine Eltern erlaubten mir zu diesem Camp zu gehen, und die nächsten zwei Sommer verbrachte ich acht wunderbare und glückliche Wochen im Camp. Aufgrund meiner Schüchternheit war ich bei den Aufführungen nicht sehr gut, doch ich hatte einen sanften Klavierlehrer aus Ungarn namens Balint Vazsonyi, der mich lehrte, die Musik zu lieben, die ich spielte.

Ungefähr um diese Zeit eröffnete Interlochen eine Akademie, die das ganze Jahr über Unterricht anbot. Ich bettelte meine Eltern an, mich dorthin gehen zu lassen. Ich wusste, dass Herr Vazsonyi einer der Lehrer dort war.

Im ersten Jahr lehnten sie ab, aber während meines Junior und Senior Jahres gaben sie schließlich nach und ich bekam die Erlaubnis, zur Interlochen Kunst Akademie zu gehen.

Diese zwei Jahre waren wahrscheinlich die glücklichsten meines Lebens. Ich blühte auf in der Umgebung anderer junger Leute, die meine Interessen teilten, und ich liebte die Musik. Während meines ersten Jahres gewann ich in einem Konzertwettbewerb und konnte den ersten Satz von Beethovens erstem Klavierkonzert mit Orchester, unter der Leitung des alten Dr. Maddy (der Interlochen gegründet hatte), spielen. Das Publikum stand am Ende sogar auf, um mir zu applaudieren.

Mein Klavierspiel half mir, Freunde an der Akademie zu gewinnen. Wir waren eine sehr idealistische Gruppe junger Leute mit einer utopischen Einstellung - weit weg von Zuhause. Ich habe es geliebt.

Ich hatte meinen ersten Freund, einen anderen Pianisten namens Greg, doch es war eine unschuldige Beziehung. Ich war nicht bereit für Sex, eingeschüchtert durch die häufigen Vorträge meiner Mutter über die Gefahren von Männern und Sex.

Der Schatten hielt sich während dieser zwei glücklichen Jahre im Hintergrund, aber er war noch da, im Hintergrund lauernd. Ich würde sagen, dass ich eine Schonfrist hatte, aber nicht für lang.

Nachdem ich in Interlochen promoviert hatte, war klar, dass ich zur Hochschule gehen würde, aber wo? Ich wollte auf eine kleine Hochschule gehen, aber mein Vater wollte, dass ich zu seiner Schule, der Universität von Michigan, ging; zudem war das nicht so teuer. Ich war dann damit einverstanden, da ich wusste, dass mehrere meiner Freunde von Interlochen auch dort sein würden.

Ich immatrikulierte an der Universität von Michigan auf der Musikfakultät im Herbst 1965. Ich hatte ein kleines Zimmer im Kellergeschoss eines Mädchenwohnheims. Bald darauf tat ich mich mit Bill zusammen, einem Geiger von Interlochen mit hellem rotem Haar. Wir hatten in Interlochen ein Recital gegeben und wurden dann die besten Freunde.

Bill und ich hatten unsere ersten sexuellen Erfahrungen auf den langen Spaziergängen heim von der Musikschule zu den Wohnheimen, in der Nähe eines Golfplatzes. Wir fanden einen Platz im Gehölz, das an den Golfplatz angrenzte, und dies wurde unser gemeinsames Versteck. Dort hatten wir unsere ersten sexuellen Erlebnisse; wir waren beide sehr ungeschickt.

Eines Nachts, während wir in der Winterkälte unter einer Brücke waren, hatte ich meine erste Panikattacke. Es kam aus dem Nichts. Unfähig zu sprechen erstarrte ich vor Angst. Bill machte sich Sorgen und brachte mich zu einer Klinik, doch als wir dort waren, war der Anfall wieder vorbei. Es war bloß ein Vorbote der Dinge, die da kommen würden.

Während jenes Jahres fing ich an, mich eigenartig zu fühlen, und meine Sehfähigkeit war beeinträchtigt. Es war so, dass ich mich von Zeit zu Zeit sehr schlecht fühlte, dann verschwamm alles um mich herum und sah fremdartig aus. Ich hatte das Gefühl, dass etwas Schreckliches, eine Katastrophe geschehen würde. Diese Erfahrung kam immer öfter. Ich muss jemanden davon erzählt haben, denn bald darauf hatte ich einige Sitzungen mit einer Therapeutin an einer Klinik, doch hatte ich nie eine tiefere Bindung zu ihr, und die Sitzungen schienen nichts zu bringen. Nach einer Weile ging ich einfach nicht mehr hin.

Eines Abends, als Bill und ich zusammen in seinem Zimmer waren, bat er mich, mit ihm am nächsten Tag auf ein Picknick im nahegelegenen Park zu gehen. Sein älterer Bruder und die Freundin seines Bruders würden auch da sein. Ich sagte zu.

Am nächsten Morgen wachte ich mit einem eigenartigen Gefühl und hohem Fieber auf. Ich ging zur Klinik; dort stellte man fest, dass ich 40 Grad Fieber hatte. Sie steckten mich ins Bett und verboten mir, auf das Picknick zu gehen. Später am Nachmittag kam eine Krankenschwester in mein Zimmer und erzählte mir leise, dass Bill, sein Bruder und dessen Freundin auf ihrem Weg zum Picknick bei einem Frontalzusammenstoß zwischen ihrem Volkswagen und einem Lastwagen getötet worden waren.

Ich war unter Schock. Ich rief meine Mutter an, und sie kam, um mich nach Hause zu holen. Ich brach die Schule ab.

Ich erinnere mich, dass ich am Fenster im Schlafzimmer meiner Eltern stand, hinausstarrte und versuchte zu verstehen, was geschehen war. Ich konnte nicht weinen. Ich habe erst ungefähr zwanzig Jahre später geweint, als ich eines Tages auf der Autobahn bei Tampa, Florida fuhr und im Radio die Franck Violinsonate hörte, die Bill und ich bei unserem Recital in Interlochen gespielt hatten. Erst zwanzig Jahre später brauch ich darüber in Tränen aus.

Meine Mutter schien der Situation ebenfalls nicht gewachsen zu sein. Eines Abends nahm sie mich zu dem Film Tausend Clowns mit, vermutlich deswegen, um mich von meinem Kummer abzulenken.

Als wir nach Hause kamen, hatten meine Eltern einen Streit. Mein Vater saß im Wohnzimmer und schaute sich die Johnny Carson Show an. Meine Mutter stellte sich zwischen ihn und den Fernsehapparat und versuchte, ihn dazu zu bringen, mit ihr über irgendetwas zu sprechen. Mit einem Fußtritt beförderte er sie auf die Seite. Dieser kleine Akt der Gewalttätigkeit zerschmetterte den letzten Rest an geistiger Gesundheit, den ich zu der Zeit noch hatte. Ich wusste, dass ich hier nicht länger bleiben konnte.

Ich ging ins Obergeschoss und rief Craig Sheppard an, einen Klavier-Studenten von der Universität Michigan. Mir war eingefallen, dass er von einer Konzertpianistin in Philadelphia gesprochen hatte, die ein Kindermädchen suchen würde. Ob sie wohl noch ein Kindermädchen brauchen? Craig sagte, er würde mich zurückrufen. Nach ein paar Minuten war er wieder am Telefon und gab mir die Nummer von Susan Starr, der Konzertpianistin aus Philadelphia. Ich rief sie an und sagte ihr, dass ich schon am nächsten Tag kommen würde.

Ich packte meinen Koffer. Ich hatte gerade noch genug Geld für ein Flugticket nach Philadelphia. Ich erinnere mich auch jetzt nicht mehr daran, wie ich zum Flughafen gekommen bin und ob ich meinen Eltern erzählt hatte, wo ich hingehen würde. Meine nächste Erinnerung ist, wie ich im Flugzeug sitze und über der braunen Stadt unter mir kreise.

Ich trug meinen Koffer selbst und nahm einen Bus in die Stadt, da ich nur noch ungefähr $2,40 in meinem Geldbeutel hatte.

Ich lief mehrere Stunden umher, um die Adresse zu finden, die Susan mir gegeben hatte: Panama Street 2203. Irgendwie waren die Richtungsangaben nicht logisch. Schließlich fragte ich einen Polizisten nach dem Weg, und kurz darauf wanderte ich die Benjamin Franklin Allee hinaus.

Auf diese Art und Weise ging der ganze Tag vorbei. Ich hatte Blasen an meinen Füßen und gab einen Teil meines Geldes noch für Pflaster aus. Danach hatte ich nicht mehr genug Geld um mir etwas zu essen zu kaufen.

Bald war es Nacht. Ich fragte wieder nach dem Weg. Irgendwie verschlug es mich in die U-Bahn Richtung 69. Straße. An der Endstation ging ich mit meinem Koffer in Hand die Treppen hoch, und ein kleiner alter Farbiger sagte zu mir, "Fräulein, ich glaube nicht, dass sie die Nacht hier draußen verbringen wollen". Ich war im schwarzen Viertel der Stadt gelandet. Er ging mit mir über die Straße und setzte mich in die U-Bahn in die Gegenrichtung.

Ich fuhr die U-Bahn bis zur Endstation und stieg dann aus. Jetzt war es ungefähr ein Uhr morgens. Ich befand mich in einer Vorstadt irgendwo außerhalb Philadelphias. Schließlich fand ich ein 24-Stunden-Geschäft. Ich erinnerte mich noch daran, dass einer der Studenten von Interlochen aus Levittown, Pennsylvannia, war, und ich brachte es fertig, ihre Telefonnummer von der Informationen zu bekommen.

Ihre Eltern waren am Telefon und ich erklärte ihnen meine Misere. Sie waren alles andere als glücklich wegen der ganzen Umstände, aber sie kamen und holten mich ab. Ich konnte die Nacht in ihrem Haus verbringen. Am nächsten Tag fuhren sie mich in die Stadt; sie fanden die Panama Street und brachten mich bis zu Susan's Haustür.

Brenda, das schwarze Dienstmädchen von Susan kam begleitet von zwei Dobermann Hunden zur Tür. Drinnen tobte das Chaos: Susan beendete gerade die Stunde mit einem Studenten; Brenda schrie die zwei jungen Kindern an; und Susan's Ex-Mann war dort – und der Mann, mit dem sie am Abend ausgehen wollte. Susan hatte keinen Babysitter.

Nachdem die Klavierlektion vorüber war und der Student gefahren war, wurde ich den zwei kleinen Kindern, Eric und Lori Amada, vorgestellt. Sie waren ungefähr zwei und drei Jahre alt. Brenda ging nach Hause, die Hunde wurden nach unten gesperrt, der Ex-Mann ging, und Susan ging mit ihrem Freund zum Pferderennen. Ich hatte 2 Dollar. Ich gab sie Susan und bat sie auf das „tägliche Doppel“ – eine spezielle Wette bei Pferden - zu wetten. Ich wählte die Namen der Pferde aus der Zeitung.

Ich fütterte und badete die Kleinen und brachte sie zu Bett, dann trug ich meinen Koffer in das kleine Zimmer, in dem ich bleiben würde. Als Susan schließlich nach Hause kam, war sie böse. Sie hatte $50 verloren, aber ich hatte $200 durch das richtig getippte tägliche Doppel gewonnen.

Ich genoss es bei Susan zu arbeiten. Es gab immer viel zu tun. Ich mochte die Kinder und ging oft mit ihnen zum kleinen Park hinunter am Ende des Blocks und schaute ihnen beim Spielen zu. Susan ging am Abend oft aus, deshalb hatte ich genügend Zeit für mich selbst.

Eines Tages hatte Susan einen Studenten, der Bach spielte. Nachdem Student gegangen war, ging Susan ins Obergeschoss; ich setzte mich ans Klavier und fing an, den gleichen Bach Stück nach dem Gehör zu spielen. Susan erschien oben auf der Treppe.

"Wo hast Du das gelernt?“ fragte sie mich.

"Hab ich gar nicht," antwortete ich. "Ich habe nur gespielt, was Ihr Student gespielt hat". Susan war überrascht. Damit begann mein Unterricht bei ihr. Sie gab mir beinahe jeden Tag eine Lektion, und in der Nacht, nachdem die Kinder im Bett und Susan gegangen war, durfte ich auf ihrem Flügel üben.

Ich blieb ein Jahr bei Susan. Bei ihr lernte ich jüdisches Essen kennen, besonders Bagels, Frischkäsetomaten und Lachs am Sonntagmorgen zum Frühstück. Ich war sehr zufrieden mit dem Leben dort.

Doch war ich immer hungrig. Wenn Susan eine Verabredung hatte, plünderte ich den Kühlschrank und aß immer gerade soviel, dass es nicht auffiel. Dies war der Anfang meiner Essstörungen.

Am Ende jedoch war Susan von mir als Studentin wegen meiner Schüchternheit bei Aufführungen desillusioniert. Sie wollte, dass ich ein Konzert mit einem kleinen nahegelegenen Orchester spielte, doch allein der Gedanke daran versetzte mich in Panik und ich lehnte es ab vorzuspielen.

Aber ich habe das musikalische Leben bei Susan genossen. Besonders das Mithören ihrer Klavierlektionen mit anderen Studenten mochte ich. Manchmal kam ein Geiger vorbei und er und Susan spielten zusammen. Es gab immer Musik im Haus.

Ich wurde manchmal von einem hochfrequenten Klingeln in meinen Ohren belästigt, das es unmöglich für mich machte zu hören, was die Leute zu mir sagten. Ich versuchte, dem nicht allzu viel Aufmerksamkeit zu schenken, weil ich nicht wusste, was es war. Es schien immer von diesem altbekannten Gefühl einer drohenden Katastrophe begleitet zu sein, dem Gefühl, dass etwas Furchtbares geschehen würde.

Susan hatte einen Studenten in meinem Alter namens Lorenzo, und bald fingen wir an miteinander auszugehen. Er war ein Amateur-Fotograf; manchmal liefen wir durch die ganze Stadt, während er seine Schnappschüsse machte. Besonders mochte er das italienische Viertel, wo er gerne saure Gurken und Sardinen aus einem Fass kaufte.

Ich fing an, Lorenzo zuhause in seiner Wohnung zu besuchen, und bald darauf hatten wir körperlichen Kontakt. Er war viel erfahrener als Bill und wir hatten eine handfeste Affäre. Wir benutzten keinen Schutz. Es ist ein Wunder, dass ich damals nicht schwanger geworden bin.

Diese Affäre dauerte fast das ganze Jahr, das ich bei Susan wohnte. Schließlich bat Lorenzo mich mit ihm zusammenzuziehen; ich war einverstanden. Ich fand einen Job als Prüfer für Schadensfälle bei einer Versicherung; mein erstes Gehalt waren $ 56 die Woche.

Auf diese Weise ging das Leben mehrere Monate weiter. Ich ging noch zu den Klavierstunden zu Susan und paßte auf die Kinder auf, wenn sie mich brauchte. Zu der Zeit war ich verhältnismäßig glücklich abgesehen von dem Klingeln in meinen Ohren, das einfach nicht verschwand.

Eines Nachts erzählte Lorenzo mir, dass er sich in ein anderes Mädchen verliebt hatte. Er wollte, dass ich auszog. Ich war am Boden zerstört. Ich lief die Straße hinunter und weinte hemmungslos. Was sollte ich jetzt bloß machen?

Ich rief eine Freundin namens Erica Fischer an, die ich noch aus Interlochen kannte. Sie lebte in Toronto. Wir vereinbarten, dass ich zu ihr kommen würde um sie zu besuchen. Ich nahm den Zug nach Toronto und verließ somit mein Leben in Philadelphia ohne noch einmal darüber nachzudenken.

Es war das Jahr der Weltausstellung in Montreal und Erica und ich waren dort, als sie mit einer brillanten Idee aufwartete.

"Warum fahren wir nicht einfach nach London?" fragte sie. Wir wussten beide, dass Balint Vazsonyi jetzt dort lebte und lehrte. "Wir könnten bei ihm studieren," sagte sie.

Es klang wie ein unwiderstehliches Abenteuer.

Ich hatte noch ungefähr $600 von meinem Versicherungsjob; also kauften wir beide die billigsten Karten, die wir bekommen konnten für in Schiff von Montreal nach England. Und mit dem Segen ihrer Eltern setzten wir die Segel nach London, England!

Jedoch versäumten wir es, Herrn Vazsonyi zu erzählen, dass wir kommen wollten, ein fataler Fehler, wie sich dann herausstellen sollte.

Die Schiffsfahrt dauerte sechs Tage. Wir würden in Liverpool landen und würden dann einen Zug nach London nehmen.

Auf dem Schiff lernten wir bald die Mannschaft des Schiffs kennen; das waren junge Burschen in unserem Alter. Es gab jede Nacht eine Party, zu der wir eingeladen wurden. Erica war von meinem Verhalten schockiert. Jede Nacht nach den Partys hatte ich mit einem und manchmal sogar zwei von diesen jungen Burschen Sex. Ich war sexuell wahllos; ich suchte auf diese Weise die Liebe, die ich so lange vermisst hatte.

Aber trotz allem war die Reise ein großer Spaß. Ich liebte es, am Deck zu stehen und den Wasserwirbeln hinter dem Boot zuzuschauen. Wasser hatte schon immer eine hypnotische Wirkung auf mich. Und es machte Spaß, die neue englische Währung und die neuen Speisen zu lernen. Schon war Land in Sicht. Bald waren wir in einem Zug Richtung London und unterwegs zu einem neuen Leben.

Als die Landschaft an uns vorbeizog, berührte es mich tief, wie verschieden alles ausschaute. Winzige Häuser drängten sich zusammen. Wäsche hing zum Trocknen im Freien. Kinder liefen herum. Es war faszinierend.

Ich wusste nichts davon, dass das Abenteuer, das mir bevorstand, in einer Katastrophe für mich enden würde.

Kapitel 3 - London

London! Wir waren schließlich angekommen. Zwei Siebzehnjährige, die das Abenteuer in einer fremden Stadt suchen.

Die ersten paar Tage wanderten Erica und ich in der Stadt herum, Wir hatten nur unsere Straßenkarte dabei, um die Straßen und Sehenswürdigkeiten kennen zu lernen; Für die Übernachtung nahmen wir Zimmer in einer billigen Studentenherberge.

Schließlich nahmen wir uns eine kleine "Wohnung" in Earls Court und mieteten ein Klavier, um darauf zu üben. Eines Tages besuchten wir unangemeldet Herrn Vazsonyi in seiner Wohnung, um ihm zu erzählen, dass wir gekommen waren, um bei ihm zu studieren. Doch er hatte andere Pläne. Er hatte vor, bald nach Ungarn zurückzukehren, um ein Buch zu schreiben und war alles andere als erfreut über unsere unerwartete Ankunft. Aber er versprach, uns ein paar Stunden zu geben, bevor er das Land verlassen würde.

Meine Mittel gingen bald zur Neige, doch mein Vater war bereit, mir genug Geld zu schicken, sodass ich jeden Monat die Miete und das Essen bezahlen konnte. Ich entdeckte bald, dass ich von Rechts wegen in England nicht arbeiten durfte, da ich als Fremder registriert war.

Erica und ich verbrachten die Tage damit, London zu erforschen; wir hatten dabei aber noch genug Zeit, um auf dem gemieteten Klavier abwechselnd zu üben. Abends gingen wir meist zu Gratis-Konzerten oder besuchten die Vazsonyis und spielten mit ihrem kleinen Sohn Mikki.

Ich hatte keine Pläne für die Zukunft und sah mich als einen "Hippie", der im Augenblick ein angemessenes Hippieleben als Künstler und Student weit weg von zuhause führte.

Ich mochte besonders die Spaziergänge im Hyde Park. Erica und ich schauten Fußballspielen zu, trafen dort andere Studenten, beobachteten Kindermädchen, die ihre Kinderwagen durch den Park schoben und sahen Geschäftsmännern in schwarzen Derbys, die dort ihren Mittagsspaziergang machten. Manchmal waren wir auch bei der Speakers Corner, wo immer jemand auf dieser Kiste stand, der einer unruhigen Menschenmenge irgend etwas predigte.

Erica hatte einen Schauspielstudenten namens Mark getroffen und brachte ihn mit nach Hause, und es dauerte nicht lange bis Mark und ich in eine intensive Affäre verwickelt waren. Ich dachte, dass ich verliebt war. Mark und ich verbrachten Tage zusammen damit die Gegend zu erforschen, ins Theater zu gehen, billige Restaurants in Soho zu suchen, und in Museen und Buchhandlungen zu gehen. Wie auf dem Boot war Erica von meinem sexuellen Verhalten schockiert; aber es gab nicht viel, das sie dagegen hätte tun können.

Wir hatten die Reise nach London im September gemacht, und bald begann es, kälter zu werden; die Tage wurden kürzer. Die einzige Heizmöglichkeit, die wir in der Wohnung hatten, war ein kleines Münz-Heizgerät in der Ecke des Wohnzimmers, und wir verbrachten täglich mehr und mehr Zeit damit, die örtlichen Kaufleute um Wechelgeld für unser Heizgerät anzubetteln.

Unsere Badewanne war in einem schlecht isolierten Vorraum. Wir erhitzten das Badewasser in einem Kessel auf dem Herd, aber bis die Wanne gefüllt war, war das Wasser gefroren.

Als es kälter wurde, kamen meine Symptome mit voller Kraft zurück. Eines Nachts wachte ich vor Panik schreiend auf; Erica musste mich mitten in der Nacht zu einem örtlichen Krankenhaus bringen. Ich wurde behandelt und wurde ohne eine Diagnose nach einer Untersuchung durch eine sehr unsympathische Krankenschwester wieder entlassen.

Die Panikattacken nahmen wieder zu und ich musste darauf gefasst sein, dass sie an den harmlosesten Orten kommen konnten – in einem Stadtbus oder wenn ich z.B. die Strasse entlangging. Die Panik war sehr stark, und alles was ich machen konnte, war nach Hause und damit an einen sicheren Ort zu kommen und zu warten, bis es wieder vorbei war.

Obwohl ich es zu der Zeit nicht verstand, fing ich auch an, Halluzinationen zu haben. Zuerst war alles nur irgendwie unwirklich. Die Farben der Dinge waren sehr lebhaft und sahen unnatürlich aus. Wenn Sie je durch einen altmodischen Viewmaster geschaut haben, werden Sie verstehen was ich meine.

Zur gleichen Zeit, als ich diese visuellen Deformationen erlebte, erfuhr ich auch Perioden intensiver Ekstase. Alles, was ich anschaute, war einfach wunderschön. Ich fing an, täglich zur Nationalen Kunstgalerie zu gehen; ich starrte stundenlang auf ein Gemälde, betrachtete die unirdische Schönheit des Gewebes eines Kleidungsstücks, den Schatten der Bäume oder genoß das Spiel von Licht und Dunkelheit in einem Bild. Ich sah eine unergründliche Schönheit in jedem Gemälde.

Als der Dezember kam, wurde ich kränker und kränker. Die Realität wurde für mich zu einer welligen, wässerigen Welt, wo nichts mehr stabil oder wirklich war. Eines Tages kam ich nach Hause; das ganze Wohnzimmer verschwand und ich verlor mich in einem See welliger, weißer Energie.

Ich erzählte Erica, was geschehen war; sie sprach mit Herrn Vazsonyi darüber, der gerade aus Ungarn zurückgekehrt war. Erica nahm mich dann auch zu unserem Lehrer mit. Er unterhielt sich mit mir und sagte mir am Ende des Gesprächs geradeheraus, dass etwas mit mir wohl nicht stimmte. Ich war in einer anderen Realität verloren; selbst während unseres Gespräches driftete ich immer wieder ab.

Erica wusste wahrscheinlich nicht, wie sie meine Eltern kontaktieren konnte, und ich war nicht in der Verfassung, es ihr zu erzählen. Das nächste Ereignis, das ich wahrnahm, war, dass ich von Erica und Vazsonyi zum Flughafen Heathrow gebracht wurde; sie hatten mir ein Ticket zurück nach New York gekauft. Unter Tränen verabschiedete ich mich von Ihnen, wobei mir nicht wirklich klar war, was eigentlich passierte.

Von diesem Flug blieb mir einzig in Erinnerung, dass ich neben einem kleinen Jungen mit einem Teddybären saß.

Von Erica habe ich nie wieder etwas gehört. Ich habe keine Ahnung, was aus ihr geworden ist. In späteren Jahren schrieb ich gelegentlich Herrn Vazsonyi und traf ihn einige Jahre später, als er für eine Konzertreise in den USA gastierte.

Bei meiner Ankunft in New York wusste ich, dass ich zurück nach Philadelphia gehen musste, wo ich jemanden kannte. Ich brachte es tatsächlich fertig, in den richtigen Zug zu steigen. In Philadelphia rief ich meinen früheren Freund Lorenzo an. Er kam zum Bahnhof und brachte mich in seine Wohnung.

Am nächsten Morgen ging ich nach dem Aufwachen ins Wohnzimmer und schaute aus dem Fenster. Ich sah London: Die roten Busse, die Straßen voll von geschäftigen Leuten, die Herbstblätter an den Bäumen. Verwirrt ging ich zur Haustür hinaus: Es war kalt, es lag Schnee und es war Philadelphia. Aber als ich zurück nach drinnen ging und wieder aus dem Fenster schaute, sah ich noch immer London.

Als ich Lorenzo erzählte, was los war, brachte er mich zum Philadelphia Krankenhaus, wo ich von einem Notfallarzt untersucht wurde. Ich konnte keine seiner Fragen richtig beantworten. Ich wusste nicht mehr, wer ich war, wo ich war oder welchen Tag wir hatten. Ich wurde sofort in die psychiatrische Abteilung des Krankenhauses eingewiesen.

Inzwischen waren meine Angstzustände permanent und unerträglich geworden. Ich hätte den ganzen Tag vor Panik schreien können. Ich wollte Selbstmord begehen, weil ich diesen Zustand nicht mehr ertragen konnte. Wenn Lorenzo mich besuchte, verschwand diese Panik vorübergehend, aber sie kam zurück, sobald er gegangen war. Ich bettelte ihn an, nicht zu gehen, doch der Effekt war, dass er bald darauf seine Besuche gänzlich einstellte.

Eines Tages sah ich zufällig meine Krankenakte auf dem Schreibtisch im Schwesternzimmer. In der obersten Ecke war das Wort schizophren markiert. Das war das erste, was ich von meiner Diagnose mitbekam.

Irgendwie wurden meine Eltern kontaktiert. Mein Vater kam zum Krankenhaus und veranlasste, dass ich in ein privates Krankenhaus auf dem Land unter der Obhut eines Psychiaters namens Dr. Grofe überwiesen wurde. Er brachte mich dann auch zum neuen Krankenhaus. Ich saß in einem Warteraum mit orangefarbenen Stühlen, während mein Vater den Papierkram ausfüllte. Ich erinnere mich an das Gefühl, dass ich ins Zimmer gehen musste, wo mein Vater war und ihm sagen musste, dass er einige Papiere nicht unterzeichnen sollte. Diese Papiere erlaubten Elektroschockbehandlungen. Er unterzeichnete sie nicht.

Danach verlor ich das Bewusstsein. Am nächsten Morgen wachte ich auf, und auf der Kommode in meinem Zimmer stand eine Blumenvase. Die Krankenschwester erzählte mir, dass die Blumen von meinem Vater stammten. Er war zurück nach Michigan gefahren.

Der unerträgliche Schmerz setzte sich fort. Ich lag im Isolationszimmer auf einer bloßen Matratze und fühlte die Schwärze, die in mich eindrang. Der Terror war unentrinnbar.

Ich hatte mehr und mehr Halluzinationen. Während ich in meinem Zimmer lag, sah ich verschiedene Bekannte von hinter der Kommode ins Zimmer kommen. Dann verschwanden sie wieder. Ich hörte Stimmen, die von der Decke kamen und Wörter sagten, die mir unverständlich waren.

Eine Frau kam in unsere Abteilung, um uns beizubringen, Topflappen zu machen, aber ich war unfähig, zu verstehen, was sie sagte.

Damals machte ich eine sehr ungewöhnliche Erfahrung.

Ich lag nach dem Frühstück auf einer Couch im Aufenthaltszimmer. Die Wände des Zimmers waren in einem widerlichen Grün angestrichen. Während ich dort lag, fühlte ich mich plötzlich nach oben auf die Decke zuschweben.

"Das kann nicht sein," dachte ich bei mir. Aber es passierte doch.

Danach erinnere ich mich nicht mehr an sehr viel. Ich erinnere mich nur noch durch die Wand gegangen zu sein, und dann war ich in einer verschiedenen Welt. Es war eine Welt, die Worte nicht beschreiben können. Als ich dort war erkannte ich, wie begrenzt und klein die Welt ist, in der wir in Wirklichkeit hier leben. Ich hatte eine neue und größere Welt erfahren.

Das Gefühl, das ich erfahren hatte, war das von Ausbreitung. Ich war außerhalb der normalen Realität und es war schön. Nach all dem Schmerz war ich schließlich in Frieden. Das Gefühl war so wunderbar, dass ich nie wieder zurück zur "wirklichen" Welt gehen wollte. Ich wollte immer in diesem glückseligen Zustand bleiben.

In dieser anderen Welt gab es Farben, hauptsächlich pastellfarben und irgendwie dunstig. Während ich in diesem anderen Bewusstseinszustand war, wusste ich, dass ich mich bei meiner „Rückkehr“ nicht wirklich an diese Erfahrungen erinnern würde können, weil die Erfahrung selbst unverständlich sein würde, sobald ich zurückgekehrt wäre. Aber ich wusste auch, dass das, was ich bei meiner Rückkehr in mir tragen würde, der Gedanke, die Erinnerung davon wäre, was geschehen war. Ich würde es in meiner Erinnerung nicht noch einmal erfahren können, aber ich würde die Erinnerung daran haben.

Ich weiß nicht, wie lang ich "weg" war. Die Erfahrung an sich war zeitlos. Als ich schließlich wieder ein Zeitgefühl hatte, waren ein paar Wochen vergangen.

Ich kehrte nicht auf einmal zurück. Es war eine allmähliche Rückkehr, wie wenn man langsam, sehr langsam aus einem Nebel herauskommt. Ähnlich wie wenn man wiedergeboren wird. Ein allmählicher Aufstieg von der Bewusstlosigkeit zum Bewusstsein.

Eigenartigerweise war diese Erfahrung der Beginn einer Verbesserung meines Zustandes. Ein paar Wochen lang hatte ich noch diese Gefühle schmerzhafter und intensiver Panik, aber allmählich wurden die Zeitspannen ohne Beschwerden jeden Tag länger.

Schließlich wurde ich auf eine offenere Abteilung des Krankenhauses verlegt. Ich begann, mich mit den anderen Patienten anzufreunden und ging zur Beschäftigungstherapie. Dort traf ich dann auch die zwei Frauen, die kurz zuvor eine Lobotomie gehabt hatten. Sie waren wie Roboter.

Auf meiner Abteilung schloss ich mit einem anderen Teenager namens Matthew Freundschaft. Für Matthew war eine Serie von achtundzwanzig Elektroschockbehandlungen geplant.

Jeden Morgen brauchte es zirka sechs Gehilfen, um Matthew auf einer Tragbahre festzuschnallen, denn er trat um sich und schrie aus vollem Hals. Die Elektroschockbehandlungen wurden ihm gegen seinen Willen gegeben. Eine Stunde später kam er zurück, und er wusste nicht mehr, wer er war. Wir verbrachten den restlichen Tag miteinander, indem wir in der Abteilung herumliefen, und ich erzählte ihm immer wieder, wer und wo er war und was mit ihm geschehen war.

Wir taten das jeden Tag für den Rest seiner achtundzwanzig Behandlungen. Matthew erzählte mir, dass auch er als schizophren diagnostiziert worden war.

An einem Wochenende hatten Matthew und ich zusammen Ausgang und wir gingen zu ihm nach Hause, um seine Mutter zu besuchen. Es war ein fürchterlicher Besuch.

Während ich im Krankenhaus war, war ich unter der Obhut von Dr. Grofe; er war sehr gut zu mir, was ich sehr schätzte. Es ist eigenartig - wenn man krank ist, schätzt man die kleinen Gesten der Freundlichkeit sehr, während die kleinen Grausamkeiten zum Beispiel der Krankenschwestern oder der Pfleger ewig im Gedächtnis bleiben.

Aber Dr. Grofe war gütig. Manchmal, als ich bei ihm saß, hatte ich für eine Weile ein Blackout. Ich war mir dann nicht mehr bewußt, was ich sagte. Aber er wartete nur geduldig bis ich wieder da war, und dann nahmen wir die Konversation wieder auf. Jedesmal wenn das geschah, war ich mir dessen bewusst, und ich fragte ihn, was ich gesagt hatte, aber er hat es mir nie erzählt.

Schließlich wurde ich aus dem Krankenhaus in ein Übergangshaus entlassen, aber dort blieb ich nicht lang. Ich mietete ein Dachbodenzimmer von einer älteren Dame. Das Zimmer war rosafarben. Aber die Halluzinationen kehrten bald zurück.

Ich erinnere mich an eine besonders furchtbare Nacht. Zuerst hörte ich Chöre von Stimmen, die aus der rechten Ecke der Zimmerdecke zu kommen schienen. Dann drehte ich mich um und sah, dass jemand mit dunklem Haar mit mir im Bett lag. Sobald ich sie gesehen hatte, war sie verschwunden. Danach hörte ich mir eine Symphonie im Radio an. Es klang wie Schumann, aber es war eine Symphonie, die mir unbekannt war. Am nächsten Morgen entdeckte ich, dass das Kabel des Radios nicht eingesteckt war.

Ich versuchte, meine Gänge ins Badezimmer aufrecht zu erhalten, um meine Medikamente zu nehmen. Aber dann war ich wieder verwirrt und ich konnte mich nicht mehr daran erinnern, ob ich schon ins Badezimmer gegangen war oder nicht. Dieses Verhaltensmuster wiederholte sich ständig.

Am nächsten Tag ging ich zurück ins Krankenhaus. Ich war nicht in der Lage, mich um mich selbst kümmern.

Dr. Grofe entschied, dass ich eine bessere Chance auf Heilung haben würde, wenn ich in einem Krankenhaus war, das näher bei meinen Eltern läge. Also veranlasste er, dass ich in das Krankenhaus der Universität von Michigan überwiesen wurde, das nahe dem Heim meiner Eltern bei Lansing, Michigan war.

An meinen Flug dorthin erinnere ich mich überhaupt nicht.

Im neuen Krankenhaus blieb ich ein paar Wochen. Irgendwann im Laufe dieser Krankenhausaufenthalte (das erzählte er mir viel später) sagte man meinem Vater, dass ich nie mehr außerhalb einer Heilanstalt leben könnte.

Ich war entschlossen, dass dies nicht so sein sollte.

Ich war es leid im Krankenhaus zu sein und bat darum, entlassen zu werden, aber mein Arzt lehnte ab. Also schlich ich mich eines Tages während eines Volleyballspiels im Hinterhof des Krankenhauses nach draußen, lief den Hügel hinunter zur Straße, von wo aus ich dann in die Stadt trampte.

Ich war frei.

Während der nächsten paar Monate kam ich halbwegs wieder zu mir. Ich fand einen Job in der Küche eines kleinen Studentenrestaurants und fing wieder an, Kurse an der Musikschule zu nehmen. Kurz darauf traf ich meinen neuen Freund Jeffrey; bald lebten wir zusammen.

Jeffrey war Lehrer an einer Schule in der Innenstadt und Absolvent der Universität. Die Beziehung dauerte aber nicht lange, denn Jeffrey interessierte sich bald darauf für ein anderes Mädchen, das auch in unserer Straße wohnte.

Ich war mir sicher, dass sein mangelndes Interesse an mir mit meinem Gewicht zu tun hatte, denn zu der Zeit wog ich ungefähr 150 Pfund.

Eines Tages nach einer üppigen Mahlzeit bei McDonalds, die unter anderem ein Sandwich und einen Milchshake beinhaltete, ging ich ins Badezimmer und brachte mich selbst zum Erbrechen, indem ich mir den Finger in den Hals steckte. Von dieser Methode hatte ich in der High-School gehört. Dort gab es ein Mädchen, das es machte.

Ich war überrascht, wie leicht es war, und wie gut ich mich nachher fühlte. Sauber und rein. Ich dachte damals, dass dies die einzige Möglichkeit war, Jeffrey bei mir zu halten. Von da an war ich bulimisch, und das war eine schreckliche Falle; ich hatte mit dieser Sache angefangen und hatte dann nicht mehr die Kraft, diese Gewohnheit zu durchbrechen. Meine Bulimie sollte für 27 Jahre weitergehen. Ich weiß eigentlich nicht, warum ich nicht daran gestorben bin.

Natürlich hat Jeffrey mich trotzdem verlassen.

Nach und nach aber kehrte mein Leben in die Normalität zurück. Ich arbeitete im Restaurant und nahm Kurse an der Universität; gelegentlich begleitete ich Studenten bei ihren Vortragsabenden.

Es war nur so ein Nebenjob, der mich in die schlimmsten Schwierigkeiten meines Leben bringen sollte, aber zu der Zeit ich war unbekümmert und der neuen Gefahr vor mir nicht gewahr.

Ich kam vom Regen in die Traufe, und ich wünschte nur, dass ich damals im Herbst 1967 schon gewusst hätte, was ich jetzt weiß.

Kapitel 4 - Jenny

Ich kannte Jenny vom Studentenwohnheim von vor zwei Jahren. Jenny war Cellistin und Studentin an der Musikschule der Universität von Michigan. Sie war eine gesellige und populäre Studentin, und im Wohnheim sammelten sich oft die anderen Bewohner in der Nacht in ihrem Zimmer, weil dort immer etwas los war.

Zwei Jahre später war Jenny immer noch an der Musikschule. Ich war überrascht, als sie mich bat, sie bei einem Lalo Cello Konzert für einen bevorstehenden Vortragsabend zu begleiten, doch ich sagte sofort zu. Wir probten ein paar Mal und spielten dann den Vortragsabend.

Jenny sagte, dass sie mich zum Abendessen einladen wollte, um mir auf diese Weise für die Pianobegleitung zu danken. Wir gingen in ein chinesisches Restaurant in Ann Archer, das häufig von den Studenten frequentiert wurde.

Jenny erzählte mir, dass sie gerade von einem Besuch bei ihrem Bruder in Kalifornien zurückgekommen war, und sie sagte, dass es etwas gäbe, worüber sie mit mir sprechen wollte. Sie sagte, dass sie in Kalifornien von etwas namens Scientology erfahren hatte - eine Art Selbsthilfe-Psychologie, die Leuten mit emotionalen Problemen helfen könnte. (Jenny wusste von meinen Problemen). Ich interessierte mich nur mäßig.

Während des ganzen Essens wiederholte Jenny immer wieder: "Margery, Du solltest es dir wirklich mal selbst anschauen, um herauszufinden, was Scientology eigentlich ist". Ich wußte zu der Zeit nicht, daß sie absichtlich eine Wiederholungstechnik bei mir benutzte, die sie in Scientology gelernt hatte. Die Wirkung dieser Technik sollte einen leichten Trancezustand auslösen.

Die Technik verfehlte ihre Wirkung nicht: Nachdem sie sich ungefähr zwanzig Mal wiederholt hatte, hatte ich eine eigentümliche Empfindung. Ich spürte, wie sich der Raum um mich drehte. Es war, als ob jemand das Zimmer genommen und es um ungefähr dreißig Grad verschoben hätte. Es war ein eigenartiges Gefühl und es zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich wusste, dass es etwas damit zu tun hatte, was Jenny mir zu erzählen versuchte.

"Vielleicht solltest Du mir doch etwas über Scientology erzählen," sagte ich zu ihr. Ich hatte den Köder geschluckt.

Zu der Zeit hatte ich eine kleine Wohnung in Ann Archer.

"Lass uns doch zu Dir gehen," schlug Jenny vor. "Dann kann ich Dir alles darüber erzählen". Sie bezahlte unsere Rechnung und wir verließen das Restaurant.

In meiner Wohnung fing Jenny mit einer ausführlichen Erklärung von Scientology an. Sie erzählte mir von einer Gruppe junger Leute, die auf Schiffen im Mittelmeer zusammen mit dem Gründer von Scientology, L. Ron Hubbard, lebten. Diese Gruppe war als die See-Organisation (Sea Org) bekannt. Sie segelten von Hafen zu Hafen, um das Evangelium von Scientology zu verbreiten.

Jenny sagte auch, dass man einen Vertrag für eine Milliarde Jahre unterzeichnet, wenn man sich für die „Sea Org“ verpflichtet. So lange würde es dauern, bis dieser und alle anderen bewohnten Planeten von ihren Problemen „geklärt“ wären.

Scientology, erklärte Jenny, war eine neue Wissenschaft, die das Heilmittel für alle psychosomatischen Krankheiten und emotionalen und physischen Probleme hatte. Diese Wissenschaft war der Psychiatrie um tausende Jahre in ihrer Entwicklung voraus. Eigentlich war die Psychiatrie der Hauptfeind von Scientology mit ihrer rückständigen Praxis von Schockbehandlungen und Lobotomie.

Davon brauchte sie mich nicht zu überzeugen. Ich hatte es selbst gesehen. Die Bilder von Matthew und den zwei Frauen, die ich in der Beschäftigungstherapie nach ihren Lobotomien gesehen hatte, stiegen in meinem Gedächtnis auf.

Je mehr Jenny mir erzählte, desto interessierter wurde ich.

Die Geschichte der Erde, erklärte sie mir, war tatsächlich Millionen von Jahren alt. Es hatte alte Zivilisationen gegeben, die entstanden und vergangen waren. Scientologen waren vor ungefähr 30000 Jahren schon einmal in Raumschiffen zur Erde gekommen um zu versuchen, diesem Planeten zu helfen; aber sie hatten versagt. Sie waren jetzt zurückgekommen, um diese Aufgabe zu vollenden.

Jenny erzählte mir auch von der scientologischen Theorie des „implantierens“. „Es gibt keinen Himmel oder Hölle,“ sagte sie mir. Wenn man stirbt, trennt sich die Seele von ihrem Körper; sie ist darauf programmiert, zu einer „Implantstation“ im Weltall zurückzukehren, um für die nächste Lebenszeit auf Erden programmiert zu werden. Alle Erinnerungen an ein vorheriges Leben werden elektronisch aus dem Verstand entfernt.

Diese Implantstationen waren vor Millionen von Jahren durch üble Kräfte aufgestellt worden. Die nächste war auf dem Planeten Venus. Nur durch die scientologische Technologie des Auditings konnte man diesem tödlichen Implant-Zyklus entkommen.

Wir redeten bis drei Uhr morgens. Ich erzählte Jenny von meinen erst kürzlich gemachten Erfahrungen in den psychiatrischen Krankenhäusern und von meinen furchterregenden Panikattacken, die von Zeit zu Zeit immer noch ein Problem für mich waren.

Konnte Scientology mir wirklich helfen, diese Panikattacken loszuwerden? "Sicher", sagte Jenny. "Sie haben eine 100% wirksame Psychologie des Verstandes. Das wird garantiert. Wenn es nicht funktioniert, bekommst Du Dein Geld zurück. Aber das ist noch nie passiert.“

Jetzt war ich an der Angel. Ich hätte alles probiert, das mir versprach, meine geistige Gesundheit wiederherzustellen.

"Wie kann ich dieses Auditing erhalten?" fragte ich sie.

"Ganz einfach", sagte sie. "Wir werden morgen anfangen. Ich werde dich auditieren - und das wird Dich überhaupt nichts kosten.“

Dann ging sie. Jene Nacht hatte ich wirre Träume von UFOs und fremden Leuten, die zu Erde gekommen waren um den Planeten zu retten. Konnte es möglich sein, dass ich einer von ihnen war?

Am nächsten Tag erschien Jenny mit einem kleinen braunen Kasten und einem Sack voll Zubehör unter ihrem Arm in meiner Wohnung. Ich hatte einen kleinen Tisch, den wir für das Auditing benutzten.

Sie stellte den Kasten auf dem Tisch auf und erklärte mir, dass dies ein E-Meter oder Elektrogalvanometer war, das in allen Auditingsitzungen benutzt wurde.

Sie zeigte mir die Anzeigescheibe auf dem E-Meter. Über der Scheibe schwebte eine Nadel langsam hin und her. Dann steckte Jenny zwei kleine V-8 Dosen mit Kabeln am E-Meter an. Sie sagte mir, dass ich mich hinsetzen und die Dosen in meinen Händen halten sollte. Dann kalibrierte sie das E-Meter und richtete Papier und Bleistift her.

"Das E-Meter sieht über deine bewussten Gedanken hinaus," erklärte sie mir. "Wenn es auf Ladung in deinem Verstand stößt, reagiert es und ich kann es auf der Anzeige erkennen. Dann werde ich dir Fragen stellen und du antwortest, was dir gerade in den Sinn kommt".

Zu Beginn stellte sie mir einige Routinenfragen: Sie fragte nach meinem Namen, wie ich mich fühlte, ob ich heute etwas gegessen hatte, ob ich innerhalb der letzten 24 Stunden Alkohol getrunken hatte ect.

Dann waren wir bereit zu beginnen.

Jenny begann mich zu meinen Panikattacken zu befragen. Sie stellte mir Fragen zu meiner Vergangenheit und insbesondere zu meiner Kindheit und zu meinen Eltern. Häufig wiederholte sie die Frage „Gab es einen früheren Vorfall, bei dem du eine Panikattacke erlebt hast?“

Ich erzählte ihr alles was mir dazu einfiel. Auf diese Weise ging es etwa 2 Stunden weiter, doch nichts Dramatisches geschah. Ich war tatsächlich enttäuscht, als Jenny die „Session (Sitzung)“ beendete. Ich hatte mir etwas Dramatischeres erwartet.

"Das ist nur der Anfang," erklärte Jenny. "Es kann viele Stunden Auditing brauchen, um die eigentliche Quelle deiner Panikattacken zu finden".

Jenny hatte während unserer Sitzung Notizen gemacht. Sie erklärte mir jetzt, dass sie diese einem sogenannten "Case Supervisor (Fallüberwacher)" geben musste; der würde die Notizen überprüfen und Jenny Anweisungen für die nächste Sitzung geben.

Wir gingen also zusammen zu einem Haus in Ann Archer, das das örtliche Hauptquartier von Scientology war. Ich wurde in ein kleines Zimmer geführt um den "Examiner (Prüfer)" zu treffen. Mir wurde erklärt dass ich ihn nach jeder Session treffen würde; er würde meine Anzeigen auf dem E-Meter überprüfen, und ich wäre frei, jegliche Bemerkungen zu der Session zu machen, die ich gerade gehabt hatte.

Der Prüfer bat mich die Dosen zu nehmen, und ich saß ruhig da, während er sein E-Meter beobachtete.

"Ich möchte dir sagen, dass deine Nadel schwebt," sagte er mysteriös zu mir. Und dann: "Du kannst jetzt gehen".

Ich verließ das winzige Zimmer; draußen saßen mehrere Leute herum, die auf ihre Sessions warteten.

"Margery hatte soeben ihre erste Auditing-Session," verkündete Jenny. Alle jubelten. Ich errötete von der Aufmerksamkeit, die mir da zuteil wurde, aber irgendwie freute ich mich auch.

An diesem Abend bat Jenny mich, mit ihr zu einem Cellokonzert an der Universität zu gehen. Ich saß nur mäßig aufmerksam in diesem Konzert, denn mein Denken war tatsächlich von den Ereignissen und den neuen Erfahrungen dieses Tages eingenommen.

Nach dem Konzert ging ich auf die Toilette. Während ich mir die Hände wusch, schaute ich in den Spiegel. Dann plötzlich fühlte ich, wie ich mich von meinem Körper trennte; ich hatte dabei eine glückselig schwebende Empfindung.

"Jenny hat Recht," dachte ich. "Ich bin wirklich nicht mein Körper. Ich bin ein Geist. An Scientology muss wirklich was dran sein".

Meine Ekstase setzte sich auf dem Heimweg fort. Ich erzählte Jenny davon. Aus irgendeinem Grund schien sie aufgeregt zu sein. "Ich glaube, du hattest gerade eine „Clear Cognition (Wahrnehmung)“, sagte sie zu mir. "Das ist ein wirklich gutes Zeichen".

Zurück in ihrer Wohnung rief sie einen Mann namens Mario in Kalifornien an; sie sagte, dass er ihr Kontaktmann im kalifornischen Scientology Hauptquartier war. Mario war Konzertpianist.

Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, kam sie mit einem eigenartigen Blick ins Zimmer zurück.

"Ich kann dich nicht länger auditieren," sagte sie mir. "Du musst von jemandem mit höherer Qualifikation auditiert werden als ich sie habe. Du wirst nach Kalifornien fahren müssen, um dein Auditing dort fortzusetzen; dort können sie ordentlich für dich sorgen".

Ich war sprachlos. Aber ich musste nicht lange darüber nachdenken. Wenn das bedeuten würde, dass ich von meinen Panikattacken geheilt werden würde, war ich bereit, bis zum Ende der Welt zu gehen.

"Ich werde gehen," sagte ich ihr. "Und zwar sobald ich gepackt habe".

Am nächsten Tag rief ich meine Mutter in Lansing an und teilte ihr mit, dass ich nach Kalifornien fahren würde. Sie kam herüber und wir packten meine wenigen Habseligkeiten ein; sie nahm sie mit zu sich nach Lansing, um sie für mich aufzuheben. Sie versuchte, mir einige Fragen darüber zu stellen, wo ich denn hinginge, und ich erzählte ihr begeistert von Scientology.

"Ich habe schließlich ein Heilmittel gefunden," sagte ich ihr. "Sie können meine Panikattacken heilen. Es ist 100% garantiert. Sie sind tausende Jahre weiter als die Psychiatrie". Ich zitierte schon die Meinung der Gruppe.

Ich erinnere mich nur wenig an den Flug nach Kalifornien. Ich erinnere mich daran, dass wir bei der Landung in eine dicke Erbsensuppe eintauchten. Der berühmte Smog von Los Angeles.

Beim Anflug auf jene smoggeschwängerte Stadt war auch ich im Anflug auf ein neues Abenteuer. Meine unermüdliche Suche nach geistiger Gesundheit und Seelenfrieden hatten mich hierher geführt. Ich griff nach einem Strohhalm, doch war das vorläufig alles, was ich hatte.

Kapitel 5 - Los Angeles

Im Oktober 1967, angekleidet in einem Hippie-Kittel, einer Kette aus Apfelkernen und Sandalen stieg ich aus dem Flugzeug in die helle, gleißende Sonne von Los Angeles. Ich holte mir meinen Koffer und nahm den Bus Richtung Stadtmitte L.A.

Jenny hatte mir die Adresse des Celebrity Centers gegeben, ein Scientology Zentrum besonders für Künstler und Berühmtheiten, zu dem ich wegen meines Klavierspiels geschickt worden war. Das Celebrity Center befand sich an der Ecke von Burlington und Achter Straße in einem niedrigen, einstöckigen und heruntergekommenen Gebäude gegenüber dem schäbigen MacArthur Park, dem Heim von Hunderten von Obdachlosen und Alkoholikern.

Der Umgebung schenkte ich nicht viel Aufmerksamkeit. Ich war ja hier auf der Suche nach Erlösung von meinen emotionalen Problemen.

Als ich zum Celebrity Center kam, wurde ich von einer attraktiven Frau in ihren Vierzigern namens Yvonne in Empfang genommen, die mich wie einen lang verlorenen Freund willkommen hieß.

"Herzlich Willkommen, meine Liebe!" Sie umarmte mich. "Wir sind so froh, dass Du hier bist. Jenny hat uns alles über dich erzählt".

Dann führte sie mich in den Hauptraum des Zentrums. Ich schaute mich um. Ungefähr zwanzig Studenten saßen in diesem dunklen Raum an einem langen Tisch in der Mitte des Zimmers. Man hörte nichts außer dem Rascheln von Buchseiten und einem gelegentlichen leisen Flüstern. Ein junger Mann mit einem Heftordner ging langsam durchs Zimmer; von Zeit zu Zeit händigte er einem Studenten ein Blatt Papier aus.

Ich bemerkte diverse Poster an den Wänden; am anderen Ende des Zimmers hing eine riesige Fotografie von einem lächelnden, korpulenten Mann in Marineuniform. Dies, so mutmaßte ich zurecht, war L. Ron Hubbard, der Gründer von Scientology.

Yvonne führte mich zu einem kleinen Tisch an der einen Seite des Zimmers und stellte mich einem kleinen lächelnden Mann vor, der dort am Tisch saß.

"Mario, dies ist Margery, eine Freundin von Jenny. Sie ist gerade von Michigan gekommen". Jenny hatte mir alles über Mario erzählt, dass er Konzertpianist war, und dass er es war, der Jenny zu Scientology gebracht hatte.

"Willkommen, Margery!" Mario lächelte mich an. Er war ein äußerst gutaussehender Mann mit einem breiten Lächeln, das sich über sein ganzes Gesicht auszubreiten schien. Ich mochte ihn auf Anhieb.

Da saß ich nun und redete mit ihm, denn es war Mario, der meinen Fortschritt in Scientology beaufsichtigen würde. Er war mir als eine Art Mentor zugeteilt worden. Als wir so miteinander redeten, brachte er die Konversation auf sehr subtile Weise aufs Geld. Mario wollte wissen, wie viel Geld ich mitgebracht hatte.

"Ungefähr 500 Dollar," gestand ich ihm ohne einen Hintergedanken.

"Dann wirst du mit dem Dianetik-Kurs anfangen können," sagte er mir lächelnd. "Das ist genau die Summe, die der Kurs kostet".

"Aber wo soll ich wohnen?" fragte ich ihn. "Und was ist mit dem Essen"?

"Mach dir keine Sorgen" ermunterte er mich. "Es wird für alles gesorgt werden. Wir werden dir einen Platz finden. Du kannst den Kurs morgen anfangen".

So übergab ich ihm zögernd das ganze Geld, das ich mitgebracht hatte, und er half mir, einige Papiere zu unterzeichnen, die mich für den Kurs einschrieben.

Dann reichte mir Mario ein kleines, blaues Handbuch, das ich als Vorbereitung auf den morgigen Kursbeginn lesen sollte.

Das Handbuch des Preclears hieß das Buch.

Aus diesem Buch lernte ich, dass ich jetzt ein "Preclear" wäre, also jemand, der auf dem Weg war, ein "Clear" zu sein, ein fortgeschrittenes Level in Scientology. Nachdem ich Clear wäre, würde ich durch Audititing von meinem reaktiven Verstand befreit sein, und es war ja angeblich der reaktive Verstand, der mir so viele Schwierigkeiten bereitet hatte.

Clear war aber noch lange nicht der Endzustand. Über dem Clear Level gab es die geheimen "OT" Levels; diese Abkürzung stand für „Operierender Thetan“.

"Thetan" war in Scientology der Name für die Seele, die man eigentlich war. In Scientology dachte man von einer Person nicht, dass sie ihr Körper wäre. Stattdessen war er oder sie ein Thetan, der einen Körper besaß. Der Zweck des Auditings war, mehr Ursache (und nicht Wirkung) über seinen Körper sowie über die Welt um sich herum zu sein.

Der Zweck des Auditings war, so erklärte das Handbuch, elektrische Ladungen zu lokalisieren und zu entfernen, die den Körper einer Person umgaben. Diese Ladungen waren angeblich im Verstand der Menschen in der Form von "Engrammen", sprich Erinnerungen an schmerzhafte Ereignisse aus der Vergangenheit, gespeichert.

Nachdem diese Ladung entfernt war, würde die Person nicht nur Clear sein, sondern sie würde ihren Körper auch nach Belieben verlassen und mit vollem Bewusstsein überallhin in dieser Welt, ja im ganzen Universum reisen können. Diese Fähigkeit wurde in Scientology "Exteriorization" genannt.

Ich versuchte alles zu verstehen, was ich da las. Es war so anders als alles, mit dem ich je in Berührung gekommen war.

"Clear", dachte ich mir. "Befreit von meinem reaktiven Verstand. Endlich würde ich diese verhassten Panikattacken für immer loswerden". Genau das war es, weswegen ich gekommen war. Ich konnte es nicht erwarten anzufangen.

Man entschied, dass ich in dem Haus direkt neben dem Zentrum bleiben sollte, ein zweigeschossiges Haus auf der Burlington Street. Man zeigte mir ein Zimmer, in dem es drei Betten gab; ich entschied mich für das Bett, das dem Fenster am nächsten stand.

Vom Fenster aus sah ich die Pflanzen draußen und den klaren blauen Nachmittagshimmel. Es war alles so schön. Üppig und tropisch, eine neue Welt.

Plötzlich hörte ich von irgendwo, dass ich gerufen wurde. Es war die Stimme eines Mannes, und es klang mir wie die schönste Stimme, die ich je gehört hatte. Es war natürlich eine Halluzination, aber zu der Zeit interpretierte ich es als ein Omen, dass ich am richtigen Ort wäre.

Zu Abend aß ich mit den anderen Bewohnern des Hauses: Glynnis und Geoffrey, ein junges Paar; ein anderes junges Paar mit zwei kleinen Kindern; und Robert, ein Geiger, der im Obergeschoss wohnte.

Ich ging früh ins Bett, wachte aber mitten in der Nacht auf, als ein braungebrannter junger Mann ins Zimmer kam, dem eines der anderen Betten zugewiesen wurde. Wir sprachen kurz miteinander. Er erzählte mir, dass sein Name Lance war, und dass er in der Sea Org war. Er war gerade vom Schiff zurückgekommen.

Lance erzählte mir alle möglichen Dinge über mich selbst, meine Eltern und das Krankenhaus. "Woher weißt du so viel über mich?" fragte ich ihn.

"Ich weiß es, weil ich OT bin," antwortete er mir. Ich akzeptierte das und lag dann nachdenklich im Dunkeln in meinem Bett. Hier an diesem magischen Ort gab es so viele neue Dinge, über die es nachzudenken galt.

Am nächsten Morgen nach einem hektischen Frühstück erschien ich um acht Uhr im Zentrum zu meinem "Kurs".

"Wir haben einen neuen Studenten," stellte mich Yvonne den anderen vor. "Wir wollen sie willkommen heißen".

Es gab herzlichen Beifall von allen in der Runde. Ich fühlte mich willkommen.

Als nächstes bekam ich eine Kopie des Dianetik Buchs, der "Bibel" von Scientology, sowie mein "Kurspack", ein dickes Paket, in dem alle Papiere mit roter Tinte bedruckt waren.

Oben auf dem Paket war ein Fragebogen. Ich sollte jeden Punkt in meinem Paket sorgfältig studieren. Danach würde ich von einem anderen Studenten zu allen Punkten befragt werden. Jeder der Artikel in diesem Paket hieß „Bulletin“ und sie waren alle von Hubbard geschrieben worden.

Ich fing an zu lesen.

Das erste Bulletin hieß "Die Ziele von Scientology" und sein Zweck war, mich in Scientology willkommen zu heißen:

Eine Zivilisation ohne Wahnsinn, ohne Verbrecher und ohne Krieg, in der der Fähige erfolgreich sein kann und ehrliche Wesen Rechte haben können und in der der Mensch die Freiheit hat, zu größeren Höhen aufzusteigen – das sind die Ziele der Scientology.

Diese Ziele, erstmals im Jahre 1950 einer aufgewühlten Welt verkündet, sind dank unserer Technologie in greifbare Nähe gerückt.Unpolitisch in ihrer Beschaffenheit, heißt die Scientology jeden einzelnen ungeachtet seines Glaubens, seiner Rasse oder Nation willkommen.

Wir suchen keine Revolution. Wir suchen ausschließlich eine Evolution zu höheren Daseinsebenen für jeden einzelnen und für die Gesellschaft. Wir erreichen unsere Ziele. Nach endlosen Jahrtausenden der Unwissenheit über sich selbst, seinen Verstand und das Universum hat es für den Menschen einen Durchbruch gegeben. Andere Anstrengungen des Menschen sind übertroffen worden.

Die kombinierten Wahrheiten aus fünfzigtausend Jahren denkender Menschen, die durch neue Entdeckungen über den Menschen verfeinert und erweitert wurden, haben diesen Erfolg herbeigeführt.

Wir heißen Sie in der Scientology willkommen. Wir erwarten von Ihnen lediglich, daß Sie mithelfen, unsere Ziele zu erreichen und anderen zu helfen. Und wir erwarten, daß Ihnen geholfen wird.

Die Scientology ist die wichtigste Bewegung, die es heute auf der Erde gibt. In einer turbulenten Welt ist die Aufgabe nicht leicht zu bewältigen. Doch wäre sie leicht, müßten wir sie nicht erledigen.

Wir respektieren den Menschen und glauben, daß er Hilfe verdient. Wir respektieren Sie und glauben, daß auch Sie helfen können.

Die Scientology schuldet ihre Hilfe niemandem. Wir haben nichts getan, weswegen wir jemanden versöhnen müßten. Wäre das der Fall, so wären wir jetzt nicht aufgeweckt genug, um das zu tun, was wir tun.

Der Mensch mißtraut jedem Angebot von Hilfe. Er ist oft betrogen worden, und sein Vertrauen wurde erschüttert. Zu oft hat der Mensch vertraut und wurde dann verraten. Wir mögen Fehler begehen, denn wir bauen eine Welt aus zerbrochenen Strohhalmen. Aber wir werden nie Ihr Vertrauen in uns enttäuschen, solange Sie zu uns gehören.Über Scientology geht die Sonne niemals unter. Und möge für Sie, für die, die Sie lieben, und für die Menschheit ein neuer Tag anbrechen.

Unsere Ziele sind einfach, aber groß.

Und wir werden gewinnen, und mit jeder neuen Umdrehung der Erde schaffen wir ein wenig mehr.

Ihre Hilfe ist uns willkommen.

Unsere Hilfe gehört Ihnen.

 
 

Nachdem ich das gelesen hatte, hatte ich den Eindruck, daß Hubbard ein netter Mann war, und daß Scientology etwas Gutes war - und daß es mir helfen könnte.

Ich las weiter.

In den folgenden Bulletins wurde die Idee verstärkt, dass es nur einen Ausweg aus persönlichen Problemen gab - und das war Scientology:

Im gesamten Universum gibt es keine andere Hoffnung für die Menschheit außer uns.

Und:

In den 50000 Jahren der Geschichte auf diesem Planeten hat es die Menschheit nie geschafft, ein funktionierendes System zu entwickeln. Es ist zweifelhaft, ob sie es auf absehbare Zeit jemals entwickeln wird können.

Die Menschheit ist in einem riesigen und komplizierten Labyrinth gefangen. Um davon auszusteigen, ist es erforderlich, daß man dem genau vorgegebenen Pfad von Scientology folgt.

Scientology wird die Menschheit aber nur aus dem Labyrinth führen können, wenn sie genau den Markierungen im Tunnel folgt. Es hat mich ein Drittel Jahrhundert Lebenszeit gekostet, diesen Weg aufzuzeichnen.

Und:

Die ganze qualvolle Zukunft dieses Planeten, jedes Mannes, jeder Frau und jedes Kindes darauf, und Ihr eigenes Schicksal für die nächsten endlosen Billionen von Jahren hängt davon ab, was Sie hier und jetzt mit und in Scientology machen.

Wusste ich, dass ich gehirngewaschen wurde? Die Antwort ist Nein. Ich wusste nicht einmal, dass es so etwas wie Gehirnwäsche überhaupt gab. Diese Zitate oben sind nur kleine Beispiele von all dem, was ich an jenem Morgen und den folgenden Tagen las.

In der ganzen Propaganda von Scientology gibt es vier dominierende Themen:

1. Daß es ein Problem gibt und wir in einer Falle sind.

2. Daß es eine Lösung für dieses Problem gibt.

3. Daß die Lösung nur in Scientology gefunden werden kann.

4. Was geschehen wird, wenn das Problem nicht gelöst wird.

Das Hauptproblem, das von Hubbard in den Raum gestellt wurde, ist die bevorstehende Gefahr des Atomkriegs. Und es ist nur Scientology, die das Potential hat, diese Gefahr zu bannen:

Wir sind die einzigen Leute und die einzige Organisation auf Erden, die die Technologie und das Streben hat, eine Klärung der Situation zu versuchen, die durch andere Hände völlig außer Kontrolle geraten ist; es geht um die Atombombe und den Verfall und die Verwirrtheit der Regierungen.

Und:

Der Gebrauch oder die Vernachlässigung unserer Materialien (in Scientology) kann sehr wohl darüber bestimmen, ob die Atombombe eingesetzt wird oder nicht.

Und:

Die Mission von Scientology ist nicht Eroberung, sondern Zivilisation. Es ist ein Krieg gegen die Dummheit, die Dummheit, die uns zum allerletzten Krieg bringen könnte.

Und:

Der Wettbewerb findet heutzutage primär nicht mehr zwischen den einzelnen Nationen statt. Das einzige Rennen, das in diesem Augenblick von Bedeutung ist, ist das zwischen Scientology und der Atombombe. Die Geschichte der Menschheit, wie es auch von bekannten Autoritäten gesagt worden ist, kann sehr wohl davon abhängen, wer hier gewinnt.

Es gab mehr, viel mehr. Ich las die Bulletins sorgfältig und machte auch die erforderlichen Check-outs. Aber mein Kopf drehte sich im Kreis.

Jeden Vormittag hatten wir eine 15-minütige Kurspause. Ich ging hinaus in den hellen Sonnenschein von L.A. und setzte mich auf einen Mauervorsprung neben ein anderes Mädchen aus dem Kurs namens Keithe.

"Wow", sagte ich zu ihr, "Das ist ein ziemlicher Trip hier".

"Oh ja," antwortete sie mir, "Und es wird besser und besser".

„Ist das alles wirklich wahr?“ fragte ich sie. "Glaubst du wirklich, daß hier die Antwort für alles zu finden ist?"

Sie schaute mich mit wissendem Blick an und lächelte. "Du hast noch nichts gesehen," sagte sie. "Warte, bis du ein paar OTs triffst. Da geht es dann wirklich ab". Sie meinte die Leute, die die geheimen oberen Level von Scientology gemacht hatten.

"Wenn du OT bist, kannst du alles machen. Du kannst die Gedanken von Leuten lesen, du kannst die Wolken verschieben und das Wetter kontrollieren und außerhalb deines Körpers reisen. Ich kann es nicht erwarten, dorthin zu kommen".

"Wie lang dauert das?" fragte ich sie.

"Das hängt davon ab," antwortete sie. "Der schnellste Weg ist, wenn man sich der Sea Org anschließt. Das ist es auch, was ich machen werde: In die Sea Org eintreten und Auditor werden. Ich muss nur noch diesen Kurs beenden".

Ich dachte darüber nach. Eine Milliarde Jahre. Helfen, "um den Planeten zu klären". Und dann entschied ich mich. Wenn sie mich wirklich von meinen Panikattacken heilen könnten, dann würde ich das auch machen. Ich würde mich der Sea Org anschließen.

Hatte ich etwas Besseres vor mit meinem Leben? Die Antwort auf diese Frage war ein entschiedenes Nein. Alles, worüber Hubbard in den Bulletins sprach, nämlich die Welt zu einem besseren, sichereren Ort zum Leben zu machen und den Menschen zu helfen: Das war genau das, was ich immer machen wollte.

Ich fühlte mich, als ob ich schließlich nach Hause gekommen war.

Kapitel 6 - Eine Milliarde Jahre

Nachdem ich alle Bulletins in meinem Kurspack durchgelesen hatte, kam ich zu einem Abschnitt in meinem checksheet, der als "Trainings-Routinen (TR's)" bezeichnet wurde.

Diese waren eine Serie Übungen, die entwickelt worden waren, um eine Person darin auszubilden, "besser zu kommunizieren". Was ich damals nicht wusste, ja nicht im entferntesten vermutete, war, dass diese Übungen tatsächlich eine raffinierte Zusammenstellung von Gehirnwäscheverfahren sind, dazu da, um einen Neuankömmling zu einem überzeugten Anhänger von Scientology zu machen.

In der ersten Trainingsroutine "TR-0" saß ich mit einem anderen Studenten in zwei Stühlen, die einander gegenüberstanden, unsere Knie fast Berührung miteinander; wir sollten einander zwei Stunden lang in die Augen schauen ohne zu blinzeln oder uns zu bewegen.

In den Anweisungen für diesen Drill erklärte Hubbard: Es gehe darum ..."einen Studenten auszubilden, der einen Preclear nur mit Auditing und nichts anderem konfrontiert".

Anders gesagt wurde ich zu einem Auditor ausgebildet, ob ich wollte oder nicht.

Falls einer von uns beiden während TR-0 irgendeine Bewegung machte, zucken, blinzeln usw., mussten wir die zwei Stunden nochmals von vorne anfangen.

Zuerst fand ich diesen Drill sehr schwierig. Die Tränen in meinen Augen brannten unerträglich. Ich wollte unbedingt blinzeln, aber als ich es dann tat, rief mein Partner streng: "Fällt wegen Blinzeln durch! Neuanfang!" Und ich musste nochmals von vorne anfangen.

Ich machte alle Arten eigenartiger Empfindungen durch, als ich versuchte, diesen Drill zu absolvieren. Mein Mund begann zu sabbern und es gab nichts, das ich dagegen tun konnte. Der Stuhl wurde unglaublich hart und unbequem. Es schien mir, als ob jeder Nerv in meinem Körper nach Erlösung schrie.

Ich begann dann, eine Aura um den Kopf meines Partners zu sehen, ein Fließen von Farben und Energiemustern, die ihn umgaben. Das interessierte mich und lenkte mich gleichzeitig von meinem Schmerz ab.

Was schließlich in TR-0 geschieht, ist, dass man in einen dissoziierten Bewusstseinszustand gerät. Ich erfuhr dies nach ein paar Stunden. Ich fühlte plötzlich, wie ich weg von meinem Körper und den Schmerzen schwebte; es überkam mich ein friedliches, gelassenes Gefühl als ob ich dort ewig sitzen könnte. Ich hatte nicht mehr den Wunsch zu blinzeln. Ich bekam diesen fixen, tranceartigen Starrblick, an dem man pflichtbewusste Anhänger von Scientology identifizieren konnte. Schließlich vollendete ich meine zwei Stunden.

Danach musste ich einen anderen Drill namens TR-0 "bullbait" machen. In diesem Drill saß ich da und machte mein TR-0, während mein Partner mich verspottete und "meine Knöpfe" zu drücken versuchte, um mich zum Reagieren zu bringen. Bei irgendeinem Zeichen von Lächeln oder Reaktion würde er wieder streng sagen, "Fällt wegen Lächeln durch! Neuanfang!" Und wir waren wieder am Anfang.

Sexuelle Themen waren ziemlich häufig beim Bullbaiting. Auch mein Gewicht wurde nicht ausgelassen.

"Hey, schaut Euch die da an," sagte mein Partner mit lauter Stimme, damit die anderen Studenten es hören konnten. Er kniff mich in die Taille. "Babyfett! Margery hat noch Babyfett! Sag mal, du musst doch gut im Bett sein. Ich mag Frauen mit ein bisschen Fett auf den Knochen. Bist du gut im Bett? Na? Möchtest du mit mir ins Bett gehen?" Und so weiter und so weiter.

Manchmal fing ich dann an zu lächeln oder meine Lippen zuckten oder ich sabberte; damit war ich durchgefallen und wir fingen wieder von vorne an.

Die meisten TRs (es gab vierzehn von ihnen) hatten mit Kontrolle zu tun, Befehle zu geben und Befehlen zu folgen, und wie man Konversation manipulieren konnte.

Zuerst lernte ich, einer anderen Person einen Befehl zu geben, indem ich Aussagen aus "Alice im Wunderland" benutzte. Wir verwendeten Phrasen wie zum Beispiel:

Mein Partner würde einfach jede Aussage bestätigen, während ich sie in einer befehlenden Stimme aus dem Buch las.

Im nächsten TR lernte ich, die Kommunikation mit anderen zu kontrollieren indem ich Bestätigungen aussprach.

Wenn mein Partner eine Aussage aus "Alice im Wunderland" lesen würde, würde ich das mit lauter Stimme mit, "Gut!", beantworten oder "vielen Dank", oder "ich habe das verstanden".

In einem TR wurde ich ausgebildet, Befehlen zu folgen. Mein Partner ging mit mir im Zimmer umher und gab mir verschiedene Befehle. "Gehe rüber zu der Wand!", und dann: "Vielen Dank"! als ich es gemacht hatte. "Berühre die Wand!" "Vielen Dank". "Gehe rüber zu diesem Stuhl!" "Vielen Dank"! "Berühre die Sitzfläche des Stuhls!" "Vielen Dank"! usw.

Dann war ich dran die Befehle zu geben.

In einem Drill sollten wir einen Aschenbecher dazu bringen, in die Luft zu steigen - einfach dadurch dass wir ihn mit genügend Absicht in der Stimme anschrieen; diese starke Absicht nannte man "Ton 40."

Ein Aschenbecher wurde vor mir auf einen Stuhl gestellt.

"Steh auf"! schrie ich den Aschenbecher an. Da er nicht aufstand, durfte ich ihn mit meinen Händen aufheben.

"Vielen Dank"! schrie ich den Aschenbecher an.

"Setz dich wieder auf den Stuhl!" schrie ich den Aschenbecher wieder an.

"Vielen Dank"! Ich stellte den Aschenbecher zurück auf den Stuhl.

Man sollte diesen Drill solange machen, bis der Aschenbecher von selbst aufstand, allein von der Stärke des Kommandos dazu gezwungen. Jemand erzählte mir später, dass Hitler diesen Drill mit seinen Soldaten gemacht hatte, nur verwendete er einen Apfel statt eines Aschenbechers.

Als ich diese Drills beendet hatte, war ich schon gut dabei, andere zu kontrollieren, aber auch selbst kontrolliert zu werden.

Diese Drills werden in Scientology immer wieder wiederholt. Sie sind in jedem Kurs enthalten, den man auf seinem Weg hinauf durch die einzelnen "Grade" macht; es gab eine Karte mit einem Diagramm, das alle Kurse in Scientology enthielt.

Wenn ich nicht gerade "auf Kurs" war und TRs machte, ging ich gewöhnlich zu Mario zu seiner Wohnung am Lafayette Park rüber; dort aß ich oft mit ihm und Yvonne zu Abend. (Sie bewohnten die gleiche Wohnung). Mario hatte ein Klavier in seiner Wohnung und er war tatsächlich ein sehr guter Pianist. Manchmal ließ er mich während der Kurspausen auf seinem Klavier üben.

Es war während meiner Besuche in Marios Wohnung, dass ich die Entdeckung machte, dass er schwul war. Das schockierte mich. Ich hatte immer gedacht, dass Scientology alle Probleme und Abweichungen (im Scientologyjargon: Aberrationen) zu heilen imstande war. Das zeigt, wie naiv ich damals war.

Es kamen nämlich oft junge Männer zum Abendessen zu Mario. Manchmal wurde es sehr spät und ich schlief dann auf seiner Couch anstatt nach Hause zur Burlington Straße zu gehen. Die jungen Männer blieben ebenfalls. Sie verschwanden in Marios Zimmer.

Eines Abends fragte Mario mich, ob ich mit ihm zum "Clear Abend" gehen wollte. Natürlich wollte ich. Ich wusste, daß an diesen Montagabenden im Celebrity Center gewöhnlich nur diejenigen zugelassen waren, die Clear oder die OT-Stufen erreicht hatten.

Mario brachte es fertig mich reinzuschmuggeln. Er war eine Berühmtheit, deshalb wurde er wegen mir auch nicht ausgefragt.

Der Saal war gerammelt voll. Ich saß im hinteren Teil des Saals auf einer Holzstiege; so hatte ich einen guten Blick auf die Bühne. Die Lichter gingen aus; die Luft war warm und feucht von den Körpern, die sich an diesem milden kalifornischen Abend in den Saal gedrängt hatten.

Yvonne war die Zeremonienmeisterin. Sie war im Celebrity Center sehr beliebt, und es gab stürmischen Beifall, als sie die Bühne betrat.

Nachdem sie eine kurze Rede über den Fortschritt von Scientology überall auf der Welt und die wöchentlichen Stats ("Statistiken") des Centers gehalten hatte, kam Yvonne zum eigentlichen Höhepunkt des Abends: sie stellte die Leute vor, die diese Woche "Clear" geworden waren.

Einer neuer Clear nach dem anderen betrat die Bühne. Es wurde von ihnen erwartet, dass sie ihre "Clear Rede" hielten.

Ein Mann sprach davon, wie wunderbar es sich anfühlte, frei vom reaktiven Verstand zu sein. "Es ist so friedlich," sagte er begeistert. "Alles Geplapper, die inneren Stimmen sind verschwunden. Ich bin endlich frei".

Eine andere Person erzählte, wie er sich von seinem Körper lösen und überall im Universum umherreisen konnte.

"Sie werden es nicht glauben, was es dort draußen alles gibt," sagte er. Er beschrieb, wie er über die Wellen des Pazifik flog und andere Planeten besuchte, die Städte und weit fortgeschrittene Zivilisationen hatten.

Ich hörte gebannt zu. Solche Geschichten hatte ich nie zuvor gehört. Ich schlug mich zu Mario durch.

"Ist das wirklich wahr"? fragte ich ihn.

Er lächelte mich nur wissend und mysteriös an. Mario war nicht nur Clear, war er OT 3; das bedeutete, dass er die geheimen oberen Level vollendet hatte, die das große Geheimnis der Geschichte des Universums lehrten. Anhänger von Scientology wurden in drei Kategorien eingeteilt: Preclears, also solche, die noch nicht Clear waren; Clears; und OTs (diejenigen, die die OT Stufen gemacht hatten).

Die Atmosphäre in diesem vollgepackten, feuchten Saal wurde immer begeisterter, während ein Clear nach dem anderen seine Rede hielt. Ein Mann erzählte, wie er (natürlich außerhalb seines Körpers) in eine angrenzende Wohnung gegangen war und einen Mord verhindert hatte. Andere kontrollierten angeblich das Wetter, kommunizierten telepathisch oder bewegten Objekte mit ihren Gedanken usw.

Der Beifall wurde immer wilder und wilder.

Nach all den Reden ging schließlich Mario auf die Bühne und begann, Klavier zu spielen. Er improvisierte etwas, das er Space-Musik nannte; es war ziemlich schön.

Als wir gegen Mitternacht gingen, schienen mir die Sterne am Himmel heller zu leuchten.

Ich wollte auch Clear sein. Dessen war ich mir sicher. Ich sagte es Mario und lächelte. "Du wirst es werden," versprach er mir. "Und zwar schon bald".

Am nächsten Tag auf Kurs hatte ich ein neues Ziel für meine Studien. Ich konnte die Ereignisse der letzten Nacht nicht vergessen.

Ich hörte Tonbandaufzeichnungen von Hubbard, die Teil meines Kursprogramms waren; er schien ein fröhlicher und selbstsicherer Mensch zu sein. Für einen unsicheren Menschen wie mich waren diese Vorträge tröstlich und beruhigend.

Bald war es Zeit für mich, Dianetik Auditing zu bekommen, das ebenfalls Teil des Kursprogramms war.

Ich ging mit einer anderen Person, die mein Auditor sein sollte, in ein kleines Zimmer. Er stellte den Tisch und das E-Meter genau so auf, wie Jenny es in Michigan gemacht hatte.

Ich setzte mich hin und nahm die Dosen in meine Hände.

Er stellte mir eine Serie von Fragen.

"Lokalisiere einen Vorfall, in dem du eine Panikattacke erlebt hast". Ich führte das Kommando aus.

"OK", fuhr er fort. "Wann war der Vorfall"?

Ich erinnerte mich an eine Attacke, die ungefähr einen Monat zurück lag.

"Wie lange dauerte der Vorfall"?

"Zirka eine Stunde" sagte ich zu ihm.

"OK, gehe jetzt zum Anfang des Vorfalls. Schließ Deine Augen".

Ich gehorchte.

"Schau dir den Vorfall bis zum Ende durch".

Ich ging den Vorfall geistig noch einmal durch.

"Erzähl mir, was geschehen ist".

Ich erzählte es ihm.

"Gibt es einen früheren Vorfall, der eine Panikattacke beinhaltete", fragte er mich weiter.

Natürlich gab es einen.

Wir gingen dann immer die gleiche Reihenfolge von Fragen durch.

Schließlich kamen wir zur ersten Panikattacke, an die ich mich erinnern konnte - jene Nacht unter der Brücke in Ann Archer mit Bill.

Nachdem wir auch durch diese Erinnerung durchgegangen waren, schienen wir zu stecken. Ich konnte mich an keinen weiteren früheren Vorfall erinnern.

Mein Auditor beendete die Sitzung.

Er brachte seine Notizen zum Fallüberwacher ("C/S"), um sich Anweisungen für die nächste Sitzung zu holen.

Ich erfuhr, dass ich in eine Review Sitzung gehen musste; das bedeutete, dass etwas korrigiert werden musste.

Ich wusste von der Lektüre der Bulletins im Kurspack, daß man in Dianetik auch in die vergangenen Leben der Person zu gehen hatte. Das war allgemein bekannt und akzeptiert.

In der Review Sitzung fragte mich der Auditor, welche "Überlegungen (considerations)" ich in bezug darauf hatte "vergangene Leben zu durchlaufen". Ich sagte, dass ich es nicht wüßte.

Der Review Auditor brachte mich zum letzten Vorfall zurück, den ich geistig durchlaufen hatte: Die Panikattacke, die ich unter der Brücke in Ann Archer gehabt hatte.

Dann fragte er mich die gleiche Frage, die der andere Auditor mir gestellt hatte: "Gibt es einen früheren Vorfall, der eine Panikattacke beinhaltete"?

"Schließ deine Augen," sagte er zu mir. "Schau einfach, ob dir irgendetwas in den Sinn kommt. Es macht nichts aus, wenn es weit hergeholt scheint. Lass einfach diese Bilder in deinem Geist auftauchen".

Ich war darauf bedacht, ihn nicht zu enttäuschen. Ich wusste, dass von mir erwartet wurde, mit irgendetwas daherzukommen. Es dauerte eine Weile, aber bald hatte ich ein entsprechendes Bild in meinem Kopf.

"Es ist ein Baby," sagte ich zu ihm. "Ich sehe ein Baby".

"Gut", sagte er begeistert. "Gehen wir das jetzt zusammen durch". Und er fragte mich wieder die normalen Dianetik-Fragen.

"Ich sehe meine Mutter. Ich bin in einer Krippe. Und ich habe eine Panikattacke. Ich habe Angst vor ihr".

"OK", antwortete er. "Gibt es einen früheren Vorfall, der eine Panikattacke beinhaltete"?

Wieder schloss ich meine Augen.

Ich fing an zu verstehen wie das ging.

"Ich sehe ein Gefängnis," antwortete ich mit verschlossenen Augen. "Meine Arme sind in Ketten".

"Gut", sagte mein Auditor dazu. "Wann war das?"

Ich steckte wieder.

"Zensiere es nicht. Sag einfach, was dir in den Sinn kommt".

"OK". Ich versuchte, mich zu konzentrieren. "Es ist ungefähr 1400 n. Chr."

"Gut", mein Auditor tönte erfreut. "Wie lange dauerte es?"

"Ungefähr eine Stunde" antwortete ich. "Ich sollte exekutiert werden. Und ich hatte eine Panikattacke".

Jetzt waren wir richtig in Fahrt. Mein Auditor setzte den Prozess mit mir fort, bis ich ausreichend darin geübt war, "vergangene Leben zu durchlaufen".

"Wann war es?" fragte er mich.

"Vor sechs Quintillionen Jahren," antwortete ich. "Ich war nur ein Partikel im Raum. Ich wurde mit Laserstrahlen von einigen feindlichen Partikeln angegriffen. Ich hatte eine Panikattacke".

Es wurde leichter und leichter.

Bald war die Sitzung vorüber.

Ich wurde wieder an meinen regulären Auditor zurückverwiesen. Ich hatte danach nie wieder Schwierigkeiten, vergangene Leben zu durchlaufen. Ich machte es hunderte von Stunden lang.

Jetzt, da ich ein vorzüglicher Dianetik Preclear war, war es Zeit für mich, einen anderen Studenten zu auditieren; das war eine der Voraussetzungen für die Beendigung des Kurses.

Ich war sehr erstaunt, als ich eines Tages zum Kurs erschien, als mir mein Preclear vorgestellt wurde. Es war ein acht Jahre alter Junge. Er war Bettnässer und seine Eltern wollten, dass er Auditing erhielt.

Ich ging mit ihm in meine Wohnung in der Burlington Street. Ich stellte einen Tisch auf und baute das E-Meter (das ich von einem anderen Studenten geborgt hatte) auf dem Tisch auf.

Ich sagte dem kleinen Jungen, dessen Name David war, er solle sich hinsetzen und "die Dosen in die Hand nehmen".

Er hatte schon vorher Auditing erhalten. Er wusste was zu tun war.

Nachdem wir durch mehrere Vorfälle durchgegangen waren, als er sein Bett genässt hatte, stellte ich ihm die nächste Frage:

"Gibt es einen früheren Vorfall von Bettnässen?"

Er saß für eine Weile leise da.

"Ja", antwortete er langsam.

"Gut", sagte ich ihm darauf. "Wann war es"?

"Es war vor langer Zeit".

"Schließ deine Augen," befahl ich ihm. "Geh zum Anfang des Vorfalls und sag mir, wenn du dort bist".

"OK".

"Durchlaufe den Vorfall bis zu seinem Ende".

"Erzähl mir, was geschehen ist".

"Ich war ein Baby in einer kleinen Krippe auf einem Schiff," sagte er. Dabei schien er einem Film in seinem Kopf zuzuschauen.

"Ich denke, dass es die Titanic war. Meine Eltern waren nicht da. Es gab Wasser im Zimmer. Es lief in meine Krippe. Dann bin ich ertrunken".

Wir gingen den Vorfall immer wieder durch. Er konnte sich an nichts Früheres erinnern.

"Ich bin auf der Titanic ertrunken," sagte er mir langsam. "Ich denke, deswegen nässe ich mein Bett".

Seine Nadel auf der E-Meter Anzeige schwebte, ein Signal für mich, daß die Sitzung vorüber war.

Ich nahm ihn zum Center zum Prüfer mit zurück. Ich gab dem C/S meine Notizen aus der Sitzung und wartete besorgt auf die Ergebnisse.

Bald kam der Ordner zurück. "Sehr gut gemacht," war auf der Oberseite meiner Notizen vermerkt.

Ich ging zurück in den Kursraum.

"Das war's!" rief der Kursüberwacher mit lauter Stimme. "Margery hat soeben ihren Dianetik Kurs vollendet!"

Alle schauten von ihrer Arbeit auf. Sie fingen alle an, mich zu loben. Ich musste eine kurze Rede halten.

"Es hat wirklich Spaß gemacht," sagte ich zu ihnen. "Ich kann nicht glauben, daß ich es wirklich geschafft habe. Ich kann nicht glauben, daß ich jetzt wirklich weiß, wie ich Leuten helfen kann".

Es gab mehr Beifall. Ich erhielt die Bescheinigung über meinen Kursabschluss.

Ich war jetzt ein Hubbard Standard Dianetik Auditor.

Yvonne rief mich in ihr Büro.

"Margery," sagte sie zu mir. "Mario und ich haben miteinander geredet. Wir wollen, dass du in die Sea Org eintrittst".

Ich hatte immer noch ein Hochgefühl von meinem Kursabschluss und all dem Beifall.

Ich wollte nicht lange darüber nachdenken. Es gab keinen anderen Platz, an dem ich sein wollte. Ich wollte für immer hier bei Mario und Yvonne und allen meinen neuen Freunden bleiben. Aber vor allem wollte ich Leuten helfen. Ich wusste, dass ich das in der Sea Org würde tun können.

"In Ordnung" sagte ich zu ihr. "Ich werde eintreten. Ich bin bereit, diese Aufgabe zu übernehmen".

"Ich bin so froh," lächelte sie mich an.

Sie zog ein Blatt Papier aus ihrem Schreibtisch.

Oben auf diesem offiziellen Dokument war das Sea Org Abzeichen in blauer und goldener Schrift gedruckt. Weiter unten las ich:

Ich, ___________________________, STIMME HIERMIT zu, ein Arbeitsverhältnis mit der SEA ORG einzugehen. Bei klarem Bewusstsein erkenne und verfolge ich die Absicht, ETHIK auf diesen PLANETEN UND DAS GANZE UNIVERSUM zu bringen. Ich stimme völlig darin überein, mich der Disziplin, den Sitten und den Bedingungen dieser Gruppe zu unterwerfen und bitte darum aufgenommen zu werden. DAHER BINDE ICH MICH FÜR DIE NÄCHSTE MILLIARDE JAHRE AN DIE SEA ORG.

Ich schaute zu Yvonne auf. Sie lächelte.

"Wir wollen dass du eine von uns wirst," sagte sie zu mir.

Ich unterschrieb.

Ich ging zurück in den Kursraum; mein Verstand wirbelte im Kreis. Als erstes erzählte ich es Mario. Er freute sich sehr für mich.

"Herzlich willkommen," umarmte er mich. "Jetzt bist du wirklich eine von uns".

Ich entschied mich, spazieren zu gehen. Langsam wanderte ich die Straße zum MacArthur Park hinunter.

Ich hatte gerade meine Zukunft für die nächste Milliarde Jahre aus der Hand gegeben.

Es war das Abenteuer meines Lebens ... und darüber hinaus!

Kapitel 7 - Die Grade

Weihnachten kam bald und ich hatte kein Geld für Geschenke für meine Familie. Weihnachten wurde in meiner Familie immer groß gefeiert.

Ich nahm die wenigen Dollar, die ich hatte, ging zu einem kleinen vietnamesischen Geschäft unten an der Ecke von Alvarado und Achter Straße und kaufte kleine Geschenke für je einen Dollar für meine Familie. Ich packte sie in Zeitungspapier und schickte sie in einem Schuhkasten nach Michigan.

Mein Kontakt mit der Familie war sporadisch gewesen. Ich rief meinen Vater etwa einmal pro Monat an, um ihn um Geld zu bitten, eine Vorgangsweise, die ich immer demütigend gefunden hatte, aber ich machte es aus Notwendigkeit.

Die Löhne in der Sea Org waren minimal. Meine erstes „Gehalt“ für eine Arbeitswoche von mehr als 100 Stunden waren drei Dollar. Mein höchster Lohn pro Woche war einmal eine Woche mit elf Dollar.

Die Art, in der der Lohn bestimmt wurde, war folgendermaßen: zehn Prozent der wöchentlichen Bruttoeinnahmen der "Org" (in diesem Fall das Celebrity Center) wurden an Hubbard geschickt. Dann, nachdem die Ausgaben bezahlt wurden, wurde das restliche Geld unter dem Personal nach einem Einheitensystem aufgeteilt; jede Aufgabe in der Org wurde nach Einheiten berechnet.

So waren die hundert Dollar, die ich jeden Monat von meinem Vater bekam, Geld, das ich für Toilettenartikel und andere notwendige Ausgaben ausgeben musste. Mein einziger Luxus war eine gelegentliche Tüte Eis für einen Vierteldollar in einem Feinkostgeschäft ein paar Blocks weiter.

Am ersten Weihnachtsfeiertag hatte ich frei. Nachdem ich in die Sea Org eingetreten war, musste ich aus dem Haus auf der Burlington Street in ein Haus auf der Beacon Street mehrere Blocks weiter weg umziehen. Dort hatte ich nur eine Matratze auf dem Boden und eine Decke. Das war die normale Sea Org Ausstattung.

Am ersten Weihnachtsfeiertag gab es nicht viel zu tun, deshalb ging ich zurück zu meinem Quartier. Es gab dort einen jungen Mann, der auf seiner Matratze döste. Sein Name war Richard Royce, und er war ein Liebling von Yvonne, weil er ein ausgezeichneter Künstler war und ein Buch mit seinen Gemälden herausgegeben hatte.

Richard und ich unterhielten uns miteinander, und es stellte sich heraus, dass er genauso einsam war wie ich. Bald schliefen wir miteinander – es war ja sonst niemand da.

Einen Monat später entdeckte ich, dass ich schwanger war. Yvonne gefiel das überhaupt nicht. Sie wollte unter allen Umständen verhindern, dass Richard für ein Kind aufzukommen hätte.

Also bekam ich die Anordnung abzutreiben. Man gab mir die Adresse der staatlichen Sozialfürsorge in der Stadtmitte von L.A. Ich ging dorthin, um Medicaid Finanzierung für eine Abtreibung zu beantragen.

Nachdem ich das in der Tasche hatte, nahm ich einen Bus in den Stadtteil Watts, wo es eine Klinik gab, die sich auf Abtreibungen spezialisiert hatte.

Ich hatte ein sehr mulmiges Gefühl im Bus, da ich die einzige weiße Person an Bord war; und auch in der Klinik war ich die einzige Weiße. Ich hatte die Abtreibung, und nach einem kurzen Aufenthalt im Erholungszimmer der Klinik mit etwas Orangensaft und Graham Keksen war ich wieder im Bus zurück zum Zentrum.

So einfach war das. Ich berichtete dann Yvonne, dass es erledigt sei, und sie war zufrieden.

Zu der Zeit spürte ich keinen Kummer oder Verlust. Ich akzeptierte die Anordnung ohne zu hinterfragen und machte einfach, was ich machen musste, um Yvonne zufrieden zu stellen. Ich hatte nie an Abtreibung gedacht, und hatte nie irgendwelche Propaganda dagegen gehört; ich sah es nicht so, dass ich ein Kind in mir töten würde.

Ich glaube auch, dass der Gedanke an Heiraten und Kinder bekommen wegen der Reibungen in meiner Familie nicht sehr ausgeprägt war. Ich wollte die Erfahrung meiner Eltern nicht wiederholen. Es war zu schmerzhaft gewesen.

Jetzt, da ich in der Sea Org war, stellte sich die Frage, was man mit mir anfangen sollte. Mein Klavierspiel war zu amateurhaft, um von großem Nutzen für das Zentrum zu sein. Ich wurde gelegentlich als Dianetik Auditor eingesetzt, vor allem, wenn einer der anderen Mitarbeiter eine Notfallsitzung oder einen „Assist“ brauchte.

Wenn jemand Zahnschmerzen oder Kopfschmerzen hatte, wurde statt Aspirin oder einem Zahnarzt ein Scientology Verfahren namens "Touch Assist" benutzt. Bei einem solchen Assist drückte der Auditor seinen Finger gegen den Körper der zu behandelnden Person; gleichzeitig sagte er: "Fühle meinen Finger". Dies wurde an allen Teilen des Körpers wiederholt, beginnend von der Körpermitte bis zu den Extremitäten. Dieser Prozess dauerte meist rund eine Stunde, bis der Schmerz aufgehört hatte.

Es war verpönt, zu einem Doktor zu gehen, und andere Formen der Therapie waren regelrecht verboten. Da Psychiatrie der erklärte Feind von Scientology war, war jegliche Art psychologischer oder psychiatrischer Hilfe besonders verboten.

Ich arbeitete als eine Art Assistentin von Yvonne. Für sie brachte ich Akten zu den Höheren Orgs, die ein paar Blocks weiter weg waren. Manchmal unternahm ich Reisen zu den anderen Scientology Organisationen: die Los Angeles Org, die sich auf der Neunten Straße befunden hatte, oder die Amerikanische Saint Hill Organisation, die nach dem Herrensitz von Hubbard in England benannt worden war.

Yvonne war in das Haus eingezogen, in dem ich jetzt lebte; sie hatte jedoch ihr eigenes Schlafzimmer. Ich übernahm die Aufgabe zu kochen und zu babysitten, als dafür niemand anders verfügbar war. Eine meiner Pflichten war, auf zwei junge Kinder eines höher trainierten Auditors unseres Zentrums aufzupassen. Da ich Kinder immer gemocht hatte, war ich mit dieser Aufgabe nicht unglücklich.

So verging diese erste Zeit dort.

Meine Krankheit war vorübergehend zum Stillstand gekommen. Ich hatte keine Symptome mehr und die Panikattacken schienen verschwunden zu sein; diesen Effekt schrieb ich selbstverständlich dem Auditing zu, das ich erhalten hatte.

Eines Tages, als ich auf der hölzernen Eingangstreppe zum Zentrum saß, kam ein junger Mann namens Carlos auf mich zu.

"Ich habe gehört, dass du dein Dianetik Auditing beendet hast," sagte er zu mir. "Ich studiere gerade die Grade, und ich suche einen Preclear, den ich auditieren kann. Hast du Lust?"

Aber sicher hatte ich Lust!

Nach der Dianetik kamen die Grade von Null bis Vier auf der Gradkarte. Normalerweise würden diese Grade Tausende von Dollar kosten, aber es gab immer Studenten im Zentrum, die Preclears suchten, um sie gratis zu auditieren, damit sie ihren Kurs abschließen konnten.

Wir gingen also zur Wohnung von Carlos ein paar Blocks weiter, wo er sein E-Meter aufstellte; ich setzte mich ihm gegenüber hin und nahm die Dosen in die Hände.

Der erste Grad, auf dem er mich auditieren wollte, war Grad Null; dieser Grad hatte die Bezeichnung Kommunikation. Ich interessierte mich sehr dafür, weil auf der Gradkarte darüber stand, dass das Endergebnis die Fähigkeit war, "mit jedem über alle Themen kommunizieren zu können".

Ich war immer scheu gewesen; es schien mir ein unmöglich zu erreichendes Ziel zu sein, aber Carlos sagte, dass wir nicht aufgeben würden, bis ich es erreicht hatte.

Er begann, mir viele Fragen zur Kommunikation zu stellen. Er stellte die gleichen Fragen immer wieder - Fragen wie zum Beispiel:

"Mit wem kannst du kommunizieren?"

"Mit meiner Mutter," antwortete ich.

"Was kannst du mit deiner Mutter kommunizieren?"

"Themen wie Schule, Kleider, Geld, was auch immer".

"OK", setzte er fort, "mit wem kannst du sonst noch kommunizieren"?

"Mit meinem Vater".

"Was kannst du mit deinem Vater kommunizieren?"

"Meistens geht es um Geld. Wir besprechen Geldangelegenheiten".

"Mit wem kann du sonst noch kommunizieren"? Und dies ging immer so weiter.

Nach ungefähr einer Stunde in Sitzung mit diesen immer gleichen Fragen spürte ich, wie langsam der Ärger in mir hochstieg.

"Mit wem kannst du sonst noch kommunizieren"? fragte Carlos zum wahrscheinlich vierzigsten Mal. Ich hatte ihm jede nur mögliche Antwort gegeben, die mir einfiel.

"Mit irgendjemand," sagte ich böse. "Ich kann mit irgendjemand kommunizieren. Über irgendetwas".

Dann habe ich angefangen zu lachen.

"Das ist die Antwort, nicht wahr? Ich kann wirklich mit wem auch immer über was auch immer kommunizieren. Warum ist mir das nie zuvor aufgefallen? Warum habe ich mich nur die ganze Zeit so davor gefürchtet?"

Carlos sagte kein Wort. Er behielt sein E-Meter im Auge.

Schließlich schaute er zu mir auf. "Ich möchte dir jetzt sagen, dass deine Nadel schwebt," sagte er zu mir und schaute mich vorsichtig an.

Ich war schockiert. Erkannte ich, dass ich das Opfer einer hypnotischen Suggestion geworden war? Überhaupt nicht. Aber ich hatte das "Endphänomen" dieses Levels gehabt. Ich wusste mit Bestimmtheit, dass ich mit wem auch immer über was auch immer kommunizieren konnte. Dessen war ich mir sicher.

"Ende der Sitzung," verkündete Carlos. "Du kannst die Dosen wieder hinstellen".

Wir gingen zusammen zum Supervisor. Ich lachte während des ganzen Weges.

"Ich kann nicht glauben, dass es so einfach ist," plapperte ich unentwegt. "Das war schon alles"? Er antwortete nicht. Er lächelte nur.

Er übergab seinen Ordner dem Fallüberwacher. Ich wurde gebeten auf einem Stuhl in der Vorhalle zu warten.

Eine halbe Stunde später wurde ich in den Kursraum gerufen.

"Das war's!" rief der Kursüberwacher. "Margery hat gerade den Grad Null erreicht!"

Dann gab es den üblichen Beifall, und ich musste eine Rede halten.

"Ich kann einfach nicht glauben, dass es so einfach ist," war alles, das ich rausbrachte. Ich lachte immer noch in mich hinein. Es schien mir, als ob etwas in mir geborsten wäre, eine unsichtbare Fessel gelöst worden wäre und meine Reaktion darauf war fröhlich und heiter. Ich konnte nicht aufhören zu lachen.

Während der nächsten paar Tage auditierten Carlos und ich die nächsten vier Grade. Alle ähnelten Grad Null, doch keiner von ihnen hatte noch einmal eine derartige Wirkung auf mich gehabt wie der erste. Jedoch durchlief ich sie alle wie im Flug.

Auf Stufe Eins war der Fokus auf Lebensproblemen.

"Welches Problem kannst Du konfrontieren?" fragte Carlos mich. Und dann: "Welches Problem würdest du eher nicht konfrontieren?"

Schließlich erkannte ich, dass ich "die Fähigkeit hatte, die Quelle der Probleme (nämlich mich selbst) zu erkennen und sie zum verschwinden zu bringen," das "Endphänomen" von Stufe Eins.

Grad Zwei hatte mit Schuld zu tun. Die Fragen waren:

"Nenne mir einige Dinge, die du Anderen nicht hättest antun sollen". Und "Was hast du einem anderen angetan, das du jetzt bedauerst?"

Langsam erkannte ich den springenden Punkt bei diesen Levels. Ich fing an, nach den erforderlichen "Wahrnehmungen" Ausschau zu halten. Dadurch wurden unsere Sitzungen kürzer und kürzer.

"Ich fühle mich wegen nichts schuldig, was ich getan habe".

Damit hatte ich Grad Zwei erledigt.

Grad Drei hatte mit Veränderungen zu tun.

Die Fragen waren, "Was möchtest du verändern?" und "Was möchtest du nicht verändern?"

Die End-Wahrnehmung war, dass ich frei von Ärgernissen aus meiner Vergangenheit war.

Grad Vier war ein bisschen verwirrender, da es sogenannte "Service- Faksimiles" betraf, ein psychologischer Mechanismus, von dem Hubbard sagte, dass wir alle ihn benutzten, um andere ins Unrecht zu setzen.

Hier gab es nur eine Frage: "Welche Mechanismen benutzt du in diesem Leben, um andere ins Unrecht zu setzen?"

Ich erinnere mich nicht mehr daran, welche Antwort ich hier produzierte. Aber was immer es auch war, es war genug, um den Check zu bestehen.

Ich war jetzt ein Grad Vier "Release (=erfolgreich abgelegt)" und hatte nur noch drei Levels zu absolvieren, bevor ich Clear werden konnte.

Kurz darauf ging ich eines Abends zu Marios Wohnung, als ich eine bemerkenswerte Wahrnehmung hatte.

Ich lief die Straße entlang, als ich plötzlich fühlte, wie alles um mich in einer gewaltigen Explosion versank.

Ich sah mich um. Alles war viel heller als sonst. Die Farben waren auf eine irreale Art viel lebendiger.

Gleichzeitig realisierte ich, dass es nichts als die Gegenwart gab. Die Vergangenheit existierte nicht. Alles was existierte, war das Jetzt.

Ich fühlte mich sehr heiter. Die lebhaften Farben und das Gefühl der Hochstimmung hielten den ganzen Weg bis zu Mario an. Als ich bei ihm war, erzählte ich ihm was geschehen war; er schien darüber ziemlich aufgeregt zu werden.

"Du hattest eine Clear Wahrnehmung," sagte er mir. "Das ist ein großes Zeichen für deinen Fortschritt".

Ich musste zu ASHO (der Amerikanischen Saint Hill Organisation) zum Fallüberwacher gehen, damit er "attestieren" konnte, was ich gerade erlebt hatte.

Nach einer kurzen Wartezeit wurde meine Wahrnehmung tatsächlich bestätigt und es wurde in der Vorhalle angekündigt, dass ich tatsächlich eine "Clear Wahrnehmung" gehabt hatte.

Dies bedeutete, dass ich ein Level überspringen konnte, das "Power" genannt wurde und dass ich direkt zum Clearing Kurs übergehen konnte; ich hatte dazu nur noch einen kurzen Kurs (den Solo Kurs) zu machen, auf dem ich lernen würde, mich selbst zu auditieren. (Auf allen Kursen über Power auditiert man sich selbst auf dem E-Meter).

Es gab nur ein Problem.

Der Solo Kurs kostete $700, und diese Summe hatte ich nicht.

Es war wieder mal Zeit, zuhause anzurufen.

Es war unglaublich, aber mein Vater war einverstanden, mir das Geld zu geben.

Ich denke, dass er geglaubt hatte, daß es für meine Ausbildung war.

Ich war im Hochgefühl, als ich darauf wartete, daß das Geld ankam.

Genauso wie Mario es versprochen hatte, wäre ich bald Clear!

Für alle Zeiten von meinem reaktiven Verstand befreit!

Ich konnte es nicht erwarten.

Kapitel 8 - Reisen

Der Solo Kurs wurde von der amerikanischen Saint Hill Organisation geliefert - in einer großen umgebauten weiß angestrichenen Garage. Es gab keine Fenster.

Dies war das erste von den geheimen höheren Levels von Scientology, deshalb wurde ich aufgefordert, eine Aktentasche zu kaufen, die verschlossen werden konnte und eine Hundleine, mit der ich die Aktentasche an meiner Hand festbinden sollte. Damit sollte sichergestellt werden, dass mir die Tasche nicht gestohlen werden würde.

Die Solokurs-Materialien sollten stets verschlossen in der Aktentasche gelassen werden, außer wenn ich tatsächlich auf Kurs war.

Auf allen oberen Levels gab es Gerüchte, wie gefährlich sie wären. Dies war Teil der Mystik von Scientology. Der Glaube wurde gefördert, dass man sterben konnte, wenn man diese Levels nicht richtig machen würde.

Ich erschien also an meinem ersten Tag auf Kurs, und bekam ein Kurspack zu lesen; als ich zu lesen anfing, fand ich die Materialien ziemlich verwirrend.

Die Idee schien zu sein, dass jeder in seinem Verstand eine Serie elektrischer Mechanismen namens GPM (für Ziele-Probleme-Masse) hatte. Dies war angeblich die Folge von Implantationen, die zwischen den einzelnen Leben stattgefunden hatten. Auf dem Solokurs sollte man nun diese Masse durch das Auditieren von langen Listen von Gegensatzpaaren aus dem Verstand herausauditieren. Zum Beispiel konnte eine Sololiste in etwa so aussehen:

1. Mädchenhaftigkeit - Burschenhaftigkeit

2. Klugheit – Dummheit

3. Dicke – Dünne

4. Spätsein – Frühsein

5. Freundlichkeit – Unfreundlichkeit usw.

Hubbard schrieb in den Bulletins über eine besondere Implantationsstation im Weltall namens Helatrobus Implantation. Es waren die Implantationen dieser Station, die wir auf dem Solokurs auditieren würden.

Wir mussten mehrere Filme anschauen, in denen es sehr detailreich um diese Implantationen und um die GPMs ging.

Ich bemühte mich sehr zu verstehen, was ich da las. Ich hatte niemals an irgendetwas gezweifelt, das ich las, weil ich jetzt massiv gehirngewaschen war und glaubte, dass wenn Hubbard etwas geschrieben hatte, dann musste es wahr sein. Er war meine unfehlbare Quelle, aber er war mehr als das. Er war eine Art von Gottheit für mich geworden. Er wurde innerhalb der Organisation quasi angebetet, und ich lernte, ihn auch anzubeten.

Eines Tages, als ich in diesem Kurs saß, fing eine Frau plötzlich an zu schreien. Sie zerriß die Stille des Kursraums mit ihrem Geschrei.

Einer der Instruktoren kam zu ihr und nahm ihre Hände um sie auf den Kopf der Frau zu legen.

"Was macht sie?" flüsterte ich einem der anderen Studenten zu.

"Sie versucht, wieder zurückzukommen," antwortete er mir.

Zurück von wo? fragte ich mich verwundert.

Später an diesem Tag wurde vom Kursüberwacher eine Liste von Namen verlesen. Mein Name war auf der Liste. Wir mussten den Kursraum verlassen. Es wurde uns gesagt, dass es eine Policy-Änderung gegeben hatte: Wir konnten ohne das Power Auditing auf dem Solo Kurs nicht fortfahren. Die Kosten dieses Auditings waren $1200. Ich wagte es diesmal nicht, meinen Vater anzurufen.

So kehrte ich zurück um wieder im Celebrity Center zu arbeiten.

Während der nächsten zwei Jahre „lieh“ mich Yvonne manchmal an andere "Orgs" aus, die Hilfe brauchten. Ich hatte verschiedene Aufgaben. Ich verkaufte Bücher auf Hochschulcampussen, ging auf die Straße, um Leute zu finden, die für die stündlichen freien Vorträge in die Org kommen würden. Wir wurden sogar aufgefordert, Betrunkene reinzubringen, da sie für die Statistiken zählen würden.

Jede Woche wurden Statistiken, oder kurz Stats, von jedem Job in der Organisation an die Sea Org weitergegeben; dort analysierte man die Statistiken, um zu sehen, wo Korrekturen in der Form von Missionen gemacht werden mussten.

Wenn eine Mission eine Org besuchte ging die Angst um, weil es gewiss war, dass jemandes Job auf dem Spiel stand und dass jene Person fast sicher ins RPF geschickt werden würde.

Das RPF (für Rehabilitation Project Force) war das Gefängnis in Scientology. Jeder, der auf seinem Posten versagt hatte oder dessen Statistiken nicht hoch genug waren, oder der infolge des Auditings psychotisch geworden war (dies passierte – wenig überraschend - auf den oberen Levels ziemlich häufig) wurde zum RPF verurteilt.

Damals befand sich das RPF auf zwei Schiffen, die in Long Beach angedockt waren. Die Besserungskur für jene im RPF war Schlafentzug und harte Arbeit.

1971 während der Arbeit für Yvonne, hatte ich einen psychotischen Zusammenbruch und wurde daraufhin zum Schiff geschickt. Ich erinnere mich nicht daran, wie lang ich auf dem Schiff geblieben bin. Ich habe nur undeutliche Erinnerungen an lange Stunden des Studierens, an Schiffsschrubben, alle Arten von Drills gegen feindliche Eindringlinge und an Kartoffelschälen unter Deck.

Ich hatte einen Nervenzusammenbruch. Die Anhänger von Scientology glauben natürlich nicht daran, dass psychiatrische Behandlung oder Krankenhausaufenthalt oder Medikamente helfen können. Stattdessen wurde man dafür bestraft, weil die Meinung vorherrschte, dass man die Krankheit aufgrund eigener Fehler hatte.

Nachdem ich das Schiff verlassen hatte, fing ich wieder an zu arbeiten, aber es war offensichtlich, daß es mir nicht gut ging. Ich hatte Wahnvorstellungen – mal von Erhabenheit, mal von Verfolgtwerden. Ich beschuldigte Yvonne, meine Feindin zu sein, obwohl sie mir nie irgendetwas anderes als Freundschaft erwiesen hatte.

Ungefähr um die gleiche Zeit hatte ich eine kurze Beziehung zu einem anderen Sea Org Mitglied. Ich wurde wieder schwanger und wurde wieder gezwungen abzutreiben. Ich sah Abtreibung in meinem Fall als eine Form von Geburtenregelung.

Yvonne wusste, dass ich in Schwierigkeiten war. Sie rief meine Mutter in Wisconsin an (meine Familie war von Michigan nach Wisconsin gezogen) und sie bat sie darum zu kommen und mich zu holen. Ich wurde "ausgestoßen", aber zu der Zeit war mir das nicht bewusst.

Meine Mutter kam, und wir flogen zusammen zurück nach Wisconsin. Im Flugzeug versuchte meine Mutter vergeblich, mich von meinen Glauben an Scientology abzubringen. Sie hatte Nachforschungen über Scientology angestellt und hatte einige Zeitungsartikel zum Lesen für mich vorbereitet, doch ich lehnte ab. Ich war zu sehr manipuliert. Ich war beides - hypnotisiert und gehirngewaschen. Es war unmöglich, zum Thema Scientology vernünftig mit mir zu reden.

Zurück in Wisconsin verbrachte ich meine Zeit damit mich wieder im Leben der "Wog Welt" zurechtzufinden. Dies war der Scientology Begriff für die nicht scientologische Welt. Es war ein abwertender Begriff.

Da ich alle meine Kleidung weggegeben hatte, hatte ich ein unmittelbares Problem. Meine Mutter hatte eine Nähmaschine; im ersten Monat machte ich nichts anderes als mir selbst einige Kleider zu nähen.

Dann entschied ich mich dafür, einen Fernkurs für Computerprogrammierung zu machen. Ich hatte zu der Zeit die Hoffnung nicht aufgegeben, dass ich zu Scientology zurückkehren konnte, und ich wusste, dass ich Geld brauchen würde, wenn ich zurückgehen würde. Computer schienen mir eine gute Möglichkeit zu sein, einiges zu verdienen.

Nach einer Weile, fand ich einen Job an der Universität von Wisconsin als Datencodierer. Dies war ein eigenartiger Job. Es gab vier Frauen, die in meiner Abteilung arbeiteten. Wir kodierten die Ergebnisse von allen Laboruntersuchungen, die an der Universität gemacht wurden. Diese kodierten Blätter wurden sieben Jahre in einem großen Wandschrank aufgehoben und dann weggeworfen. Es war eine langweilige Arbeit, aber ich blieb dort für ein paar Monate.

Das war im Jahr 1971.

Es gab einen anderen Scientologen in Madison, einen älteren Professor; wir taten uns zusammen und hielten in den örtlichen Quäkerzentren Vorträge über Scientology für alle, die es interessierte.

Eines Tages erzählte mir dieser Professor, dass ein Mitarbeiter aus der Org von Washington, D.C. kommen würde, um eine Serie öffentlicher Vorträge zu halten. Er fragte mich, ob der Mann für diese Zeit bei mir unterkommen könnte.

Ich war zur der Zeit schon aus dem Haus meiner Eltern ausgezogen und hatte eine kleine Wohnung mit einem zusätzlichen Schlafzimmer. Deshalb sagte ich ohne zu zögern zu.

Der Name dieses Mitarbeiters aus D.C. war Richard Romejko. Während er bei mir blieb, hatten wir eine Affäre miteinander. Er bat mich dann, mit ihm nach Washington D.C. zu kommen und ihn zu heiraten. Ich sagte zu.

Meine Eltern waren sehr erzürnt, als sie hörten, dass ich dabei war, wieder zu Scientology zurückzukehren. Damals dachten sie wohl, daß ich jetzt „in Sicherheit“ war, weil ich für ein paar Monate weg gewesen war. Nichts hätte weiter von der Wahrheit entfernt sein können. Ich war keineswegs ausgestiegen.

Ich packte meine Sachen ein und flog nach Washington D.C. Zu meiner Überraschung erfuhr ich dort, dass Richard auf einer Mission war. Man wusste nicht, wann er zurückkehren würde. Ich sah ihn nie wieder.

Ich gab der Org all meine Ersparnisse, um Auditing zu kaufen. Als ich kein Geld mehr hatte, entschloss ich mich Mitarbeiter zu werden. Ich bekam sofort den Job als ARC-Bruch Registrar. Das hieß, daß ich Leute interviewen musste, die eine Meinungsverschiedenheit mit Scientology hatten (man nannte das einen ARC -- für Affinität, Realität, Kommunikation -- Bruch), und sie dazu bringen musste, in die Org zurückzukommen, um weitere Dienste in Anspruch zu nehmen. Das schloß auch Interviews von Leuten mit ein, die gerade aus einem gratis Vortrag herausgekommen waren. Sie sollten dazu gebracht werden, für den ersten Kurs (den Kommunikationskurs) zu unterschreiben.

Da die Org sich in einem schlechten Viertel der Stadt befand, im Norden des Dupont Circle, waren viele der Leute, die ich interviewte, Obdachlose und Betrunkene. Man erwartete von mir, sie dazu zu bringen, zumindest etwas Geld für einen Kurs anzuzahlen, selbst wenn es nur ein Vierteldollar war. Jede "Unterzeichnung" zählte für die Stats.

Bald geriet ich in meinem Job in Schwierigkeiten. Ich bekam mit, dass die Mitarbeiter der Org die Statistiken fälschten. Sie wiesen mich an, falsche Aufzeichnungen für Leute zu machen, die sich angeblich für Kurse verpflichtet hatten.

Als wahrheitsliebende Person, die ich war, schrieb ich daraufhin einen "Knowledge Report (Wissensbericht)" und schickte ihn der Sea Org, indem ich über die Vergehen meiner Vorgesetzten berichtete.

Als der Leiter der Org davon erfuhr, wurde ich unverzüglich ins RPF geschickt.

Die Regeln des RPF hatten sich geändert. Jetzt musste ich einen grauen Lappen tragen, der um meinen Arm gebunden war. Niemand durfte mit mir sprechen. So verbrachte ich meine Tage in Stille. Ich musste immer wieder alle Badezimmer und WC's reinigen. Dann bekam ich die Aufgabe, im Kellergeschoss eines Nebengebäudes aufzuwischen, das überschwemmt worden war.

Es gab Ratten im Kellergeschoss, und das Wasser hatte eine dreckiggrüne Farbe. Man sagte mir, dass dieses Kellergeschoss zu einer Kinderstube umgebaut werden sollte.

In dem Haus, in dem ich schlief, gab es Ratten und zu alldem musste ich auf einer Matratze auf dem Boden schlafen. Es war eine demütigende Existenz.

Schließlich hatte ich genug.

Ich ging zu einem der Studenten auf dem Kurs, mit dem ich mich vorher angefreundet hatte, und ich fragte ihn, ob er mich aufnehmen würde. Er war einverstanden.

Sein Name war David, und ich blieb für ein paar Monate in seiner Wohnung. Wir hatten eine Affäre miteinander, wieder benutzte ich keinen Schutz und wieder wurde ich schwanger. Ich traf Vorbereitungen abzutreiben. Als ich dann von der Klinik nach Hause kam, blutete ich schwer und war sehr krank. Doch David hatte beschlossen, an diesem Abend eine Party zu veranstalten. Ich erinnere mich, wie ich dort allein im Dunkeln lag, die Geräusche der Party hörte und vor mich hin weinte. Was war nur aus meinem Leben geworden?

Auf Grund meiner Erfahrung mit Computern in Wisconsin schaffte ich es, einen Job in einer Anwaltskanzlei in der Stadtmitte von Washington D.C. zu bekommen. Ich nahm jeden Tag den Bus, um dorthin zu kommen. Ein Jahr lang arbeitete ich in diesem Job.

Mittlerweile hatten die Scientologen entschieden, dass ich weiterhin Kurse oder Auditing in Anspruch nehmen konnte, aber zuerst hätte ich meine Schulden von $3000 (die „Schmarotzerrechnung“ oder freeloader-bill) zu bezahlen. Dies waren angeblich die Kosten des Auditings, das ich als Mitarbeiter bekommen hatte. Bevor ich neues Auditing bekommen konnte, musste ich diese Schulden bezahlen.

Deshalb überwies ich alles Geld, das ich dort in der Anwaltskanzlei verdiente, direkt weiter an Scientology. Ich zahlte ihnen die $3000 zurück und bekam die Freistellung von "Ethik"; das ist der Zweig von Scientology, der mit Strafen zu tun hat.

In der Anwaltskanzlei fühlte ich mich nicht sonderlich wohl, da ich dort mit einer anderen Frau arbeitete, die sehr gemein zu mir war.

Ich freundete mich jedoch mit unserem IBM Vertreter an, der in regelmäßigen Abständen kam, um unsere Computer zu warten. Er erzählte mir, dass IBM Leute suchte, die in ihrem Hauptquartier in Atlanta arbeiten konnten.

Ich bewarb mich um den Job und bekam ihn. Wieder mal packte ich meine Siebensachen zusammen und fuhr nach Atlanta. Ich hatte genug Geld vor Scientology zurückgehalten, um einen gebrauchten gelben Volkswagen kaufen zu können; damit hatte ich zumindest ein Transportmittel.

Dann war ich also in Atlanta und fing an für IBM zu arbeiten. Ich war Teil einer Gruppe, die Software für die Industrie entwickelte. Die Arbeit war äußerst langweilig. Dennoch blieb ich sechs Jahre lang, bis 1977, bei IBM.

Es gab in Atlanta ein kleines Scientology Zentrum, doch konnte man dort keine fortgeschrittenen Kurse liefern, die für mich gepasst hätten. Dieses Zentrum war eine Mission; dort wurden vor allem Scientology-Kurse für Einsteiger angeboten. Danach mussten die Leute dann nach Kalifornien oder Florida fahren um fortgeschrittenere Kurse zu besuchen.

Aber ich blieb in Kontakt mit Scientology. Ich bekam regelmäßige Anrufe aus Washingtons D.C. und Los Angeles, bei denen Geld verlangt wurde. Und immer schickte ich welches, soweit ich konnte. Ich wollte in gutem Ansehen bleiben.

Mein Plan war immer noch "Clear zu gehen". Das würde mehrere tausend Dollar kosten - und dann noch weitere Tausende für die OT Levels. Also sparte ich alles Geld, das ich nur irgendwie entbehren konnte und schickte es nach Los Angeles, um es auf meinem "Clearing Konto" anzusparen.

Während der Jahre, die ich für IBM arbeitete, bekann ich mich für Okkultismus zu interessieren. Das Thema faszinierte mich immer mehr. Dies war zwar technisch gesehen gegen alle Scientology Regeln, die einem verbaten, andere Praktiken auszuüben, aber ich machte es trotzdem.

Ich war sehr interessiert an den Büchern von Edgar Cayce, und ich verschlang die Geschichten über Rückführungen in frühere Leben, die er mit seinen Patienten durchgeführt hatte.

Dann begann ich, nach Freunden und Erfahrungen zu suchen, die mich immer tiefer in den Okkultismus hineinführten. Ich hatte einen Freund, der mich lehrte, wie Horoskope erstellt werden konnten, und bald machte ich in der Imbißstube zu Mittag und während der Pausen Horoskope für alle meine Freunde bei IBM.

Ich suchte nach medial begabten Menschen und hatte diverse Sitzungen bei ihnen. Ich erinnere mich speziell an eine Frau, die mir sagte, dass ich ein sehr einsames Leben führen würde.

Ein Medium, das eine kleine Wohnung im hinteren Teil eines Einkaufszentrums gehabt hatte, hatte mit mir eine 3 Stunden Sitzung abgehalten. Schließlich nach dem langen Sitzen und benommen von seiner dröhnenden Stimme, hatte ich plötzlich das Gefühl von meinem Körper getrennt zu sein. Sobald das geschehen war, hörte er auf zu reden, schaute mich an und lächelte. Und dann sagte er mir ruhig, dass ich jetzt gehen könnte. Es war eine eigenartige Erfahrung.

Ich las jedes Buch über okkulte Themen, das ich finden konnte; Bücher von Jeanne Dixon, Ruth Montgomery, Jane Roberts. Ich stöberte in allen New Age Buchhandlungen und besuchte einschlägige Workshops.

Ich wusste, dass ich irgendeine Art von Therapie oder Beratung brauchte, da ich wieder Panikattacken zu haben begann. Ein Freund führte mich dann bei Jim Smith ein, der Urschreitherapie anbot.

Ich ging also zu ihm. Wir legten uns auf den Boden und er forderte mich auf zu weinen. Gelegentlich drückte er heftig mit seiner Hand auf meinen Unterleib in einem Versuch, mich zum weinen und schreien zu bringen.

Ich ging zu Gruppentherapiesitzungen bei ihm, wo ein Dutzend seiner Patienten in einem großen Zimmer auf Matten lagen und weinten und schrieen.

Ich muss zu Jims Gunsten sagen, dass er versuchte, mir von Scientology abzuraten, aber tief in meinem Herzen war ich noch immer ein Scientologe. Ich wusste, dass es nur eine Frage der Zeit wäre, bis ich nach Los Angeles zurückgehen würde, um meine OT Levels zu machen.

In Atlanta hatte ich eine Affäre mit einem Mann namens Jim R., der ein Flugzeugverkäufer war. Die einzige Schwierigkeit war, dass er während der ganzen Zeit unserer Bekanntschaft nie ein Flugzeug verkaufte. Wir lebten größtenteils von meinem Gehalt, bzw. was davon übrig war, nachdem ich Scientology mein Zehntel geschickt habe.

Wir wohnten umsonst im Kellergeschoss des Hauses von einem meiner Freunde, der ein Medium war. Einmal hatte er versucht, mich in Trance zu versetzen um sich an mich ran zu machen. Ich bin schnell aus der Trance herausgekommen.

Die drei Kinder von Jim kamen immer an den Wochenenden zu uns und schliefen dann auf den Couches im Wohnzimmer. Ich fühlte mich sehr wohl mit ihnen und genoß die Zeit mit ihnen.

Dann mietete ich ein Klavier und nahm bei einem älteren Lehrer in Atlanta namens Powell Everhart Klavierstunden. Er erfuhr irgendwie, daß ich ein Scientologe war. Als er erkannte, daß er mir meinen Glauben nicht ausreden konnte warf er mich als Studenten wieder raus.

Jim stand in seinem Job unter hohem Druck, ein Flugzeug zu verkaufen. Schließlich, als es ihm nicht gelang, hatte er einen Nervenzusammenbruch. Sein Verhalten wurde wirklich irrational: Er begann, mich in der Stadt mit einem Gewehr in seinem Auto zu verfolgen. Das machte mir große Angst, und ich entschied mich dafür, die Stadt zu verlassen. Ich hatte Angst davor, dass er mich umbringen würde.

Ich kündigte bei IBM und fuhr mit meinem Volkswagen wieder zurück nach Wisconsin, wo meine Eltern noch immer lebten. Wieder war ich daheim.

Ich war entschlossen, zurück nach L.A. zu gehen. Auf meinem Konto dort hatte ich ungefähr $20.000 - ich wollte Clear werden.

Ich ging also zur Madison Bibliothek und suchte mir Namen von Computerfirmen in L.A. aus dem Telefonbuch heraus. Denen schickte ich dann meinen Lebenslauf.

Eine Firma antwortete mir. Sie wollten mich für ein Interview einfliegen. Ich sagte sofort zu, flog nach L.A. und bekam den Job. Ich kam nur noch einmal kurz zurück nach Hause um meine Sachen zu holen. Ich war sehr aufgeregt. Diesmal würde es klappen!

Bald würde mein Traum erfüllt sein und ich wäre Clear.

Kapitel 9 - Ehe

Ich war auf meinem Rückweg nach L.A. Das Flugzeug tauchte bei der Landung in den gleichen Erbsensuppensmog ein.

Ich schrieb vorher, daß ich diesen neuen Job hatte, doch alles, an das ich mich von dort erinnere, war, dass ich einen Chef namens Jerry hatte.

Die Firma machte Computerprogrammierungen für Kleinbetriebe.

Ich freundete mich bald mit einem anderen Mitarbeiter namens Don Wakefield an, und wir sprachen über die Möglichkeit unseres eigenen Geschäfts. Wir dachten, dass wir einen Job wie bei Jerry genauso gut selbst machen könnten.

So wurde Wakefield System Beratung ins Leben gerufen. Wir arbeiteten in der Wohnung von Don.

Die meiste Zeit verbrachten wir zusammen. Bald hatten wir eine Affäre. Ich kannte ja sonst niemand in L.A. außer Mario, und der hatte gewöhnlich im Celebrity Center zu tun.

Ich ging dann zu der Höheren Org, wo ich mein Geld auf einem Konto angespart hatte und fragte, wann ich den Clearing-Kurs anfangen könnte.

Zu der Zeit gab es in Scientology eine neue Policy zum Thema Clear. Hubbard hatte die Entdeckung gemacht, dass viele Leute schon auf natürliche Weise Clear waren, deshalb wurden Leute mit dem E-Meter gecheckt, um zu überprüfen, ob sie vielleicht schon Clear waren.

Ich wurde übergeprüft, und zu meiner großen Überraschung erfuhr ich dann, dass ich schon Clear war! Es war wahrscheinlich damals geschehen, so wurde ich informiert, als ich die Clear Wahrnehmung auf dem Weg zu Marios Wohnung vor mehreren Jahren hatte. So war ich tatsächlich die ganze Zeit schon Clear gewesen.

Ich bekam eine Clear Zahl, und ich bekam die Erlaubnis, meine Erfahrung bei einem Clear Abend zu erzählen.

Jetzt konnte ich direkt zu den OT Levels gehen, aber zuerst mußte ich den Solokurs nehmen, damit ich wissen würde, wie ich mich selbst auf den oberen Levels zu auditieren hatte.

Aus verschiedenen Gründen fing ich damit nicht sofort an. Don und ich hatten unser Geschäft angefangen, und bald hatten wir Kunden im Überfluß. Wir arbeiteten sieben Tage pro Woche rund um die Uhr, um alle Aufträge zu erledigen. Ich stellte Scientology für die Zeit zurück, weil ich mich für unser Geschäft den Kunden gegenüber verantwortlich fühlte.

Don und ich wurden unzertrennlich. Bald lebten wir zusammen. Ich bemerkte gewisse Dinge an ihm, doch ließ ich mich damals nicht allzu sehr davon stören.

Eines war, dass er einen Ordnungszwang hatte. Kleider mussten in den Schubladen nach Farben einsortiert werden. Sie mussten auf eine gewisse Art gefaltet werden. Die Glastische im Wohnzimmer mussten täglich auf die von ihm vorgeschriebene Art poliert werden.

Wir gingen oft Essen, größtenteils in mexikanische Restaurants, weil Don mexikanisches Essen liebte. Er trank dann gewöhnlich ein paar riesige Margaritas, und ich bemerkte, dass sich seine Persönlichkeit danach zu ändern begann. Sein normalerweise sonniges Gemüt schlug in Griesgrämigkeit um. Wir fingen dann regelmäßig an zu streiten, als er betrunken war. Ich erfuhr später, dass sein Vater ein Alkoholiker war, aber ich war sehr naiv in Bezug auf Alkoholismus und erkannte die Warnsignale nicht.

Aus einer Laune heraus entschieden Don und ich zu heiraten. Wir dachten uns dabei, dass wir sowieso die ganze Zeit zusammen wären.

Die Hochzeit wurde geplant, und wir entschieden uns dazu, in unserer Wohnung zu heiraten. Mario sollte die Zeremonie leiten. Es sollte eine scientologische Hochzeit werden. Nur ein paar Freunde wurden eingeladen.

Meine Eltern und meine Schwester kamen für die Hochzeit nach L.A. Ich erinnere mich an meine Mutter, die mich kurz vor der Hochzeit zum Mittagessen eingeladen hatte. Sie fragte mich damals, ob ich mir darüber klar war, was ich da tun wollte. Unwillkürlich wusste sie wohl, dass da etwas falsch war. Ich wusste es unterbewusst wohl auch, doch ignorierte ich die Warnsignale und insbesondere die Streitigkeiten, die immer wieder auf Dons Alkoholkonsum folgten.

Am Abend vor der standesamtlichen Trauung führte mein Vater uns alle zum Essen aus. Wir gingen in eines der teuersten Restaurants von L.A. Ich bestellte gekochte Gans; das passte ironischerweise genau zu meiner Situation, weil ich Gans gerade dabei war, mich einkochen zu lassen. Nur erkannte ich das damals nicht.

Zur Feier des Tages hatten wir Sekt - ein großer Fehler. Nachdem die Hochzeit vorüber war und jeder nach Hause gegangen war, saßen Don und ich im Wohnzimmer und hatten eine fürchterliche Auseinandersetzung. Ich erinnere mich nicht einmal mehr daran worum es ging. Ich dachte nur: Das fängt ja gut an...

Der einzige Aspekt, der in unserer Ehe gut funktionierte, war unsere sexuelle Beziehung. Im Bett passten wir zusammen. Der Rest unserer Ehe wurde zur Hölle.

Ich hatte jemanden geheiratet, der wie mein Vater war, jemand, der mich nicht einmal mochte.

Don hatte Komplexe wegen seiner Größe. Er war klein und bestand darauf, dass ich flache Schuhe tragen sollte. Auch seine Kahlköpfigkeit machte ihm Probleme. Er trug immer ein Toupee und wenn möglich einen Hut.

Einmal während eines besonders gewalttätigen Streits in einer Parkgarage zog ich ihm sein Toupee vom Kopf. Er schlug mich nieder, sodaß ich bewußtlos wurde. Als ich auf dem Boden der Garage wieder zu mir kam, war ich allein.

Er fand mehr und mehr Dinge falsch an mir. Anscheinend konnte ich ihm nichts mehr recht machen. Ich war zu groß, nicht ordentlich genug, und konnte nicht lernen Bettzeug zu seiner Zufriedenheit zusammenzufalten.

Doch arbeiteten wir zusammen und lieferten unseren Kunden gute Arbeit. Ich denke nicht, dass einer von ihnen erkannte, wie schlecht unsere Beziehung wirklich war.

Wir hatten Nachbarn, die auch nicht besser als wir miteinander auskamen. Oft hörten wir durch die Wände ihre Streitigkeiten. Am ersten Weihnachtsfeiertag hörten wir dann einen Schuss. Die Rettung kam und trug unseren Nachbarn auf einer Bahre hinaus. Er hatte sich selbst eine Kugel in den Kopf gejagt.

Ein Jahr ging so vorüber. Wir arbeiteten fast die ganze Zeit. Don konnte auf Grund eines genetischen Fehlers keine Kinder haben, also brauchte ich mir um eine mögliche Schwangerschaft keine Sorgen zu machen.

Wir hatten einen Kunden, der Büros in Kansas City hatte. Von ihm bekamen wir den Auftrag, dorthin zu fliegen, um ihr Computersystem zu reparieren. Wir arbeiteten sieben Tage ohne Unterbrechung durch, und ich machte mir Sorgen darüber, was dieser Stress wohl wieder auslösen würde.

Auf dem Flug zurück nach L.A. trank Don zuviel Wein. Ich ging dann nach hinten und bat die Stewardessen, meinem Ehemann nichts mehr zu trinken zu geben, doch sie ignorierten mich.

Der Flughafen von Los Angeles lag im Nebel, deshalb landeten wir eine Stunde außerhalb der Stadt. Man lies uns im Flugzeug auf Busse warten, die uns in die Stadt bringen sollten. Don war betrunken und damit in einer furchtbaren Stimmung. Er ging zum Piloten und verlangte, aus dem Flugzeug gelassen zu werden. Er fing an, eine wirkliche Szene zu machen. Ich tat so, als ob wir uns nicht kennen würden.

Er verlangte, dass ich ihm meine Wohnungsschlüssel geben sollte, da er seine vergessen hatte. Ich lehnte ab, da ich davon ausging, dass ich früher als er zurück in L.A. sein würde. Schließlich ließen sie ihn aus dem Flugzeug aussteigen.

Ich selbst wartete auf den Bus und kam um ungefähr drei Uhr morgens bei unserer Wohnung an. Don wartete dort. Als wir die Wohnung betraten, schlug er mich mit solcher Wucht, dass ich in der Ecke des Klaviers zu liegen kam. Dann schlug er mich noch zweimal hart auf den Kopf; ich wurde ohnmächtig. Als ich wieder zu mir kam, war er im Schlafzimmer. Ich zog es vor, auf der Couch zu schlafen.

Am nächsten Morgen ging der Streit weiter. Wir waren in der Küche, stritten uns, und er fing wieder an mich zu schlagen. Ich schlug zurück. Das war ein großer Fehler, denn es machte ihn nur noch wütender. Ich entkam ins Badezimmer und verschloss die Tür hinter mir. Er schlug mit seiner Faust die Badezimmertür ein und schloss dann die Tür auf.

Ich fing an zu schreien. Ich wusste, dass er mich töten wollte.

Mein Schreien brachte ihn kurz aus dem Gleichgewicht. Das war meine Chance: Ich rannte an ihm vorbei nach draußen zur Wohnung eines Nachbarn. Den bat ich, mich die Polizei rufen zu lassen. Ich blieb dort, bis die Polizei ankam.

Zu dem Zeitpunkt war ich völlig am Ende. Ich war von roten Striemen bedeckt, die nach Quetschungen aussahen. Die Polizei nahm Don unter Aufsicht und mich zum Polizeirevier, wo sie Bilder von allen meinen Quetschungen aufnahmen. Dann wurde ich ins Krankenhaus geschickt, weil sie dachten, daß ich einen Schädelbruch haben könnte.

Im Krankenhaus wurde ich geröntgt, aber offensichtlich war ich soweit in Ordnung, dass ich am gleichen Tag noch entlassen werden konnte. Von meinem Krankenhausbett aus rief ich meine Eltern in Wisconsin an und erzählte ihnen, was geschehen war. Mein Vater versprach mir, dass er mir helfen würde mich scheiden zu lassen. Er schickte mir $1200. Das war die Summe, die der Scheidungsanwalt verlangte.

Don verbrachte drei Tage im Gefängnis. Als er nach Hause kam, war er nur noch ein Schatten seiner selbst. Die Ehe war am Ende.

Erstaunlicherweise arbeiteten wir noch etwa sechs Monate zusammen, weil wir uns für unsere Kunden verantwortlich fühlten. Es dauerte so lange, bis alle Arbeiten erledigt waren. Als ich dann alles fertig hatte, war klar, daß ich ausziehen würde. Während der sechs Monate sprachen wir kaum miteinander. Es war eine höllische Erfahrung.

Tatsächlich war ich durch die Scheidung am Boden zerstört. Ich dachte, es war mein Versagen, dass es soweit gekommen war. Ich fühlte mich schrecklich aufgrund all der Gewalttätigkeiten, die wir einander zugefügt hatten. Ich dachte, dass es genauso meine wie seine Verantwortung war.

Nach den sechs Monaten konnte ich nirgendwo anders hin außer wieder zurück zu Scientology.

Ich zog ins neue Celebrity Center ein, das sich jetzt im alten Hearst Gebäude auf der Franklin Street befand. Ich bekam ein kleines Zimmer, für das ich eine marginale Miete bezahlte.

Ich machte mich also wieder auf Jobsuche und fand eine Arbeit als Datenmanager für eine Anwaltskanzlei in der Stadtmitte von L.A. Ich verbrachte dort ein glückliches Jahr, doch irgendwie fanden sie heraus, dass ich Scientologin war, und dann feuerten sie mich. Eines Tages kam ich zur Arbeit, und meine Nachfolgerin saß schon an meinem Schreibtisch.

Auch egal, dachte ich mir. Jetzt konnte ich ja mit meinen OT Levels weitermachen.

Ich stieg immer weiter in Scientology ein. Ich verpflichtete mich für den Solokurs, und als ich nicht auf Kurs war, verpflichtete ich mich, etwas freiwillige Arbeit für das Guardians Office im Cedars Complex von Scientology zu machen.

Das Guardian Office war der Zweig der Organisation, der mit geheimdienstlicher Tätigkeit und rechtlichen Angelegenheiten befasst war.

Kurz zuvor waren elf Anhänger von Scientology verhaftet worden, die in die IRS (Steuerbehörde) und das FBI Büro in Washington, D.C. eingedrungen waren und zehntausende von offiziellen Dokumenten gestohlen hatten. Das Guardian Office in L.A. half mit, die Verteidigung im Prozess vorzubereiten.

Scientology hatte Privatdetektive eingestellt, die das Privatleben aller Anwälte aus dem Justizministerium ausforschen sollten, die diesem Fall zugeteilt waren. Es war meine Aufgabe, die Informationen, die sie gesammelt hatten, zu ordnen und Dossiers über diese Rechtsanwälte zusammenzustellen, die dann von den Scientology Rechtsanwälten vor Gericht benutzt werden konnten.

Sie interessierten sich besonders für jegliche Informationen über sexuelle Abartigkeiten oder außereheliche Affären, die dazu benutzt werden konnten, die Rechtsanwälte der gegnerischen Seite zu erpressen. Ich musste speziell diese Passagen in rot markieren und Einmerker für unsere Rechtsanwälte einlegen. Einer der Rechtsanwälte, über die ich ein Dossier zusammenstellte, war ein Mann namens Raymond Banoun.

Eines Tages gab es eine verpflichtende Versammlung des gesamten Personals des Guardian Office. Das Thema der Versammlung war, was man mit dem ehemaligen Scientologen Michael Meisner machen sollte, der mit allen geheimen Materialien von Scientology zum FBI übergelaufen war.

Irgendwie hatte Scientology es geschafft, wieder an Michael ranzukommen. Sie hatten ihn in einem Motelzimmer irgendwo in L.A. eingesperrt. Der Plan war ihn in einem Boot auf den Ozean hinauszufahren und mit Gewichten an seinen Füssen zu ertränken. Dies wäre auch durchgeführt worden, aber in jener Nacht hatte es Michael fertig gebracht durch ein Badezimmerfenster zu entkommen. Er ging zum FBI zurück, wo er Personenschutz bekam. Dann hörte man nichts mehr von ihm.

Das andere Problem, das bei dieser Versammlung diskutiert wurde, war, was man mit Paulette Cooper machen sollte, einer Autorin, die ein sehr kritisches Buch über Scientology geschrieben hatte. Sie war eine der von Scientology am meisten gefürchtete "Suppressive Person," (sprich ein Feind). Bei diesem Meeting wurde die Entscheidung getroffen sie zu töten, aber die Details wurden nicht diskutiert.

Später hörte ich, dass jemand als Blumenlieferant verkleidet zur Wohnung von Paulette gegangen war, doch der Cousin von Paulette hatte die Tür geöffnet und wurde für Paulette gehalten. Der Lieferant hielt ihm ein Gewehr an den Kopf und zog den Drücker, doch das Gewehr blockierte und der Cousin blieb unverletzt. Das ist nur ein Gerücht, das ich hörte. Ich weiß nicht, ob es wahr ist. Ich weiß, dass Paulette von der "Kirche" (von Scientology) auf verschiedene Art und Weise belästigt wurde und sich später außergerichtlich mit ihnen einigte.

Ich dachte nichts Schlechtes über diese makabren Pläne. Ich glaubte an die Scientology Devise: "Das größte Gut für die größte Anzahl an Dynamiken". Anders gesagt: Wenn diese Morde ausgeführt werden mussten, um Scientology und die weitere Zukunft dieser Erde zu schützen, dann würden diese Absichten die Mittel rechtfertigen. So sehr war ich gehirngewaschen.

Der Solo Kurs hatte sich während der Jahre meiner Abwesenheit nicht viel verändert. Ich musste noch die Bulletins zu den GPMs und die Helatrobus Implants lesen. Ich zwang mich durchzuhalten und soviel wie möglich zu verstehen. Zudem übte ich mich selbst auf dem E-Meter zu auditieren, indem ich in einer Hand die Dosen hielt, während ich mit der anderen Hand meine Notizen niederschrieb.

Bald hatte ich die "Solo-Komplettierung". Ich war bereit, die OT Levels anzugehen.

Ich muss jetzt erklären, dass es eine Mystik in Scientology um diese geheimen oberen Levels gibt - und besonders um OT III, wo man angeblich das große Geheimnis dieses Universums kennenlernen würde. Hubbard hatte es angeblich entdeckt, nachdem es Millionen von Jahren versteckt worden war.

Ein Teil des Mysteriums dieser Levels ist, dass sie angeblich sehr gefährlich sind. Hubbard sagt in einem seiner Bulletins "Es kann ziemlich tödlich sein ein GPM schlecht durchzuarbeiten".

Die OT Levels waren sehr geheim. Alle Materialien mussten verschlossen in Aktentaschen aufbewahrt werden, die mit einer Hundeleine am Arm befestigt wurden. Sogar Ehepaaren wurde nicht erlaubt, die Levels, auf denen sie sich gerade befanden, mit ihren Partnern zu diskutieren. Es gab Gerüchte, dass man innerhalb von Tagen an einer Lungenentzündung sterben würde, wenn man den Inhalt eines Levels hören würde, bevor man es tatsächlich erreicht hatte.

Ich hatte daran überhaupt keine Zweifel. Wenn Hubbard es gesagt hat, musste es wahr sein.

Aber ich war bereit für das Abenteuer. Ich würde das Risiko auf mich nehmen. Ich wollte auf Leben oder Tod ein OT werden!

Kapitel 10 - Die Feuerwand

Der Begriff des "OT" (Operierender Thetan) ist wichtig in Scientology, da es die Versprechen auf besondere Fähigkeiten auf den OT Levels sind, die viele Anhänger von Scientology dazu veranlassen, in der Organisation zu bleiben und ihren Weg auf dem Graddiagramm nach oben zu arbeiten. Man spricht davon "Die Brücke zur totalen Freiheit hochzugehen".

Der Begriff des "OT" ist ähnlich dem des "Übermenschen", ein Terminus von Hitler, um den überlegenen arischen Menschen, eine Art Supermann, zu bezeichnen.

In der Scientology Kosmologie haben wir vor Äonen, am Anfang des Universums, als Thetanen existiert. Wir hatten zu dieser Zeit überlegene psychische Kräfte. Im Verlauf der Jahrtausende, als wir uns immer weiter ins physische Universum verwickelten (von Hubbard das MEST-Universum genannt – ein Akronym für Materie, Energie, Space=Ort und Time=Zeit), verloren wir allmählich unsere übermenschlichen Fähigkeiten, da wir uns physische Körper zulegten und durch sogenannte "Implantationen" (eine Art elektronischer Programmierungen) geistig verkrüppelt wurden.

Kommen Sie zu Scientology! Zum ersten Mal in der Geschichte, so verspricht Hubbard seinen Anhängern, gibt es einen Weg, wie Menschen ihre lange vergessenen übermenschlichen Fähigkeiten wiederherstellen können. Diese Kräfte werden in Scientology als "OT Fähigkeiten" bezeichnet.

Die OT Levels und die "OT's", die auf ihnen sind, stehen in hohem Ansehen bei den Scientologen, die noch auf den unteren Graden sind. Die Ehrfurcht vor "OT's" in Scientology ist etwa dem Respekt gegenüber einem Professor an einer Universität vergleichbar, aber mit einer zusätzlichen Aura religiöser Ehrfurcht.

Ich war also endlich soweit, in diesen vergötterten Bereich von Scientology einzutreten.

Ich begab mich zur Höheren Organisation mit meiner Aktentasche in Hand und holte mir die Materialien für OT I ab.

Die Anweisung lautete, zu einem belebten Platz zu gehen, deshalb nahm ich einen Bus zu einem nahe gelegenen Einkaufszentrum. Ich nahm meine Anweisung für OT I heraus. Es gab nur einen einzigen Befehl: "Erblicken Sie eine Person," und ich sollte dies solange machen, bis ich eine Wahrnehmung erreicht hätte.

Ich ging in diesem Zentrum umher, schaute mir für ca. eine Stunde Leute an und hatte dann bald eine Art Erkenntnis: Ich war einmalig – es gab niemanden wie mich auf dieser Erde.

Ich eilte zurück zur AO (Fortgeschrittenen Org), und ging direkt zum Prüfer, um es mir attestieren zu lassen; zudem gab ich dem C/S (Fallüberwacher) meine schriftlichen Aufzeichnungen.

Besorgt wartete ich in der Vorhalle. Kurz darauf wurde verkündet, ich hätte OT I geschafft.

Dafür hatte ich $2.750 bezahlt.

OT II, das ich am nächsten Tag anfing, war ein bisschen komplexer und auch teurer: $5.225.

Auf OT II wird angenommen, dass man die „Fähigkeit gewinnt, die ganze Zeitspur zu konfrontieren“. OT II ist die Vorbereitung für das sehr wichtige und gefährliche Level OT III, auf welchem man die "Feuerwand" konfrontiert und das große Geheimnis "dieses Sektors des Universums" kennenlernt.

Auf OT II würde ich weitere Implants ausauditieren müssen. So stand es in den entsprechenden Bulletins. Einige dieser Implants waren:

und so weiter.

Jeder Implant wurde ausführlich in den Bulletins beschrieben. Ich musste mich am E-Meter hinsetzen und musste jeden dieser Punkte laut lesen, mir zu den Nadelanzeigen auf dem E-Meter Notizen machen, bis der entsprechende Punkt keine „Reads“ (Nadelanzeigen) mehr hatte.

Es war ein langes und langweiliges Verfahren.

Die Beschreibung dieser Vorfälle machte nicht viel Sinn, aber ich war nicht in der Lage, die Schriften von Hubbard zu bezweifeln. Wie auch immer – er musste es ja wissen.

Zum Beispiel wurde das "Tanz Mob GPM" folgendermaßen beschrieben:

"Die Zeitdauer ist eine 7/8 Sekunde. Es gibt einen Pol, in den man hineingezogen wird. Man ist in diesem Pol gefangen. Der eigentliche Vorfall ist in Verbindung mit diesem Ding und dem Versuch davon loszukommen. Der Tanz kommt nach dem eigentlichen Vorfall und besteht aus einem Mob, der um einen tanzt und verschiedene Dinge singt. Indem man durch diesen Vorfall durchgeht, soll man die Phrasen wahrnehmen, die gesungen werden. .."

Irgendwie brachte ich es fertig, durch dieses Level durchzukommen. Ich hatte keine Erlaubnis, diese Dinge mit anderen zu diskutieren. So saßen wir also da, eine Ansammlung gehirngewaschener Scientologen, die in einem Zimmer eingeschlossen worden waren und diese absurden Anweisungen ausführten, jeder einzelne zu eingeschüchtert, um den Sinn dessen anzuzweifeln, was er oder sie da machten.

Es stand zu viel auf dem Spiel. Ich hatte zu viel investiert, um jetzt noch irgendwelche Fragen zu stellen. Ich war weit über den Punkt hinaus, von dem es keine Rückkehr gibt. Hunderte von Stunden von Gedanken betäubenden TR’s hatten mich in einen "Rondroid" verwandelt, einen bedingungslosen, gedankenlosen Anhänger von Scientology.

Wenn Hubbard mir in diesem Stadium befohlen hätte, mich selbst umzubringen, hätte ich es wahrscheinlich getan. Es ist hart, jemandem dies zu erklären, der nie in einem Kult war, aber man kommt da einfach zu einem Punkt, wo man keine Fragen mehr stellt. Man wird zu einer geistigen Geisel des Kults.

Das dritte OT Level, OT III, das in Scientology als die "Feuerwand" bekannt ist, war das Level, zu dem ich am meisten hineiferte, da Hubbard verspricht, dass man hier endlich das große Geheimnis dieses Sektors des Universums kennen lernen würde. Gemäß Hubbard ist es dieses Geheimnis, das den gegenwärtigen entarteten Zustand des Menschen erklärt. Wenn man dieses Geheimnis kennt, würde man die heutige Welt verstehen und warum sie in diesem Zustand ist.

Zu der Zeit, als ich mit OT III anfing, lebte ich in der Vorstadt von Studio City, wo ich eine Affäre mit einem Architekten und Scientologen namens Lee Cambigue hatte.

Er war schon OT III.

Am großen Tag, dem Tag, an dem ich mit OT III anfangen sollte, kam er freiwillig mit und setzte sich mit mir in den Kursraum. Ich war dankbar, denn ich hatte wirklich Angst vor dem, was da vor mir lag.

Als wir in die smogerfüllte Stadt hineinfuhren, fragte er mich, ob ich Angst hätte.

Ja, nickte ich.

Ich bekam die geheimen Materialien in einem braunen Ordner und wurde in das verschlossene Zimmer gelassen, in dem OT3 gelehrt wurde. Ich öffnete den Ordner und fing an zu lesen:

Das Haupt der Galaktischen Föderation (76 Planeten und von hier aus sichtbare größere Sterne) (gegründet vor 95'000'000 Jahren, sehr Science Fiction) löste die Überbevölkerung auf seinen Planeten (250 Milliarden oder so pro Planet, 178 Milliarden im Mittel) durch Massenimplantierung. Er veranlasste, dass die Leute nach Teegeeack (Erde) gebracht wurden und brachte an den bedeutendsten Vulkanen H-Bomben an (Ereignis II), dann wurden diejenigen aus den Pazifikgebieten in Schachteln nach Hawaii gebracht und diejenigen aus den Atlantikgebieten nach Las Palmas und dort zusammengepackt.

Sein Name war Xenu. Er gebrauchte Abtrünnige. Verschiedene irreführende Informationen wurden vermittelst Schaltkreisen usw. in die Implantate eingebracht.

Nachdem er sein Verbrechen vollendet hatte, fingen ihn loyale Offiziere (gegenüber dem Volk) nach sechs Jahren Kampf und steckten ihn in eine elektronische Falle in einem Berg wo er immer noch ist. 'Sie' sind gegangen. Der Ort (Konföderation) war seither eine Wüste. Die Dauer und Brutalität von all dem war so groß, daß sich diese Konföderation niemehr erholte. Das Implantat ist zum Töten (durch Lungenentzündung usw.) von denjenigen berechnet, die es zu beseitigen versuchen. Durch die von mir entwickelte 'Tech' kann diese Anfälligkeit aufgehoben werden. 

Man kann durch das Implantat 'freilaufen' und dabei umkommen, es sei denn, daß erreicht wird, es genau abzugrenzen. Ein Freilaufen (selbständig, fort und fort) dauert zu lange, verhindert den Schlaf usw. und man stirbt. Sie müssen vorsichtig sein und nur Ereignis I und II wie vorgegeben bearbeiten und nicht überall herumwühlen und dabei das Abschließen eines Thetans zu einer Zeit verfehlen.

Im Dezember 1967 kannte ich jemand, der einen entscheidenden Schritt zu machen hatte. Ich machte ihn und tauche sehr angeschlagen aber lebend wieder auf. Möglicherweise der Einzige der dies in 75'000'000 Jahren je tat. Ich habe nun alle Informationen, aber nur das hier gebotene ist notwendig.

Viel Glück.

In den folgenden OT III Bulletins führt Hubbard diese Geschichte weiter aus. Es war sehr schwer zu lesen. Andere Studenten im Kursraum schauten mir zu, während ich las, um meine Reaktion zu beobachten, um zu sehen, ob ich "es kapiert hätte".

Gemäß Hubbard hatte sich ein übler Diktator namens Xenu vor Millionen von Jahren entschieden, das Problem der Überbevölkerung in seiner Galaxie dadurch zu lösen, dass er die Leute zusammentrieb, sie einfrieren ließ und sie dann mit Raumschiffen zur Erde transportierte.

Sie wurden auf zwei Vulkanen, einem auf Las Palmas und einem auf Hawaii deponiert. Dann wurden Atombombenexplosionen ausgelöst. die diese eingefrorenen Seelen in die Stratosphäre hinausbliesen, wo sie dann von "elektronischen Bändern" (Kraftfeldern) abgefangen und zur Erde zurückgebracht wurden. Dort wurden sie dann in Haufen bzw. Klumpen zusammengepackt.

Nach diesem Vorgang wurden sie sogenannten Implantationen ausgesetzt, d.h. es wurden ihnen auf riesigen Bildschirmen viele verschiedene Szenen vorgeführt. Dann wurden sie freigegeben.

Und das ist laut Hubbard das große Geheimnis dieses Sektors des Universums: Jede Person auf Erden ist nicht nur eine einzelne Person, sondern eine Sammlung ("Klumpen") von Hunderten von verschiedenen Wesen.

Was ich auf OT3 lernen würde, war, wie ich telepathisch diese anderen Wesen in mir lokalisieren konnte, um sie durch die Atomexplosion und die Implants von vor 75,000,000 Jahren zu auditieren. Dann wären diese Wesen befreit, könnten davonfliegen und sich einen eigenen Körper suchen.

Ich hörte den Supervisor kaum, als er die Mittagspause ankündigte. Meine Gedanken wirbelten im Kreis.

Ich ging mit Lee nach draußen.

"Heißt das, dass das alles ist?" habe ich ihn gefragt. "Ist das das große Geheimnis, dass ich nicht nur eine Person bin?"

"Du hast es kapiert," gluckste er. "Aber warte, bis du das Auditing dazu machst. Du wirst dich großartig fühlen!"

Als wir zum Mittagessen gingen, hatte ich eine eigentümliche Empfindung. Ich spürte, wie mein Verstand zu arbeiten aufhörte, buchstäblich einfror. Ich konnte nicht glauben, was ich da gerade eben gelesen hatte, es war einfach zu unglaublich. Doch war ich zu gehirngewaschen um Zweifel zu haben. So fror mein Verstand einfach ein, unfähig irgendetwas zu verarbeiten.

Zu diesem Zeitpunkt kamen meine Symptome, diese furchtbaren Panikattacken, mit voller Kraft zurück. Ich ging zum Supervisor und beklagte mich. Aber er sagte mir, ich solle einfach weiter studieren und die Symptome würden sich dann von selbst erledigen. Man sagte mir, dass diese Art von "Restimulation" häufig vorkam, während man die OT Levels machte.

"Der Weg hinaus ist der Weg hindurch," war ein allgemein bekanntes Scientology Sprichwort, das ich an jenem Tag zu hören bekam.

So versuchte ich pflichtgetreu, die komplizierten Anweisungen des OT3 Auditings auszuführen.

Ich brachte mein E-Meter in ein kleines Zimmer in der Org, stellte es auf einen Tisch und setzte mich dazu. Mein Notizblock war zu meiner linken Seite. Mit meiner rechten Hand hielt ich die Solodose, während ich linkshändig meine Notizen machte. Mit meiner linken Hand bediente ich auch das E-Meter, indem ich die Nadel auf der Oberfläche der Anzeigenscheibe hielt, damit ich alle "reads" der Nadel lesen konnte.

Ich schloss wie vorgeschrieben meine Augen und versuchte ein Wesen zu lokalisieren. Ich hatte gelernt, dass ich Druckstellen an verschiedenen Teilen meines Körpers spüren würde, und dass diese Druckstellen die Wesen wären, die ich auditieren musste.

Ich war erstaunt, als ich tatsächlich einen Druck an der Oberseite meines Kopfes spürte.

Ich eröffnete die (telepathische) Kommunikation mit dem Wesen und versuchte, seinen Namen zu erfahren. Ich fragte ihn, ob er beim La Palmas oder beim Hawaii Vulkan implantiert worden war. Ich beobachtete das E-Meter wegen der „reads“, die mir meine Antworten geben würden. Theoretisch war das Wesen, das ich kontaktiert hatte, dasjenige, dessen Anzeige ich tatsächlich auf dem E-Meter sehen konnte.

Dann stellte ich dem Wesen eine Reihe komplizierter Fragen, indem ich ihn oder sie langsam durch die Explosion und die nachfolgenden Implantationen führte. Ich machte dies immer wieder mit dem Wesen, bis ich eine Verringerung und dann ein Verschwinden des Drucks spürte. Die Nadel auf dem E-Meter schwebte.

Ich hatte gerade mein erstes Wesen freigegeben!

Plötzlich hörte ich ein elektrisches Knistern überall im Zimmer. Ich schrak auf und wusste nicht, was ich nun tun sollte. Doch ich erinnerte mich an die Wörter des Supervisors, "Der Ausweg ist der Weg durch," und ich entschied mich weiterzumachen. Die knisternden Klänge belästigten mich noch viele Sitzungen lang.

Ich machte auf diese Weise tagelang weiter; ich auditierte die unsichtbaren Wesen. Nach jeder Sitzung übergab ich meinen Ordner dem C/S und bekam Anweisungen, wie ich weiter zu machen hätte.

Die Grenze zwischen Realität und Illusion lösten sich immer weiter auf.

Ein anderes Ereignis zu dieser Zeit trug ebenfalls zu meinen Illusionen bei.

Während einer der Mittagspausen vom Kurs schwamm ich mit einem anderen Studenten in einem nahegelegenen Teich. Sein Name war Al. Er räkelte sich am seichten Ende des Teichs. Ich war auf der tiefen Seite und vollführte Saltos im Wasser. Plötzlich war Al direkt neben mir unter Wasser.

Ich tauchte auf, und er räkelte sich noch immer am seichten Ende. Er warf seinen Kopf zurück und fing zu lachen an.

"Wie hast du denn das gemacht?" stotterte ich. Er lachte einfach weiter.

"Es hat etwas mit den Atomen zu tun," antwortete er mir.

"Macht nichts“, sagte ich ihm. "Ich will es gar nicht wissen. Mach es nur nicht wieder".

Dieses Ereignis diente nur dazu, meinen Glauben an die Wirksamkeit von OT3 zu bestärken.

Eines Nachts, als ich die Org verließ, hatte ich eine eigentümliche Empfindung. Ich schaute um mich. Wie damals vor vielen Jahren auf dem Weg zu Mario waren die Farben um mich wieder ungewöhnlich hell. Die Sterne zeigten sich deutlich als Lichtpunkte vor einem samtenen Himmel. Ein Gefühl der Euphorie durchflutete mich.

"Das ist es," dachte ich bewegt. "Ich muss mit OT3 fertig sein".

Ich ging zum Supervisor.

Ich durfte OT3 attestieren! Ich war durch die Feuerwand gegangen und war unversehrt herausgekommen. Jetzt war ich frei von meinen anderen Wesen. Ich war allein, und die Welt war klar und schön.

Am nächsten Morgen wachte ich mit stechenden Kopfschmerzen und einer intensiven Panikattacke auf.

Was war falsch? Das sollte ja nicht mehr passieren.

Ich ging zum Direktor für Processing und schilderte ihm meine Symptome.

Meine Folder wurden zum Fallüberwacher gebracht.

Ich wurde für ein "D von P Interview" hereingerufen.

"Es ist folgendes," sagte er mir, "Sie sind mit Ihrem nächsten Level in Berührung gekommen. Das einzige, das Ihre Symptome jetzt in Ordnung bringen wird, wird Ihr nächstes Level sein".

"Welches Level ist das?" fragte ich ihn.

"Gut, normalerweise Sie würden jetzt auf OT4 gehen, aber Hubbard hat gerade ein neues level eingeführt, das nach OT3 gemacht werden muss. Es heißt NED für OTs (Dianetik der Neuen Epoche). Aber zur Zeit wird es nur in Clearwater geliefert".

Clearwater, Florida, war das US Hauptquartier von Scientology, und alle experimentellen Levels wurden zuerst dort gemacht.

Die Kosten des neuen Levels: $16.000.

Ich ging zurück zu meinem Leben mit Lee. Doch meine Symptome wurden schlimmer und schlimmer.

Ich war verzweifelt.

Da mischte sich das Schicksal ein. Zu der Zeit starb meine Großmutter und sie hinterließ mir eine ganze Menge Geld. Ich rief meinen Vater an und sagte ihm, dass ich das Geld brauchen würde, um ein Level zu machen, das mir gegen meine Panikattacken helfen würde.

Meine Mutter kam mit dem Scheck nach L.A. Wie gewöhnlich versuchte sie alles, um mich aus Scientology rauszuholen; sie zögerte mir den Scheck zu geben. Aber Lee half mir, sie zu überzeugen, dass dies wirklich genau das war, was ich jetzt brauchte.

Schließlich gab sie nach.

Ich hatte das Geld! Ich konnte jetzt nach Clearwater fahren, um meine NED für OTs zu machen. Ich fuhr im November 1979 nach Clearwater, kurz vor meinem Geburtstag, auf der Jagd nach der "Totalen Freiheit", wie sie von Hubbard versprochen worden war.

Ich setzte große Hoffnungen auf dieses neue Level. Es würde funktionieren. Es musste einfach.

Kapitel 11 - Ausgestoßen

Der Flug nach Florida war ein Nachtflug, und nach meiner Ankunft um sechs Uhr morgens saß ich in einem Minibus Richtung Courtney Campbell Damm in Clearwater. Ich starrte auf das kristallene, blaue Wasser der Bucht und fühlte wie Ruhe in mich einkehrte.

Clearwater ist das Mekka für Scientologen. Der Gebäudekomplex im Stadtzentrum von Clearwater ist unter den Scientologen als die Flag Land Basis, oder kurz "FLAG" bekannt, denn als Hubbards Flagschiff damals hier anlegte, wurde dies hier zum ständigen Hauptquartier.

Das Hauptgebäude des Komplexes ist das ehemalige Jack Tar Hotel, dessen rotes Dach mit den Türmen die nahegelegenen Gebäuden um mehrere Stockwerke überragt, ein weithin sichtbares Markenzeichen in Clearwater.

Ich bekam ein Zimmer im Hotel zugeteilt, und musste alle vorbereitenden Interviews machen, bevor ich meine "NED's" (Neue Epoche Dianetik für OTs) beginnen konnte.

Schließlich wurde ich einer Auditorin namens Jill zugeteilt, und wir begannen mit unserer ersten Sitzung.

Zu meinem Entsetzen hörte ich, dass wir noch weitere Wesen auditieren müssten, "Body Thetane" wie sie in Scientology hießen. Hubbard hatte "entdeckt", dass es eine Kategorie von Body Thetanen (sprich im Körper wohnende Wesen) gab, die auf das OT3 Auditing nicht regierten. Es brauchte also weiteres Auditing, um von ihnen befreit zu werden.

Die Sitzungen liefen überhaupt nicht gut. Ich hatte das Gefühl, als ob ich überhaupt nicht weiterkommen würde.

Ich war alarmiert, denn die Auditing Stunden (ungefähr $800 pro Stunde!) gingen vorüber und wir machten keinen Fortschritt.

Ich fing an, mich beim Fallüberwacher zu beschweren; daraufhin bekam ich eine Serie von "Reviews", von denen angenommen wurde, dass sie das Problem beheben würden.

Mittlerweile, als ich nicht in Sitzung war, arbeitete ich freiwillig in der Getränke-Bar in der Lounge mit. Wir mixten dort exotische Fruchtcoctails für andere Gäste, die zwischen den Sitzungen hierher kamen um sich zu entspannen.

Ich war im November 1979 in Clearwater angekommen. Wir kämpften uns bis Ende Januar 1980 durch das Auditing. Nichts ging weiter.

Als der Auditor mir sagte, dass ich meine Augen schließen, aus meinem Kopf herausgehen und um mich schauen sollte, sagte ich ihr einfach, dass ich nichts sehen konnte. Ich war nicht fähig aus meinem Körper heraus zu gehen. Ich sagte immer wieder: "Die Tech(nologie) funktioniert nicht". Wie die Geschichte von des Kaisers neuen Kleidern war das etwas, das man über Hubbards "Technologie" nie sagen durfte.

Ich fühlte mich furchtbar schuldig wegen des Geldes. Ich wurde immer verzweifelter, je mehr die $16.000 dahinschmolzen.

Schließlich bekam ich einen Zusammenbruch. Ich begann, schreckliche Albträume in der Nacht zu haben. Mehrmals wachte ich laut schreiend auf und weckte so auch andere Hotelgäste auf. Ich sorgte nicht mehr für meine persönliche Hygiene und schaute jeden Tag ungepflegter aus.

Ich ging zu einem meiner Bekannten im Guardian Office, Hugh Wilhere, und erzählte ihm, dass ich mir wünschte, dass ich zurück zum Anfang gehen und noch einmal angefangen könnte.

Er fasste das so auf, dass ich möglicherweise Selbstmordabsichten hatte.

Zu dieser Zeit hatte eine Frau aus der Schweiz Selbstmord begangen, indem sie in die Wellenbrecher nahe der Org (FLAG) gesprungen war. Diese Geschichte erschien in den Lokalzeitungen, als entdeckt wurde, dass sie eine Scientologin war. Und damit hatte Scientology ein Image-Problem, zudem das Verhältnis mit der Community von Clearwater zu der Zeit sowieso größtenteils feindlich war.

Es war dem Guardian Office bekannt, dass es mir nicht gut ging, und sie befürchteten offensichtlich, dass ich zu einer weiteren Peinlichkeit für sie in Clearwater werden könnte.

Man sagte mir, ich solle in meinem Zimmer bleiben. Ich wurde rund um die Uhr von einem Wächter vor meiner Zimmertür bewacht. Meine Mahlzeiten wurden auf mein Zimmer gebracht. Ich stellte keine Fragen. Ich dachte, dass sie mich vielleicht zu Hubbard ("über den Regenbogen") schicken wollten, um meinen "Fall" in Ordnung zu bringen.

Schließlich kamen eines Nachts drei Mitarbeiter aus dem Guardian Office und mein Auditor in mein Zimmer und sagten mir, dass ich Florida verlassen sollte.

Mir war klar, was das zu bedeuten hatte. Ich wurde ausgestoßen. Unter Tränen bettelte ich sie an, sich anders zu besinnen, doch es war sinnlos. Ich fühlte mich zornig und betrogen. Ich hatte Scientology mein Leben gegeben, und jetzt wollten sie mich nur noch loswerden?

Am nächsten Morgen wurde ich also in einem Scientology Lieferwagen zum Flughafen gebracht. Man sagte mir, ich solle irgendein Reiseziel außerhalb Floridas wählen. Ich machte einen eiligen Anruf bei meinen Eltern um zu sehen, ob sie zu Hause waren und informierte sie, mit welchem Flug ich ankommen würde.

Der Wächter flog sogar mit mir. Ich erinnere mich kaum noch an diesen Flug. Irgendwie war ich in einem Zustand des Schocks.

Ich machte mir große Sorgen. Nicht nur, dass ich verbannt wurde - ich hörte bei einem oberen Level "unflat" oder unfertig auf, und gemäß Scientology Lehre bedeutete dies, dass ich innerhalb von ein paar Tagen sterben konnte.

Bei der Ankunft am Flughafen verschwand mein Wächter. Ich sah mich am Flughafen um und schließlich erblickte ich meinen Vater. Er schien nicht zu wissen was er mir sagen sollte. Die verschwenderische Tochter kehrte wieder einmal nach Hause zurück....

Wir fuhren nach Madison, Wisconsin, dem Heim meiner Eltern. Ich starrte aus dem Fenster auf den Februarschnee, der leise fiel, und fühlte die gleiche Art von Schock, den ich vor vielen Jahren nach dem Tod von Bill gehabt hatte.

Was konnte ich jetzt bloß tun? Zuerst ging es mir nur darum meine geistige Gesundheit zu erhalten. Die Ängste waren intensiv, und schließlich brachten mich meine Eltern eines Nachts zur Notaufnahme ins städtische Krankenhaus. Ich versuchte dort etwas über Scientology zu erklären, aber da ich noch immer in der scientologischen Sprache redete, dachte der Doktor wahrscheinlich, dass dies nur ein schizophrener Ausbruch war. Aber ich wurde nicht eingewiesen. Ich wurde mit einem Rezept für Ativan, einem Beruhigungsmittel, nach Hause geschickt.

Erstaunlicherweise fand ich heraus, dass die Beruhigungsmittel mir etwas Erleichterung verschafften. Ich rationierte sie vorsichtig und nahm nur welche, wenn die Angstzustände unerträglich zu werden drohten.

Ich fühlte mich, als ob mein Verstand auseinanderfiel. Um nur irgendetwas Sinnvolles zu machen, fing ich im Wohnzimmer meiner Eltern mit einem großen Puzzle von einer deutschen Burg an. Es schien, therapeutisch für mich zu sein. Indem ich die Teile dieses Puzzles zusammensuchte, versuchte ich irgendwie, die Bruchstücke meines Verstandes in einer ähnlichen Ordnung zu halten.

Auf die beharrlichen Bitten meiner Mutter hin erklärte ich mich einverstanden, einen Sozialarbeiter einer nahegelegenen Nervenklinik zu treffen. Ich wollte keinen Psychiater treffen, weil das in Scientology streng verboten war, aber ich konnte mich an kein derartiges Verbot gegenüber Sozialarbeitern erinnern; also willigte ich ein.

Der Sozialarbeiter versuchte zu verstehen, was ich durchgemacht hatte, aber er hatte offensichtlich kein Bezugssystem für meine Erfahrungen. Ich fühlte mich frustriert.

Als ich Clearwater verließ, hatte man mir eine „freeloader“ (Schmarotzer) Rechnung über ungefähr $8000 gegeben. Ich hatte also das dringende Bedürfnis irgendwie Geld zu machen.

Ich bekam einen Job als Kellnerin in einem Restaurant nahe bei meinen Eltern. Meine Mutter brachte mich hin und holte mich nachher wieder ab. Die Beruhigungsmittel halfen mir, durch meine Schicht zu kommen.

Ich erlitt immer noch extreme Angstzustände. Ich versuchte mehrere Wochen lang, einen Spaziergang um den Block bei meinen Eltern zu machen, aber ich schaffte immer nur ein Drittel des Weges und musste dann umkehren. Ich bekam einfach zu große Angst, um es ganz um den Block zu schaffen. Es dauerte ein Jahr, bis ich diese kleine Aufgabe beherrschte.

An einem bestimmten Punkt wollte ich mich selbst umbringen und musste für mehrere Tage eingewiesen werden. Aber wieder verstand der diensthabende Psychiater nicht, dass meine Probleme von meiner zwölfjährigen Mitgliedschaft im Kult von Scientology herrührten - und ich konnte es ihm nicht erklären.

Ich fühlte mich, als ob ich von einem anderen Planeten gekommen wäre. Keiner, dem ich meine Erfahrung zu erklären versuchte, verstand mich; ich war zu der Zeit sehr frustriert und entmutigt.

Ich schrieb immer wieder Briefe nach FLAG, indem ich sie bat, mich wieder aufzunehmen, aber jede Antwort drückte auf taktvolle Weise aus, dass sie mich nicht zurück haben wollten.

Dadurch begann ich, wütend auf sie zu werden. Ich glaube, dass mein Ärger mich gerettet hat.

Nach einem Jahr im Haus meiner Eltern bekam ich eine kleine Wohnung nicht weit von ihnen entfernt.

Eines Abends, als ich allein in meiner Wohnung saß, überlegte ich mir, einen Rechtsanwalt in Boston anzurufen, der im Kampf gegen Scientology tätig war. Sein Name war Michael Flynn.

Die Überlegung Mr. Flynn anzurufen war ein großer Schritt für mich, weil ich wusste, dass es von Scientology als eine "suppressive Tat" interpretiert werden würde, und meine Seele würde vielleicht für Billionen von Jahren in der Zukunft verdammt sein. So dachte ich damals immer noch.

In meinem Verstand fand ein Kampf statt – einerseits der Ärger, und andererseits das Programming von Scientology.

Schließlich gewann der Ärger. Ich rief also Michael Flynn an. Zuerst war er mir gegenüber misstrauisch, aber er erklärte sich einverstanden, mir einige Dinge über Scientology zum Lesen zu schicken. Ich war einverstanden sie zu lesen, obwohl ich wusste, dass dies eine andere suppressive Tat meinerseits wäre.

Ich fing dann an, Bücher über Kulte, andere Kulte, zu lesen. Ich war noch nicht bereit, Kritik an Scientology zu lesen, aber ich war bereit, über andere Gruppen zu lesen. Ich ging zur Bibliothek und holte mir dort einige einschlägige Bücher. Ich ging auch zu einer christlichen Buchhandlung und entdeckte, daß sie eine Abteilung über Kulte hatten.

Ich gab meinen Job als Kellnerin auf und fing an, jeden Tag von acht morgens bis spät in die Nacht zu lesen.

Ich las ein Buch, das von der Mutter eines Mädchens in einer Gruppe namens „die Kinder Gottes“ geschrieben worden war. Etwas in diesem Buch traf mich im Innersten, und das war die Ähnlichkeit zwischen jenem Kult und Scientology.

Ich las immer weiter.

Das Paket von Michael Flynn kam an und ich fing an, einige Artikel zu lesen, die sich kritisch mit Hubbard und Scientology auseinander setzten.

Ein Dokument skizzierte die viele Fiktionen, die Hubbard uns über seine Vergangenheit und seine Errungenschaften erzählt hatte. Dieses Dokument beeindruckte mich am meisten, weil es bedeutete, dass Hubbard ein Lügner war. Der Mann, dem ich so viele Jahre unbeirrbar geglaubt hatte, hatte mich angelogen.

Dies war der erste Sprung in meiner Rüstung.

Je mehr ich las, desto besorgter wurde ich.

Ich hatte wieder Selbstmordgefühle. Ich erinnere mich, dass ich eines Tages in Madison herumfuhr und zu entscheiden versuchte, wie ich mir das Leben nehmen sollte. Schließlich hielt ich an einem Münztelefon und rief das Krankenhaus an. Ich erklärte ihnen meine Lage so gut ich konnte.

Sie waren sehr hilfreich. Man sagte mir, dass es im Krankenhaus einen Priester gab, der über Kulte Bescheid wusste. Ob ich kommen und mit ihm reden wollte?

Ich fuhr zum Krankenhaus. Dort traf ich Father Steve Smith und zu meiner großen Überraschung verstand er alles, was ich ihm erzählte. Er erkannte, dass ich an einem kritischen Punkt angelangt war und Hilfe brauchte.

Er fuhr mich zum Haus eines Paares, das einen Sohn an die Moonies verloren hatte. Sie waren einverstanden, mich über Nacht bei sich zu behalten und mir durch meine Krise zu helfen. Ich erinnere mich an diese Frau, die mich jene Nacht in ihren Armen hielt und versuchte, meine erschrockene Seele zu beruhigen. Ich habe jene Nacht friedlich geschlafen und bin am nächsten Tag in meine Wohnung zurückgekehrt.

Father Smith traf sich auch weiterhin mit mir. Er stellte mich auch dem Universitätsprofessor Vern Visick vor, der ebenfalls Kultexperte war. Die nächsten paar Wochen waren diese zwei Männer meine Brücke zur Heilung und ich traf mich oft mit ihnen. Speziell Vern wurde mir rasch ein Freund und hat mir durch einige schwierige Tage hindurch geholfen.

Eines Tages, als ich in der christlichen Buchhandlung war, blätterte ich aus Neugier ein Buch über das Christentum durch. Vielleicht löste etwas aus meiner entfernten Vergangenheit im Haus meiner Großmutter in Süd-Dakota eine alte Erinnerung aus. Ich nahm das Buch mit nach Hause und las es. Es war ein Buch von Hal Lindsey namens "Der späte große Planet Erde". In diesem Buch sprach er über Jesus.

Jene Nacht, als ich in meinem Schlafzimmer stand, wusste ich, dass ich wählen musste. Es war entweder Jesus oder L. Ron Hubbard. Sie konnten nicht beide Gott sein.

Aus welchem Grund auch immer wählte ich Jesus, und in diesem Moment passierte etwas Übernatürliches. Ich erwachte aus einer Hypnose. Es war erstaunlich. Ich wachte einfach auf, als ich dort so im Zimmer stand. Der Vergleich mit einer Glühbirne kam mir in den Sinn.

Plötzlich wusste ich ohne einen Zweifel, dass ich zwölf Jahre lang hypnotisiert worden war. Und ich wusste, dass Scientology falsch war. Ich war getäuscht worden.

Es war am 4. Juli. Ich lief nach draußen, setzte mich auf einer Steinmauer nahe meiner Wohnung und dachte nach. Das einzige Gefühl, das ich spürte war Ärger. Ich konnte einfach nicht glauben, was mir geschehen war. Endlich war ich "raus". Ich wusste, dass es kein Zurück mehr gab. Ich würde nie mehr zu Scientology zurückkehren.

Ich hatte mich im Wesentlichen durch Lesen selbst deprogrammiert. Ich erzählte Vern und Father Smith von meiner Entscheidung; sie freuten sich sehr darüber. Ich sprach nicht wirklich mit meinen Eltern darüber. Ich wusste nicht, ob sie verstehen bzw. mir glauben würden.

Aber ich war wirklich weg von Scientology. Nach zwölf langen Jahren war ich schließlich frei. Und ich blickte nie wieder zurück.

Kapitel 12 - Zurück nach Florida

Ich wusste, dass ich etwas mit meinem Ärger machen musste, den ich in mir fühlte. Ich fühlte mich, als ob ich vergewaltigt worden war - geistig, emotional, spirituell und finanziell.

Ich wollte mein Geld zurück von Scientology. Ich schätzte, dass ich mehr als $60.000 in den zwölf Jahren meiner Mitgliedschaft ausgegeben hatte.

Ich rief Michael Flynn in Boston an und erzählte ihm, dass ich klagen wollte. Wieder war er sehr misstrauisch mir gegenüber, weil er schon einmal hintergangen worden war; er war gegenüber Bitten von ehemaligen Mitgliedern, die klagen wollten, sehr zurückhaltend .

Er bat mich, ihm zu schreiben und ihm meine Geschichte im Kult genau zu schildern.

Seine Telefonleitung musste angezapft worden sein, denn drei Tage später klopfte es an der Tür meiner kleinen Wohnung in Madison. Ich öffnete die Tür, und drei Scientologen aus FLAG standen da. Einer hielt ein E-Meter in den Händen.

Sie wußten von meinem Telefonat mit Michael Flynn. Sie waren gekommen "um Frieden zu machen".

Sie boten mir einen Scheck über $16.000, aber als ich unter den Scheck schaute, gab es da eine lange Einverständniserklärung. Ich sollte unterschreiben, daß ich sie nicht weiter belangen würde und daß ich Scientology nicht für irgendetwas verantwortlich machen würde, das mit mir geschehen war.

Ich lehnte ab zu unterzeichnen.

Sie nahmen mich in ein Motelzimmer auf der anderen Seite der Stadt mit. Ich ging mit, weil ich Angst vor ihnen hatte. Ich wusste ja, dass sie nicht davor zurückschrecken würden, Überläufer zu töten.

Sie wollten eine ARC-Bruch Sitzung auf dem E-Meter machen. Ich sagte ihnen immer wieder, dass ich mich nicht mehr für Scientology interessierte. Das war das letzte Mal, dass sie noch einmal versucht haben, mich zu auditieren.

Dann nahmen sie vorbereitete eidesstattliche Erklärungen aus der Aktentasche. Ich sollte erklären, dass Michael Flynn und sein Bruder mich dazu gezwungen hätten, den Prozess zu führen.

Wieder lehnte ich es ab zu unterzeichnen.

Einer der drei Männer war Hugh Wilhere, mein ehemaliger Freund von FLAG. An einem bestimmten Punkt drohte er mir mit den Worten, dass er für meine Sicherheit nicht garantieren könnte, wenn ich die Papiere nicht unterzeichnen würde. Ich wusste, dass er damit sagen wollte, dass ich getötet werden konnte.

Wir verbrachten drei Tage in diesem Motel. Sie bearbeiteten mich ununterbrochen, daß ich die Papiere unterzeichnen sollte. Eines der Papiere war ein Versprechen, sie nicht zu belangen.

Ich kann nicht erklären, was geschah - vielleicht war ich trotz allem immer noch unter ihrem Einfluss - aber nach drei Tagen voller Druck und Vorwürfen gab ich schließlich nach. Ich unterzeichnete die Papiere.

Sie fuhren mich zu einem Notar, bei dem die Papiere beurkundet wurden. Der Notar schien Verdacht zu schöpfen; er vermutete wohl, dass hier etwas nicht mit rechten Dingen zuging.

Ich nahm den Scheck und gab ihn meinem Vater. Immerhin war es immer noch sein Geld und ich wollte es nicht haben.

Die Scientologen verschwanden, nachdem sie erhalten hatten was sie wollten. Was wirklich eigenartig war, war, daß Hugh mir ein Dutzend Rosen kaufte, bevor sie gingen. Ich wusste nicht, was ich davon halten sollte.

Ich rief dann Michael Flynn an und erzählte ihm, was geschehen war. Ich sagte ihm, dass ich mich entschieden hatte, doch nicht zu klagen.

Das war im Juli 1981.

Ich kehrte zurück zu meiner Arbeit im Restaurant. Aber der Ärger war noch da, und er grub sich ein tiefes Loch in meine Seele.

Schließlich, im Oktober 81, hielt ich es nicht mehr aus. Ich rief nochmals Michael Flynn an und sagte ihm, daß ich es mir noch einmal überlegt hätte. Ich erzählte ihm, daß ich diese Papiere unter Zwang unterzeichnet hatte und daß ich nun doch klagen wollte.

Er bat mich nach Boston zu kommen, um mit ihm zu sprechen.

Ich war aus psychologischen Gründen nicht in der Lage selbst zu fahren; also brachen im Oktober 1981 meine Mutter und ich zusammen nach Boston auf.

Als wir am Büro von Michael Flynn ankamen, wurden wir mit Misstrauen begrüßt. Michael dachte noch immer, dass ich ein Spion sein könnte. Aber er nahm sich die Zeit und redete mit mir.

Schließlich sagte er, wenn ich klagen wollte, müsste ich nach Florida fahren, wo es einen Rechtsanwalt gab, der mich vertreten könnte. Der Name des Rechtsanwalts war Walt Logan. Michael erklärte mir, dass der Prozess in Florida abgehalten werden müsste, denn dort hatte ich die letzten Dienste von Scientology erhalten.

Deshalb fuhren wir dann auch nach Florida. Aus einigen Gründen wollten uns die Rechtsanwälte (es gab zwei von ihnen) nicht in ihren Büros in Tampa treffen, deshalb wählten wir ein Hotel in Daytona Beach. Ich erzählte ihnen meine Geschichte. Sie ließen mich eine vollständige Auflistung aller meiner Aktivitäten in Scientology aufschreiben; sie nannten das "Curriculum Vitae".

Dann baten sie uns, solange zu warten, bis sie uns wieder kontaktieren würden.

Meine Mutter und ich fuhren dann rüber zum Strand in St. Petersburg und mieteten uns in einem Motelzimmer ein. Und dann warteten wir. Ein Monat ging vorüber und kein Wort von ihnen.

Am ersten Weihnachtsfeiertag kauften wir einen winzigen Weihnachtsbaum und einige Lichter und feierten so ein kleines improvisiertes Weihnachtsfest.

Schließlich musste meine Mutter nach Wisconsin zurück. Wir schauten uns um und ich mietete eine kleine möblierte Wohnung in Clearwater nahe einer Kirche, die ich des öfteren besucht hatte.

Als sie mich verlassen hatte, fühlte ich mich völlig vereinsamt. Die Rechtsanwälte waren schließlich einverstanden, meinen Fall zu übernehmen, aber als ich sie fragte, wann wir anfangen würden, schienen sie mich hinzuhalten.

Was ich zu der Zeit nicht wusste, war, daß ein Scientologe in Kalifornien namens Ford Schwartz vorgab, aus Scientology ausgestiegen zu sein. Er hatte meinen Rechtsanwälten erzählt, daß ich ein Spion war. Und sie glaubten ihm.

Erst ein Jahr später verließ Ford Scientology wirklich; dann erst kontaktierte er meine Rechtsanwälte und erzählte ihnen die Wahrheit; dann begann die Arbeit an meinem Fall.

Während des Jahres in Clearwater versuchte ich, mein Leben wieder in Ordnung zu bringen. Ich bekam einen Job als Kellnerin in einem kleinen Restaurant nahe meiner Wohnung und ich fing an, eine Presbyterische Kirche zu besuchen. Ich hatte immer noch Selbstmordgedanken, deshalb suchte ich die Hilfe eines Psychiaters. Er wollte mich in eine Klinik einweisen.

Mittlerweile hatte der Pfarrer meiner Kirche Vorkehrungen getroffen, dass ich eine Rede über meine Erfahrungen in Scientology halten könnte.

Als der Psychiater, Dr. Alfred Fireman, drohte, mich gemäß dem Baker Act ins Krankenhaus einliefern zu lassen, protestierte ich. (Der Baker Act ist ein Gesetz in Florida, das es ermöglicht, Leute zwangsweise einzuweisen, die Selbstmordabsichten hegen). Ich erzählte ihm, dass ich diese Rede halten musste. Aber er wollte nicht nachgeben, also fuhr ich ins Krankenhaus und wurde eingewiesen.

Am Tag meiner Rede versuchte ich, Ausgang vom Krankenhaus zu erhalten, doch das Ansuchen wurde abgelehnt. Ich wusste nicht, was ich tun sollte.

Schließlich mischte sich das Schicksal ein. Ein Sicherheitsmann kam in unsere Abteilung und sagte mir, daß ich mein Auto umparken müsste. Ich sah meine Chance.

Ich ging mit dem Wächter zum Parkplatz hinunter, doch er unterhielt sich mit einer Frau vom Personal. Er ließ mich allein zu meinem Auto gehen; ich fuhr einfach vom Parkplatz und reihte mich in den Verkehr ein.

Ich fuhr zurück zu meiner Wohnung, duschte mich schnell und zog mich für meine Rede um. Ich kam zur Kirche: Sie war überfüllt, ungefähr 1200 Leute waren gekommen; manche standen sogar oben am Balkon.

Ich hielt meine Rede und bekam standing ovations. Nachher beantwortete ich Fragen. Für einige der Leute im Publikum war dies der erste Kontakt mit dem mysteriösen Kult, der sich in ihrer Gemeinde eingenistet hatte. Die Rede selbst war ein großer Erfolg.

Am nächsten Tag, einem Sonntag, war ein großer Artikel über meine Rede in der Zeitung. Ich hatte die Rede unter dem Namen "Lee" gehalten; dies war mein zweiter Vorname. Ich hatte immer noch Angst vor den Scientologen.

Ich fuhr dann zurück zum Krankenhaus und bat um meine Wiederaufnahme, denn ich wollte die Anordnungen von Dr. Fireman nicht brechen. Ich zeigte ihnen den Artikel über meine Rede. Sie hatten meine Geschichte wohl zuerst geglaubt, doch hier war der Beweis, dass ich ihnen die Wahrheit gesagt hatte.

Das Personal war ein bißchen verärgert darüber, dass ich weggelaufen war. Ich blieb dann noch mehrere Wochen im Krankenhaus, bis ich schließlich entlassen wurde.

Ich blieb ein Jahr in Clearwater, war aber sehr einsam. Ich hatte eine Freundin in der Kirche und manchmal verbrachte die Zeit mit ihr und ihrer Familie, aber ich wollte mehr Kontakt mit Leuten in meinem Alter haben. Auch wollte ich zurück an die Schule.

Meine Mutter kam dann für einen Besuch, und wir fuhren nach Tampa zur South Florida Universität. Ich hatte ein Vorspiel bei einem dortigen Klavierlehrer arrangiert und er akzeptierte mich sofort als Studentin.

Also suchten wir eine kleine Wohnung und fanden etwas nahe dem Campus; meine Mutter half mir beim Umzug. Ich immatrikulierte an der Musikschule für Klavierunterricht bei meinem Lehrer.

Ich hatte auch von einem Programm am Eckerd College in St. Petersburg gehört, wo man zu Hause studieren konnte und wo man "Lebenserfahrungen" anrechnen würde. Ich entschied mich auch für dieses Programm. Mein Vater war damit einverstanden, mein Schulgeld zu bezahlen.

Um mich selbst zu erhalten, nahm ich einen Job als Kellnerin in einem Restaurant im nahegelegenen Zentrum an.

Dennoch ging es mir alles andere als gut. Ich hatte immer noch die Panikattacken, und es dauerte nicht lange, bis ich wieder zurück im Krankenhaus war, diesmal im Northside Krankenhaus in Tampa. Es sollte der erste von vielen weiteren Aufenthalten sein.

Im Krankenhaus wurde ich medikamentös behandelt und wurde wieder als schizophren diagnostiziert.

Durch die Medikamente fühlte ich mich müde und komisch, so als ob ich durch Wasser laufen würde. Jede kleine Hausarbeit wie aufstehen, duschen und sich anziehen erforderte fast übermenschliche Bemühungen. Ich mochte die Medikamente wirklich überhaupt nicht.

Manchmal im Krankenhaus verlor ich das Zeitgefühl. Es gab Stunden oder Tage, wo ich kein Bewusstsein mehr darüber hatte, was mit mir geschehen war. Ich fing Sätze an und erinnerte mich in die Mitte des Satzes nicht mehr daran, was ich hatte sagen wollen. Ich verlor mich in meinen Gedanken. Die anderen Patienten lachten über mich; ich fand das sehr grausam von ihnen, dabei versuchte ich doch mein Möglichstes.

Ich hatte eine Freundin in Tampa namens Joan Capellini. Sie war die örtliche Vertreterein des Cult Awareness (Aufklärung über Kultgefahren) Netzwerkes. Joan und ich hatten uns nach der Rede in Clearwater angefreundet.

Eines Tages bekam ich Ausgang vom Krankenhaus, um Joan in ihrem Heim zu besuchen. Ich zeigte ihr die ganze Handvoll von Medikamenten, die ich gezwungen war zu nehmen.

Sie war böse.

"Sie sind nicht schizophren," sagte sie zu mir. "Sie sind in einem Kult gewesen. Verstehen sie das nicht?"

Ich stimmte ihr zu. Ich hasste die Medikamente, die ich nahm. Deshalb planten Joan und ich meine Flucht vom Krankenhaus.

Wir gingen zurück zum Krankenhaus und sammelten ein paar von meinen Dingen ein. Dann gingen wir einfach durch die Tür raus. Die Security muss an jenem Tag nachlässig gewesen sein, da es ja eine geschlossene Abteilung war.

Zurück in meiner Wohnung versuchte ich noch einmal, mein Leben sinnvoll zu gestalten.

Ich brachte es fertig, eine Weile ohne Krankenhaus auszukommen; Tatsache war aber, dass ich auf einige Medikamente aufgrund meiner Symptome nicht verzichten konnte. Wenn ich eine ernste Panikattacke hätte, würde ich unvermeidlich ins Krankenhaus zurückgehen müssen.

Die Panikattacken, die ich dann hatte, waren sehr heftig. Wenn ich von ihnen befallen war, war ich hilflos und unfähig. Sogar zu einfachen Aufgaben wie Ankleiden oder Duschen war ich dann nicht mehr fähig. Die Gefühle wurden unerträglich schmerzhaft und setzten sich bis zu dem Punkt fort, an dem ich das Bewusstsein verlor. Das war dann der Punkt, an dem ich freiwillig wieder ins Krankenhaus zurückkehrte. Ich wusste, dass ich nicht auf eigenen Füßen stehen konnte.

So sah mein Leben damals aus. Ich hatte aber auch Zeiten zu Hause, in denen ich mich gut fühlte. Ich konnte dann studieren und kam in meinen Unterrichtsstunden auch weiter. Ich fing an, meine Medikamente zu Hause zu nehmen; das half mir.

Die Blackouts setzten sich jedoch fort. Eines Tages nahm Joan mich in die Stadtmitte zu meinem Rechtsanwalt mit; von diesem Tag hatte ich keine Erinnerungen. Sie brachte mich zu einem Restaurant zum Mittagessen. Dort bestellte ich anscheinend ein Tomatensandwich, Speck und Salat. Ich kann mich aber weder an die Bestellung noch ans Essen erinnern.

Später erzählte ich Joan davon.

"Wie habe ich auf Dich gewirkt"? fragte ich sie.

Sie sagte mir, dass ich ihr nur sehr beeinflussbar vorgekommen war. Wenn sie etwas vorschlagen hatte, hatte ich einfach nur GUT gesagt und es gemacht. Das Tomatensandwich war ihre Idee gewesen.

Ich arbeitete hart an meinen schulischen Aufgaben für das Eckerd College. Ich war entschlossen, die verlorene Zeit gut zu machen und einen B.A. Abschluss zu bekommen. Das Programm, das ich besuchte, war für Fortgeschrittene.

Ich ging zum College und holte mir dort die Studienmaterialien für die jeweiligen Kurse. Es gab Bücher zu lesen und Abhandlungen zu schreiben, die ich dann per Post an die Schule schickte.

Schließlich promovierte ich Ende 1984. Ich hatte endlich ein Blatt Papier in der Hand, das besagte, dass ich jemand war; irgendwie half mir das, über die verlorene Zeit hinwegzukommen, die ich im Kult verbracht hatte.

Und doch war ich immer noch voller Wut. Ich konnte nicht aufhören, über den Kult nachzudenken. Wenn ich den Prozess nicht gehabt hätte, der als Ventil für meine Aggressionen diente, wäre ich wohl verrückt vor Wut und Zorn geworden. Ich fühlte mich so unglaublich betrogen.

Manche Leute sagten damals zu mir: "Warum vergisst du Scientology nicht einfach und lebst dein Leben weiter?"

Das war nicht sehr hilfreich.

Zum einen konnte ich den Ärger nicht einfach verschwinden lassen. Ich musste mich da durcharbeiten. Es war ein psychologischer Prozess. Und zum andern versuchte ich wirklich, so gut ich konnte, mein Leben weiterzuleben.

Diese zwölf verlorenen Jahre nagten weiter an mir. Ich war noch nicht frei von Scientology. Der Ärger, der in meiner Seele bohrte, hielt mich dort, genauso als ob ich immer noch drinnen gewesen wäre.

Ich wartete auf die Zeit, wo ich wirklich frei sein würde - befreit von den Erinnerungen und den Albträumen. Wie lange würde das noch dauern?

Kapitel 13 - Zusammenbruch

Ich war mit einigen Freunden auf dem Rückweg vom Strand, als ich mich eigenartig zu fühlen begann – irgendwie fehl am Platz, nicht unähnlich von einigen meiner Erfahrungen im Kult.

Dann geschah etwas Seltsames mit meiner Sehfähigkeit. Ich sah immer mehr große schwarze Flecken und hatte bald nur noch die Hälfte meines Augenlichts zur Verfügung.

Diese Symptome setzten sich die ganze Woche lang fort, und am Freitag wusste ich, dass etwas absolut nicht in Ordnung war.

Ich hatte an diesem Freitag eine Verabredung mit einer Psychiaterin, bei der ich seit kurzem in Behandlung war. Als ich in ihr Büro kam, sagte ich ihr: "Ich rutsche in einen dissoziierten Zustand". Ich kannte das Gefühl nur allzu gut.

Es ist schwer, dieses Gefühl zu erklären. Ich kann es am besten so beschreiben, daß man normalerweise ein Gefühl von einem "Ich" hat, ein Gefühl von Zentriertheit und Integration, ein Gefühl, dass es da jemanden gibt, der den „Laden“ am laufen hält. Wenn Sie in diesen Zustand geraten, verschwindet dieses Gefühl und man ist vollständig in der Hand der inneren Ängste.

Ich nehme an, dass es eine Art von Regression zurück zu dem Zeitpunkt ist, bevor sich die Persönlichkeit festigte. Alles, was ich dazu sagen kann, ist, daß diese Erfahrung für mich unerträglich schmerzhaft ist; eine Art von Schmerz, bei dem ich während jeder verstreichenden Sekunde einfach nur laut herausschreien wollte. Die inneren Ängste erreichen ein unerträgliches Niveau.

Nach einer Weile bricht die Sinneswahrnehmung zusammen, schaltet sich der Verstand unter dem Druck dieses Schmerzes aus. Dann kommen die Halluzinationen, die Wahnvorstellungen und die anderen Symptome.

Das war es, was ich an diesem Freitag im Büro von Dr. Joffe wieder anfing zu spüren. Erfreulicherweise erkannte sie sofort, dass ich in Schwierigkeiten war. Sie rief ein Taxi, das mich zum Krankenhaus brachte.

Zu der Zeit hatte ich keine Krankenversicherung, deshalb musste ich ins Krisenzentrum. Ein schrecklicher Ort. Ein Ort, von dem Dr. Saenz von Northside sagte, dass er dort nicht einmal seinen Hund hinbringen würde. Ich hatte genau das gleiche Gefühl, aber ich hatte keine andere Wahl.

Wenn man geistig krank ist, gibt es einen großen Unterschied in der Behandlung, ob man nun versichert ist oder nicht. Ich wünschte, dass sich einmal jemand damit beschäftigen würde. Ich glaube daran, dass jeder Patient die gleiche Fürsorge und Behandlung verdient. In diesem Land geschieht das nicht.

Ich ging zum Krisenzentrum und wartete mehrere Stunden auf einem unbequemen Stuhl im Warteraum. Ich hatte den verzweifelten Wunsch, mich hinzulegen, als ob das den Schmerz ein klein wenig erträglicher machen würde.

Die Nacht brach herein und ich war noch nicht untersucht worden. Matratzen und Decken wurden von einem Wandschrank herausgezogen und es wurde uns gesagt, dass wir uns im Gang hinlegen sollten; so verbrachte ich dort die Nacht.

Morgens wurden die Matratzen weggeräumt und wir wurden wieder zu den Stühlen zurückgeschickt. Wir bekamen ein Frühstück aus kalten Eiern und altbackenem Krapfen, das mir nicht schmeckte.

Schließlich wurde ich im Krisenzentrum aufgenommen. Das Zentrum befand sich in einem riesigen, alten roten Ziegelsteingebäude auf der 30. Straße in Tampa. Es gab einen großen offenen Tagesraum, und ein kleineres Zimmer dahinter für die Raucher. Es gab Betten im Tagesraum für die Patienten, die man für selbstmordgefährdet erachtete. Obwohl Rauchen auf das hintere Zimmer beschränkt war, erfüllten die Rauchschwaden auch den gesamten Tagesraum.

Da ich neu war, wurde mir ein Bett im Tagesraum zugeteilt, da man nicht wusste, ob ich selbstmordgefährdet war oder nicht. Während ich auf meinem Bett lag, verschärften sich die Symptome. Die Angst lähmte meinen Körper. Ich konnte mich nur unter großen Anstrengungen bewegen.

Ich konnte nichts essen, da ich keinen Appetit hatte. Die Angst war zu intensiv. Mein Mund war wie gelähmt und ich fing an zu sabbern. Die Lähmung schritt weiter fort. Ich war unfähig, mich selbst zu duschen, deshalb musste ich von einem Betreuer geduscht werden.

Das schlimmste war dieses langsame Verstreichen der Zeit. Ich lag auf meinem Bett und zählte die Fliesen in dem riesigen Zimmer, nur damit ich irgendetwas tun konnte, um mich von meinem Schmerz abzulenken.

Ich hatte panische Angst davor, dass der Schmerz nie mehr aufhören würde. Ich erinnere mich, dass ich eine Betreuerin, die freundlicher als die anderen schien, fragte, ob das jemals aufhören würde. Und jedes Mal antwortete sie mir geduldig mit "Ja". Das war für mich ein großer Trost. Ich war immer für die Freundlichkeit fremder Menschen dankbar, als ich krank war.

Die schlimmste Nacht kam für mich, als ich einen Anruf von meiner Mutter ins Schwesternzimmer bekam. Sie riefen mich zum Telefon, aber ich war unfähig mich zu bewegen. Ich konnte nicht zum Telefon kommen, um ihr zu sagen, dass ich in Ordnung war.

An einem bestimmten Punkt ging ich zum Doktor und bat ihn darum, daß er Luft in meine Venen einspritzen sollte, damit ich sterben würde. Der Schmerz war so unerträglich. Stattdessen erhöhte er meine Medikamentenration.

Dieser Zusammenbruch dauerte mehrere Wochen. Jeder Tag zog mit monotoner Eintönigkeit an mir vorbei. Schließlich ging es mir dann wieder besser und ich begann, Interesse an meiner Umgebung und den anderen Patienten zu haben. Ich fing an, mich mit einem Mädchen in meinem Alter zu unterhalten, das im Bett neben mir lag. Sie verstand, durch was ich hindurchgegangen war, weil sie ähnliches durchgemacht hatte.

Wie die Betreuerin versprochen hatte, erholte ich mich nach und nach. Ich konnte Schritt für Schritt wieder für mich selbst sorgen. Ohne fremde Hilfe zu duschen war eine große Leistung für mich. Und dass ich ohne dieses peinliche Sabbern wieder selbst essen konnte, stärkte mein Selbstwertgefühl noch zusätzlich.

Mein Doktor traf die Entscheidung, mich zur weiteren Behandlung in ein anderes Krankenhaus zu überweisen, das Florida Mental Health Institue. Dieses Krankenhaus, das von der Universität von Süd-Florida betrieben wurde, war eine Alternative zum staatlichen Krankenhaus in Arcadia, das bei allen geistig kranken Patienten in Florida verrufen und gefürchtet war.

Ich musste lachen, als ich im FMHI eintraf. Der Direktor des Programms war in einer orangefarbenen Robe gekleidet und hatte das Bild seines Gurus Rajneesh um seinen Hals hängen. Er gehörte einem Kult an! Ich entschied mich, ihm nichts von meinen Erfahrungen in Scientology zu erzählen, da ich nicht davon ausging, daß er es verstehen würde.

Die Tage am FMHI waren sehr strukturiert. Man wurde beschäftigt vom Aufstehen in der Früh bis zum Niederlegen am Abend. Ich habe es gehasst. Alles, das ich machen wollte, war mich hinzulegen und zu schlafen, aber Ruhen war streng verboten. Ruhe war das, was ich gebraucht hätte.

Wir machten morgens eine Serie langsamer Übungen zu einem New Age Tonband und ich fing an diese Übungen zu hassen, weil sie so langweilig waren. Der Raum wurde dann verschlossen, und wir mussten uns für den Weg zum Frühstück in einer Reihe aufstellen und gingen dann hintereinander – wie im Gefängnis - in den Speisesaal in einem anderen Teil des Gebäudes.

Nach dem Frühstück kam ein Vortrag über Gefühle. Der gleiche Vortrag wurde mehrmals am Tag mit kleinen Veränderungen wiederholt. Zwischen den Vorträgen hatten wir Aktivitäten wie Zeichnen, Mandala malen oder Häuserbauen aus Holzstöckchen. Am Abend gab es Entspannungsübungen, bei denen wir alle auf dem Boden lagen und den eintönigen Worten eines Tonbandgeräts zuhörten, das uns bat, daß wir unsere geheimen Orte visualisierten und zu ihnen gingen.

Ich hasste das FMHI so sehr, dass ich unbedingt wieder genesen wollte. Die intensive Angst verschwand zwar nicht, aber ab und zu hatte ich einen spontanen Durchbruch; das waren Zeiten wie im Himmel, Momente ohne Schmerz.

Diese schmerzfreien Zeiten wurden allmählich länger und länger; meine Genesung schritt voran. Ich war sehr erleichtert. Meine geheime Angst (und die geheime Angst aller Patienten an diesem Krankenhaus) war, dass wenn es einem hier nicht besser gehen würde, würde man nach Arcadia geschickt werden. Das fürchtete ich am allermeisten. Ich hatte alle möglichen schrecklichen Geschichten über Arcadia von Patienten gehört, die dort gewesen waren.

Schließlich ging es mir so gut, daß ich vom Krankenhaus entlassen werden konnte. Ich ging zurück zur ambulanten Behandlung zu Dr. Joffe.

Es war Dr. Joffe, die mir den Vorschlag machte, daß ich einen Diplom-Abschluss in Sozialarbeit machen sollte. Sie machte sich Sorgen um meine zukünftigen Arbeitsmöglichkeiten und sie sagte, daß ein solches Diplom im ganzen Land anerkannt werden würde. Ich folgte ihrem Ratschlag.

Trotz all meiner Krankenhausaufenthalte hatte ich nahezu einen 4,0 Notendurchschnitt (amerik. System; d. Übersetzer) am Eckerd College gehabt. Und auch bei meiner GRE Prüfung hatte ich ein gutes Ergebnis vorzuweisen. Deshalb hatte ich dann auch keine Schwierigkeiten, ins Programm für Sozialarbeit an der South Florida Universität aufgenommen zu werden. Es war dies ein zwei Jahre dauerndes Programm. Im zweiten Jahr wechselte ich zur Florida State Universität in Tallahassee, weil ich dort ein ansehnliches Stipendium bekam. Ich habe also tatsächlich ein Diplom vom Bundesstaat Florida.

Zwischen den Jahren 1982 und 1996 hatte ich 39 Nervenzusammenbrüche, die dem oben beschriebenen ähnlich waren. Es ist ein Wunder, daß ich diese zweijährige Ausbildung mit Diplom abschließen konnte; ich weiß bis heute nicht, wie ich das geschafft habe. Die Zusammenbrüche dauerten nicht so lange, und ich schaffte es auf die eine oder andere Art immer, meine Abwesenheit irgendwie zu erklären.

1986 promovierte ich, aber ich war weit davon entfernt, einen Vollzeitjob antreten zu können.

Während der ganzen Zeit war mein Prozess gegen Scientology weitergelaufen. 1986 schließlich bat mich mein Rechtsanwalt zu sich ins Büro. Die Scientologen, so sagte er mir, schlugen einen Vergleich vor; er befürwortete diesen Vorschlag. Ich war dagegen, da ich vor Gericht gehen wollte. Sie hatten mir Schaden zugefügt und dafür hatte ich verdammt noch mal Beweise. Ich wollte, daß eine Jury von Geschworenen meinen Fall zu hören bekommen sollte.

Dennoch: Nach einem meiner häufigen Krankenhausaufenthalte war ich nach Michigan in unser Sommerhaus zurückgekehrt, um mich zu erholen, als ein großer brauner Brief mit der Post ankam.

"Unterzeichnen Sie die Papiere," empfahl mir mein Rechtsanwalt über Telefon, "oder Sie werden nie auch nur einen Pfennig Geld sehen".

Ich versuchte, das Dokument zu lesen, aber es war in einer komplizierten Juristensprache verfasst und in meiner jetzigen Geistesverfassung war ich nicht fähig es zu verstehen. Aber ich wusste auch, daß ich mir einen neuen Rechtsanwalt hätte suchen müssen, wenn ich jetzt nicht unterschrieb; und es gab nicht viele Rechtsanwälte, die bereit waren, sich mit Scientology einzulassen.

Also unterzeichnete ich und schickte die Papiere zurück zu meinem Rechtsanwalt.

Als ich nach Tampa zurückkehrte, überreichte er mir in seinem Büro einen Scheck über $100.000. Ich wollte dieses Geld nicht haben. Ich weiß, dass das seltsam klingt, aber ich war so böse, weil ich nicht vor Gericht gehen konnte. Ich hätte eine viel besseres Resultat herausholen können; deshalb bedeutete mir dieses Geld nichts.

Ich schickte meinem Vater $20.000 als Rückerstattung für einen Vorschuss, den er dem Rechtsanwalt ausbezahlt hatte. Wenigstens dieses Geld konnte ich ihm zurückzahlen.

Sechs Monate später fuhr ich zu einer Konferenz des Cult Awareness Network in Boston. Während meines dortigen Aufenthalts sprach ich mich in einer örtlichen Fernsehstation gegen Scientology aus.

Als ich nach Tampa zurückkam, bat mich mein Rechtsanwalt zu sich ins Büro. Er erklärte mir, daß ich meine "Schweigeverpflichtung" übertreten hatte.

"Was für eine Schweigeverpflichtung?“ Ich schaute ihn ungläubig an.

Es stellte sich heraus, dass die Vereinbarung, die ich unterzeichnet hatte, eine Klausel enthielt, die mir verbot, über Scientology mit irgend jemanden außerhalb meiner unmittelbaren Familie zu diskutieren.

"Was geschieht, wenn ich die Schweigeverpflichtung breche?“ fragte ich den Rechtsanwalt.

"Dann werden Sie ihnen das Geld zurückgeben müssen."

Ich war noch zu böse auf Scientology, um schweigen zu können. Ich fühlte mich wie das Opfer einer Vergewaltigung. Ich musste darüber sprechen. Ich musste andere warnen. Ich wollte ein Buch über meine Erfahrungen schreiben.

"Sehen Sie," sagte ich zu meinem Rechtsanwalt, "wenn ich am Strand wäre und sehen würde, dass ein Boot sinkt und die Leute ertrinken, und es gleichzeitig eine Hinweistafel „Kein Herumlaufen am Strand!“ geben würde, was würde ich machen?"

Die Antwort war einfach: Ich würde laufen, um Hilfe zu holen. Genauso fühlte ich mich auch in Bezug auf Scientology.

Ich entschied mich zu sprechen.

Ich rief jede Radio- und Fernsehstation in Tampa und St. Petersburg an, um Termine auszumachen und in den diversen Programmen öffentlich zu sprechen. Ich war in mindestens zwanzig Radio- und Fernsehprogrammen. Verzweifelt versuchte ich, die Leute vor Scientology zu warnen.

Mir war klar, daß ich das Geld zurückgeben musste. Es war nur eine Frage der Zeit.

Die Idee, das Geld zu verstecken, war eine Option. "Deponier es in einer Bank auf den Kaimaneninseln," riet mir mein Bruder. "Kaufe Juwelen," riet mir jemand anderer. Aber ich war hartnäckig. Ich wollte das Geld sowieso nicht haben. Ich wollte nichts von Scientology haben. Ich fühlte mich beschmutzt, weil sie mich gekauft hatten.

Also gab ich das Geld einfach aus. Zuerst bezahlte ich allen meinen Freunden Reisen für zwei Personen auf die Bahamas. Dann bezahlte ich für meine Schwester und ihre Familie einen Weihnachtsurlaub in Florida.

Ich begann, Schecks über $1000 für alle Wohltätigkeitsorganisationen auszustellen, die sich um Kinder kümmerten. Auch Organisationen, die mit Schizophrenen arbeiteten, spendete ich Geld. Nach und nach verschwand das Geld.

Ich fühlte einen Triumph. Ich sprach weiter in diversen Sendungen über Scientology. Jetzt konnten sie das Geld nicht mehr zurückfordern. Es war einfach nicht mehr da. Ich war frei, das über Scientology zu sagen, was ich wollte.

Jetzt erkenne ich, daß das, was mich antrieb, einfach mein Zorn war. Ich war das Opfer einer Vergewaltigung geworden. Ich musste sprechen, um mir meine eigene geistige Gesundheit zu bewahren. Ich wusste, daß Scientology komplett falsch war, und ich musste andere auf jede mögliche Art davor warnen.

Schließlich kaufte ich mir einen Computer. Ich setzte mich hin und schrieb zwei Bücher über Scientology. Das erste, Der Weg zu Xenu, war ein Roman, der auf meinen eigenen Erfahrungen basierte. Ich gab ihn selbst heraus. Jetzt ist er im Internet frei verfügbar.

Das zweite Buch, Scientology verstehen, wurde für Eltern von Scientologen geschrieben. Es ist eine Abhandlung über Scientology und erklärt die Mechanismen der Organisation. Ein Freund und ich verkauften die Bücher sowohl auf Konferenzen des Cult Awareness Netzwerks als auch über Postversand. Auf diese Art brachten wir mehrere tausend Exemplare in Umlauf. Ich wandte mich auch an einen Verlag, aber man sagte mir, dass nicht genug Leute sich für das Thema Scientology interessierten, daß eine Veröffentlichung gerechtfertigt wäre.

Aber ich war zufrieden. Ich hatte getan, was ich konnte. Ich hatte eine gemeinnützige Organisation gegründet, die Vereinigung betroffener Bürger, um den Kontakt mit anderen ehemaligen Scientologen aufrechtzuerhalten und ihre Geschichten zu sammeln. So trugen wir eine Fülle von Beweisen zusammen.

Nach dem Schreiben der Bücher fühlte ich mich sehr erleichtert. Schließlich war das Tier des Ärgers in mir befriedigt. Ich hatte meinen Teil beigetragen. Ich war von meinen Bemühungen erschöpft. Aber der Ärger verschwand.

Statt Ärger empfand ich jetzt Kummer und Mitleid. Mitleid für die Seelen, die noch in diesem heimtückischen Kult gefangen waren. Kummer besonders wegen der Kinder in Scientology, die in trostlosen Gebäuden ohne Bücher, Spielzeuge und die anderen normalen Zeichen der Kindheit verwahrt werden. Ich hatte einmal mehrere Gehaltsschecks für Kartonladungen voller Bücher, Malhefte, Buntstifte und Kuscheltiere ausgegeben und sie anonym zum Franklin Street Annex liefern lassen, wo die Kinder „betreut“ wurden.

In Scientology werden Kinder als "Down Statistik" gesehen. Es wird ihnen wenig Aufmerksamkeit geschenkt, bis sie in einem Alter sind, wo sie als Produktivkräfte eingesetzt werden können. Ich hatte Geschichten von ehemaligen Mitgliedern gehört, die bei den Kindern gearbeitet hatten. Die Kinder bekamen z.T. verdorbenes Essen und Milch mit Maden darin.

Mir taten alle diese Kinder sehr leid, die in Scientology aufgewachsen waren und niemals ein anderes Leben kennen gelernt hatten. Wenigstens hatte ich ein Leben vor Scientology, zu dem ich zurückkehren konnte. Ich war nicht überrascht, als Hubbards ältester Sohn Quentin Selbstmord verübte. Er hatte sein ganzes Leben in Scientology verbracht.

Ich hatte einmal die Tochter von Hubbard, Diana, im Aufzug in FLAG getroffen. Ich trug einen Stapel Klaviermusik und ich wusste, daß auch sie Klavier spielte. Wir hatten uns gegrüßt. Ich frage mich manchmal, was aus ihr geworden ist. Hat sie je die Wahrheit über ihren Vater und über den Kult entdeckt?

Ich hatte auch Mitleid für meinen Freund, Mario, von dem ich wusste, dass er nie aus Scientology aussteigen würde. Ich versuchte einmal, ihn anzurufen, aber er wollte nicht mit mir sprechen. Soviel zum Thema bedingungslose Liebe in Scientology. Wenn man wie ich eine überdrückerische Person (also jemand, der sich gegen Scientology stellt) wird, verschwindet die Liebe. Stattdessen wird man gemäß dem Scientology Grundsatz von "Fair Game" zum Freiwild: Man darf auf jegliche Art „belangt, überlistet, angelogen oder durch welche Mittel auch immer zerstört werden".

Bald, nachdem ich angefangen hatte, in Radio und Fernsehen über Scientology zu sprechen, wurde ich zum Objekt für Fair Game. Mehrmals erschienen Scientologen an meiner Wohnungtür und drohten mich zu töten.

Eines Nachts kam ich nach einer Klavierstunde an der Universität spät nach Hause. Meine Haustür stand weit offen. Ich ging hinein. Nichts stand mehr an seinem Platz. Als ich dann ins Schlafzimmer ging, sah ich einen dünnen Strang Blut die Wand hinunter rinnen. Er war noch feucht. Eine Warnung, kein Zweifel.

Mein Arbeitgeber im Zentrum wurde ständig belästigt und man verbreitete Lügen über mich. Man fragte ihn, wann meine Schicht zu Ende sei und welchen Ausgang ich nehmen würde. Scientologen kamen ins Zentrum und folgten mir; wieder wurde ich mit dem Tod bedroht, es sei denn ich würde eine "Vereinbarung" mit ihnen treffen. Es schien nie mehr aufzuhören.

Aber ich ließ mich davon nicht beirren. Ich werde weiter kämpfen. Scientology ist ein Übel, und ich kann es nicht einfach nur ignorieren. Leute verließen Scientology wie ich, mit ruinierten Leben und zerbrochenen Träumen. Ich werde immer weiter gegen Scientology kämpfen und versuchen, Leute heraus zu holen, wo immer ich kann. Und ich will verhindern, dass Leute hineingeraten. Wenn man ein Übel nur ignoriert, bleibt es bestehen. Jemand muß darüber sprechen.

Ich freue mich zu sehen, dass jetzt mehr und mehr Leute, die Opfer dieses Kultes geworden sind, genau das tun – sie sprechen über ihre Erfahrungen. Ich bin nicht mehr die Einzige. Das Internet hat dieser Gegenbewegung eine Stimme gegeben. Die Aussteiger organisieren sich immer besser. Darüber bin ich sehr froh.

Was mich betraf, so musste ich zu meinem eigenen Leben zurückfinden. Ich musste an meiner eigenen Genesung arbeiten. Ich musste versuchen, etwas aus der Asche aufzubauen. Jetzt, da der Ärger verflogen war, musste ich wieder mein Leben leben.

Kapitel 14 - Zurück in der Wog Welt

Als ich 1986 mein Diplom in Sozialarbeit abgelegt hatte, fand ich einen Job als Betreuerin für psychisch Kranke am Zentrum der Universität von South Florida. Mir war klar, dass ich noch nicht dazu bereit war, einen Job im Sozialbereich mit hohem Stressfaktor zu übernehmen.

Ich wurde von einem sehr netten Doktor angestellt, der sich auch für mein Klavierspiel interessierte. Als Teil meines Bewerbungsgesprächs brachte er mich zu einem Klavierzimmer im Krankenhaus und ließ mich für ihn spielen. Er stelle mich ein, um in der Jugendabteilung des Krankenhauses zu arbeiten.

Bis dahin hatte ich geglaubt, dass es meine Lebensaufgabe sein würde mit gestörten Jugendlichen zu arbeiten. Zwei Wochen auf der Jugendabteilung heilten mich von diesem Glauben. Für 24 trotzige und verhaltensauffällige Teenager zu sorgen war eine zu große Belastung für meine eigene etwas wackelige Psyche. Ich bat darum, in eine andere Abteilung versetzt zu werden.

Daraufhin wurde ich in die geriatrische Abteilung des Krankenhauses versetzt und fühlte mich dort sofort wohl. Die älteren Patienten waren tatsächlich für jegliche Art von Aufmerksamkeit dankbar, die man ihnen schenkte – ein großer Unterschied zur ablehnenden Haltung der Teenager, mit denen ich bisher gearbeitet hatte. Und es gab ein Klavier auf der geriatrischen Abteilung; ich konnte für die Patienten spielen.

Ich arbeitete fast drei Jahre an diesem Krankenhaus. Auch die gelegentlichen "schmutzigen Arbeiten", die anfielen, machten mir nichts aus: Windeln zu wechseln oder ein Durcheinander wegzuräumen, das von den Patienten angerichtet worden war. Viele von ihnen waren wie Kinder und mussten als solche behandelt werden. Dies war meine erste Auseinandersetzung mit Alzheimerpatienten; ich entdeckte, was für eine schreckliche Krankheit das war. Patienten mit einem Verstand, der zu Brei geworden war.

Vielleicht weil mir der Job so gut gefiel war ich in einer Art Schonfrist, was meine eigenen Symptome betraf, obwohl ich weiter meine Medikamente einnahm. Es war immer noch viel Zorn in mir wegen meiner Vergangenheit vor Scientology, und ich versuchte, einen Therapeuten zu finden, mit dem ich daran arbeiten konnte; aber weil ich keine Versicherung hatte, konnte ich keinen entsprechenden Therapeuten finden.

Ich lebte in einer Wohnung nicht weit von der Universität. Dort hatte ich eine Reihe von Untermietern; die letzte war ein iranisches Mädchen, dessen Freund dann auch in der Wohnung lebte. Als dieses Arrangement nicht mehr funktionierte, zog ich in eine Ein-Zimmer-Wohnung um, in der ich für mehrere Jahre blieb.

Nach drei Jahren am psychiatrischen Krankenhaus tauchten plötzlich meine Symptome wieder auf - ich hatte einen weiteren Zusammenbruch. Ich musste meinen Job aufgeben. Ich fuhr in meinem Auto umher und entschied mit einer Anzahl Pillen Selbstmord zu begehen. Doch dann fuhr ich doch ins Northside Psychiatric Center und bat um Aufnahme. Ich war durch den Wiederausbruch meiner Krankheit so entmutigt, dass mir Selbstmord als mein einziger Ausweg aus meiner schlechten Lage schien. Aber im letzten Augenblick rief ich um Hilfe.

Und ich bekam sie. Einer der Doktoren am Psychiatrie-Zentrum hatte Verständnis für meine Situation; er half mir um Frührente anzusuchen. Er sagte, daß ich mich von der Arbeit erholen musste, und er hatte Recht.

Das Ansuchen ging durch, und ich quittierte meinen Job im USF. Um die Zeit sinnvoll zu nutzen, schrieb ich meine Bücher und startete ein kleines Business mit dem Verkauf von T-Shirts auf dem Campus; damit konnte ich etwas zusätzliches Geld verdienen. Ich verbrachte viel Zeit mit der Korrespondenz mit anderen Ex-Mitgliedern und dem Sammeln ihrer eidesstattlichen Erklärungen. Ich hoffte auf den Tag, an dem ihre Zeugnisse hilfreich wären, falls es jemals zu einer staatlichen Untersuchung der Aktivitäten von Scientology kommen sollte.

Selbstverständlich ist es dazu nie gekommen. Scientology hat immer es fertig gebracht, sich erfolgreich hinter der Freiheit der Religion zu verstecken, die von der Verfassung garantiert wird - obwohl es keine Religion ist, sondern eine Form aufgezwungener psychologischer Sklaverei.

Zu dieser Zeit hatte ich eine Beziehung mit einem Mann namens Jack C. Wir waren ein Jahr zusammen. Am Ende dieses Jahres wurde ich schwanger, obwohl er angeblich unfruchtbar war.

Diesmal entschied ich mich dazu, das Baby zu behalten. Ich war sehr aufgeregt über meine Schwangerschaft und freute mich zum ersten Mal. Meine Mutter schickte mir sogar einiges an Babykleidung. Meine Schwester lieh mir ihre Schwangerschaftskleider.

Alles ging gut, bis ich eines Abends am Anfang meines vierten Monats Blutungen hatte. Ich fuhr zur Notaufnahme meines Krankenhauses; die Blutungen wurden stärker. Meine Hoffnungen wurden zerschmettert. Es gab keinen Zweifel: Ich hatte eine Fehlgeburt.

Es war an diesem Abend sehr viel los im Notfallzimmer und ich musste warten, bis ich dran war. Ich ging ins Badezimmer und fühlte den winzigen Fötus aus mir herausgleiten. Ich schaute die kleine, schon teilweise ausgebildete Gestalt in der Toilette an und fing dann an zu weinen. Ich versuchte eine Krankenschwester zu finden, doch niemand stand zur Verfügung, deshalb spülte ich den Fötus einfach die Toilette hinunter.

Doch in dem Augenblick, in dem der Fötus abging, hatte ich eine ungewöhnliche Erfahrung. Ich spürte tatsächlich, als ob jemand mich verließ. Ich spürte, daß da jemand oder etwas war. Meine Tränen galten nicht so sehr dem physischen Rest, den ich in der Toilette gesehen hatte, sondern dem Fehlen dieses Wesens. Ich fühlte mich, als ob ich mich von jemandem verabschiedet hätte.

Diese Erfahrung veränderte alle meine Gedanken über Abtreibung. Ich wusste jetzt, daßAbtreibung falsch war, zumindest für mich, und daß ich nie wieder eine haben würde. Ich wusste, daß ein Kind darin eingebunden war, sogar in dieser frühen Phase der Schwangerschaft.

Schließlich kam ein Doktor, doch zu diesem Zeitpunkt war schon alles vorüber. Die Blutung hatte aufgehört, und ich wollte nur noch nach Hause.

Nicht lange danach hatte ich eine andere Erfahrung, die sich auf meinen physischen Körper bezog. Ich stand eines Tages in meinem Badezimmer, als ich eine graue Wolke spürte, die sich auf mich legte. Ich wurde wieder krank. Mein Haar fing an, in Büscheln auszufallen. Ich fühlte mich furchtbar. Ich wusste, dass ich Krebs hatte.

Jenes Jahr besuchte ich über Weihnachten einen Freund in New York City; er war von der Menge an Haaren überrascht, die sich jeden Morgen in der Dusche angesammelt hatten. Es war eindeutig, daß etwas mit mir nicht stimmte.

Von meinen Jahren in Scientology war ich noch immer gegen Doktoren eingenommen, deshalb entschied ich mich, keine medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Stattdessen ging ich in ein Reformkostgeschäft und kaufte mir eine Großpackung Chlorophyll; das nahm ich dann mit anderen Vitaminen. In meiner Saftpresse machte ich mir jeden Tag Karotten- und Kohlsaft und trank ihn.

Ich bekam furchtbaren Durchfall, der drei Tage lang andauerte. Dann eines Nachts schied ich eine hässlich anzuschauende Masse aus. Ich wusste, daß das mein Tumor gewesen war. Danach ging es mir nach und nach wieder besser. Mein Haar fing wieder an zu wachsen, und ich unternahm täglich lange Spaziergänge, um wieder zu Kräften zu kommen. Innerhalb von drei Monaten hatte ich meine alte Form wieder; die Symptome kehrten nie mehr zurück. Aber ich nehme zur Vorbeugung immer noch Vitamine.

1987 kamen meine Eltern über den Winter nach Florida. Aber es war klar, daß etwas mit meinem Vater nicht stimmte. Er war so niedergeschlagen. An den Ruhestand hatte er sich nie gewöhnen können. Ich glaube, daß er sich nutzlos fühlte.

Eines Tages ging ich rüber zu ihrem Apartment und fand ihn allein im Dunkeln mit heruntergelassenen Vorhängen sitzen. Das machte mir klar, wie er sich fühlte. Kurzzeitig engagierte er sich in einem Gartenbau-Club, doch bald war er sogar dafür zu krank.

Da er ja in der Vergangenheit so viele Probleme mit seinem Herz hatte (inklusive zweier Bypassoperationen), war es eine Überraschung, als die Ärzte ihm Bauchspeicheldrüsenkrebs diagnostizierten. Im Frühjahr ging er mit meiner Mutter wieder zurück nach Norden. Er besuchte dann auch die Mayo Klinik um zu sehen, ob sie etwas gegen seine Schmerzen machen konnten.

Ich arbeitete noch im Psychiatrie-Zentrum. An einem Freitag rief ich ihn im Krankenhaus im nördlichen Michigan an, wo er stationär behandelt wurde. Ich konnte seine Stimme nicht gleich erkennen. Instinktiv wusste ich, dass ich mich sofort auf den Weg machen sollte, um ihn noch einmal zu sehen.

Die Fahrt mit dem Auto dauerte drei Tage. Als ich sein Krankenhauszimmer betrat, erkannte ich ihn nicht; er war völlig abgemagert. Es gab zwei Männer im Zimmer, und ich konnte nicht feststellen, welcher mein Vater war!

Sein Arzt schickte ihn nach Hause um dort zu sterben. Man brachte ihn mit der Ambulanz zum Landhaus am Lake Superior, wo er mehrere Tage später starb. Im Krankenhaus, als er noch bei Bewusstsein war, hatten wir mehrere gute Gespräche. Er hatte gesagt, dass er gerne ein besserer Vater gewesen wäre, und er hatte gedacht, dass wir eine besondere Familie gewesen waren.

Diese Gespräche mit ihm veränderten meine Einstellung zu ihm für immer. Der Ärger, den ich so lange gegen ihn gehegt hatte, verschwand. Es war unmöglich, jemandem böse zu sein, der solche Schmerzen hatte und der starb. Diese Versöhnung veränderte mein Leben. Als er dann starb, war ich im Frieden mit ihm.

Bis zu dieser Zeit war meine Bulimie weiter ein tägliches Problem. Ich hatte mit diesem Geheimnis 27 Jahre gelebt, und ich hatte mich während der ganzen Jahre mindestens 25.000 Mal erbrochen. Ich weiß nicht, warum ich nicht daran gestorben bin. Ich kann es nur der Gnade Gottes zuschreiben.

Meine letzte bulimische Erfahrung hatte ich bald nachdem mein Vater gestorben war. Ich denke es war Zeit für eine Veränderung, jetzt, als all der Ärger aufgelöst war.

Eines Tages nach dem Erbrechen, hatte ich sehr starke Kopfschmerzen. Mir war klar, dass ich sterben würde, falls ich mich je wieder erbrach. Die Kopfschmerzen dauerten drei Wochen. Ich erbrach mich seither nie wieder und ich weiß, dass ich es niemals wieder tun werde. Weil ich weiß, dass es mich umbringen wird, wenn ich es noch einmal mache.

Ich kann sagen, dass Bulimie eine schreckliche Krankheit ist. Man könnte fragen: "Gut, warum hast du dann nicht aufgehört?" Aber das ist nicht so einfach. Es ist eine Krankheit. Sie kann nicht nur so von einem Willensakt gestoppt werden. Gott weiß, wie oft ich das versucht habe. Ich musste erst ganz am Boden sein um aufzuhören, genau wie mit anderen Abhängigkeiten.

1992, nach fünf Jahren als T-Shirt Verkäuferin auf Hochschulen, war ich bereit zu versuchen wieder zu arbeiten. Ich fand einen Job als Sozialarbeiterin für häusliche Krankenbetreuung beim Universitätskrankenhaus von Tampa. Es war eine herausfordernde Aufgabe, aber ich genoss sie. Ich hatte einen wunderbaren Vorgesetzten, der mich voll und ganz unterstützte.

Ich verbarg meine gelegentlichen Anfälle, indem ich einfach aufstand und den Raum verlies, egal welches Meeting nun gerade stattfand. Ich nahm Beruhigungsmittel, die mir halfen, meine Arbeit zu erledigen. Aber ich brachte es fertig, soweit zu funktionieren, dass ich meinen Job machen konnte. Manchmal hatte ich wieder Blackouts.

Bis 1995 arbeitete ich am Krankenhaus; dann hatte ich wieder einen Zusammenbruch. Zu sagen, dass ich entmutigt war, wäre eine glatte Untertreibung. Ich musste mich im Sommer 1995 zweimal im Krankenhaus behandeln lassen.

Als ich vom Krankenhaus entlassen wurde, gab man mir eine zweite Chance. Das Krankenhaus, in dem ich arbeitete, bot mir einen Teilzeit-Job an. Sie waren der Meinung, dass das weniger Stress für mich bedeuten würde.

Doch es funktionierte nicht, und im November musste ich mich wieder im Krankenhaus behandeln lassen, diesmal im St. Joseph's Krankenhaus von Tampa.

Es sah so aus, als ob ich mit meinem Beruf als Sozialarbeiter am Ende war. Ich konnte den Stress eines Vollzeit-Jobs mit dem Arbeitsdruck in einem unterbesetzten Krankenhaus nicht ertragen.

Ich entschied mich, wieder um Frühpensionierung anzusuchen. Das Ansuchen ist zurzeit in Bearbeitung.

Als ich meinen Job verlor, verlor ich alles, auch meine Wohnung. Ich musste meine persönlichen Sachen einpacken und sie zur Aufbewahrung geben. Wieder ging ich nach Michigan zurück um bei meiner Mutter zu leben.

In Michigan besuchte ich einen Kurs als Krankenpflegeassistentin und begann dann, freiwillig in einer örtlichen Pflegeanstalt zu arbeiten. Das mache ich auch derzeit noch.

Die Zukunft liegt vor mir. Trotz der vielen Entmutigungen muss ich weitergehen. Ich werde versuchen, mein Leben so produktiv wie möglich zu leben.

Jedoch muss ich der Wahrheit ins Gesicht sehen. Die jahrelangen Nervenzusammenbrüche haben ihren Tribut gefordert. Ich werde wohl nie das Potential erkennen können, dass ich ohne diese Krankheit gehabt hätte.

Ich kann nur sagen, daß durch alle diese Geschehnisse mein Glauben gestärkt wurde. Wir sind nur so kurze Zeit auf dieser Erde. Ich wurde durch meine Arbeit im Krankenhaus und in der Pflegeanstalt oft mit dem Tod konfrontiert. Ich habe keine Illusionen in Bezug auf die Unsterblichkeit.

Aus welchem Grund auch immer hat Gott mir durch diese schreckliche Krankheit Schizophrenie hindurchgeholfen. Ich verbrachte zwölf Jahre in einem satanischen Kult, um ein Heilmittel für meine Krankheit zu finden. Am Ende fand ich heraus, dass es kein Heilmittel gibt. Es gibt nur Linderung in der Form der verschiedenen Medikamente, die ich täglich einnehmen muss.

Und doch bin ich zufrieden. Für eine Schizophrene, zu deren Vater man einmal gesagt hatte, dass ich nie außerhalb einer Anstalt würde leben können, komme ich ziemlich gut zurecht.

Ich bin nach Europa gereist. (Mein Bruder schenkte mir einmal eine zweiwöchige Reise nach Holland, Dänemark und Belgien, als er in Amsterdam für eine holländische Chemie-Firma arbeitete).

Ich habe zwei Bücher geschrieben. Ich hatte mein eigenes Geschäft. Und ich war zu verschiedenen Zeiten in meinem Leben fähig, in der "normalen" Welt zu arbeiten und zu funktionieren, ohne daß die Leute wussten, dass irgendetwas falsch mit mir war.

Ich hatte immer Freunde, die meinen Lebensweg mit mir teilten. Und ich habe schließlich Frieden mit meiner Familie gefunden. Ich genieße die Zeit mit meinen Nichten und Neffen und ich bedauere es nicht, keine eigenen Kinder zu haben. Vielleicht war es Gottes Wille, als ich meine Fehlgeburt hatte. Ich kann so halbwegs für mich selbst sorgen, und sogar dafür brauche ich manchmal Hilfe. Was würde ich jetzt mit einem Kind anfangen?

Vor allem habe ich mit meinen 48 Jahren zu einem tiefen Glauben an Gott gefunden. Er hat mich mit einem Fieber mysteriösen Ursprungs vom Autounfall 1966 gerettet. Er hat mich auf übernatürliche Weise vom Kult befreit. Und ich glaube sogar, dass er mich vom Krebs gerettet hat.

Ich bin dankbar, dem Kult entronnen zu sein. Viele meiner ehemaligen Freunde sind immer noch dort. Wenigstens ich bin frei. Frei, mein Leben zu leben und meine eigenen Entscheidungen zu treffen – und nicht als hypnotisierter Roboter zu leben, der vom Willen eines anderes abhängig ist, eines Despoten der, obwohl er jetzt tot ist, weiter seinen Einfluss auf die unglücklichen Anhänger von Scientology ausübt.

Die Zukunft liegt vor mir. Was wird sie bringen? In dieser Angelegenheit bin ich im gleichen Boot wie der Rest der Menschheit. Ich weiß einfach nicht, genauso wenig wie Sie, was vor uns liegt.

Bedauere ich die Vergangenheit? Die Antwort ist nein, nicht einen Teil davon. Es war eine große Erfahrung. Es hat mich demütiger gemacht. Und es hat mich näher zu Gott gebracht. Ist es nicht das, worum es im Leben eigentlich geht?