Von Dallas bis Danella, von Märchen bis Karl May
Billigmusikkassetten-Produzent im Hörspiel-Geschäft / Mit großer Literatur und für kleine Kinder

Das Geschäft mit Schallplatten und Musikkassetten ist schwieriger geworden. Zwar kommen immer noch täglich Dutzende Produktionen neu auf den Markt; der Absatz läßt aber nach. Die Trends werden schnellebiger und die Käufer preisbewußter. Sie kopieren lieber eine von Bekannten gekaufte Kassette, anstatt eine eigene zu besorgen. Chancen haben da noch Billig-Produzenten wie die Miller International mit ihren Labels Signal und Europa.

Hier macht es die Mischung: Oldies von Paul Anka, Elvis Presley bis Helmut Zacharias werden neu aufgelegt, günstige Zweitauswertungen bereits einmal verkaufter Hits von Harry Belafonte, Joe Dassin oder ,,Middle of the Road" nochmals auf den Markt gebracht, Hiteinspielungen nicht von Stars, sondern von sonstigen lustigen Musikanten, zum Beispiel zur ,,Akkordeon-Hitparade" und damit zum immer wieder verkaufbaren Stimmungsmacher zusammengebaut.

Ähnlich die Konstruktion für rheinische und andere Karnevalshits oder weihnachtliche Musik unter Titeln wie ,,Morgen kommt der Weihnachtsmann" und ,,Kunterbunter Advent für unsere Kleinen" nach dem Motto:

,,Alle Jahre wieder". Da renommieren auch Namen wie die Sprecher Will Quadflieg. Horst Frank, Pinkas Braun oder andere. ,,Ein Wagen von der Linie 8" tuckert durch München, besetzt mit bayerischen Originalen, in Böhmen klingt's mal wieder wie so oft mit Peter Alexander, Maxl Graf und anderen. Auch ein bißchen ,,Preßlufthammer-Musik" nach dem Motto: ,,So was passiert mir jeden Tag" (Gebrüder Blattschuß) fehlt da unter dem Titel ,,Volle Granate" nicht.

Lieder von den Bergen und der Haifischbar, gesprochene Witze und Vogelstimmen, das Wunderland der Operette und die Brandenburgischen Konzerte - es ist ein insgesamt volkstümliches Repertoire von Hans Albers über Marianne und Michael bis Rudolf Schock. das diese Anbieter haben.

Und doch denkt man auch hier trotz günstigem Preis, bei dem die Differenz zwischen Leerkassetten und bespielten Kassetten nicht mehr allzu groß ist, an die Zukunft:

,,Europa hat für sich als weiteres Standbein das Hörspiel entdeckt. Das Programm geht vom Kleinkind bis zum ausgewachsenen Gruselfreund. Als Neuheit gibt es sogar literarische Bestseller als Kassetten - Hörspielversion

Was den Kleinen mit Märchen von Gebrüder Grimm, Wilhelm Hauff oder Hans Christian Andersen auf inzwischen 20 Kassetten mit 39 klassischen Märchengeschichten recht ist, das soliden Großen mit Literatur von Heinz G. Konsalik, Marie-Louise Fischer, Utta Danelia. Barbara Noack und Ephraim Kishon billig sein. Was für die abenteuerfreudigen Jugendlichen ,,Hallo Spencer" (nach der Original-Fernsehserie) oder Stefan Wolfs ,,TKKG"-Detektivgeschichten mit inzwischen rund 2,5 Millionen Auflage in der Hörspiel-Version sind, das sollen für die Erwachsenen die zehn ,,Dallas"-Kassetten sein, die nach dem Original Sound-Track der Deutschen Fernseh-Version zusammengestellt wurden. Dabei sind also auch die Original-Synchron-Sprecher.

Dafür hat man ,,Dallas" samt Freud und leid, Haß und Liebe, Glück, Macht und Tricks zu eigenen Geschichten auf Kassetten-Längen zurechtgemischt. Die komprimierte Fassung kommt einem manchmal sinnvoller vor als das langatmige Fernseh-Stück.

Die Besonderheit, die der ,,Marktführer für Niedrigpreistonträger und Hörspielexperte" (so eine Miller-Eigenwerbung) pflegt, sind die Schauspieler, die den Text der Hörspiele sprechen. Da geht man nicht auf billige Tour vor, sondern produziert beispielsweise eine Edgar-Wallace-Serie mit Judy Winter, Monika Peitsch, Günther Ungeheuer, Wolfgang Kieling, Jörg Pleva, Hannes Messemer und anderen. Die Sherlok-Holmes-Kassetten enthalten Stimmen von Peter Pasetti und Friedrich Schütter.

Auch bei den Kinderproduktionen ist man nicht sparsam: Ingrid Andree, Claus Wilcke, Sabine Sinjen, Hellmut Lange, Volker Lechtenbrink, Hans Clarin, Michael Hinz, Wolfgang Volz sprechen Märchen ebenso wie die zu Hörspielen gemachten Bücher berühmter Autoren wie James Irrüss, Janosch, Enid Blyton (davon gibt es schon acht Millionen Hörspielkassetten und Langspielplatten), Rüdiger Greif (,,Die Funk-Füchse").

Gerade bei der Bestseller-Hörspiel-Sammlung hat man sich besonders engagiert. Volker Kraeft erlebt man als ,,Leibarzt der Zarin" (nach Heinz G. Konsalik); Uwe Friedrichsen gastiert im ,,Fronttheater" des gleichen Autors; Peter Pasetti behandelt die Frage ,,Wer stirbt schon gerne unter Palmen?". Claudia Rieschel, Günther Ungeheuer, Rebecca Völz, Balduin Baas und andere sprechen Marie-Louise Fischers ,,Zerfetzte Segel", Horst Janson ist ,,Der Bastian" von Barbara Noack (mit Karin Ariselm und Gisela Trowe sowie Ruth Niehaut), Judy Winter meint: ,,Nur der Pudding hört mein Seufzen" (nach Erma Bombeck); Ursela Monn ist die Titelheldin von Will Bertnolds ,,Madeleine Tel. 13 62 11".

,,Hier spielt Theater mit Traumbesetzung", nennt man das bei der Produktionsfirma, die nicht zuletzt auch im Blick auf die Medienentwicklung mit weiteren (auch individuell abrufbaren) Angeboten dieses ,,Hörspielfestival auf Privatfrequenz" produziert hat.

Man muß da natürlich schon Abstriche machen. Ein dickes Buch von Utta Dariella oder Heinz G. Konsalik läßt sich nun mal nicht auf zwei Kassetten-Seiten spulen. Da geht ein Stück Literatur verloren, weil ausgewählt werden muß nach den vermeintlich wichtigsten Szenen. Wer nach dem Hören der Kassette zum ausführlichen Buch greift, das läßt sich im Moment nicht abschätzen. Immerhin scheint der Erfolg von Hönspiel-Kassetten vorgezeichnet: Gerade im Bereich der Kinder- und Jugendproduktion erreichen sie Millionenauflage, Allein über 8,5 Millionen wurden von 32 Folgen der Detektiv-Serie ,,Die Drei" nach Alfred Hitchcock verkauft.

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HEIKEDINE Körting Regiesseurin wurde mit dem mit 10 000 Mark dotierten Hörspiel-Regie-Preis der Miller International Schallplatten GmhH ausgezeichnet. Sie hat seit 1969 tausend Hörspiele für Kinder und Jugendliche produziert.

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Gerhard Schwinghammer

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