21. 02. 97, Last Update 26. 02. 97
Das ist wirklich eine faszinierende Angelegenheit... Zuerst war es nicht viel mehr als ein "Ventil" für den fanatischen Surfer, auch im Winter so etwas ähnliches wie ein Surfbrett unter die Füße zu kriegen. Aber die Sache hat ihren ganz eigenen Reiz:
Du gehst bei Windstärken, bei denen du im Sommer entweder am Strand bleibst oder einen riesigen Lappen durch die Gegend schwenkst, mit einem 5'er Segel auf den Teich - und bist überpowert!
Du erreichst immense Geschwindigkeiten und fährst Manover, von denen du auf dem Wasser nur träumen kannst - und dabei reicht die Zeit auch noch aus, bei einem Fehler einfach noch mal zu probieren (z. B. ein zweiter Schift - Versuch)!
Eigentlich ist an all dem außer der etwas höheren Dichte der (kalten) Luft nur eine Schuld - die geringe Reibung auf dem Eis. Das erspart uns nicht nur die ganze Mühe mit dem Angleiten (schade um die mühsam antrainierte Pumptechnik? macht nichts, der nächste Sommer kommt bestimmt...). Aber auch jenseits der Gleitschwelle ist auf dem Wasser der Widerstand durchgehend hoch, und bei weiter steigender Geschwindigkeit nimmt er wieder zu. Anders auf dem Eis: die Reibung der Kufen bleibt praktisch konstant, so daß das Gefährt wesentlich höhere Geschwindigkeiten bei gleichem Wind erreicht - der hohe Winddruck im Segel kommt dann gar nicht so sehr aus dem "echten" atmosphärischen Wind als vielmehr aus unserer eigenen Geschwindigkeit - dem Fahrtwind.
Aus diesem günstigen Verhältnis von eigener Geschwindigkeit zu Windgeschwindigkeit resultiert eine weitere gute Nachricht - Schleuderstürze sind auf dem Eis so gut wie unbekannt!* (Nicht auszudenken, wenn das anders wäre, denn hart ist das Zeug nun mal...). Das sollte allerdings kein Grund sein, auf Schutzmöglichkeiten wie Helm, Ellenbogen- und Hüftpolster zu verzichten! Motorradklamotten sind ideal, wenn auch ein bißchen warm.
*Der Trick dabei: wenn wir auf dem Wasser mit ca 1-facher Windgeschwindigkeit Halbwind fahren und sich der Wind plötzlich verdoppelt, so steigt die scheinbare Windgeschwindigkeit nicht nur um immerhin ca 60 %, sondern er kommt auch noch ein gutes Stück achterlicher (ca 18°). Dabei steigt die Segelkraft (wenn wir nicht aufmachen) auf mehr als das Doppelte - und das endet meist im Bach. Fahren wir aber mit 3-facher Windgeschwindigkeit, so steigt der scheinbare Wind nur noch um 14 %, und der Winkel ändert sich um 15° - nicht mehr gar so beeindruckend.
Auch das hängt mit der geringen Reibung zusammen: egal, wie man belastet, ein Eissurfer bleibt einfach nicht so schnell stehen wie ein Surfbrett (das Thema durchgleiten oder stehenbleiben kann man also bis zum Frühjahr getrost vergessen), und kippstabiler ist er meistens auch. Es bleibt also mehr Konzentration für Steuerung, Segelführung etc.
Und daß man mehr Zeit hat? Das liegt (scheinbar) paradoxerweise an der höheren Geschwindigkeit - Aber der Reihe nach:
Bei den meisten Manövern geht es mehr oder weniger darum, um festgelegte Kurven zu fahren (schließlich scheiden Sprünge und manch andere bei dieser Variante des Surfens so ziemlich aus). Je schneller du jetzt aber durch eine bestimmte Kurve fährst, desto höher wird die Fliehkraft und umso höher die Schräglage, mit der du dich in die Kurve legen mußt. Die aber ist begrenzt: bei einer weiten Halse fahren wir vielleicht mit 20 °, 45 ° wird schon als sehr radikal empfunden, und mehr ist auf dem Eis sowieso nicht drin, sonst rutscht das Teil zur Seite weg, und das tut weh.
Wir fahren also bei höheren Geschwindigkeiten größere Kurven (eigentlich eine Binsenweisheit), und der Radius nimmt quadratisch mit der Geschwindigkeit zu, das heißt: wenn du doppelt so schnell fährst, wird der Kreis beim 360er 4 mal so groß - und dafür brauchst du eben auch bei doppelter Geschwindigkeit doppelt so lange wie bei der langsamen Variante - Manöver in Zeitlupe mit Highspeed!
Ein extra Gooddie gibt's dann auch noch: Manchmal kannst du ein weggerutschtes Segel bei voller Fahrt wieder aufsammeln und einfach noch mal probieren...
Eissurfen erfordert (außer einem ganz normalen Surfrigg) nur verhältnismaßig simples Equipment, viele dieser Geräte sind selbstgebastelt oder werden semiprofessionell in irgendwelchen Kellern gebaut. Mir sind bisher zwei grundsätzlich verschiedene Varianten begegnet:
haben meist drei Kufen. Die beiden hinteren sind scharfgeschliffen und übernehmen die gesamte Seitenführung, die vordere sorgt nur für die Stabilität und ist entweder stumpf, so daß sie auch zur Seite rutschen kann, oder drehbar gelagert, so daß sie den Seitenkräften ausweichen kann.
Ich habe mit so einem Gerät das Eissurfen angefangen und dabei
so manches über Riggsteuerung gelernt, was mir in 5 Jahren auf dem
Wasser entgangen war - einfach deswegen, weil die Teile nur auf Riggsteuerung
und sonst nichts reagieren. Etwas lästig ist aber das Verhalten in
der Halse:
wenn man so weit rum ist, daß man gerade vorm Wind fährt, und
dabei auch ziemlich genau so schnell wie der Wind ist, dann gibt es keine
Segelkräfte mehr - und damit auch keine Steuerung! Also geht es geradeaus
- und das recht lange (Es gibt nicht mal eine Notbremse: selbst nach dem
Abspringen geht es mit unverminderter Geschwindigkeit weiter - notfalls
auf dem Bauch).
Beim Geradeausfahren ist die Stabilität auch bei hohen Geschwindigkeiten gut, und beim Langsamfahren sind die Geräte (zumindest die mit lenkbarer Vorderkufe) schön wendig, so daß z.B. eine Helikopterwende kein größeres Hindernis darstellt.
haben meist vier Kufen, die alle scharfgeschliffen sind. Die vorderen und hinteren sind je auf einer schwenkbaren Achse montiert, die in einem schrägen (Gummi-)gelenk schwenkbar gelagert ist, ähnlich einem Skateboard - und so fahren sich die Teile auch: von Riggsteuerung keine Spur, die Härte und der Winkel der Achslagerungen entscheiden darüber, ob man bei niedrigen Geschwindigkeiten das Gefühl hat, auf einer ICE-Schiene angenagelt zu sein, oder ob bei höheren Geschwindigkeiten der kleinste "Fehltritt" sofortigen Abwurf zur Folge hat.
Halsen sind im Prinzip kein Problem, da die Steuerwirkung mit und ohne Winddruck immer gleich ist. Da ich bei neuen Geräten meist erst lieber langsam teste und das bei diesen Konstruktionen meist nicht richtig geht, bin ich aber in diesen Bereich noch nicht vorgedrungen... Vom Zusehen und aus Berichten immerhin weiß ich, daß dynamische Highspeed - Manöver gut funktionieren, aber auch etwas gewöhnungsbedürftig sind. Beim Halsen bietet sich die Monkey Jibe (herumlaufen um den Mast statt Segel schiften) an, weil man auch in der Vorwindphase den Wind von vorn bekommt - durch die hohe Geschwindigkeit.
Alles, was (langsame) Kurven auf engstem Raum erfordert (etwa Heli Tacks), kann man vergessen.
Weil mir die beiden Extremvarianten auf Dauer nicht so recht gefielen, habe ich eine Steuerung entwickelt, die beide Effekte nutzt: sie reagiert sowohl auf Fußsteuerung als auch auf Segelkräfte. Die Fußsteuerung ist dabei so ausgelegt, daß bei niedrigen Geschwindigkeiten sehr enge Kurven gefahren werden können, während sich die Fuhre bei höheren Geschwindigkeiten immer mehr stabilisiert, so daß auch bei heftigerer Kantenbelastung das Gerät noch keine extremen Haken schlägt.
Ich habe bisher noch keinen Eissurfer gesehen, dessen Fahrverhalten dem eines Surfbretts so nahe gekommen wäre: Beim Langsamfahren vermittelt er ein Gefühl etwa wie ein Brett ganz dicht über der Angleitschwelle, je schneller man wird, umso mehr erhöht sich die Richtungsstabilität - wie es sich gehört. Die Steuerwirkungen von Rigg und Fuß (Neigung) sind überlagert wie im "richtigen Leben", so daß recht natürliche Halsen (einschließlich unfreiwiliger Geradeausfahrt wegen falscher Segelführung) möglich sind, Helikopterwenden mit Drehung fast auf der Stelle sind auch kein Problem.
Schwierig ist ist zur Zeit noch die konventionelle Wende, da die Fuhre leicht instabil wird, wenn man vor dem Mast steht. Aber das ist in Arbeit...
Ich trage mich jetzt mit dem Gedanken, diese Geräte kommerziell zu nutzen (entweder mit einer eigenen Produktion oder über den Weg der Patentanmeldung und Lizenzvergabe - deshalb fehlen hier auch die technischen Details). Der Bauaufwand ist in etwa gleich wie bei den bisherigen Konstruktionen anzusetzen.
Schreibt mir bitte möglichst bald: Die Entscheidung, ob von den Teilen ein paar mehr gebaut werden, als für den "erweiterten Eigenbedarf" nötig wäre, wird sicherlich nicht erst im Spätherbst fallen. Bei richtig viel Interesse gibt es vielleicht sogar vor dem Winter ein Testwochenende in einer hinreichend kalten Gegend (zum Surfan an den Nordpol fahren???).
Ich freue mich auf Ihre / Eure Zuschriften und wünsche erst mal allen einen schönen Sommer!
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Wolfgang Koehne
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