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Schwerter zu Kelchen!

Von Leila Dregger

Wer sich politisch oder sozial einsetzt, muß sich meistens mit der Korrektur von Teilen des Gesamtsystems beschäftigen: mit Aktionen für Menschenrechte, gegen Umweltverschmutzung, für fairen Handel usw. Gibt es eine Möglichkeit, all diese Korrekturen und Maßnahmen als Teile einer umfassenden Friedensbewegung zu betrachten? Was wäre dann ihr Ziel, ihr Modell und Vorbild?

Wenn wir in der Menschheitsgeschichte nach positiven Kulturvorbildern suchen, stoßen wir früher oder später auf die Früh- und Urgeschichte: auf die sogenannten Matriarchate, die Kulturen der Göttin.

Matriarchate? Ich persönlich konnte mir vor wenigen Jahren noch kaum etwas darunter vorstellen. Soll hier vielleicht die Männerherrschaft durch eine Frauenherrschaft abgelöst werden? Das eine erschien mir so absurd wie das andere. Ich brauchte aber eine Alternative. Ich hatte mich in meinem Wunsch, öffentlich und politisch wirksam zu arbeiten, völlig verzettelt. Ich war auf dem Weg, eine Karrierefrau zu werden, und hatte geglaubt, alles verdrängen und wegpacken zu können, was mit Frau-Sein und weiblichen Qualitäten zu tun hatte. Ich wurde kreuzunglücklich und schließlich krank - wie so viele Frauen in der Männergesellschaft. Ich war gezwungen, diesen Weg zu verlassen. Damals kam ich erstmals in Berührung mit matriachalem Denken, und zwar durch die Arbeit von Sabine Lichtenfels. Die außerkirchliche Theologin und Autorin hatte gerade angefangen, ihre mediale Sicht der Frühgeschichte, die sie an einem jungsteinzeitlichen Steinkreis in Portugal erhalten hatte, weiterzugeben. Für mich waren die Welt und die Denkweise, in die sie mich und andere hineinführte, eine Offenbarung. Es muß also tatsächlich eine Zeit gegeben haben, in denen sogenannte weibliche Eigenschaften wie Intuition, Fürsorge, Sinn für Schönheit, erotische und emotionale Intelligenz mit politischer Macht verbunden waren. Mit einer Macht, die nicht unterdrückte, sondern kommunizierte und kooperierte. Da gab es also schon Kulturmuster für Gleichwertigkeit und Frieden zwischen Frauen und Männern.

Wie ein durstiger Schwamm las ich Bücher wie "Kelch und Schwert" von Riane Eisler, "Schlangenkult und Tempelliebe" von Eluan Ghazal, "Sprache der Göttin" von Marija Gimbutas und sog auf, was ich an Informationen über Matriarchate bekommen konnte. Je mehr ich das tat, um so gegenwärtiger wurde diese Vergangenheit. Die Welt erschien mir beseelt, die Natur weiblich und göttlich; und ich begann, mit allem zu kommunizieren, ob Pflanze, Tier oder Quelle - und auch mit Menschen fand ich nach und nach eine vertrauensvollere und wirksamere Art, zusammen zu sein. Die Scham und Minderwertigkeit darüber, Frau zu sein, fiel langsam ab und wurde nach und nach ersetzt durch ein neues sexuelles Selbstbewußtsein. Sabine Lichtenfels ist seitdem für mich eine Art Lehrerin für einen Weg geworden, den ich nicht mehr verlassen möchte: der Weg der Frau, der Weg zum weiblichen Friedenswissen. Der Weg führte mich dazu, den Frauenkongreß "Die weibliche Stimme - für eine Politik des Herzens" im Juni 2000 mit zu organisieren, und schließlich zum Aufbau dieser Zeitschrift. Ich bin gespannt, wo er mich noch hinführt.

Sind Matriarchate eine Alternative? Das Wort Matriarchat - Mütter-Herrschaft - ist per se falsch gewählt. Denn es geht um eine herrschaftsfreie Gesellschaft und um eine partnerschaftliche Kultur: Partnerschaft zwischen Frauen und Männern, zwischen Mensch und Natur, unter Völkern. Das Prinzip der Partnerschaft wurde in frühen Kulturen bereits realisiert. ArchäologInnen und MatriarchatsforscherInnen weisen mit einer wachsenden Zahl an Indizien darauf hin. Es gab Göttinnenkulturen in allen Erdteilen. Vieles deutet sogar darauf hin, daß sie am Anfang aller Kulturbildung standen. Jahrzehntausende lang - ein vielfaches länger und folglich stabiler als die vergleichsweise kurze Zeit des Patriarchats - lebten Menschen in Stammeskulturen; die Frauen waren hoch geachtet als die Repräsentantinnen der Göttin; die Männer aber waren keineswegs weniger wert: Es ging um Balance, nicht um Dominanz. Sie lebten in Gruppen und Clans. Freie Liebesbeziehungen, gemeinsames Kinderaufwachsen, sich ergänzende Aufgaben in den Stämmen waren selbstverständlich. Die Natur, die Erde war das gebende, weibliche Prinzip der Fülle. Schützend, gütig, Rat gebend, manchmal streng, aber immer liebend wie eine Mutter sollten die Eigenschaften der ClansprecherInnen sein. Macht war damals die Fähigkeit zu heilen, Leben zu geben und zu pflegen. Das Symbol der matriarchalen Kulturen war der Kelch.

Erst seit Beginn der Patriarchate gilt Macht als die Fähigkeit, Leben zu zerstören. Je mehr Raketen, Waffen, Militär ein Staat hat, um so mächtiger ist er. Das Schwert wurde zum Symbol aller Unterdrückungssysteme. Die Friedensbewegung will Schwerter zu Pflugscharen schmieden - noch nicht berücksichtigend, daß auch Pflüge einen Teil des Krieges darstellen: der Krieg des Menschen gegen die Erde selbst, gegen die Natur. Wir brauchen eine viel umfassendere Wende. Der Slogan einer ganzheitlichen Friedensbewegung müßte heißen: Schmiedet die Schwerter zu Kelchen um. Findet die Quellen einer Macht, die nicht mehr auf Herrschaft aufbaut, sondern auf Heilung und Kommunikation.

Über Leila Dregger

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