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Du bist reich - Perspektiven weiblicher Ökonomie

Von Leila Dregger

Wir hatten ein pragmatisches und einigermaßen ausgewogenes Verhältnis, mein Geld und ich. Ich hatte eigentlich immer so viel, wie ich brauchte. Wenn es mal weniger war, dann brauchte ich halt weniger, kein Problem. Und wenn ich mal mehr brauchte, weil ich eine wirklich gute Projektidee hatte, dann kriegte ich es auch irgendwie zusammen. Damit war ich zufrieden. Aber eines Tages geschah etwas. Das Geld sprach mich an.

"Liebst du mich?" fragte es aus heiterem Himmel. Es hatte eine Stimme wie ein kleiner Kobold oder ein Teufelchen.

"Was? Lieben? Naja, ich sehe dich schon gerne in meiner Geldbörse oder auf meinem Konto. Aber eigentlich nur, um dich wieder loszuwerden, am liebsten mit vollen Händen. Aber mir Gedanken um dich zu machen, zu versuchen, dich zu vermehren, nein, das ödet mich an, das mache ich lieber mit Pflanzen im Garten. Entschuldige, aber ich liebe dich nicht. Frag doch die, die tagein tagaus an dich denken."

"Warum liebst du mich nicht?" lässt es nicht locker. "Du bist doch sonst so für die Liebe."

"Nun, um ehrlich zu sein, und ich hoffe, dass ich dich nicht beleidige: Du stinkst."

Geld ist ein unglaublicher Stoff. Es gibt nichts Alltäglicheres als die paar Münzen in der Hand, mit denen du am morgen deine Brötchen kaufst. Und doch hängen Selbstbewusstsein und biologisches Sicherheitsgefühl daran, ob das Portemonnaie prall gefüllt ist oder schlapp und leer. Wenn du nicht gerade in den Bäcker verliebt bist, ist der Vorgang des Brötchenkaufens banal. Und doch, in dem Moment, wo die Münzen den Besitzer wechseln, geschieht ein magischer Vorgang. Du wirst Teil eines gigantischen, globalen Ereignisses, eines weltweiten Energiestroms. Mit seinen feinsten Verästelungen durchzieht dieser Energiestrom den Gesamtorganismus Mensch und Erde wie ein Nervensystem. Es gibt auf der Erde tagtäglich weniger Vorgänge zwischen Menschen, die nicht über dieses Impulssystem gesteuert würden. So absurd und völlig irrational es auch funktioniert, es war ein geniales Gaunerstück, überhaupt ein einheitliches, funktionierendes globales Medium zu schaffen. Stell dir nur mal vor, was es alles durchpulst, durchströmt, in Gang setzt - Schiffe und Flugzeuge, Pipelines und Güterzüge, die vollbeladen mit Waren über den Planeten ziehen, die Heerscharen an Arbeitenden und Armeen, die gigantischen tempelartigen Bankgebäude und ihrer Machtsymbole, Sex-Industrie, Waffen-Industrie, Raketen im Weltraum, Kaufhäuser voller Glitzerkram und Zeug, das keiner braucht.

Kaum ein Wunsch, kaum ein geheimes Begehren, kaum eine Not oder Angst, die nicht mit Geld zu beziffern, aufzuwiegen, zu besänftigen wäre. Der Waffenhändler und der Politiker, das Callgirl und der Popstar, die Ölmillionärin und der Obdachlose - alles rennt, alle machen Dinge, die sie eigentlich gar nicht wollen, vereint durch die gleiche Hypnose, die gleiche völlig irrationale Religion namens Money, durch das kollektive Mantra "Wenn ich einmal reich wär".

Ein Euro ist bekannter Weise nichts anderes als ein Stück Blech, ein Geldschein nur Papier, was du spätestens feststellst, wenn du nach Ablauf der Umtauschfrist noch einen Hundert-DM-Schein in einer alten Socke findest. Aber verbrenne mal in der Öffentlichkeit einen gültigen Geldschein, gleich welchen Wertes! Die emotionalen Reaktionen deiner Mitbürger sind bemerkenswert und wiegen in ihrem Unterhaltungswert den Verlust des Geldes locker auf. In unserer gesamtgesellschaftlichen Übereinkunft investieren wir kollektiv soviel an Wert, Vertrauen, Sicherheit, Glauben, Macht, Autorität in diesen Fetzen Papier, bis er vollgepumpt ist davon wie ein Tour-de-France-Radler mit Anabolika. Und je mehr wir uns an ihn klammern, um so mehr nimmt er einen Teil von uns mit hinein auf seine Reise durch das System.

Das meiste Geld besteht heute nicht mehr aus Materie, sondern aus bloßer Information, aus immateriellen Zahlen in Computern, die mit Lichtgeschwindigkeit steigen oder fallen. Geld ist das, was die Bank verleiht und zwar wieder und wieder verleiht, auch wenn sie es nur einmal besitzt. Dieses völlig irrationale System funktioniert, es gibt tatsächlich immer noch Menschen, die Vertrauen in Banken haben. Was bleibt ihnen anderes übrig! Und die Bank lässt es sich bezahlen, das Verleihen. Zins nennt man das - ein Brauch, den alle Religionen einst einheitlich als Sünde verurteilten. Recht hatten sie, ausnahmsweise: Wenn es überhaupt Sünde gibt, dann die. Zinsen konnten sich dennoch durchsetzen, und das war die Entstehungsstunde von Banken und von Romanautoren über geheime Drahtzieher und Verschwörungstheorien.

Stell Dir vor, es gäbe nur 1000 Stück von einer bestimmten Sache auf der Welt, meinetwegen Knödel. Die Knödelbank würde nun an zehn Menschen 100 Knödel verleihen und verlangen, sie bis zu einer ausgemachten Frist zurück zu geben - plus 10 Knödel als Zinsen. Es gibt aber keine 1100 Knödel, die Aufgabe ist also unmöglich. Statt sich zusammen zu tun und dem Knödel-Verleiher eins auf die Rübe zu geben, tun die Knödel-Ausleiher, was von ihnen verlangt wird: Sie handeln und wirtschaften und rackern sich ab; aber was auch immer sie tun, sie können es nur schaffen, wenn einer von ihnen scheitert. Das Kredit- und Währungssystem funktioniert wie ein KO-System, bloß dass nicht einer scheitert, sondern letzten Endes alle außer der Bank. Es hat Mangel erzeugt, wo keiner war, es basiert auf Kampf, auf Existenzangst, Konkurrenz und Gier.

So hirnverbrannt dieses Beispiel schon klingt, die Wirklichkeit ist noch doller: Denn einer Bank ist es erlaubt, eine vorhandene Summe nicht nur einmal zu verleihen, sondern sage und schreibe sieben Mal. Inzwischen besitzen Millionen von Menschen, Unternehmen, Regierungen Geld, das es gar nicht gibt, kaufen damit ein, wirtschaften damit, schreiben Aufträge, die Wirtschaft rast wie ein VW-Motor kurz vor dem Exitus dank dieser wundersamen Geldvermehrung. Ein System ohne jeden Realitätsbezug ist entstanden. Wehe, wenn auf einmal alle ihr Geld zurückhaben wollten: die Bank wäre geliefert. Ihr Bangen aber lohnt sich, denn sie dürfen nicht nur Zins, sondern auch Zinseszins verlangen, und damit wächst die Schuld ihrer Kreditnehmer- zunächst unscheinbar langsam, dann aber so rasant wie überkochende Milch.

Irgendwann sind alle in der Kreide, die Menschen, die Staaten, die Unternehmen. Und es ist soviel von dieser magischen Substanz, von diesem Nichts, von nominellem Geld im Umlauf, dass eine kollektive Geldvernichtung nötig wird. Der effektivste Mechanismus - es tut mir Leid, hier wird es wirklich zynisch - der effektivste Mechanismus für die im System vorgesehene Geldvernichtung ist Krieg. Es gibt für das kapitalistische System nichts Folgerichtigeres: Bei keiner anderen Gelegenheit wird Geld so schnell und massenhaft vernichtet wie hier. Erst wenn eine Volkswirtschaft und ein Land so am Boden liegt wie nach einem Krieg, kann man ganz neu anfangen. Und wer verleiht das Geld für den Wiederaufbau? Richtig, die Bank.

Das Geldteufelchen jammerte: "Dafür kann ich doch gar nichts. Du und deine Freunde, ihr hättet mich längst befreien können aus diesem ganzen System. Aber dafür bist du ja zu feige."

"Was hat denn das mit Feigheit zu tun?"

"Du traust dich ja nicht mal, dir vorzustellen, was du tun würdest, wenn du viel von mir hättest. Wirklich viel, meine ich. Du traust dich nicht, weil du Angst hast."

"Gar nicht wahr. Ich habe mir sogar mal richtig vorgestellt, was wäre, wenn ich fünf Millionen Mark hätte."

"Und? Erzähl schon, oder ist dir das peinlich?"

"Ein bisschen schon. Na gut. Ich sah eine sonnendurchflutete Dachetage mit Büro und Sofalandschaft und Computern und Blick auf einen See, die Zentrale einer modernen Nachrichtenagentur mit allem, was dazu gehört, mit einer richtig guten Zeitschrift und einer Reihe begabter, fleißiger, gut gebauter, etwa 23-jähriger Männer, die alles daran setzten, meine Ideen umzusetzen. Und so bauten wir einen Apparat auf, der in der Welt was bewegte, der endlich Friedensnachrichten Gehör verschaffte. Das war mein Traum, jetzt zufrieden?"

"Was ist dir daran peinlich?"

"Naja, das mit den jungen Männern und meinem geheimen Größenwahn. Heute habe ich zwar keine fünf Millionen, aber eine Zeitschrift mache ich trotzdem. Siehst du, ich brauche dich nicht."

"Naja, komm!" flüsterte es teuflisch in mein Ohr. "Du machst eine Zeitschrift ohne Geld, schön, aber was für ein Gewicht hat sie in der Welt? Wie weit verbreitet könnte die Weibliche Stimme sein, wenn sie 5 Millionen zur Verfügung hätte! Na? Willst du mich nicht doch lieben?" Es grinste süffisant.

"Nie und nimmer werde ich dir in den Hintern kriechen. Wir haben eine andere Art von Stärke. Zum Beispiel bei unserer letzten Redaktionssitzung, da waren wir sieben Frauen und haben innerhalb weniger Stunden einen Gesprächsraum erzeugt, der war unglaublich vielfältig und inspirierend. DAS ist für mich Reichtum! Für Geld könnte ich mir das nicht kaufen, im Gegenteil. Wenn ich diejenige mit Geld wäre, würde sich doch keiner mehr trauen, mir zu widersprechen, allein um den guten Job nicht zu verlieren."

"Hihi."

"Was gibt es da zu lachen?"

"Z.B. dass du doch Angst hast. Du verzichtest freiwillig auf die Möglichkeiten, die ich dir biete, aus Angst, dich dann in den Schweinehund zu verwandeln, der du in der Tiefe deines Herzens sowieso bist." Jetzt hatte es mich. Und legte richtig los, um mich zu provozieren: "Ihr mit eurem Gutmensch-Geschwafel. An gute Menschen kann ich nur glauben, wenn sie auch mit Macht und Geld noch gut sind. Was ihr erklimmt, sind doch nur Grashalme! Liebe mich, und es werden Berggipfel sein. Du kommst mir vor wie der Fuchs, dem die Trauben zu sauer sind!"

"Ach und du, du kommst mir vor wie der Frosch, der zum Prinzen geküsst werden will."

"Wieso Prinz, ich bin die Göttin. Naja, ein Aspekt von ihr."

Das erste existierende Geld auf der Welt war der Göttin gewidmet. Bauern erhielten diese "Schekel" genannten Münzen in den Tempeln von Sumer um 3200 v. Chr., wenn sie ihre Überschüsse an Weizen dort abgaben, damit die Priesterinnen es lagerten und in Mangelzeiten wieder verteilten - so wie es in buddhistischen Klöstern in Südostasien noch heute üblich ist. Anders aber, was die Bauern von Sumer dann mit den Münzen taten, die sie gut aufhoben und immer wieder mit Vorfreude beäugten. Zu dem Zeitpunkt, wo ihre Felder den Segen der Fruchtbarkeit brauchten, brachten sie sie wieder in den Tempel und vollzogen dafür mit einer Priesterin den heiligen Geschlechtsverkehr - die Felder waren gesegnet, die Götter zufrieden, die Menschen sicher auch.

Geld war heilig, es gehörte nicht den Menschen, sondern der Großen Mutter, der Herrin über die Fülle und den Überfluss, über die Fruchtbarkeit und die Sexualität, die Geburt und den Tod. Erst seitdem künstlich Mangel erzeugt wurde, wurde Geld zum Unterdrückungsinstrument der Priester und der Bankiers. Erst jetzt entstanden Angst vor Knappheit und daraus folglich die Gier, mehr haben zu müssen, als man jetzt im Augenblick braucht. Um Mangel zu erzeugen, musste mann die Große Mutter entmachten, die ja das Prinzip der Fülle selbst war. Und tatsächlich: in Gesellschaften, wo Frauen verachtet werden und die Aspekte der Göttin tabu sind, werden Zinsen genommen, wird Geld gehortet, akkumuliert, entsteht das Wirtschafts- und Machtsystem, das wir heute kennen. Wann immer in der Geschichte Zeiten aufflackerten, wo das Weibliche verehrt wurde, florierte eine andere Wirtschaft. Zum Beispiel im Hochmittelalter: auf einmal entstanden in Kuhdörfern Kathedralen buchstäblich auf dem Acker, übrigens allesamt zu Ehren der Mutter Gottes, Notre Dame. Woher kam das Geld, die Manpower, das Material, die Konzentration an Wissen? Es war eine Zeit, wo durch ein umgekehrtes Zinssystem nicht das Behalten, sondern das Ausgeben sich lohnte. Das Ergebnis (grob vereinfacht): Die Wirtschaft florierte. Aus dem Nichts heraus, vielmehr aus den Überschüssen, entstanden Hochschulen, Wissenschaften, Kathedralen. Die Frauen waren so geachtet wie bis heute nie mehr. Es gab kaum Unterschiede zwischen reich und arm. Diese Blütezeit ging fast bis zur Zeit des Hexenhammers. Jetzt wurde das Weibliche verdammt. Gleichzeitig zogen Gier und Angst ein; Zinsen wurden genommen, Geld wurde gehortet; Banken entstanden, die Große Mutter wurde unterdrückt, bis heute, und alle ihre Aspekte sind tabu: Sex, Tod und auch der Überfluss. Und was geschieht, wenn etwas tabu ist? Sein Schatten herrscht. Statt Überfluss zu haben, hat uns der Mangel - die psychologische Voraussetzung unseres derzeitigen Geldsystems.

Das Geldteufelchen klagt: "Heutzutage macht es keinen Spaß, Geld zu sein. Statt mich zu lieben, sperren mich die Menschen auf Konten und in Panzerschränke. Geliebt werden heißt doch nicht, etwas gierig und ängstlich und voller Sorgen an sich zu raffen. Ich will, dass ihr mit mir tanzt, dass ihr mit mir Träume, eure Träume, Menschheitsträume verwirklicht, dass ihr mich loslasst, auf dass ich zu euch zurückkehren kann."

Das Gefühl von Reichtum und Fülle ist eine subversive, eine revolutionäre Qualität. Was ist Reichtum? Für mich heißt Reichtum, abgeben zu können! Wer von dem wenigen, das er besitzt, einen anderen zum Essen einlädt und das gerne tut, der ist reich; denn etwas bewegt ihn dazu, zu vertrauen, dass das Leben ihn auch am kommenden Tag ernähren wird. Wer hingegen ein Schloss mit allen Schätzen sein eigen nennt, aber nicht in der Lage ist, auch nur einen Krümel davon weiter zu schenken, (...) der tut mir Leid, der arme Wicht; denn all seine Schätze vermögen nicht, ihm Vertrauen einzuflößen, jemals genug zu haben. Vertrauen und weggeben können - das ist es, was das gute, satte Gefühl von Reichtum erzeugt. Probier es aus, heute noch, zieh los und verschenke etwas, meinetwegen Geld. Und dann komm zurück und lass uns gemeinsam nachdenken, wie wir ein sattes und völlig anderes Wirtschaftssystem realisieren.


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