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Die Große Göttin in der Musik

von Claudia Hötzendorfer

Die Große Göttin kehrt zurück. Nicht nur in Religion, Wissenschaft und Politik, sondern und vor allem in der Kunst. Besonders in der Musik erlebt die All-Mutter in ihrer ganzen Vielfältigkeit eine Renaissance. Wir beginnen mit einer Serie über Sängerinnen und Liedermacherinnen in dieser Tradition.

Sakrale Musik und Tänze haben eine Tradition, die bis in die Vorantike zurückreicht. Archäologische Funde beweisen, dass schon die frühen Kulturen Anatoliens und Ägyptens die Trommel kannten und - so nehmen die Wissenschaftler an - zu Ehren der Göttinnen und Götter geschlagen haben. Neben der Stimme ist die Trommel das älteste bekannte Instrument. Durch Kulturen und Epochen hinweg wurden Gesang, Tanz und Musik eingesetzt, um Energien zu wecken, zur Unterstützung von Heilungszeremonien oder um durch diese aktive Form des Gebetes mit den Ahnen und Geistern in Kontakt zu treten.

Das zunehmende Interesse an der Erforschung einer matriachalen Vergangenheit und das damit verbundene gesteigerte Selbstbewusstsein der Frauen in ihrer Auseinandersetzung mit der Großen Göttin findet seine Auswirkungen nicht nur in Literatur und bildender Kunst sondern auch auf dem Musikmarkt. Ähnlich den Veröffentlichungen auf dem Buchsektor, sind auch Qualität und Niveau der Tonträger sehr unterschiedlich. Die Angebotspalette reicht von banal-trivial über Ethno-Mischmasch bis hin zu mitreißenden Chants und ausdrucksstarken sakralen Gesängen. Auch die Auseinandersetzung mit der Göttin-Thematik ist breit gefächert. Häufig steht der Göttin-Aspekt im Mittelpunkt, der sich in der Natur und in den Elementen manifestiert. Dies besonders bei Sängerinnen wie Denean, Leah Wolfsong, Lisa Thiel oder Gila Antara.

Die Göttin hautnah in der Natur erfahren, war ein Grund für die Amerikanerin Leah Wolfsong, in ein Blockhaus mitten im Wald zu ziehen. Dort findet sie Ruhe, Kraft und Inspiration für ihre Musik: Eine Mischung aus indianischen Rhythmen und Chants. Sie kennt die heilende Wirkung des Gesangs, aber auch der Trommel und des Tanzes. Dieses Wissen gibt sie in zahlreiche Workshops weiter ebenso wie die Hamburgerin Gila Antara. Sie lebt seit Jahren auf der Isle of Wight. "Ich liebe die rauhe Schönheit der Natur hier," schwärmt sie. Beide Frauen besingen in ihren Liedern die All-Mutter. Dabei muss die Göttin keineswegs immer bei einem ihrer vielen Namen genannt werden. Dazu Gila: "Du findest sie in der aufgewühlten See, sie zieht mit den Wolken oder ruht als zerklüfteter Berg." Leah stimmt ihr zu: "Wenn ich von den Pflanzen und Vögeln singe, meine ich damit auch die Göttin. Sie steckt schließlich in allem um uns herum. Ich brauche keinen Tempel. Wenn ich die Göttin besuchen möchte, trete ich aus meiner Haustür und habe sie um mich."

Die britische Künstlerin Carolyn Hillyer arbeitet mit den verschiedenen Archetypen der Göttin. In ihrem Buch "Traumwissen" ordnet sie den Aspekten dabei bestimmte Phasen in ihrem Leben zu: Beispielsweise "Großmutter Schildkröte", die Carolyn auf der Suche nach verschütteten Mythen begleitete. In ihrer neusten Veröffentlichung "Haus der Frauen" konzentriert sich die Britin auf acht Zeiträume im Leben einer Frau. Inspiriert durch die wilde Natur ihrer Heimat Dartmoor entwickelt sie Meditationen, schreibt Lieder und malt Bilder. Das Ergebnis präsentiert sie als Gesamtkunstwerk in Ausstellungen oder als Buch mit CD. Hillyers Arbeiten zeigen, wie breit gefächert die Auseinandersetzung mit der Göttin sein kann. Ihr reicht es nicht aus, ‚nur' zu singen. Ihrer Fantasie setzt Carolyn dabei keine Grenzen: Die dreifältige Große Mutter, ist mal die kauzige Alte, deren Gesicht Weisheit und Lebenserfahrung widerspiegelt, ein anderes Mal die unbeschwerte junge Frau, die noch viele wichtige Prozesse durchlaufen muss..

Für das Multitalent Lucia Hwong ist "die Göttin in ihrer Manifestation zu vielschichtig, um ihr nur eine einzige CD zu widmen." Die Reiki-Meisterin und Komponistin stellt in ihrer "Goddess Triology" besonders den heilenden Aspekt in den Vordergrund. Sie übernahm dazu Elemente aus keltischen, indianischen, indischen, hawaiianischen und ungarischen Traditionen sowie von den Yoruba. Die Gesänge dieser Kulturen, die während Heilungszeremonien angestimmt wurden, um die Kräfte der Göttinnen zu wecken, sind - wie Lucia meint - "zeitlos. Sie reichen von Ur-Gesängen, über sakrale Kompositionen wie beispielsweise von Hildegard von Bingen, über die Trommeln der Schamanen bis hin zur Gospel-Tradition."

Die Begegnung mit der Göttin muss nicht immer sanft verlaufen. Gawain beispielsweise spiegelt in seiner "Kali-Meditation" die Wildheit und Unberechenbarkeit der Gefährtin des Gottes Shiva wieder. Kali repräsentiert die Furcht erregende, schwarze Erdmutter, die Göttin des Todes und der Vernichtung. Ein Blick über die Liste der Veröffentlichungen, die sich mit der Großen Göttin befassen, zeigt jedoch, dass die dunklen Göttinnen, zu ihnen gehört beispielsweise auch Lilith, nicht so beliebt sind. Diese einseitige Sichtweise, die sich besonders gern moderne Hexen zu eigen machen ("Ich arbeite ausschließlich mit weißer Magie"), zeigt nur allzu deutlich, dass noch ein sehr großes Feld zu beackern ist.

Hexen, die ihr Handwerk über Generationen hinweg gelernt haben, wissen, dass sie nur Gutes bewirken können, wenn sie auch die schlechte Seite kennen. Gleiches gilt für die Göttinnen: Nur wer sich mit dem lichten und dem dunklen Aspekt auseinandersetzt, erhält ein ganzes Bild. Daher ist es immer von Vorteil, auch einiges über die besungenen Göttinnen zu wissen.

Die deutsche Sängerin Nhanda Devi ließ sich von der altägyptischen Göttin Isis zu ihren Liedern anregen. Obwohl die einzelnen Titel auf ihren beiden CDs darauf hinzuweisen scheinen, wird sie dem Anspruch, sich ernsthaft mit den Isis-Mysterien auseinander gesetzt zu haben, nicht gerecht. Vielmehr konzentriert sie sich auf die "heilende Kraft des Gesangs" und nutzt die Göttin Isis nur als eine Art "Brücke" zu ihrem Publikum. Um die Banalität ein wenig zu verschleiern, nimmt sie Bezug auf die Mysterienschulen der Antike: "(Dort) hatte der Gesang besondere Bedeutung und diente als Tor zum eigenen Selbst."

Die Wiederentdeckung typisch weiblicher Charaktereigenschaften wie Instinkt, Intuition, (Mit-)Gefühl und Verantwortung für sich selbst und die Welt in der wir leben, kann durch geführte Visionsreisen oder Meditationen noch gefördert werden. Angela Klopitech's "Frauen Rituale" und "Erwecke die Göttin in dir" von Friederike C. Raderer und Mona Stein sind nur zwei Beispielse dafür. Raderer und Stein haben sich dafür exemplarisch sechs Göttinnen (Oya, Laksmi, Aphrodite, Pele, Brigid und Xochiquetzal) herausgesucht. Jede dieser Göttinnen repräsentiert Charakterzüge, die frau stärken kann. Jede Göttin wird kurz vorgestellt. Danach folgt ein Instrumentalstück. Zeit, um sie zu visualisieren und über die ihre Eigenschaften nachzudenken.

Layne Redmond wollte ihrer Faszinaton für die Trommel auf den Grund gehen und entdeckte Erstaunliches: Nahezu alle alten Kulturen kannten die Trommel als sakrales Instrument. Das Überraschende war für Redmond, dass es auch immer eine Verbindung zwischen den Priesterinnen und Göttinnen zu dem Rhythmusinstrument gab. Dieses alte Band knüpft die Amerikanerin in zahlreichen Workshops und Konzerten mit ihrer Trommlerinnentruppe "The Mob Of Angeles" immer wieder neu. Ihre Rechercheergebnisse hat Layne in einem reich bebilderten Band unter dem Titel "Frauen trommeln" veröffentlicht, der auch sehr viel über die Beziehung alter Kulturen zur Großen Göttin berichtet.

Neben dem Rhythmus ist es vor allem der Gesang, der es jedem Menschen, gleich welcher Gesellschaftsschicht er angehört, ermöglicht, in Kontakt mit den elementaren Energien und den Göttern zu treten. Vielleicht sind deshalb die eingängigen Chants oder Gospels und Spirituals der Afro-Amerikaner so beliebt. Selbst wenn der Text unbekannt ist, kann man mitsummen oder den Takt mitklatschen. Denn auch wenn sakrale Gesänge, wie von Chloé Goodchild ihren künstlerischen Reiz haben, bleiben sie doch auf das Zuhören beschränkt.

Der Großteil der Veröffentlichungen konzentriert sich inzwischen auf Chants. Durch die Aufzeichnung der Gesänge von Starhawk und ihrer Gruppe "Reclaiming" bekamen Hexenkreise und Frauengruppen Material an die Hand, dessen Texte und Melodien leicht zu erlernen sind. Die Instrumentalisierung beschränkt sich in der Regel auf Trommel und Rassel. Das hat seinen Grund und Ursprung in vor-patriachalischer Zeit und setzte sich besonders bei den Naturvölkern bis zum heutigen Tage durch: Die Trommel steht als Überbringerin der Energie und repräsentiert den Pulsschlag von Mutter Erde und des Lebens. Während durch den Klang der Rassel eine Verbindung zur spirituellen Welt geschaffen werden soll. Sie ruft die geistigen Führer, Engel, Ahnen oder die Göttinnen an und leitet bzw. fokussiert die Energien. Dabei wird mit einer Rasselbewegung von oben nach unten die männliche Energie angeregt. Die Seitwärtsbewegung weckt die weibliche Energie. Die Texte beschwören die Naturkräfte der Göttin in ihren vielen Entsprechungen und Erscheinungsformen.

Gemeinsam stark

Gesänge zu Ehren der Großen All-Mutter sind übrigens schon lange nicht mehr eine reine Frauendomäne, wie die Beispiele von Robert Grass, Gawain oder Bodhi Khalid zeigen. Leah Wolfsong meint dazu: "Ich arbeite zwar sehr viel mit Frauen in meinem Seminaren. Aber ich freue mich auch, wenn Männer an den Zeremonien und am Chanting teilnehmen. Ich glaube, es wäre falsch, wenn die Frauen sich diesbezüglich völlig abgrenzen würden. In uns allen schwingen weibliche und männliche Energien." Leah stützt ihre Meinung auch auf antike Abbildungen auf Kreta. Die Frauen und Männer der matriachalen Gesellschaft der Minoer (bis um 1400 v. Chr.) feierten ihre Feste gemeinsam singend und tanzend.

"Wir sollten wieder an einen Punkt kommen, an dem wir gemeinsam daran arbeiten, die Erde zu beschützen und für unsere Nachkommen zu erhalten." Einschränkend fügt Leah hinzu: "In manchen Momenten fühlen sich Frauen unter sich wohler. Sie können offener sein. Singen und Trommeln in der Gemeinschaft hilft ihnen, Hemmungen abzubauen und das Selbstbewusstsein zu stärken." Eine Meinung, die auch Gila Antara teilt. Leah Wolfsong sieht in der Verbreitung der Chants ein "positives Zeichen". Sie hofft auf eine "weltweite Vernetzung". Dass Stücke wie "Ancient Mother", "May the Circle Be Open", "Return" oder "We All Come From Goddess" (um nur einige zu nennen) immer wieder neu aufgenommen und interpretiert werden, zeigt, wie sich die Verbindungen zwischen Ländern, Kulturen und Religionen festigen können.

Moderne Hexen, die der Wicca-Tradition angehören, aber auch Frauen, die sich auf "die Suche nach der Göttin" im Allgemeinen (im geschichtlichen, feministischen oder religiösen Zusammenhang) und im Besonderen (die Göttin in sich selbst) machen, haben eine Angebotspalette zur Verfügung wie nie zu vor. Die Spurensuche in Kunst, Literatur, Musik oder Archäologie hat eben erst begonnen. Daher können wir noch einige interessante Veröffentlichungen erwarten. Die nachstehende Aufstellung bietet eine Auswahl von CDs aber auch Büchern, die sich mit der Großen Göttin sowie Ritualen und Tänzen ihr zu Ehren befassen. Ganz besonders zu empfehlen ist Kate Marks` Buch "Circle Of Song". Bislang ist die Chant-Sammlung leider nur in englischer Sprache erhältlich. Marks hat einen wahren Fundus zusammengetragen für die verschiedensten Gelegenheiten und Feste. Sie stellt außerdem Tänze und Meditationen vor. Zu allen Chants gibt es auch Noten. Ansonsten kann ich mich nur Leah Wolfsong anschließen, die vorschlägt, einfach selbst einen Chant zu schreiben. Das ist einfacher, als es auf den ersten Blick scheint, und macht besonders in der Gemeinschaft eine Menge Spaß.

In der nächsten Folge der Serie: Gespräch mit Leah Wolfsong


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