Folge der Göttin ...

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Stop! damit ich fühlen kann.

Der heilige Krieg und die Entscheidung für die Liebe

Von Leila Dregger

Stop, halt, es reicht! Ich will nicht mehr. Ich will keine Bilder mehr sehen von einstürzenden Hochhäusern und schießenden Panzern, zwangs-verschleierten Frauen, hungernden Kindern und ausdruckslosen Politikergesichtern. Mein Herz kommt nicht mehr mit.

Seit dem 11. September läuft das Weltgeschehen mit einer unheimlichen Zwangsläufigkeit über die Fernsehschirme, über die Menschenkörper und -seelen hinweg, eine Reaktion folgt der nächsten, die Situation eskaliert zur Katastrophe und läßt uns mit dem Gefühl von Verzweiflung und Machtlosigkeit zurück. Meine Quelle des Mitgefühls droht zu versiegen, ausgelutscht und überansprucht nach so viel Bildern der Dummheit, der skrupellosen Macht- und Wirtschaftsinteressen, der Verzweiflung und des Hasses. Und wenn diese Quelle versiegt, dann weiß ich nicht, woher wir noch die Macht und Autorität nehmen sollen, die wir brauchen, um wirksam zu handeln. Die Mailboxen fluten über von Stellungnahmen und Statements, aber was können wir wirklich tun, um uns dieser Zwangsläufigkeit, diesem Mechanismus von Gewalt und Gegengewalt entgegen zu stemmen? Um diese Frage nicht oberflächlich, sondern mit aller Tiefe zu beantworten, braucht mein Herz einen Moment des Innehaltens. Nicht nur meins. Das Herz der Erde braucht einen Moment des Innehaltens.

Innehalten, der Angst begegnen

Während ich dieses Heft fertig stelle, ist es Spätherbst; im Hexenjahr die dunkelste Zeit, die Zeit der Schwarzen Göttin. Zu keiner Zeit im Jahr sei der Vorhang zur Geisterwelt so dünn wie eben jetzt, sagt man. Die Botschaft ist: Innehalten mit aller Tätigkeit, der Angst begegnen, durch Tod, Schmerz und Wandlung hindurch gehen, vertrauen, daß das Leben wiederkehren wird. Noch nie ist mir diese Botschaft so nahe gekommen wie in diesem Jahr, und erstaunlicherweise finde ich in der Dunklen Göttin den Mut und das Vertrauen, das ich anderswo vergeblich gesucht habe. Vielleicht, weil sie dem Chaos einen Sinn gibt. Nicht der Gewalt, niemals dem Krieg, aber der absoluten Notwendigkeit, etwas ganz grundlegend zu verändern.

Denn der jetzige Krieg ist kein Zufall, er ist lange erwartet, denn er ist die absehbare Folge einer zwangsläufigen Entwicklung. Im Patriarchat - und damit meine ich eine Lebensweise, wo die Quellen des Lebens und das Leben unterdrückt und mißachtet werden - im Patriarchat kann es keinen Frieden geben. Es gibt nur Phasen des Krieges und Phasen der Vorbereitung auf den nächsten. Lange bevor Krieg ausbricht, besteht ein geistiges Feld der Nichtachtung des Lebens, und es prägt die Art, wie wir zusammenleben, in was für Städten wir leben, wie Politik gemacht wird, wie wir mitfühlen oder gleichgültig wegschauen, was wir konsumieren, wie wir lieben und was an Lebenskräften unterdrückt werden muß. Das Leben selbst, das Herz der Erde, die Schwarze Göttin - was auch immer für Namen wir finden - muß sich wehren gegen dieses Bollwerk, das gegen das Leben aufgebaut wurde.

Das Bild der Schwarzen Göttin flößt mir Vertrauen ein; denn bei aller scheinbaren Ausweglosigkeit existiert mit ihr doch noch eine Kraft, die all die Wandlung in ihren Händen hält. Der Schwarzen Göttin vertrauen, heißt, nach Schmerz und Chaos auf einen Neubeginn vertrauen. Hätte der Baum kein Wissen von der Schwarzen Göttin, würde er im Herbst seine Blätter festhalten. Hätte der Same kein Vertrauen, würde er sich weigern, sich in die Erde zu legen - und keine neue Pflanze könnte keimen. Ihre Lehre lautet: Gib dich hin, wehre dich nicht gegen die Dunkelheit, das Licht wird zurückkehren.

Ich nehme mir das unglaubliche Privileg, bei aller politischen Aktivität diesem Prozeß zu folgen. Ich nehme mir die Zeit, einer Nachbarin zuzuhören, die noch in Deutschland Krieg erlebt hat - und spüre nach, wie sich dieser Schrecken in die Kinderseele eingebrannt hat. Ich lasse mir von einer anderen Freundin berichten, wie sie - statt ihres Wunsches, spontan nach Afghanistan zu fahren und Flüchtlingen zu helfen - einen Kranken im Umfeld pflegt und dabei Liebe und Erfüllung findet. Ich höre zu - und nähere mich dem Herz der Erde. Wo liegen die Ursachen des Krieges? Ich sehe eiskalte Wirtschafts- und Machtinteressen: Krieg um Öl, Krieg um Hegemonialmacht, Krieg um Opium und die richtige Ideologie. All das ist Realität - aber wie ist die entstanden unter den frei geborenen, Glück suchenden Wesen, als die wir einmal auf die Erde kamen? Nicht Maschinen, sondern Menschen sind es, die diese Situation verursacht haben. Und Menschen sind erreichbar, verstehbar, wandelbar. Ich schaue tiefer und suche die innere Realität der Menschen, derjenigen, die globale Entscheidungen treffen, und der, die von ihnen betroffen werden.


Forts. in der Printversion.

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