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Niki de Saint Phalle: Rückkehr zur Urmutter

Am 21.Mai 2002 starb Niki de Saint Phalle in Kalifornien, heißt es. Aber das kann nicht sein: Sie und ihre Nanas und all ihre anderen Schöpfungen werden ewig leben. Wir möchten an die große Persönlichkeit und Künstlerin erinnern.

Geboren 1930 als Catherine Marie-Agnés Fal de Saint Phalle in Neuilly-sur-Seine zieht sie mit ihrer Familie später nach New York, wo sie in eine Klosterschule geht, als Fotomodell arbeitet und mit 18 Jahren mit einem 19-Jährigen durchbrennt, den sie später auch heiratet. Sie bekommt eine Tochter, zieht nach Europa um und erleidet einen psychischen Zusammenbruch. Malen und zeichnen tut ihr gut, deshalb beschließt sie 1951, Künstlerin zu werden. Anfangs betrachtet sie es als vorübergehende Phase, sieht sich als "Mata Hari" der Kunst; doch es wird ein Trip, den sie nicht mehr verlässt. Zeitlebens wird sie nicht mehr aufhören, ihre Innenwelt nach außen zu holen, sie zu gestalten, in Form und Farbe zu verwandeln.

Ab 1960 lebt und arbeitet sie mit dem Schweizer Aktionskünstler Jean Tinguely zusammen. Jetzt beginnt das Werk, das sie berühmt machte: Die Schießbilder. Niki braucht keine Therapie mehr. Sie schießt sich gesund. Sie entdeckt die schöpferische und heilsame Kraft der symbolischen Zerstörung. Niki schießt - sie schießt auf Farbbeutel, die aufplatzen und ihren Inhalt über weiße Hemden und komplizierte Maschinen ergießen, sie schießt auf Masken und Krawatten und auf die Gespenster der Vergangenheit - auf die Erinnerungen an sexuellen Missbrauch und Missachtung - ihre Schüsse und Sprengungen werden gesellschaftliche Events zwischen Paris und Nevada; und ihr Freund hilft ihr, die Schießskulpturen technisch umzusetzen. Jeder Schuss ist eine Befreiung; und mit jedem Farbbeutel, der zerplatzt, wird in ihrem Inneren eine Erregung und tiefe Freude frei, die zeitlebens im Korsett gesteckt hat. Die junge Frau mit dem Gewehr und dem befriedigten Gesichtsausdruck nach dem Schuss wird eine Legende in der Kunstszene.

Zeitweise ist es wie eine Sucht; aber irgendwann hat sie ihr Pulver der Wut verschossen. Es folgte eine kurze dunkle Phase; und dann entstehen wie von selbst aus ihr heraus die "Nanas". Es ist, als habe sich ihr Innerstes entspannt und sich eine unerschöpfliche Schleuse geöffnet. Weibliche, pralle, fröhliche und farbenfrohe, riesige Muttergöttinnen entspringen daraus hervor, sie bevölkern bald die Städte der Welt. Eine weibliche Revolution der Kunstwelt beginnt; Fülle, Sex, Lebensfreude. In Stockholm pilgerten ganze Ströme zwischen die geöffneten Schenkel der Göttin Hon. Als bei einer Ausstellung in Hannover die bürgerliche Welt aufschreckte, sagte sie amüsiert: "Ich hatte nicht geahnt, dass ich den größten Kunstskandal nach dem 2. Weltkrieg auslösen würde."

In gleicher Farb- und Formenpracht, mit unendlicher Phantasie, Symbolreichtum und liebevollen Details entwirft sie Häuser und Meditationshütten, eine ganze Landschaft in der Toskana - den Tarotgarten, Springbrunnen, Spielplätze und vieles mehr.

Beim Besprühen von HON, der größten Nana, zieht sie sich eine Vergiftung der Atemwege zu, von der sie sich nie ganz erholt. Auch den Verfall ihres Körpers und die Schmerzen betrachtet sie unsentimental, mit den Augen einer Künstlerin. Am 21.Mai 2002 stirbt sie nach längerer Krankheit in ihrer letzten Wahlheimat San Diego.


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