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Wir weigern uns, Feinde zu sein

Tagebuch aus Israel

Von Gila Svirsky

3. Februar 2001, zurück in Jerusalem

Es ist halb zwei Uhr morgens, und 17 von uns sind gerade aus dem Gefängnis in Tel Aviv zurückgekommen, wo wir seit sechs Uhr nachmittags in Haft waren. Dies war das Ende unserer Demonstration; einer Demonstration gegen die grausamen "Schließungen" der besetzten Gebiete.

In den letzten Wochen und Monaten hat die israelische Armee nach und nach alle Zugangsstraßen zu palästinensischen Städten und Dörfern in besetzten Gebieten abgerissen. Sie wuchteten dann schwere Betonblöcke an ihre Stelle, um sicher zu gehen, daß keine Autos durchfahren konnten. Damit hatten sie die palästinensischen Städte und Dörfer von der Außenwelt abgeschnitten. Es ist nur einer der vielen Schauplätze eines unerbittlichen Krieges gegen ein fast wehrloses Volk, gegen den sich jetzt die Frauen beider Völker zur Wehr setzen.

Ungefähr 500 Frauen waren gekommen. Wir waren schwarz gekleidet und trugen schwarze Tafeln mit dem Wort "Closure = Schließung" in drei Sprachen: Hebräisch, Arabisch und Englisch. Ein Teil von uns versammelte sich außerhalb des Eingangs des israelischen Verteidigungsministeriums; andere begannen, äußerst langsam die Straße zu überqueren, um den Verkehr in dieser geschäftigen Straße zu verlangsamen. Aber wenn der Geist dich bewegt, dann antwortest du: Eine Gruppe von Frauen setzte sich spontan auf die Straße und blockierte so die Durchfahrt der Autos. In wenigen Augenblicken hatte eine größere Gruppe die Linie verstärkt und stand mit ihren Plakaten da: ein solider Block mit dem Schild "Closure", der die Fahrer daran hinderte, weiterzufahren. Der Anblick war dramatisch - einige Frauen saßen über die Straße verteilt, andere standen hinter ihnen mit verschränkten Armen, eine solide schwarze Botschaft quer über die Straße. Wir sangen ein paar sehr kraftvolle Lieder; und wir brachten eine Stunde lang diese Geschäftsstraße zu einem kompletten Stillstand. Dann kam die Polizei, Sirenen gellten. Sie verschwendeten keine Zeit damit, uns um Kooperation zu bitten - sie griffen einfach die ersten Frauen und zogen sie raus, schafften sie zur Seite und gingen wieder rein, um mehr zu packen. Einige der Frauen wollten gleich wieder hin, aber Autofahrer begannen, uns mit ihren Autos von der Straße zu schubsen. Dann warf die Polizei einige von uns in ihre Gefängniswagen, und das nicht sanft. Mein ganzer Körper tut weh, und ich bin nicht die einzige. Eine Stunde lang war den Autofahrern von Tel Aviv symbolisch etwas von dem gezeigt worden, was es bedeutet, eine Schließung verhängt zu bekommen. Wir konnten natürlich nicht zeigen, wie es sich anfühlt, von medizinischer Versorgung, von Arbeitsstellen, Schulen und Familien ausgesperrt zu werden. Das mußten sie sich selbst vorstellen.

In der Polizeistation waren es zunächst 12 Frauen und 4 Männer von der Demonstration, dann verhafteten sie auch noch unseren Anwalt. Sie warfen uns alles vor, was sie sich ausdenken konnten: Teilnahme an einer illegalen Demonstration, Störung des öffentlichen Friedens, Verkehrsbehinderung, Widerstand gegen die Staatsgewalt, Angriff eines Polizeioffiziers und sogar - in meinem Fall - Angriff auf ein Auto. (Armes Auto!) Zwei von uns, einschließlich mir, gaben die Taten zu als Handlungen zivilen Ungehorsams - allerdings nicht die Anklage der Gewaltausübung. Der Rest machte von seinem Recht Gebrauch, keine Aussage zu machen. Nach und nach - bis etwa ein Uhr nachts - entließen sie alle. Vielen Dank an unsere Schwester-Demonstrantinnen, die die ganze Zeit auf uns vor dem Gefängnis mit Essen und Getränken warteten, bis wir herauskamen. Und danke an den unermüdlichen Tamar Gozansky, Mitglied der Knesset, der zur Polizeiwache kam zu einem Solidaritätsbesuch. Und vielen Dank an Leah Tsemel, eine außergewöhnliche Menschenrechtsanwältin, die mit uns bis zum Ende blieb und mit der Polizei über unsere Freilassung verhandelte und genug Geld brachte, um unsere Kaution zu bezahlen, und die ihren ganzen Dienst ohne Honorar versah als ihren Beitrag zur Protestaktion. Es waren französisische und belgische Fernsehstationen da und viele Fotographen. Bis jetzt haben die israelischen Medien kaum über Frauenfriedensaktionen berichtet, obwohl diese viel dramatischer, sogar größer sind als die gemischten Demonstrationen. Könnte es vielleicht etwas mit der Tatsache zu tun haben, daß wir trotz allem "nur Frauen" sind?


Forts. in der Printversion.

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