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Frieden schaffen im Land der GöttinVon Leila Dregger "Was soll ich in diesem patriarchalen Land?" fragte ich mich vor einer Israel-Reise vor einigen Jahren. "Mach dich bereit, du kommst ins Land der Göttin", war die Antwort, die an mein inneres Ohr drang. Genauso war es. In unmittelbarer Nähe des "Green Kibbutz", über den ich eine Reportage schreiben sollte, befand sich die Ausgrabung eines Astarte-Tempels. Einer von vielen über das Land verteilten Kultstätten der Schöpfungsgöttin. Es dämmerte mir: Lange bevor all die männlich dominierten, die Sinnenfreude unterdrückenden Gesetzes-Religionen entstanden, hier, wo sie ihren Ausgangspunkt und ihre Schnittstelle hatten, wurde die Göttin verehrt - und mit ihr die Freude am Diesseits, die Verbundenheit mit allem Lebendigen. So erbittert sie und ihre Geschöpfe heute bekämpft werden, so tief war einst ihr Friede. Israel war - und ist! - ein Land der Göttin. Beim Tempel wachte ich eine Nacht im Freien, allein auf einem Hügel zwischen Tel Aviv und Jerusalem. Unter mir die hell beleuchteten Städte und Fabriken, die auch des Nachts nicht zu arbeiten aufhörten, über mir immer wieder Suchscheinwerfer und Kampfhubschrauber. Was tun sie? Es war 1998, also kein akuter Krieg! Mir kam es so vor, als fürchteten sie Ruhe und Dunkelheit am meisten, als fürchteten sie, daß bei Ruhe und Dunkelheit etwas wieder zum Vorschein kommen könnte, was sie mit Mühe unterdrückt hatten. Das Wach-Sein bei Nacht an diesem besonderen Ort brachte mich auf die Idee, daß es die Göttin ist und alles, was mit ihr assoziiert ist, all das, was sie einst so geliebt hatten. Ich konnte nur wenige Tage in Israel bleiben. Aber auch in der kurzen Zeit war an jeder Ecke des Landes die Spannung zu spüren, die sich heute in Wut und Gewalt entlädt: Junge Frauen und Männer in Soldatenuniformen und mit Maschinengewehren standen überall in den Straßen. Der westliche Wohlstand israelischer Siedlungen, dagegen die erbärmliche Armut arabischer Dörfer. Das Wasser, das in den israelischen Siedlungen die Rasen sprengt - die Trockenheit in den Anbaugebieten der Araber; der mit bewachtem Nato-Zaun abgesicherte Fluß, der Wasser durch die Gebiete der einen hindurch in die Siedlungen der anderen bringt. Wer hinschaut und ein Herz im Leib hat, kann heutzutage nicht anders, als Partei für die Palästinenser zu ergreifen - ihre Unterdrückung schreit zum Himmel. Der Staat Israel, der Steinwürfe mit Bomben und Maschinengewehren beantwortet, wird - trotz selbst erlittenen Unrechts - früher oder später sein eigenes Unrecht der letzten Jahrzehnte einsehen und das Land und seine Ressourcen mit den dort lebenden Völkern teilen müssen. Friede mit Gerechtigkeit - es gibt keinen anderen Weg. Versöhnung und Friede in Palästina und Israel - das können wir uns noch kaum vorstellen. Das einst gelobte Land kommt seit Jahrtausenden nicht zur Ruhe. Krieg um Wasser, Krieg um Land, Krieg um Heilige Stätten. Gerade die Religionen beider Seiten müssen für eine Rechtfertigung von Krieg herhalten. Gottesliebe und Menschenhaß! Wie ist dieser entsetzliche Bruch entstanden und wie ist er zu heilen? Die Gesetzesreligionen trugen von Anfang an den Bruch mit dem Leben als Stachel im Fleisch. Sie entstanden ja erst aus dem Aufstand der Söhne gegen die Muttergöttin. Die Söhne, die ihre Manneskraft entdeckten, brachen den sinnlichen Frieden und begannen, das zu bekämpfen, zu unterdrücken und schließlich zu vernichten, was sie einmal so sehr lieben wollten, aber nie ganz besitzen konnten: die weiblichen Quellen, die Sinnlichkeit, die Frauen. Ausgehend von diesem Bruch wurde ein Bund mit Gott geschlossen - nicht durch die sinnliche Feier des Lebens, sondern durch Regeln und Gesetze. Gesetze prägen das jüdische, christliche und muslimische Denken. Das Leben, eingezwängt in die enge Welt religiöser Vorschriften, macht sich Luft in Wut und Gewalt. Der Versuch, durch Regeln und Gesetze Frieden zu schaffen, dürfte damit historisch gescheitert sein. Und doch ist Israel und Palästina ein Land der Göttin - auch heute noch; so empfand ich es in dieser Nacht, in der ich staunend bei den hellen Steinen des Astarte-Tempels wachte. Der Friede ist gestört - aber vielleicht war er einst um so tiefer. Vielleicht wird sich dieses Land mit seinen silbernen Olivengärten, seinen sanften Hügeln und gewundenen Wegen an diesen Frieden erinnern, wenn es einmal zur Ruhe gekommen ist. Vielleicht können wir die Erinnerung des Landes beleben, indem wir uns hinsetzen, zuhören und hinschauen und den Ruhepunkt in uns selbst aufsuchen. Wir brauchen Frieden - im Nahen Osten und in allen anderen Regionen der Erde. Alles, was lebt, Frauen, Männer, Kinder, Tiere, Natur, braucht ein Aufatmen und ein Ende des Hasses. Sinnlicher Friede - das ist eine Qualität, die sich nicht erzeugen läßt, wenn man gleichzeitig noch Gedanken von Haß und Angst pflegt. Es braucht einen Ort der Ruhe, den wir in uns aufsuchen. An diesem Ort können wir die Weichen neu stellen und neue Gedanken, neue Handlungsrichtungen gebären. Es heißt, die Welt sei ein geistiges System. Wenn das richtig ist, dann spielt es eine Rolle, welche Gedanken wir pflegen, welche Gedanken wir zu Handlungen werden lassen. Wir können mit unseren Gedanken dem Frieden einen Weg bahnen. Unsere Medien bringen fast nie Nachrichten von der Friedensbewegung im Nahen Osten. Mit den einseitigen Bildern der Gewalt schüren sie Tag für Tag weiter den Kreislauf von Rache und Angst weiter. Wie sähe demgegenüber ein Weg zum Frieden aus? Wir schlagen Szenarien für einen solchen Weg vor. Sie sind entweder schon Realität oder können es leicht werden. Wenn wir sie als Entwicklung betrachten und ihnen immer mehr Aufmerksamkeit geben, drehen wir mit an einem "Film" des Friedens. Möge er - oder ein besserer - wahr werden. Bitte führt sie euch vor das innere Auge, macht die geistige Übung, sie für möglich zu halten, sprecht mit anderen darüber, überlegt, ob ihr einige davon vielleicht sogar konkret unterstützen könnt, und beobachtet, ob ihr in den Medien oder über andere Informationsquellen ähnliche Nachrichten erhaltet.
Fortsetzung in der Printversion.
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