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Die Hexen, die in uns leben

Das Gleichgewicht zwischen äußerer und innerer Natur finden, ist ein Weg zum Frieden.

Farah Lenser begegnete Baby Garroux

"Die Hexen haben ihren Flug aufgenommen durch eine Welt, in der nichts homogen ist, sich dem Diktat derer entgegenstellend, die versuchen, alles vorherzubestimmen. Sie sind mitten in der Natur erschienen, die weder Identitätsbeurteilungen noch Interpretationen vornimmt. Dies führt zu der einzigen Kraft, die zuläßt, daß jedes Wesen seine eigene Essenz innerhalb eines unermeßlichen Möglichkeitsspektrums suchen und wiederfinden kann."

So beginnt das Buch "Die Hexen, die in uns leben" der Brasilianerin Baby Garroux. Als ich ihr das erste Mal 1992 auf einer Konferenz über traditionelles Heilen in Marakesch begegnete, wußte ich noch nicht, daß dies der Beginn einer inspirierenden Freundschaft sein sollte. In Brasilien ist Baby Garroux sehr bekannt: als Journalistin, Schauspielerin, bildende Künstlerin und Autorin verschiedener Bücher, in denen sie von ihren Reisen und spirituellen Erlebnissen berichtet. Sie scheute sich nie, auch unbequeme Wahrheiten aufzudecken. In den 60er Jahren kämpfte sie für die Rechte der Bewohner brasilianischer Urwälder, als diese in der Öffentlichkeit noch mit Tieren verglichen wurden. Sie hatte schon deren Weisheit und Menschlichkeit kennengelernt. Ich befragte Baby Garroux zu ihrem Leben und ihren Ansichten über Frieden, die menschliche Psyche und ihre Arbeit.

Sie erzählt: Väter- und mütterlicherseits stamme ich von Zigeunern ab. Ein Zweig der Familie war stark künstlerisch geprägt; unter ihnen finden sich Dichter, Künstler, Troubadoure, Maler und religiöse Menschen. Einige führen immer noch das Leben eines fahrenden Volkes, ich lebte eine Zeitlang mit ihnen. Wir lauschten weisen Alten, die ihre Geschichten am Feuer erzählen. Sie sind Überlebende aus Kriegen und Konzentrationslagern und sprechen mit der Stimme des Schweigens.

Farah Lenser: In den letzten Jahren gibt es großes Interesse für die Traditionen der Urvölker. Besitzen diese alten Völker eine besondere Weisheit, von der wir lernen können?

Baby Garroux: Jeder Zauber ist Resultat eines Kontrastes. Ein alter und dicht belaubter Baum entwickelt mit dem Altern eine Weisheit, eine Haltung und eine Wahrheit. Er wirkt fest, stark und alt für die, die sich selbst begrenzen und nur den Stamm sehen. Aber wenn wir diesen Baum streicheln, kommen unsere Hände zu einer Gabelung. Wir finden einen Zweig, der stärker ist, einen anderen, der feiner ist, und an der Spitze des feinsten Triebes finden wir ein Blatt, das gestern geboren wurde, grün und nach Leben duftend. Von einem alten Baum kann ein Zauber geboren werden, der die Macht hat, die Zeit zu besiegen. Aus dem Wissen vieler kann ein Zauber entstehen, der niemandem angehört.

F.L.: Was bedeutet für Dich Spiritualität und wie kamst Du selbst zu spirituellen Erfahrungen?

B.G.: Unabhängig von jeder Philosophie existiert das Prinzip der Schöpfung. In verschiedenen Traditionen hat es unterschiedliche Namen. Der Geist gibt dem Leben die Form, und die Seele gibt dem Leben das Bewußtsein. Das Bewußtsein ist dort, wo die Energie ist. Es gibt zwei Pole des Seins: Das äußere klare Bewußtsein und das latent Unbewußte, die beide dazu tendieren zu verschmelzen.

Das latent Unbewußte ist unsere wahre Seele, die schon vor unserer Geburt existiert und auch den körperlichen Tod überlebt. Ein Bewußtsein, das viel tiefer ist als das normale, vielleicht weil wir dort vieles erleben, was wir nicht erklären können. Meine Erziehung war katholisch. Ich wurde nicht darauf vorbereitet, als Außenseiterin zu leben, und bin auch weit davon entfernt, mich diesem Problem philosophisch zu nähern. Da ich die Form des Experiments gewählt habe, kann ich nie mit Bestimmtheit sagen, was mir begegnet; ich bin eine ewig Suchende. All diese Prozesse sind sublim und schön, ich folge damit einem natürlichen Impuls.

F.L.: Wie können andere Menschen mit solchen Erfahrungen in Berührung kommen?

B.G.: Wenn ein Ziel existiert, braucht es ein Motiv, um dort anzukommen. Sei es Liebe, Friede oder etwas anderes. Die Mittel, dorthin zu gelangen sind so verschieden wie die Menschen. Einige wählen einen Adler, andere ein Pferd als Führer auf dem Weg. Wenn ich mich für den Adler entscheide, ist das Problem, wie komme ich auf den Adlerflügel? Man braucht dazu eine eigene, nicht physische Kraft.

F.L.: Kannst Du diesen Prozeß bei Suchenden unterstützen?

B.G.: Ich kann eine Person mit ihrem Unbewußten in Kontakt bringen Die Beratungen variieren zwischen 1 und 2 Stunden, danach können wir eine schamanische Reise machen, in der die Person tief durch ihr Unbewußtes reist; dorthin, wo ihre ganze Vergangenheit aufbewahrt wird. Wenn es gelingt, ein Band zu diesen Welten zu knüpfen, ist es auch möglich, es zu zerschneiden. Danach fühlt die Person sich frei, um in ihrer jetzigen Welt ohne Abhängigkeiten, ohne Last, ohne Anhaftungen zu leben. Ich habe mein Haus in Sao Paulo umgewandelt in die Organisation Oyananda. Das heißt: "Die mutig mit dem Wind zieht", ein Name, der mir in einer Navajo Initiation gegeben wurde. Dorthin kommen Personen aus Brasilien und allen Teilen der Welt, um Erfahrungen mit ihrer eigenen Geschichte zu machen.

F.L.: Gibt es eine besondere weibliche Kraft?

B.G.: Es existiert eine weibliche Kraft - die Göttinnen erzählten uns davon - die uns dazu bringt, unsere eigenen inneren Kräfte zu transzendieren. Wir leben in der Welt der Formen und legen eine lange Reise zwischen den Zeitaltern zurück. Auf diesen langen Reisen müssen wir Entscheidungen treffen, uns entweder von den Werten anderer zu befreien oder sich ihnen zu unterwerfen. Ich öffnete meine Arme, meine Augen, mein Herz und alle Tore, die darauf bestanden hatten, für immer geschlossen zu bleiben. Ich brauchte viel Mut, sie zu öffnen und meine Angst zu überwinden, um meine Dichtung auf den Markt zu bringen. Im Mittelalter wurden die Techniken der Visualisation und auch andere schamanische Traditionen von Frauen lebendig erhalten. Man betrachtete sie als Hexen und verfolgte sie. In unseren Tagen hat sich nichts verändert. Sie werden angesehen als jene, die heilen oder ihre Feinde verfluchen. Es ist aber nicht der Schamane, der heilt, sondern der Geist. Es gibt auch nicht diesen oder jenen Schamanismus. Die Techniken ähneln sich und die Arbeiten sind fast identisch, selbst wenn eine Tradition mit der anderen keine Berührung hatte. C. G. Jung sagte, Archetypen würden in vielen Menschen gleichzeitig hervorgerufen, wenn es für das Universum wichtig ist. Viele Bilder, die spontan in Visualisationen auftauchen, sind Archetypen. Sie sind nützlich für die Weiterentwicklung und Veränderung des Menschen. Die mentalen Bilder, die im Inneren oder im Äußeren zu uns hinabsteigen, sind die einzige Realität, die wir besitzen. Wenn wir mit der Seele arbeiten, erwecken wir alte Geschichten, und es ist möglich, mit der unbewußten Seite der menschlichen Existenz in Kontakt zu treten, mit dem Geist, der das Wesen in unendlichen Spiralen umgibt.

F.L.: Gibt es große Veränderungen im Leben, wenn ein Mensch sich auf spirituelle Erfahrungen einläßt?

B.G.: Eine äußere Veränderung im Leben kann jeder herbeiführen, wichtig ist aber die innere Transformation. Nach meinem tiefen Kontakt mit der spirituellen Welt gab es sicherlich auch Veränderungen in der äußeren Welt, aber nicht wirklich radikale. Ich denke, Transformation muß nicht mit radikalen Veränderungen im äußeren Leben einhergehen. Als Journalistin habe ich für große Zeitungen und für das brasilianische Fernsehen gearbeitet. Die spirituelle Option hat jedoch niemals meine Karriere als Journalistin beeinträchtigt. Im Gegenteil: Durch den Journalismus wurden mir Möglichkeiten eröffnet, viele dieser Wege zu erleben. Aber es ist nötig zu fühlen, in welcher Welt die anderen leben, und sich zu vergegenwärtigen, daß nicht jeder in solchen Höhen fliegen will. Verschiedene Menschen sprechen unterschiedliche Sprachen.

Fragen: Worum geht es in Deinem Buch "Die Hexen, die in uns leben"?

B.G.: Das Buch berichtet über meine Reisen in die schamanische Welt. Es handelt sich dabei nicht um Phantasie. Alles, was ich in diesem Buch erzähle, habe ich mit dem inneren Auge gesehen. Ich hatte Vertrauen in die Intuition und tauchte in meiner einsamen Suche in eine Welt ein, in der ich wirklich geboren wurde, gelebt und überlebt habe. Ich bin durch viele verschiedene Initiationen gegangen, in Mexiko, auf den Osterinseln, auf Haiti und in Brasilien. Während ich schrieb, gab es Episoden, in die Phänomene des psychischen Schreibens auftraten. Ich schrieb schneller, als ich denken konnte, und diese Form des Denkens nahm zu. Ich wurde zu einem Medium gebracht, zu Dirce Guedes de Azevedo Gomes; sie lebt in einer Stadt in Inneren des Staates von Sao Paulo in Brasilien. Mit ihrer Hilfe fing ich an, diese Phänomene zu studieren. Wer mein Buch liest, wird merken, daß ich nicht vorschlage, einem bestimmten System zu folgen, sondern lebendige Erfahrungen vermitteln will. In jedem Fragment, in jeder Geschichte ist die Struktur des Ganzen enthalten. Immer bin ich die Erzählerin am Lagerfeuer und gleichzeitig gute Zuhörerin. Die Navajo interpretieren das Erzählen und das Zuhören von Geschichten als Heilung, als Orientierung in der Komplexität des Lebens. Jeder erzählt seine eigene Geschichte, die meinige gab mir der Wind. Der Wind bläst, wohin er will - deshalb der Name "Die mutig mit dem Wind zieht".

F.L.: Im Juni dieses Jahres wird der französische Herausgeber Guy Tredaniel das Buch herausbringen. Baby, ich hoffe sehr, daß Du im Juni auch nach Berlin kommen kannst! Vielleicht erscheint Dein Buch demnächst ja auch auf Deutsch. Danke für das Interview.

Farah Lenser ist Mitbegründerin des Berlin IONS (Institute of Noetic Sciences) CoLab; sie erforscht seit vielen Jahren die Phänomene der außergewöhnlichen Wahrnehmungen und vermittelt Begegnungen mit Baby Garroux. http://berlinoetics.de, farahlenser@web.de

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