Friedensnobelpreis für Wangari Maathai

Wangari Maathai


Ein Porträt von Leila Dregger

Um es gleich zu sagen: Dieses Mal hat das Nobelpreis-Komitee die Richtige gewählt. Ganz Nairobi feierte auf den Straßen in dieser Nacht des 8. Oktobers 2004. Was mochten jetzt ihre vielen Gegner denken: Ex-Präsident Arap-Moi, der sie viele Male verhaften ließ, Polizisten, die sie auf sie einschlugen, als sie sich schützend vor den Regenwald stellte, Parlamentarier, die sie mit „Shame, shame“-Sprechchören zum Schweigen bringen wollten, Frauenverbände, die ihre Widerworte gegen die Männerwelt skandalös fanden, und nicht zuletzt ihr Ex-Ehemann, der sie und ihre drei Kinder verließ, weil sie „zu eigensinnig und zu schwer zu kontrollieren sei“.

Wenn der schwarze Kontinent selbst, seine Erde, seine geschundene Natur und vor allem die afrikanischen Frauen eine Kraft hätten hervorbringen wollen, die ihr Anliegen auf die Weltbühne trägt, dann hätten sie keine passendere Gestalt erschaffen können als Wangari Maathai. Man kann sie lächerlich machen, verleumden oder einsperren – und tat dies auch alles – aber eines konnte man nie: sie überhören oder übersehen. Bei allen Preisen und Ämtern, die sie erhielt: Ihr eigentliches Mandat und ihre Autorität bezieht sie aus einer viel tieferen Quelle.

Wenn sie einen Saal betritt, mit wogender Langsamkeit, gekleidet in traditionelle Gewänder, kann sich auch der Verschlafenste ihrer Präsenz nicht entziehen. Dunkel ist sie, fast schwarz ihr Gesicht, tief und rollend ihre Stimme, wenn sie mit unanfechtbarer, wissenschaftlicher Argumentation und gleichzeitig großer Leidenschaft über Afrika spricht. Und dann, im nächsten Augenblick, lacht sie ausgelassen wie ein Kind, das sich unter Freunden fühlt.

Geboren am 1. April 1940 im ländlichen Nyeri ergreift Wangari Chancen, die kaum eine andere afrikanische Frau je bekam: Stipendien für die USA und München in Biologie und Veterinärmedizin. Nach ihrer Rückkehr übernimmt sie eine Professur in Nairobi. Immer wieder ist sie die erste – erste Frau, erste Schwarze, erste Afrikanerin – in einer Position oder einem Amt.

„Mir wurde gesagt, ich solle bescheidener sein. Afrikanische Frauen haben zu gehorchen. Manchmal dachte ich, an mir sei etwas falsch. Aber schließlich wusste ich, dass ich meinen Beitrag leisten muss, egal was andere dazu sagen. Es ist in Ordnung, stark zu sein. Afrikanische Frauen müssen wissen, dass es in Ordnung für sie ist, so zu sein, wie sie sind.“

1977 drücken die vielen Probleme Afrikas auf ihre Seele: das Sterben der Natur, die Ausbeutung durch Konzerne, die wachsende Armut, die Arroganz und Korruption der Verwaltung, die Hilfsgelder in die eigene Tasche steckt, die Machtlosigkeit der Frauen. Sie vor allem sind es, denen die Bürden der Armut aufgeladen werden. Wo liegt die Lösung?

„Ich habe etwas in mir, das mir sagt, da ist ein Problem und ich muss etwas tun. Dieses Etwas ist, was ich Gott in mir nennen würde. Wir haben alle einen Gott in uns: es ist der Geist, der alles verbindet, was auf diesem Planeten lebt. Es ist diese Stimme, die mir aufträgt, etwas zu tun. Und ich bin sicher, dass es dieselbe Stimme ist, die zu jedem spricht. Mindestens mal zu jedem, der sich um das Schicksal der Welt sorgt, um das Schicksal dieses Planeten.“

Es ist wohl dieses Etwas, das ihr an einem Tag, als sie gerade Bäume in ihrem Hinterhof pflanzt, ein inneres Bild eingibt: ein Waldgürtel quer durch Afrika. Die Erkenntnis und der Plan, dem sie in den nächsten 25 Jahren folgen wird, treffen sie wie in Blitz: Die Lösung liegt in dem, was sie gerade tut. Frauen, die Bäume pflanzen. Wo Wald ist, ist Leben. Wo Wald ist, gibt es Holz, Früchte, Wasser, Futter für Tiere. Die Wüstenbildung geht zurück; und im Schatten der Bäume gedeiht das soziale Leben der Gemeinden. Und es sind die Frauen selbst, die, obgleich zurückgedrängt in Haus und Hof, dieses Wunder bewirken können.

Wangari reist durch Afrika und die Welt und spricht. Über Umwelt, Frauen, Wasser und immer wieder Bäume. Tausende lernen auf Seminaren die Zusammenhänge der Natur, Anbautechniken, Hilfe zur Selbsthilfe. 30 Millionen Bäume – und Hoffnung in unendlich vielen Herzen – das ist die Bilanz des Green Belt Movement bis heute. Wangari wird zur Identifikationsfigur afrikanischer Frauen. Sie nennen sie „Mutter der Bäume“.

Und sie gerät an Grenzen. Während an einem Ort Bäume gepflanzt werden, werden anderswo ganze Urwälder gerodet. Die autoritäre Regierung von Arap-Moi plant ehrgeizige Flughafenprojekte, die westlichen Regierungen unterstützen ihn, damit transnationale Konzerne Blumen und Kaffee nach Europa und USA fliegen können, die auf Feldern angebaut werden, von denen bisher Kleinbauern lebten, denen nun nichts mehr bleibt. Wangari Maathai macht sich zur Anwältin der Ärmsten, benennt die Zusammenhänge, wird mehr und mehr politisch und bekommt das System zu spüren.

"Gott-gesandte Schwierigkeiten“ nennt sie es, als Soldaten ihr Büro schließen. Sie nimmt ihr vierzigköpfiges Team als „ihre große Familie“ zum Arbeiten nach hause. Sie wird verhaftet und verprügelt, als sie sich schützend vor einen Wald stellt – und versteht es virtuos, diese Bilder für ihre Öffentlichkeitsarbeit zu nutzen.

Auch wenn Wangari Maathai bei den Präsidentschaftswahlen 1997 noch unterliegt, so muss Arap-Moi auf seine Prestigeobjektive verzichten. Im Dezember 2002 wählt Kenia mit überwältigender Mehrheit das Oppositionsbündnis. Der neue Präsident Mwai Kibaki benennt Wangari Maathai zur stellvertretenden Umweltministerin.

Auch heute noch sagt sie, was sie denkt, und das unterscheidet sich oft von dem, was als politisch korrekt gilt – sei es über AIDS, über das Bevölkerungswachstum, über Entwicklungshilfe oder die Rolle von Frauen. Bleibt zu hoffen, dass die vielen Preise, die die 62-Jährige gewinnt, sie nicht „wegloben“. Denn Mama Afrika wird nur eine Zukunft haben, wenn wir – hier in Europa – lernen, anders zu leben.

“Europäer gehen lieber als Friedenstruppen in kriegsgeschüttelte Länder oder schauen sich Bilder von ausgemergelten Menschen mit Aids an, als die Entscheidungen zu treffen, die tatsächlich eine Veränderung der wirtschaftlichen Zustände bewirken würden. Die Weltgemeinschaft genießt den Reichtum Afrikas in Form von Tee, Kaffee, Blumen, tropischen Früchten und Nüssen. Hilfe für Afrika kommt in Form von Nahrungsmitteln, Flüchtlingslagern und Friedenstruppen. Hilfe in Form von Ausbildung, Entwicklung der Infrastruktur, Förderung eines eigenen Unternehmertums und kreativer Entwicklungen wird kaum geleistet. Es gibt auch kein Geld für die Entwicklung ihres spirituellen, persönlichen Potentials, aus dem kreative Lösungen hervorgehen könnten.“

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