Eine zweifelhafte Gleichberechtigung

erschienen in: die tageszeitung, TAZ, 1. August 1994.
Autorin und © Ute Sprenger

Das Zoekalkondom aus dem Blinddarm von Schafen, das bis in die späten zwanziger Jahre auch in Deutschland von Männern benutzt wurde, war nach den Aussagen des Arztes E.C.A. Meyenberg - wenn es denn von drei Monaten alten Tieren kam - recht angenehm zu tragen und zudem sicher, unschädlich und auch noch waschbar und wiederverwendbar. Als es mit moderner Technik möglich wurde, billigere Gummikondome zu produzieren, die allerdings das Glied gehörig einquetschten und darüberhinaus wegen minderer Qualität nicht selten platzten, beklagte der Berliner Arzt, das Gummikondom habe "stark dazu beigetragen, den Gebrauch des Kondoms überhaupt in Misskredit zu bringen." Die meisten Männer hätten einmal Versuche damit angestellt und es dann frustriert aufgegeben.

Davon hat sich die Männerwelt, obwohl doch die Qualität von Kondomen seither wesentlich verbessert wurde, offenbar bis heute nicht erholt. Denn nachdem die modernen Kontrazeptiva die seit den 50er Jahren konstruiert wurden, - Pillen, Spiralen, Injektionen, Implantate und im Entwicklungsstadium die Immunisierung gegen Schwangerschaft -, nur an Frauen gerichtet waren, wollen die Verhütungsforscher heute ihren Geschlechtsgenossen die Gleichberechtigung in dieser Frage bringen. Nicht die Verhütung mit überschaubaren Mitteln ist gefragt, auch Männer sollen bald schon in den zweifelhaften Genuss der medikamentösen HighTech-Kontrazeption kommen.

Mit hormonellen Injektionen und Implantaten wurde bereits in klinischen Versuchen die Spermienzahl im Ejakulat von Männern vermindert. Da die Spermienproduktion in einer der Versuchsreihen mit dem Hormon Testosteron Enanthat allerdings bei einem Drittel der Männer nicht vollständig unterdrückt werden konnte, untersucht die WHO nun in einer Anschlussstudie bis Ende 1994, ob schon eine reduzierte Anzahl von Samenzellen zur Empfängnisverhütung ausreicht.

Dass hierbei auch die Partnerinnen der männlichen Probanden als Teil der Versuchsreihe gesehen werden und dass sie die Konsequenzen der experimentellen Nicht-Verhütung tragen, bestätigt indirekt der Münsteraner Professor Eberhardt Nieschlag, der im Rahmen der WHO-Forschung auch an dieser männlichen Kontrazeption arbeitet. Nieschlag verbucht es als Erfolg, dass die Studie "bisher nicht wegen zu vieler Schwangerschaften abgebrochen werden musste".

Auf der Suche nach einer reversiblen Sterilisationsmethode wurden in China die Samenleiter von Männern mit einem kleinen Stöpsel verstopft. Und beim Population Council laufen Experimente, bei denen die Spermienreifung und die Produktion von Testosteron mit einer "Impfung" in der Hypophyse blockiert wird. Weil Testosteron für die Muskelbildung und die Manneskraft wichtig ist, wird hier mit einer kleinen Dosis eines synthetischen Androgens dem Verlust der Lust entgegengewirkt. Diese Immunisierung soll bis zu einem Jahr anhalten und kann dann bei Bedarf aufgefrischt werden.

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