Tipps für Hochstapler: Anleitung zum Betreiben einer Ein-Person Pseudo-Organisation

Zunächst noch ein wichtiger Hinweis. Dieser Text ist keine Anleitung zum Erkennen von Hochstaplern. Zwar wurde dieser Text aus den Erfahrungen mit potentiellen Hochstaplern aus dem In- und Ausland gebildet - insgesamt mindestens 10 Verschiedene. Es gibt jedoch kein Beweis, daß diese Personen tatsächlich Hochstapler sind. Das liegt daran, daß es nur sehr schwer ist, zu beweisen daß etwas "nicht existiert" bzw. "nicht vorhanden" ist. Nur weil jemand Sätze und Formulierungen verwendet wie ich sie präsentiert habe, bedeutet es nicht, daß dahinter tatsächlich heisse Luft steckt. Man sollte immer aktiv recherchieren (z.B. in Gerichtsakten) und sich dann eine Meinung bilden.

Nun aber los: Anleitung zum Betreiben einer Ein-Person Pseudo-Organisation

Gründe eine Organisation die Lobby-Arbeit macht. Wichtig: die Organisation muß einen bombastischen Namen haben, also nicht etwa "Protestverein Nürtingen-Süd", sondern "Europäischer Pazifikverein 1902", "Bundesverband für Steuergerechtigkeit", oder "Institut für soziale Verbesserung", "Arbeitskreis für Demokratische Grundsatzforschung", "Zentralrat für Sozialforschung" oder was auch immer - auf jeden Fall nicht das, was tatsächlich angestrebt wird. Falls diese Namen schon vergeben sind, nimm halt einen anderen.

Natürlich muß es nicht "in echt" ein "Bundesverband" oder ein "Institut" sein. Es reicht daß Du so tust als sei es eine gigantische Organisation. Erfinde Unterorganisationen, also z.B. "Landesverband Westsachsen" oder "Landesverband Rheinland-Pfälzische Schweiz" (Aber Vorsicht: die Gegend muß tatsächlich existieren!). Füge noch "Trägerkreise", "Arbeitskreise", "Gremien", "Beratungskreise", "Arbeitsgruppen", "Ausschüsse", ein "Kuratorium", "Förderkreise" und vieles mehr hinzu. Ausnahme: "Stammtische". Denn solch eine Bezeichnung würde dazu führen, dass Deine Kritiker was von "Stammtischniveau" lästern.

Versuche irgendwelche Tagesthemen auszunutzen. Also wenn z.B. ein Flugzeug abstürzt, oder Deutschland wieder bei PISA schlecht aussieht, verschicke eine Pressemitteilung die versucht ein Zusammenhang herzustellen mit Deinem Anliegen.

Die Pressemitteilungen müssen geschickt formuliert werden. Also nicht irgendein Gefasel, sondern es sollte eine gewisse Professionalität haben. Schreib also nicht "______ wurde beobachtet", sondern:

"Auf Antrag des Vorsitzenden vom Ortsverband Hannover beschloß der Vorstand in namentlicher Abstimmung, eine Aktennotiz über den Vorgang ______ anzufertigen und auf die Tagesordnung der nächsten Sitzung des Unterausschusses für ______ zu setzen".

Auch der Gebrauch gewisser Joker-Schlagwörter ist gut: "juristisch", "Aktenkundig", "Aktenvermerk", "Menetekel", "demokratisch", "Nachhaltigkeit", "Handlungsbedarf", "Diskurs", "Narrativ", "Ganzheitlich", "Paradigmenwechsel", "Dichotomie", "Hermeneutik", "postmodern", "Dossier", "forensisch", "rechtsstaatlich", "teleologisch", "pragmatisch", "empirisch". Übertreib's aber nicht, und informier Dich vorher, was das Wort annähernd bedeutet - so blamierst Du Dich nicht, falls ein Leser es kennt. Das Wort "Reformstau" ist zum Beispiel aufgebraucht. Gleiches gilt für die Unsitte, Texte mit den Worten "Im Zeitalter zunehmender Globalisierung..." zu beginnen, weil dadurch die Gefahr entsteht, daß man Dich als "Globalisierungskritiker" sieht, also jemand, dem es noch nicht aufgefallen ist daß es internationales Unternehmertum schon über 100 Jahren gibt. Auch "Klimawandel" ist zu vermeiden, weil zu viele Leute dies inzwischen als Panikmache und Propaganda empfinden.

Beschaffe Dir Rückhalt in der Bevölkerung. Verkünde daß täglich besorgte Steuerzahler anrufen und euch in eurer Arbeit stärken. Ob tatsächlich jemand anruft spielt keine Rolle, denn wer kann Dir schon das Gegenteil beweisen? Dein Anrufer darf also mal ruhig eine bedeutende Person sein; solange Du keinen konkreten Namen nennst kann keiner etwas überprüfen. Oder unterhalte Dich mal mit Deinem Bäcker oder Friseur, und verkünde dann "Aus Gesprächen mit Handwerkern hat sich klar herauskristallisiert, daß....". Du kannst aber auch den Kontakt mit Lokalpolitikern suchen (am besten klappt dies im Wahlkampf) und sie für Deine Zwecke nutzen. Lass Dich mit Ihnen fotographieren.

Übe Dich auch als Denunziant. Mache Strafanzeigen. Verkünde dann, daß die Staatsanwaltschaft "ermittelt". Daß Deine Strafanzeige haltlos ist und das Verfahren eingestellt wird, spielt keine Rolle, denn das verrätst Du natürlich niemals!

Auch sinnlose Aktionen sind groß herauszustellen. Also: Petition, Brief an den Bundespräsidenten, an den Bund der Steuerzahler, Amnesty International, Beschwerde beim Europarat, bei der Europäischen Kommission für Menschenrechte, bei der Helsinki Kommission, bei Human Rights Watch, bei den Vereinten Nationen etc sind sinnvoll solange Du es nur lautstark verkündest, auch wenn es in der Sache totaler Quatsch ist und solche Schreiben umgehend in den magischen Zylinder wandern. Entscheidend ist darüber zu schreiben. Und natürlich sind Deine Beschwerden umfangreich. Sie haben nicht 3 Seiten, nicht 20 Seiten, sondern es sind z.B. "sechs schwere prall gefüllte beweiskräftige Aktenordner". Und du schickst sie nicht per Post, sondern Du überreichst sie persönlich, und stellst dies gross raus, auch wenn der Empfänger nur ein gelangweilter Pförter ist.

Solltest Du doch mal eine Antwort bekommen, stelle sie groß heraus, auch wenn es nur ein Standard-Text ist. Wichtig ist daß Du so tust, als würde Dich jemand beachten.

Was sich ebenfalls empfiehlt, ist der Gebrauch einer Zitate-Sammlung, also ein Buch welches fertige Zitate zu jedem Thema liefert. Dann kann in der Pressemitteilung z.B. stehen: "Schon ____ sagte in seinem bedeutenden Werk ____: _______". Besonders gut ist es, wenn das Zitat nicht von jemand ganz Bekannten stammt, also Goethe oder Shakespeare, sondern von jemand den nicht jeder liest, aus dem nicht so bekannten Ausland. Also z.B. jemand aus Polen, Portugal, Chile, etc. Damit erweckst Du den Eindruck, Du seiest ein literarisch gebildeter Weltbürger, auch wenn Deine "Bibliothek" in Wirklichkeit nur aus Versandhauskatalogen besteht, und Du glaubst "Belletristik" sei eine Kosmetik-Marke, und Deine "Weltreisen" nichts anderes sind als Kreuzfahrten oder "all inclusive" Club-Urlaub abgeschirmt von der örtlichen Bevölkerung.

Auch gut sind Zitate von Politikern, die jeder achtet, aber die tot sind und sich somit nicht gegen Dich wehren können. Also Willy Brandt oder Konrad Adenauer. Sie sind Deine "Unterstützer" in der Politik!

Auf keinen Fall in einer Pressemitteilung Leute zitieren, die schon einschlägig als Vertreter merkwürdiger Positionen bekannt sind - laß also Leute wie Grass, Besier, Kratz, Lafontaine, Bosbach oder Ulfkotte aussen vor.

Wenn Du irgendwann bekannter wirst, kannst Du versuchen, echte ehemalige Politiker einzuspannen. Am leichtesten sind Ehemalige die es nicht geschafft haben, eine "Arbeit" bei Gazprom, Landesbank oder in einem Wirtschaftsverband abzugreifen. Sie werden sich freuen, überhaupt noch beachtet zu werden. Organisiere Veranstaltungen mit ihnen. Deine dort vorgetragene Propaganda ist nicht nur eine "Rede", sondern ein "Seminar", und Du nennst Dich dann "Dozent", obwohl Du eine Universität noch nie gesehen hast. Nicht einmal von aussen. Als Raum mietest Du nicht etwa das Hinterzimmer einer Kneipe, sondern einen Raum in einem edlen Hotel. Solche Hotels bieten Räume in jeder Grösse für Leute wie Du. Und Du kannst Eintritt verlangen. Falls Du etwas Geld hast, kaufe einen heruntergekommenen Bauernhof und bezeichne das Grundstück als "Campus".

Unbedingt zu vermeiden sind Auseinandersetzungen im Internet. Es gibt genug Leute, die Deinen Standpunkt nicht teilen, und die mit nur wenig Recherche schnell aufzeigen werden, daß Deine Organisation nichts anderes als heiße Luft ist. Darin liegt eine große Gefahr, weil Du dann in der Öffentlichkeit als Schaumschläger enttarnt würdest. Falls Du also ein Blog betreibst, dann lass auf keinen Fall kritische Kommentare zu. Verschaffe Dir lieber ein paar Claqueure, z.B. einsame Leute die sich freuen überhaupt beachtet zu werden.

Sei Journalist. Gebe Deine eigenes "Magazin" heraus. Es sollte professionell aussehen, also nicht "selbst kopiert". Darin schreibst Du dann "Reportagen" mit Deinen Theorien. Gewöhn Dir eine entsprechende Sprache an. Du hast nicht etwa Gerüchte beim Friseur aufgeschnappt oder gar selbst verbreitet, sondern Du hast eine "Hintergrundrecherche in der Handwerker-Szene" gemacht und bist auf "brisante Informationen" gestossen. Du hast nicht Unterlagen anonym oder aus dubiosen Quellen erhalten oder gar selbst geklaut - Du hattest "Akteneinsicht".

Du hast keinen Termin, Du hast einen "Einsatz".

Falls Du mit dem Auto zum Supermarkt gefahren bist und dabei durch eine häßliche Gegend gefahren bist, dann waren es "intensive standortübergreifende Recherchen bei Handel und Industrie".

Falls Du durch eine Polizeikontrolle aufgehalten wurdest, dann hattest Du eine "Besprechung mit Experten aus dem Gebiet Personen- und Objektschutz".

Solltest Du nicht allzuweit von einer Grenze wohnen und zum Tanken ins Ausland fahren, dann machst Du sogar "länderübergreifende Recherchen". Falls Du bei Deinen "Recherchen" ein Unfall hattest, schreibst Du darüber mit dem Hinweis daß "Manipulationen am Auto nicht ausgeschlossen sind", und daß sich die "Werkstatt den Unfall nicht erklären kann", auch wenn Du weisst, daß es nur daran liegt daß Du aus Geldmangel die Inspektionsintervalle nicht beachtet hast. Daß Du - ebenfalls aus Geldmangel - Dein Auto von "Atze und Kalle" reparieren läßt, verrätst Du natürlich ebenfalls nicht.

Falls Du einen Brief zur Post gebracht hast, dann hast Du Dich "in der Logistik-Branche erkundigt".

Falls Du in einer Bar warst, dann hattest Du einen "Workshop mit Kontakten aus der Wirtschaft". Falls es zu einer Schlägerei kam, dann war der Workshop "kontrovers". Wenn sich die Schlägerei dadurch beendet hat, daß Ihr am Ende alle umgekippt seid, dann muss es heissen: "Die Meinungen auf dem Workshop waren kontrovers, doch am Ende waren sich alle einig".

Falls Du (erfolglos) künstlerisch tätig bist, dann hast Du nicht nur ein "Büro", sondern auch ein "Atelier". Du kannst Deine "Kunstwerke" dann fotographieren, am Farbdrucker ausdrucken und sie fortan Deinen Lesern "exklusiv" als "limitierte Auflage" oder gar als "streng limitierte Auflage" mit "Wertsteigerungspotential" verkaufen.

Wenn es im Zusammenhang mit alledem zu juristischen Problemen kommt, benutze immer die Mehrzahl.

Falsch: Die Sache habe ich meinem Schwager gegeben, der ist Anwalt.

Richtig: Wir haben uns entschlossen, den Vorgang unseren Anwälten zur ausführlichen juristischen Prüfung zu überlassen.

Grundsätzlich gilt, Du bist Teil einer grossen Gruppe, und Du beschäftigst mehrere Anwälte.

Und weil das alles so anstrengend ist, machst Du Urlaub. Und schreibst darüber. Natürlich warst Du nicht auf Pauschalreise in einer spanischen Beton-Burg, sondern Du warst "auf Deiner Finca". (Für anderen Gegenden lauten die notwendigen Wörter: Hacienda, Ranch, Chalet, etc)

Viel Erfolg beim Hochstapeln!


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