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HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT

URTEIL

IM NAMEN DES VOLKES

7U128/97
324 O 21/94

Verkündet am:
10. Februar 1998
xxxxx
Justizangestellte
als Urkundsbeamtin
der Geschäftsstelle

In dem Rechtsstreit

Klägerin,
Berufungsbeklagte

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

gegen

  1.  
  2.  
Beklagte,
Berufungskläger,

Prozeßbevollmächtigte: Rechtsanwälte

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 7. Zivilsenat, durch die Richter

Philippi,     Kleffel,     Dr. Raben

nach der am 20. Januar 1998 geschlossenen mündlichen Verhandlung für Recht erkannt:

SB

Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

Die Anschlußberufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin 88%, die Beklagten tragen je 6%.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, und zwar für die Beklagten gegen Sicherheitsleistung von je 5.000,- DM, für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung von je 6.000,- DM.

Entscheidungsgründe:

1. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet.

Zu Recht und mit zutreffender Begründung, auf die verwiesen wird, hat das Landgericht den geltendgemachten Unterlassungsanspruch überwiegend für nicht begründet erachtet. Das Berufungsvorbringen der Klägerin bietet keinen Anlaß zu einer anderen Beurteilung.

Wie das Landgericht im einzelnen ausführt, handelt es sich bei den beanstandeten Äußerungen, hinsichtlich derer die Klage zurückgewiesen worden ist, nicht um Tatsachenbehauptungen, sondern um Meinungsäußerungen, so daß ein Unterlassungsanspruch allenfalls aus §§ 1004, 823 Abs.2 BGB, 185 StGB herzuleiten wäre.

Zwar handelt es sich bei diesen Äußerungen, insbesondere angesichts der exponierten Stellung der Klägerin im öffentlichen und politischen Leben, um eine äußerst scharfe und aggressive Kritik. Das Verhalten der Beklagten stellt sich jedoch deshalb nicht als rechtswidrig dar, weil es insoweit durch die in Artikel 5 Abs. 1 des Grundgesetzes garantierte Meinungsfreiheit gedeckt ist, wobei dieses Grundrecht auch für den Beklagten zu 1) als inländische juristische Person gilt (Art. 19 Abs. 3 GG). Die beanstandeten Äußerungen sind nämlich im Rahmen eines öffentlichen Meinungskampfs gefallen, der auch von der Klägerin selbst mit erheblicher Schärfe geführt wurde. Hierbei ist es nach Meinung des Senats unerheblich, in welcher Funktion die Klägerin ihrerseits den Beklagten zu 1) in der Öffentlichkeit kritisiert hat, und ob sie ihre Äußerungen noch während ihrer Tätigkeit als Bürgerschaftsabgeordnete, oder als Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology in der Innenbehörde getan hat. Die Angriffe der Beklagten richten sich nämlich gegen die Klägerin selbst, die - in unterschiedlichen Funktionen - vielfach öffentlich den Beklagten zu 1) kritisiert hat, wobei sie diesen u.a. als "mafiaähnliches Unternehmen" und als "kriminelle und faschistoide Vereinigung" bezeichnet hat, von der Deutschland zu befreien sei.

Dem Recht zum "Gegenschlag" steht auch nicht die Tatsache entgegen, daß die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Leiterin der Arbeitsgruppe Scientology angegriffen wird, was letztlich zur Störung der Funktionsfähigkeit dieser Arbeitsgruppe führen kann. Das Recht zur öffentlichen Kritik an Personen, die öffentliche Ämter ausüben, gehört, soweit nicht die Grenzen unberechtigter Schmähkritik überschritten werden, zu den durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierten demokratischen Rechten, soweit die Kritik in einem inhaltlichen Zusammenhang mit der ausgeübten amtlichen Tätigkeit steht.

Wie das Landgericht weiterhin zutreffend ausgeführt hat, handelt es sich bei den Äußerungen der Beklagten nicht um eine reine Schmähung, bei der die Absicht, zu verletzen, stärker hervorträte als die Absicht, eine Meinung zu äußern. Bei der gebotenen Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin und dem Recht der Beklagten auf freie Meinungsäußerung würde allerdings dann dem Persönlichkeitsschutz der Klägerin der Vorrang zukommen (vergl. hierzu Wenzel, Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl. Rn. 5.87 m.w.N.). Dies ist hier trotz der offensichtlichen Übertreibungen und Überspitzungen der Beklagten schon deshalb nicht anzunehmen, weil die Äußerungen - so unberechtigt sie auch sein mögen - zumindest tatsächliche Bezugspunkte haben, die mit der Kritik aufgegriffen und bewertet werden.

Da der Beklagte zu 1) für sich in Anspruch nimmt, eine Religionsgemeinschaft zu sein, ist es konsequent, wenn er Maßnahmen, die sich gegen ihn richten, als grundgesetz- und menschenrechtswidrig anprangert und jede gegen ihn gerichtete Äußerung als amtsmißbräuchlich und Verletzung des staatlichen Neutralitätsgebotes bewertet.

Dasselbe gilt für die Anschuldigung der Verletzung des Datenschutzgesetzes. Unstreitig hat die Arbeitsgruppe, der die Klägerin vorsitzt, eine Datei angelegt, in der Mitglieder oder mutmaßliche Mitglieder des Beklagten zu 1) aufgelistet werden, und aus der auf Anfrage Auskünfte erteilt werden. Auch wenn diese Datei und der Umgang mit ihr dem Datenschutzgesetz entspricht und von dem Hamburgischen Datenschutzbeauftragten gebilligt worden ist, stellt sich die andere rechtliche Bewertung dieser Vorgänge durch die Beklagten im Rahmen der öffentlichen Auseinandersetzung auch in der gewählten drastischen Form als von der Meinungsäußerungsfreiheit gedeckt dar.

Auch der Vorwurf, die Klägerin habe widerrechtliche Boykottaufrufe herausgegeben, stellt keine unerlaubte Schmähkritik in diesem Rahmen dar, da der öffentliche Hinweis auf die Möglichkeit einer Vertragsklausel, mit der der jeweilige Unterzeichner erklärt, nicht nach der Technologie L. Ron Hubbards zu arbeiten, tatsächlich eine Empfehlung der Klägerin darstellt, wie Vertragsabschlüsse mit Anhängern der Scientology Church vermieden werden können, somit wie diese boykottiert werden können. Auch wenn es sich hierbei nicht um Aufrufe im eigentlichen Sinne handelt, stellen diese Vorgänge doch hinreichende Anknüpfungspunkte dar, um der Klägerin einen solchen - überspitzt formulierten - Vorwurf zu machen, ohne damit die Grenzen unzulässiger Schmähkritik zu überschreiten.

Die Berufung der Klägerin ist daher nicht begründet.

2. Die Anschlußberufung der Beklagten ist gleichfalls nicht begründet.

Auch insoweit zu Recht hat das Landgericht die Anschuldigung der Beklagten, der Klägerin sei eine Falschaussage vor Gericht vorzuwerfen, als Tatsachenbehauptung angesehen und einen Unterlassungsanspruch nach § 1004, 823 Abs. 2 BGB, 186 STGB für begründet erachtet.

Daß die Klägerin sich einer derartigen strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, haben die Beklagten auch in zweiter Instanz nicht dargelegt und unter Beweis gestellt.

Zur Feststellung einer Falschaussage könnten ohnehin nur solche Vorgänge herangezogen werden, die sich zeitlich vor Herausgabe der Presse-Information vom 6.2.95 ereignet haben, somit allenfalls die Aussage der Klägerin vor dem Amtsgericht Hauburg vom 13.1.94. Daß die dortige Aussage falsch war, ist jedoch nicht dargetan. Insbesondere liegt in der Aussage der Klägerin, sie habe die Anzeige im eigenen Namen, und nicht im Namen der Fraktion erstattet, kein Widerspruch zu ihrer Erklärung vom 4.12.92, sie habe als rechtspolitische Sprecherin der Bürgerschaftsfraktion Strafanzeige erstattet. Auch mit der letztgenannten Erklärung hat die Klägerin nämlich nicht behauptet, im fremden Namen für die Fraktion gehandelt zu haben.

Soweit sich die Beklagten des weiteren auf die nach ihrer Behauptung unrichtige eidesstattliche Erklärung der Klägerin vom 20.2.95 sowie auf eine spätere eidesstattliche Erklärung vor dem Landgericht Düsseldorf berufen, ist dieser Vortrag im übrigen auch deshalb unerheblich, da eine eidesstattliche Erklärung nicht gleichzusetzen ist mit einer Falschaussage vor Gericht, so daß auch aus diesem Grund der Frage der Richtigkeit dieser Erklärungen nicht nachzugehen ist. Die Anschlußberufung ist daher zurückzuweisen.

3. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 92, 709 S. 1 ZPO.

Philippi         Kleffel         Raben