Kino: Rudolf Thomes "System ohne Schatten"
Schach zu dritt


Zu den Fans seiner Filme habe ich nie gehört, aber ich lese - und das ist keine Herabsetzung - seine Filmkritiken mit Begeisterung. Darin ereignet sich immer etwas, was ich in Thomes Filmen oft vermißte: die beiläufige Annäherung eines schüchternen Liebhabers an das Medium, die keine Absichtserklärung ist, sondern ein Entwurf aus Nebenlinien wird. Seitdem er Filme macht, ist er der Filmkritik treu geblieben wie sie ihm. In unserem System, mit Schatten, wird der Übergang vom Schreiben zum Filmen nur als Einbahnstraße nach oben geduldet. Thome fährt, das ist sein Abenteuer, in beide Richtungen.

Soweit man sieht, hat er kaum Gegner und viele Komplizen in der Filmkritik. "Die vier langen Spielfilme, die Thome ab 1968 drehte ( ... ) sind Kino in einem ein emphatischen Sinn wie sonst fast nichts in Deutschland nach dem Krieg”, schrieb ein Kritiker für "Buchers Enzyklopädie des Films”, mit zuviel Emphase und wenig Bewußtsein geschlagen. Thomes Filme muß man entschieden gegen ihre Liebhaber verteidigen, bevor sie sein Material zu dem weiterspinnen, was sie eben nicht sind, industrielle Serienprodukte oder individuelle Freudenspender.

Seine Filme sind ebenso kalt wie persönlich. Das scheint ein Paradox, das erst durch eine dritte Qualität aufzulösen wäre, die mir bislang fehlte. Das ist die Eleganz des Weitläufigen, die aus Licht eine freie Bahn für die Bewegungen der Gefühle schafft. "System ohne Schatten” - das Drehbuch schrieb Jochen Brunow - ist ein eleganter Film, der mit den Gefühlen, mit Gegenständen, mit Träumen und schließlich auch mit den Kinomythen der Neuen Welt spielt, ohne dem Zuschauer je einen Sinnzwang einzureiben.

Dieser Film, ein Thriller, eine kontemplative Etüde, ein Musikfilm, verhaltene action und unschauspielerische Darstellung, ist kein Genrefilm. Er gleitet ins Ungewisse. Er geht über Eis ohne einzubrechen. Sein Ritt über den Bodensee ist in erster Linie ein Kunststück, nie ein Parforce-Akt. Er nimmt uns mit auf eine Reise von Berlin nach Zürich, bricht auf von einem Ort der Phantasie zum anderen, um die Phantasie dort zu verflüssigen. Aber so stimmt es schon wieder nicht, denn die Reisen werden in den Städten selber angetreten. Der Plan ist schon der Weg. Die Reisenden sind mal hier, mal da. Sie machen aus sich kein Geheimnis und bewahren es sich so.

Ein Computerfachmann (Bruno Ganz) trifft einen mutmaßlichen Dealer (Hanns Zischler) und eine Schauspielerin (Dominique Laffin) in dessen Begleitung. Drei Spielernaturen schließen einen Pakt. Jeder tut das Seine und hat Spaß am anderen. Die Liebe zum Geld eint sie. Bruno Ganz heißt "Faber” und Hanns Zischler wird "Melo” genannt. Die Schauspielerin sagt von sich: "Ich bin die Frau, die weint. Ich weine viel.” Dominique Laffin spielte die Hauptrolle in Jacques Doillons Film "Die Frau, die weint” (1978). Hier erzählt sie Bruno Ganz, wie sie auf der Beerdigung ihrer Mutter gelacht hat. "Melo” steht mitnichten für ein Melodram ein. "System ohne Schatten” ist ein Film der Verzweigungen. Der Computerfachmann heißt zwar Faber, ist aber eher ein Träumer als ein "Macher”. Dieses Trio trifft sich unter falschen Vorzeichen. "Man muß eine Figur opfern, um zu gewinnen”, lautet eine sachbezogene Überlegung von Bruno Ganz über das Schachspielen. Er hat Lust zu verlieren und zu gewinnen.

Zu diesem königlichen Spiel gehören Umsicht und Scharfsinn und eine dritte Qualität, die der Film einsetzt, nämlich die Überlegenheit, das Spielen aufzugeben, bevor es zum bedrohlichen Clinch kommt. Die kleine Liebe, das große Geld, nichts bleibt unentschieden, aber ihr Verhältnis zueinander bleibt in der Schwebe. Da ist auch die Moral kein Zünglein an der Waage. Der Computerfachmann hat Lust daran, den Computer, der eine neue Dimension der Zeit schafft, herauszufordern. Der saubere Coup ist sicher ein Stück weißer Kriminalität. Faber gleitet vom Denksport ein Mordgeschäft. Wenn er sich das klar macht, wird es dunkel um ihn. Verstrickt er sich ins Dunkle, dann eröffnen sich ihm helle Räume.

Dieser Film ist eine Einladung in helle Räume, die mit Neugier betreten werden. Manchmal ist der Raum auch größer als die Geste, die ihn erschließen soll. Wenn Bruno Ganz mit wehendem Mantel durch den Schnee bergan geht, gewinnt sein Schreiten eine Bedeutung, als ginge Empedokles in Richtune Ätna. Zum Glück der Ironie, die derlei Bilder knifft, bricht dann eine Schneeballschlacht die Bedeutsamkeit. Zur Helle gehören Heiterkeit und Weite, wie sie Martin Schäfers Kameraführung bietet.

Ihr eignet etwas, das ich in einer philosophischen Reise durch die Schweiz so beschrieben fand: "Mit objektiver Aufmerksamkeit, die eine Art Höflichkeit auch zu Dinglichem ist, die Welt außerhalb des Ich wahrzunehmen ( ... ), ist Aufgabe einer konkreten Ästhetik.” So gefunden bei Joachim Schumacher: .Leicht 'gen Morgen unterwegs", München, Rogner & Bernhard 1979. Mit "System ohne Schatten« ist Rudolf Thome der konkreten Ästhetik, im Film eine Welt außerhalb des Ich wahrzunehmen, auf eine sehr unaufdringliche Art nahegetreten.

Karsten Witte in Die Zeit, 4.11.83

 

"System ohne Schatten" im Kino
Homo Fabers Vision von der neuen Freiheit


Faber, der Computerfachmann, hat Gefallen an den elektronischen Spielereien gefunden. Sogar mitten in der Nacht sitzt er zu Hause vor dem grün leuchtenden Bildschirm, läßt die Buchstaben und die Zahlen eines Schachprogramms vor seiner Nase tanzen. Wie nur, sinniert er, könnte der Rechner endlich begreifen, daß gelegentlich eine Figur geopfert werden muß, will man eine Partie gewinnen.
Der Mensch und der Bildschirm, der sprachlose Dialog mit dem elektronischen Gegenüber, der Machtkampf mit der Maschine - Rudolf Thome hätte für seinen neuen Film, der denn auch "System ohne Schatten" heißt, kaum ein brisanteres, aktuelleres Thema wählen können. Faber wird bald die Partie seines Lebens spielen: Von einer Großbank sollen mit Hilfe eines eingeschmuggelten Programmfehlers einige Millionen auf ein Schweizer Konto gelenkt werden. Was nicht bedacht war: beim nächtlichen Einbruch in die Bank, der nur dazu diente, den Stromkreis für kurze Augenblicke zu unterbrechen, fallen plötzlich Schüsse, ein Wächter bleibt tot am Boden liegen. Auch das verlockend einfache Spiel mit den elektronischen Systemen hat eine Figur gefordert, die Realität hat Faber schnell wieder eingeholt.
Rudolf Thome und sein Drehbuchautor Jochen Brunow machen den Zuschauer gespannt auf ein Sujet, das sie vom erzählerischen Ausgangspunkt her eine halbe Filmlänge präzise in Szene setzen. Die spröde, unwirtliche Computerwelt ist ihnen allerdings nur der willkommene Hintergrund für eine Kino- und Aussteigergeschichte, wie sie Thome im Grunde schon oft erzählt hat. Diesmal handelt sie von drei Personen, die wie zufällig aufeinander zu und voneinander weggetrieben werden. Blicke, Bewegungen, Berührungen: Im nächtlichen Berlin, von einer Freundin auf eine Vernissage entführt, lernt der Einsiedler Faber Juliet und Melo kennen, die Schauspielerin aus "La femme qui pleure", in die er sich sogleich verliebt, und den undurchschaubaren Spieler, der, erfahren in zweilichtigen Jobs, den stillen Spezialisten Faber leicht ins Schattenreich illegaler Computermanipulationen locken kann. Der Bankraub mit elektronischer Hilfe gelingt.
Das Alltägliche im Wechsel mit dem Außergewöhnlichen: Thome konzentriert das Geschehen in der zweiten Hälfte des Films - die drei müssen aus Berlin fliehen und erwarten die Überweisungen auf das Zürcher Konto - auf eine einsame Hütte in den schneebedeckten Schweizer Bergen. War der Film zuvor spannend, weil er behutsam den trockenen Erfolgsmenschen Faber (Bruno Ganz) porträtierte, in dessen von Elektronik bestimmte Welt mit Juliet (Dominique Laffin) und Melo (Hanns Zischler) die Verheißungen eines anderen, besseren Lebens dringen, so gewinnt die Geschichte fortan ihren Reiz, indem sie die erwartungsvollen Personen mehr und mehr in Beziehungen zueinander setzt. Intrigen, Komplotte, Verschwörungen bleiben jetzt, da Millionen in Reichweite sind, noch weniger ausgeschlossen als zuvor; auch die zunächst klaren Verhältnisse zwischen der Frau und den beiden Männern werden nun zusehends in Frage gestellt. Stimmungen und Spannungen sind jedoch so sparsam angedeutet, daß der Zuschauer die Personen mit eigenen Vorstellungen "füllen" kann.

Thome und Brunow haben - anders als in ihrem gemeinsamen Film "Berlin Chamissoplatz" aus dem Jahre 1980 - Übertreibungen und filmische Platitüden weitgehend vermeiden können, wenn sie auch die Kunst des Beiläufigen nicht immer beherrschen. Martin Schäfer liefert stimmungsvolle, sorgsam ausgeleuchtete Bilder, Thome hat zugleich der musikalischen Inszenierung besondere Bedeutung beigemessen. Der elektronisch manipulierten Stimme Laurie Andersons, die schon die ersten Bilder von Berlin in eine befremdliche Kulisse irdischen Daseins verwandelt, setzt Thome in der Schlußsequenz die fast archaischen Trommelwirbel der Schweizer Fassenacht entgegen. So feiert er denn doch noch die "neue Freiheit" seines Homo Faber, der viel verloren und viel gewonnen hat. Aus dem fast dokumentarisch beginnenden Porträt eines Menschen, einer Tätigkeit, einer Stadt ist - wie das im deutschen Film wohl unvermeidlich scheint - fast klassisches Genre-Kino geworden. Doch ist das Schweben Fabers zwischen dem Universum kalter Ratio und der Vision seines künftigen Glücks auf diese Weise bestechend ausgedrückt. Ein brüchiger, irritierender Film. Einer der besten von Thome.

WOLFGANG WÜRKER in Frankfurter Allgemeine 3.2.84

 

Riskiert, gewonnen
Rudolf Thomes Spielfilm "System ohne Schatten"

Was mich früher an vielen Filmen Rudolf Thomes gestört hat, war die monumentale Einfachheit, mit der er in seinen Geschichten Welt aufnahm. "Monumental" wurde die Einfachheit, weil Dinge und Personen schlicht da waren und von Schweigen umgeben. Das machte sich für den Blick und das Ohr, die aufs vertraute Psychologisieren eingeschworen waren: abweisend, starr, leer, ja fast bedrohlich: Zugleich suggerierte Da-Seien und Schweigen, fingierten Blick-Kontakte: "Bedeutung"; die schien freilich wie künstlich unterdrückt, weggeschnitten (also: zum Suchen hervorgehoben). Ich vermeinte die Anstrengung zu spüren, mit der da der Alltag menschlicher Kommunikation teils stilisiert, teils bewußt vermieden wurde. Um so "bedeutungsschwerer” wurden dann Dialoge - und da sie oft ganz "banal" waren, schienen sie sowohl überflüssig als auch tiefgründig (gemeint). Nicht selten empfand ich sie als unfreiwillig lächerlich.

Es gab noch in Thomes "Berlin Chamisso-Platz" (1980), den er wie jetzt das "System ohne Schatten” nach einem Drehbuch Jochen Brunows gemacht hatte, solche verschraubten Dialoge. "System ohne Schatten" kennt sie nicht mehr: die Dialoge sind hier beiläufig, situationistisch; sie "passen", nicht zuviel, nicht zuwenig; und doch schwingt in ihnen unaufdringlich eine verdeckte Bedeutungsschicht mit: Doppelbödigkeit ohne Hall-Effekt. Diese Mehrdeutigkeiten der Sprache lassen Raum für eine hinreißende, durchgängige Ironie: so nennt das der Kopf, die Empfindung spricht von Zärtlichkeit, wo sie zusammenkommen, entsteht Charme, diskret. Sie versetzen diese Arbeit, der man die Arbeit gar nicht mehr ansieht in das leichte Schweben eines Wachtraums: glasklar und rätselhaft.

Es ist die Ironie eines Gedankenspiels - schließlich geht es um Computer, Schach, Roulette, um Geld, Transfer und Liebe, um ein Dreiecksverhältnis, um raffinierte Pläne und einfache Wünsche - darum: aus dem "System ohne Schatten" auszubrechen. Das ist eine Frage der Phantasie; jedoch zwischen Kurzschluß und Langzeit könnten Zufall und System sich in die Hände spielen.

(Homo) Faber (nicht von Frisch, sondern von Brunow/Thome), also der sich hier ganz von der Bühnenschauspielerei freispielende Bruno Ganz, vermag dem Computer nicht einzugeben, daß man Figuren opfern muß, um ans Ziel zu kommen. Der Computer-Fachmann spielt Schach, und zwar auf diese Art: Deshalb gewinnt er gegen den Könner Melo (Hanns Zischler). Er hat ihn jetzt so flüchtig kennengelernt - auf einer Party -, wie er mit Melos französischer Schauspieler-Freundin Juliet (Dominique Laffin) vor einer Buchhandlung zuvor ein paar Blicke getauscht.

Zufall (wie Faber meint)? Plan (wie Melos wachsendes Interesse an dem Mann suggeriert, der einen lukrativen Zugang zum Bankcomputer herstellen könnte)? Zumindest gibt Melo ihm die Freundin frei, Faber verliebt sich, die leidenschaftliche Roulette-Spielerin fasziniert ihn. Zieht sich da ein Netz zusammen oder ist das der Beginn eines Ausbruchs zu einem neuen Leben? Kristallisiert Liebe oder ein kriminelles Komplott? Wer spielt denn da mit wem und wer wird gespielt?

Der Coup wird so geplant, wie ein überlegener Schachspieler mit seinen Figuren umgeht: Die Energieversorgung der Bank muß unterbrochen werden, dabei fällt der Computer aus, sein Programm ist weg, dann füttert ihn Faber neu und gibt ihm ein paar Impulse ein, aufgrund deren er dann selbsttätig die gewünschten Millionen auf ein Schweizer Konto transferiert.

Die Phantasie mag ja wie ein Computer funktionieren, die Realität tut's eher nach den unbekannten Gesetzen des Roulettes: Beim Einbruch kommt zufällig ein Wachmann den Einbrechern in die Quere, sie ermorden ihn und erpressen das Trio fortan. Der undurchsichtige Melo, der in fremden Wohnungen lebt, hat flugs ein Schweizer Bauernhaus bei der Hand, wohin die drei fliehen können: in Schnee und Abgeschiedenheit, mit Blick auf den Bodensee. Wie der Mörikesche Reiter bewegen sie sich auf dünnem Eis, der Film, der ihnen erzählend folgt: ebenso. Am Ende hat nur einer seinen Beuteanteil: Melo, mit schweinslederner Aktentasche, im Bus - aus den Augenwinkeln heraus sieht er, wie die Gangster Faber im Fond ihres Wagens haben. Sie werden ihn auf dem Dach eines Parkhauses aussetzen, er blickt übers winterliche Zürich, zuletzt lacht er; Juliet, auf dem Flugplatz mit den zwei Flugscheinen, hat die Entführung mitbekommen, starrt vor sich hin: geprellt um Geld und Geliebten.

Computer und Roulette, Plan und Durchkreuzung, Zwang und Spontaneität: nach diesem System einer Spielanordnung "funktioniert" Thomes Erzählen. Es ist bewußt fragmentarisch, beiläufig, knapp; es gibt dem Zuschauer und -hörer die Mittel in die Hand, sich selbst ins Erzählen einzumischen, einer Liebesgeschichte zu folgen, in einen Thriller einzubiegen, an einem Melodrama vorbeizukommen, eine Suspensestory zu ahnen.

Freilich kann es auch sein: man bleibt "draußen" und kommt in die Raffinessen dieses kühlen Spiels mit angedeuteten Motiven wie mit Spielbank-Chips nicht hinein. Dann zerfällt einem, was dem "Mitspieler" sich zu Spielzügen verdichtet; dann wirkt der Reiz, mit dem Thome die Spielanordnung unterminiert oder unterbricht, befremdlich und stumpf. Dabei sind es gerade solche Augenblicke, welche das bekannte Muster der Dreiecks- und Liebesgeschichte irritierend überschreiten: wenn nämlich nicht mehr Juliet, sondern Dominique Laffin von sich erzählt; oder wenn der Computerfachmann Faber mit seiner Freundin Juliet ins Kino geht,weil sie als Dominique Laffin in "La femme qui pleure" ihm vorspielt. Die Ironie wird dabei zurückgebogen: den Film auf der Leinwand sehen wir nur verschwommen, die Brennweite erfaßt einzig das Paar, das da im Kino zu sich kommt, mit Blicken, die Gesten der Liebe sind.

Solche Momente eines plötzlichen Dokumentarismus des Spontanen illuminieren Schauspieler und Geschichte, in der sie spielen: sie treten aus ihren Rollen hervor (und dann wieder in sie zurück). Ebenso verwunderlich und irritierend sind freilich noch ganz andere Sequenzen, die auf den ersten Blick wie Irrläufer aus einem anderen Film in diesen hineingeraten sind: ein Cellist spielt in einem Studio, eine amerikanische Performance-Künstlerin baut ihr elektronisches Material auf und trägt ein Lied vor, eine gespenstisch vermummte Basler Fasnachts-Clique marschiert trommelnd durch eine enge Gasse. Auch ein zweiter Blick kann diese Einbrüche nicht in den Binnenraum der Erzählung integrieren; denn die Personen, die wir kennen, kommen mit diesen "Perforrnances" gar nicht in Berührung.

Gleichwohl sind diese höchst riskanten Einsprengsel schlüssig: sie gleichen Zitaten und Motti, die einer fortlaufenden Prosaerzählung poetische, assoziative Akzente geben. Im "System ohne Schatten" sind es lyrische Ruhepunkte, Momente erzählerischen Innehaltens; möglich daß man sie wie Thome sich das gedacht hat, "stelivertretend für die Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft der menschlichen Kultur" nimmt. Aber da bin ich skeptisch, da wird vielleicht das Eis denn doch zu dünn; und der ehrgeizige Vorsatz, die "Totalität der Computerwelt” (Thome) mit dem Film zu erfassen, scheint mir eher Phantom geblieben zu sein. Jedoch auch ohne diese "Totalität" besitzt das Mobile des "Systems ohne Schatten” genug Spielund Gedankenmaterial, mit dem umzugehen Vergnügen bereitet. (Esplanade)

Wolfram Schütte in Frankfurter Rundschau 27.1.84

 

 

System ohne Schatten

Wenn erzählt wird, geschieht nichts mehr einfach so - ohne Sinn und Verstand.

Ist es ein Film, der Geschichten erzählt, verändert das nur, daß die Buchstaben seiner Sprache: all die abgebildeten Körper von Dingen und Menschen, den Körpern der Wirklichkeit ähnlicher sind - als die Buchstaben der Wort-Sprache. Auch jeder Film, der erzählt, beherrscht: was er erzählt. Auch er überschaut, was möglich ist und was unmöglich. Auch er weist, indem er erzählt, jedem einzelnen Geschehnis einen Sinn zu.

Pier Paolo Pasolini hat davon gesprochen, daß erst der Tod dem Leben "seinen Sinn” gibt. Und davon, daß im Film – "anders als im Leben” - der Sinn einer Handlung "vollendet und dechiffrierbar (ist), als wäre der Tod schon eingetreten.” Im Film ist alles der Zeit unterworfen, die schon vergangen ist: sei es auch durch eine Fiktion« '

Für Pasolini folgt aus der filmischen Beherrschung von Zeit der Zwang, Geschichten zu erzählen. Es gibt keinen Ausweg: Der Tod der Geschichte, der lange vor dem Anfang eines Films eingetreten ist, treibt jeden Film ins Erzählen. Die Narration triumphiert.

Von den wenigen bundesdeutschen Filmemachern, die filmästhetisch noch interessant sind, leisten die meisten dem Zwang zum Erzählen keinen Widerstand. Sie nutzen ihn als Möglichkeit, ihre Geschichte so gradlinig wie möglich zu erzählen. Was auch schön ist.

Ein anderer, Alexander Kluge, nimmt diesen Zwang als Vorwand, alles durcheinanderzubringen, alle Geschehnisse seinen Ideen unterzuordnen. Das bringt, abgesehen von Abschied von gestern, ziemlich schlechte Filme hervor: aber das so originell, daß sie schon wieder gut sind.

Von den ganz wenigen unter den wenigen, die mit all ihrer Phantasie gegen die Dominanz ihrer Geschichten ankämpfen, ohne die Geschichte zu desavouieren, ist Rudolf Thome noch der, der dem Erzählen am ehesten vertraut. Er weiß, daß er erzählen muß; das Erzählen macht ihm auch Spaß. Er weiß aber auch, daß er sich wehren muß gegen den Sog, der ausgeht von montierten Bildern, die behaupten und ausdrücken: schon zu sein, was sie doch nur inszenieren.

Rudolf Thome mißtraut dem, was er liebt. Er kennt sein Kino. So kann er liebevolle Filme machen.

Wie Pasolini, wie Rivette und Godard, wie Achternbusch und Wenders, um nur die zu nennen, die auch nicht direkt erzählen, führt er den Kampf gegen Geschichten, die ihre Legitimität erst durch ihren Tod erhalten. Er bleibt dem Lebendigen auf der Spur. Was heißt: Er arbeitet daran, den Sinn einzelner Handlungen, einzelner Geschehnisse zu öffnen - indem er den Sinn mißachtet, der vom Ende der Geschichten, vom Tod der zusammenhängenden Geschehnisse ausgeht.

Thome öffnet seine Bilder - vom ersten Film an. Er durchlüftet den Raum zwischen dem Rahmen, den die Kadrage der Kamera aufbaut. Das Improvisieren mit Darstellern und Kamera, mit Zeiten und Räumen; Blicke, die sich verlieren, weil sie fasziniert sind: von Unwichtigem; Szenen, die den Fortgang der Handlung verlangsamen oder sogar anhalten; und einfache Bilder, die - gegen alle Ereignisse - allein für sich stehen: Das sprengt den linearen Zusammenhang. Das bringt einen frischen Wind in die Filme, den selbst der Sinn, den sie den Bildern - dennoch - zuweisen, nicht mehr erstickt.

Wie schon in Rudolf Thomes früheren Filmen, etwa in Detektive oder in Rote Sonne, ist auch in System ohne Schatten niemand sicher, worum es eigentlich geht.

Man weiß nicht so recht, was man von den Figuren und ihren Erlebnissen halten soll. Es gibt eine Reihe von Andeutungen, Widersprüchen, Doppelbödigkeiten, die zur Vorsicht mahnt. Sicher ist nur: Nicht alles, was geschieht, ist auch zu sehen. Hinter dem Tun und dem Reden verbergen sich Absichten, die nicht zum Vorschein kommen.

Selbst am Ende, als die Geschichte stirbt, als alles entschieden ist, bleibt unklar, was da eigentlich alles passiert ist.

So muß man als Zuschauer von System ohne Schatten akzeptieren, daß das, was zu sehen ist, nie die ganze Wahrheit ist, sondern nur ein Ausschnitt, eine Komposition von Fragmenten.

In Fragmenten filmen, das heißt - siehe Roland Barthes: die Fragmente "wie Steine auf dem Rand des Kreises" ausbreiten; heißt: eine kleine Weit in Bruchstücken rundherum" schaffen; also bleibt die Provokation ganz real: "Was ist in der Mitte?”

Eigentlich beginnt der Film erst, als eine Liebesgeschichte beginnt. Ein Mann kommt schlendernd um eine Ecke. Er trägt seinen langen dunklen Mantel offen. Sein Haar, das hinten lang auf den Mantelkragen fällt, bewegt sich im Wind. Vor einem Buchladen bleibt er einen Moment lang stehen. Er schaut auf die ausgestellten Bücher und starrt dann die Frau an, die hinter dem Schaufenster in einer Zeitschrift blättert. Die Frau bemerkt es und schaut zurück. So blicken beide sich in die Augen, einige Sekunden lang.

Robert Bresson sagt: "Zwei Personen, die sich in die Augen blicken, sehen nicht ihre Augen, sondern ihre Blicke.”

Der lange Blick einer Frau, der den Blick eines Mannes trifft. Wo die Liebe nicht ein Kalkül ist, da genügt das. Dieser eine Blick verändert das Leben des Mannes. Der Blick rührt am Schlaf lange unterdrückter Wünsche.

Als die beiden dann nach einer Weile ihre Augen voneinander lösen, lächelt sie. Während er nachdenklich weitergeht.

Ein Spaziergänger. Eine Passantin, die sich umschaut. Ein Blick. Ein Gefühl. So beginnt eine Liebesgeschichte.

Als die beiden sich wiedersehen, zeigt sich aber schon rasch, nur nicht so direkt, so deutlich, daß in dieser Geschichte nicht nur die Liebe eine wichtige Rolle spielt. System ohne Schatten ist auch eine Reflexion über das Spiel zwischen Leben und der Inszenierung von Leben, zwischen Vertrauen und der Suggestion von Vertrauen, zwischen Liebe und der Illusion von Liebe.

Der Mann, Victor Faber, ist Computerspezialist. Auch in seiner Freizeit arbeitet er noch an einem Programm für Schachcomputer. Bruno Ganz ist Victor Faber.

Die Frau, Juliet, ist Schauspielerin. Sie ist fasziniert von Spielen, bei denen es um viel Geld geht. Besonders beim Roulette oder beim Würfeln, wo sie hohe Einsätze wagt, fühlt sie sich eins mit sich selbst. Dominique Laffin ist Juliet.

Auf einer Vernissage begegnen sich die beiden wieder. Erstmals reden sie auch miteinander. Aber sie sind nicht allein. Ein Freund Juliets ist bei ihnen. Von dem weiß keiner so recht, wer er ist und wovon er lebt. Alle nennen ihn nur: Melo. Hanns Zischier ist Melo.

Ein Mann und eine Frau. Das genügt für eine Liebesgeschichte. Wenn aber noch ein anderer Mann da ist und der alles tut, um die Geschichte zu fördern?

Faber und Juliet treffen sich häufiger. Der kurze Small Talk im Café. Das erste Essengehen. Die zufällige Begegnung in der Wohnung. Der gemeinsame Besuch in der Spielbank. Der erste Kuß. Die erste gemeinsame Nacht. Bruchstücke einer Liebesgeschichte.

Doch es ist immer wieder Melo, der sie zusammenführt. Das weist auf eine Geschichte hinter der sichtbaren Geschichte. In dem Film läuft noch ein anderer, ein zweiter Film. Von dem jedoch sieht man so gut wie nichts.

Ein Mann und eine Frau. Sie scheinen sich ineinander zu verlieben.
Zwei Männer,scheinen sich anzufreunden.
Zu dritt scheinen sie eine Bank um mehrere Millionen Dollar zu betrügen - mit Hilfe eines Computers.

Am Ende aber ist jeder für sich allein. Und nur einer von ihnen reist - lächelnd - mit einer Tasche voller Geld in eine angenehmere Zukunft: Melo.
Noch einmal Roland Barthes: "Das Fragment ist wie die musikalische Idee eines Zyklus”, schreibt er, "jedes Stück ist sich selbst genug, und dennoch ist es immer nur der Zwischenraum der Nachbarstücke: das Werk besteht nur aus Außer- Text”

System ohne Schatten besteht aus Andeutungen und Auslassungen. Sogar der Coup, auf den die Geschichte eigentlich hinstrebt, bleibt ausgespart. Dieser Coup wird von einem Computer erledigt.

Und Computer arbeiten lautlos, perfekt und schnell. Computer hinterlassen niemals die Spuren, die sogar der genial vorbereitete Bankraub noch immer hinterlassen hat. Rudolf Thome (und sein Drehbuchautor Jochen Brunow) erzählen ihre Geschichte, indem sie andere Geschichten erzählen. Der Außer-Text dominiert.

Eine eher simple Voraussetzung filmischer Arbeit ist, daß jeder Film auswählen muß zwischen dem, was er zeigt. Daß er ein Verhältnis dazu finden muß, was er alles verschweigt. In vielen Thome-Filmen aber ist das konzeptionelle Problem von Darstellen und Auslassen ins Sichtbare verlängert.

Von Anfang an, also seit der Versöhnung, liebt Thome banale, alltägliche Gesten; und er liebt banale, alltägliche Handlungen. Die vertiefen ihm die Lücken, die ansonsten allein vom Schnitt kommen. Zudem verdecken sie die Aktionen, die hinter den gezeigten Ereignissen noch andere Zusammenhänge schaffen. Die darauf verweisen, daß das Geschehen vieldimensionaler ist, als es auf den ersten Blick erscheint.

Schon in Detektive gibt es lange Blicke auf das Nebensächliche. Da ist wichtig, wie ein Knoten geknüpft wird und welche Schwierigkeiten Peter Moland damit hat. Von dem Mann dagegen, der später erschossen wird, genügt, daß er einige Augenblicke danach regungslos am Boden liegt.

Rudolf Thomes Prinzip, wichtige Ebenen seiner Geschichte zu verschweigen, ist nie nur ein Resultat der Montage. Es ist immer auch eine Qualität, die vom filmischen Blick kommt, davon, wie dieser Blick aufs Geschehen sich richtet.

Thome rahmt seine Bilder nicht ein. Er läßt ihre Seiten offen. So werden ihre Arrangements, ihre Ordnungen angereichert durch Zufälliges. Die Kamera bleibt neugierig auf spontane Ereignisse. Sie bringt das Leben zurück in die Geschichten, die sie erzählt.

Thome rahmt seine Bilder nicht ein. Aber er verbirgt bewußt ihr Ümfeld. Er verschweigt gezielt. So suggerieren die gewählten Ausschnitte umso nachdrücklicher: Das Gezeigte stehe für ein Ganzes, für eine komplette, eigene, eine in sich stimmige Welt, aus der kleine Fragmente zum Einblick freigegeben sind.

Ausschnitte, die für ein Ganzes stehen, einerseits. Die aber andererseits ihren fragmentarischen Charakter deutlich akzentuieren: Gerade dadurch erreicht Thome, daß den ausgesparten Elementen eine umso tiefere Bedeutung zuwächst. Der Außer-Text ist auch eine Folge davon, daß das Gezeigte so konkret ist.

Etwas, das man bei Rudolf Thome (wie ansonsten nur noch bei Jacques Rivette) erfahren kann, ist: Je konkreter ein Film an den Dingen bleibt, desto tiefer wird der Raum für die Lücken, in die die Phantasien und Emotionen der Zuschauer eingehen.

Thomes doppelbödiges Stilprinzip, einerseits das Konkrete ganz konkret zu lassen und andererseits damit zugleich andere, auch wichtige Handlungsebenen zu verschweigen, ist immer auch eine Forderung an den Zuschauer: Er muß sehen, was es zu sehen gibt. Bloßes Zugucken genügt nicht. Der, der nur registrieren will, was geschieht, wird nichts verstehen.

Für Thome ist es wichtig, daß seine Filme Angebote zum Sehen sind. Angebote, nicht: Belästigungen, die zu überwältigen suchen. Immer bleibt Luft zum Atmen, zum Fühlen, zum Überlegen. In die Bilder geht auch ein der Respekt vor dem Abgebildeten, vor den Menschen und den Dingen, die abgebildet werden.

Nie würde Thome seine Filme auf ein thrilling hin inszenieren. Suspense ist für ihn ein Betrug am Zuschauer, weil da Bilder benutzt werden, um mit den Erwartungen der Zuschauer zu spielen. So photographiert er in System ohne Schatten auch die Verfolgungsjagd über den TheodorHeuss-Platz von oben. Das zeigt deutlich, daß filmisch nicht getrickst wird. Faber entkommt mit seinem Auto, weil er den Platz gut kennt. Er nutzt die Chance, die die Verkehrsführung ihm bietet. Also entflieht er seinen Verfolgern, ohne zu rasen. Der Film führt das vor. Er zeigt das Geschehnis, ohne es spannungsdramaturgisch zu verdichten.

Diese Haltung führt dazu, daß viele Thomes Filme betulich finden, einige sogar ein wenig behäbig: zu lang und zu langsam. Dabei gaukelt seine additive Erzählweise nur eine Sicherheit vor: Sie legt diese Sicherheit als Falle aus: Als ob das so ausführlich Vorgezeigte schon alles wäre, was tatsächlich passiert.

Dabei hilft das nur, dem Künstlichen seiner Fiime den Schein von Natürlichkeit zu geben.

System ohne Schatten erzählt auch davon, wie Spiel und Risiko zusammenhängen und was Verlieren mit Gewinnen zu tun hat.

Als Faber und Juliet erstmals miteinander schlafen, redet er über die Möglichkeit, die ihm Melo eingeflüstert hat: eine Bank über seine Computer um Millionen zu erleichtern. Aber er scheut noch die Gefahren. Juliet dagegen erklärt sofort,man müsse riskieren, um zu gewinnen. Er fragt sie, ob sie dann bei ihm bleibe. Und sie antwortet ihm, daß sie selbstverständlich bei so viel Geld bleiben werde. Sie lacht dabei. Und er lacht zurück.

Faber riskiert dann viel. Er gewinnt viel, und er verliert viel. Er gewinnt Geld und verliert es wieder. Er gewinnt Juliet und verliert sie wieder.

Am Ende jedoch, auf einem Parkdeck hoch über den Dächern von Zürich, lacht er. Er hat ein neues Leben vor sich, und er hat neue Erfahrungen und neue Werte in sich, die ihm die Welt öffnen.

Verlieren, um zu gewinnen: Das ist das unausgesprochene Motto von System ohne Schatten. Es ist zugleich das Motiv, das sich durch den ganzen Film zieht.
Schon am Anfang arbeitet Faber daran, seinem Schachcomputer einzuprogrammieren, daß er Figuren opfern muß, um zu gewinnen.

Als er dann auf der Vernissage Melo kennen lernt, spielt er mit ihm Schach. Dabei verliert er zunächst einige Figuren, um im Endspiel ganz sicher zu gewinnen.

Melo verliert zwar die Schachpartie, aber er lernt darüber Faber kennen, und durch den gewinnt er dann das, was er gewinnen will: eine Menge Geld.

Schließlich erzählt die ganze Geschichte von Fabers Niederlage, in der er - auf einer anderen Ebene - letztlich einen Gewinn entdeckt. Verlieren, um zu gewinnen.

System ohne Schatten offenbart den Zusammenhang zwischen Verlieren und Gewinnen Und er zeigt, wie dieser Zusammenhang inszeniert werden kann: Als Strategie genutzt, vermag er Ziele zu sichern, noch bevor die erste Aktion begonnen hat.

Der Film deutet auch an, wie sehr das Gewinnen/das Verlieren von den Gefühlen abhängt, die einer in sich hat. Kurz bevor Faber und Melo sich trennen, meint Faber noch zu Melo, er werde ihm fehlen. Melo aber antwortet: Du wirst sentimental, Faber, und das trübt die Wahrnehmung.”

Einen Tag zuvor konnte man Melo ängstlich sehen - zum ersten Mal. Er nutzte die Gelegenheit, um Juliet allein zu sprechen. Seine Angst war, daß die beiden ihn übertölpeln könnten, daß er ohne Geld dastünde - am Ende. Aber eigentlich war seine Angst, daß er nicht mehr im Griff habe, was er begonnen hat: das Spiel, das bereits am Anfang weiß, wie es endet. Juliet: "Wieso beklagst du dich, es war doch dein Plan!" Eifersüchtig ist Melo auch. Selbstverständlich.

Eine Liebe ist eine Liebe ist eine Liebe. Doch wenn drei Menschen darin verwickelt sind: Wer vermag sich da noch zurechtzufinden?

In einer Szene wirkt die Liebe zwischen Faber und Juliet sehr fremd. Faber hatte sich eingelassen aufs Abenteuer um das große Geld. Doch die erste, eher handwerkliche Vorarbeit war daneben gegangen. So gab es nun einen Mord. Faber sucht Trost in Juliets Armen. Er küßt ihre Hände, und sie läßt ihn gewähren. Ihre Blicke aber ruhn auf Melo.

System ohne Schatten: Ein Liebesfilm? Ein Gangsterfilm? Ein Psychodrama?

Klar ist, daß Faber sich auf Gefühle einläßt, deren Konsequenzen er nicht überblickt. Er läß sich auf ein Spiel ein, das er nicht versteht. Der Job, den er beherrscht, ist: ein System am Laufen zu halten, auf das kein Schatten fällt: Computer funktionieren lautlos perfekt und schnell. Zwischentöne sind nur ein Mangel. Doch dann treten Melo und Juliet auf, und die Zwischentöne werden vorherrschend. Fabers Alltag erhält einen neuen Rhythmus. Doch er selbst ist es nicht, der den Takt bestimmt.

An dem Ort, an dem sich die letzten Dinge entscheiden, unausgesprochen selbstverständlich, ist die Rivalität zischen Innen und Außen zum Symbol gestaltet.
Faber, Juliet und Melo ziehen sich in ihre Hütte zurück. Sie müssen schneebedeckte Straßen überwinden und dann sogar: unberührte Schneeanhöhen. Daß es da kalt ist, zeigen die Farben: zwischen Weiß und hartem Blau.

Die Distanz, die auch ein Raum ist für Bewegungen und Aktionen, verstärkt noch diese Kälte. In der Hütte aber gibt es rote Teppiche und warmes, braunes Holz. Auch wenn das Feuer noch nicht brennt, weisen die Farben schon auf Schutz, auf Wärme, auf Behaglichkeit.
Die Nähe, die auch ein Raum ist für Mimik und Gestik: für Gefühle, verstärkt die Intimität: Die Figuren zeigen sich, wie sie sind.
Faber säubert erst einmal den Eingang der Hütte, als sie ankommen. Er räumt mit seinen Schuhen den Schnee von der Tür weg. Als er dann eintritt, friert er.
Juliet fühlt sich nicht wohl. Sie mag die Hütte nicht. Doch am Morgen nach der ersten Nacht gesteht sie Faber, daß sie ihn liebt.
Melo packt sofort zu, als sie die Hütte erreichen. Er macht Feuer. Er verteilt die Zimmer. Am nächsten Tag macht er sich frisch mit dem Schnee, der vor seinem Fenster liegt.
Und er sorgt dafür, daß er auch Munition findet, für das Gewehr, das er in einem Raum der Hütte gefunden hat
Innen und Außen: in der entscheidenden Phase von System ohne Schatten ist das auch ein Spiel mit der Verfassung der Helden: Sicherheiten zerbrechen schnell. Selbst der Arrangeur der Geschichte kommt ins Schleudern. Aber er denkt noch an Wege, die ihm die Übermacht garantieren.
Einmal steht Melo auf einer Anhöhe über der Hütte. Und erzählt, als Faber ihn dort aufsucht, die Geschichte vom "Ritt über den Bodensee”. Das klingt wie eine Warnung. Weil Faber in der Situation des Reiters ist. Andererseits ist es auch ein Spiel mit Bruno Ganz als Bruno Ganz. Das Außen ist der Platz für Duelle.

Das Innen ist der Platz, wo jeder sich absichert, der eine mit einem Gewehr, die anderen mit Zuneigungen. Am Ende zeigt sich, daß nur das Außen zählt: Das Gewehr wird keiner benutzen, und die Zuneigung wird niemand weiter in Anspruch nehmen.

Wie immer bei Thome gibt es viel Nebensächliches zu sehen. Nicht nur, daß genügend Raum bleibt für Zufälliges, Spontanes, Improvisiertes. Sondern es gibt Einzelheiten, die bleiben tatsächlich als Einzelheiten erkennbar, die fügen sich nicht nahtlos ein in die Linearität der Geschichte.

Zu sehen gibt es: Exotische Autos. Zwei Schachspiele, klassisch das eine, modernistisch das andere. Grell gelbe Plastiktüten, die in der Mitte einen großen roten Punkt haben. Ein leeres,weißes Restaurant. Einen Photoapparat mit eingebautem Meßband. Eine verrauchte Zockerkneipe, wo um Geldscheine gewürfelt wird, die völlig zerknittert sind. Dominique Laffins tiefblauen Schal, dem man ansieht, daß er aus Kaschmirwolle ist. Eine einsame Berghütte, um die herum der Schnee noch unberührt ist. Ein altes, ungeladenes Gewehr. Und wieder, wie schon in Fremde Stadt, einen Koffer voller Geld.
Rudolf Thome weiß, Filme müssen, gerade wenn sie mit Ellipsen, mit komponierten Lücken arbeiten, zugleich vorzeigen, wovon sie handeln. Sie müssen sichtbar machen, worum es ihnen geht. Das Äußere ist bedeutsam. Doch noch bedeutsamer ist der Zustand des Äußeren: die physische Präsenz von Figuren, Schauplätzen, Dekors.

Das kinematographische Faktum, daß die Dinge, über die ein Film redet, zugleich auch die Dinge sind, die im Film selber reden, ist für Thome ein konstitutives Element seiner Inszenierungen. Das Gegenständliche fasziniert ihn; die Evidenz, die ausstrahlt von den Gegenständen und von den gegenständlichen Arrangements. Die Dinge sind einfach da. Ohne jede Begründung. Gelegentlich sogar ohne jede Legitimation. Vielleicht erhöht gerade das den Reiz, der von seinen Filmen ausgeht.

Vor Beginn der Dreharbeiten soll Thome seinen Star Bruno Ganz belehrt haben: Welche Kleidung er trage und welches Auto er fahre, sei weitaus wichtiger als die Art und Weise, wie er die Figur schauspielerisch gestalte. Welch einen Schock muß das ausgelöst haben! Die Folgen aber sind zu sehen: Noch nie war Bruno Ganz so filmisch, also so körperbezogen. Zum ersten Mal in einem Kinofilm ist sein Bekenntnis für Robert de Niro's Darstellungsstil nicht nur ein schöner Satz. Zum ersten Mal hört Bruno Ganz - weitgehend - auf zu spielen und stellt einfach nur dar.

In der faszinierendsten Szene des Films gehen Faber und Juliet einfach nur im noch unberührten Schnee spazieren. Die Kamera begleitet sie mit einem ganz langsamen Schwenk.
Zu sehen ist: das Weiß des Schnees, zwei Menschen, die darin ihre Spuren hinterlassen, das Blau des Winterhimmels. Die beiden gehen nur, gehen einfach. Und dann, kurz vor dem Haus, trennen sie sich: Sie geht nach rechts, er nach links. Aus dem Oft hört man eine Klaviervariation von Dollar Brand.

Also: Es gibt nicht viel zu sehen und nicht viel zu hören. Aber jedes Detail ist so genau und so richtig, daß ein großes Geheimnis sich auftut, das von der Schönheit des Filmischen redet: vom Ausdruck des Gegenständlichen und vom Spiel damit.

Schön in diesem präzisen, so abenteuerlich verspielten Film sind Bilder, die im Lauf der Ereignisse verschwinden:

- Wie Faber, bevor er Juliet erstmals küßt, auf der Fußgängerbrücke hochspringt: vor Aufregung.
- Und wie er, nach seiner ersten Nacht mit Juliet, steif im Bett sitzt: als verabscheue er die Frau, die er liebt.
- Wie die Malerin, der Melo Stoff' besorgt - für 200 DM - ihn fragt, ob er denn niemand wisse, er ihr einige Bilder abkaufen könne. Edda Köchl fragt UNS also: WER kauft ihr Bilder ab!

Schön sind auch die Szenen, die wie Abschnitte innerhalb des filmischen Ablaufs funktionieren: Da kommt Faber eines Tages nach Hause, kurz nach seinem Gespräch mit Melo, in dem der den möglichen Computer-Coup angedeutet hat. Er geht auf seinen Schreibtisch zu und beginnt, noch im Mantel, seinen Schreibtisch aufzuräumen: zunächst die Schachfiguren, dann das Schachbrett, dann seinen Heimcomputer. Als alles verstaut ist, ist endgültig klar, ein Abschnitt seines Lebens ist beendet: Nun beginnt ein neuer Abschnitt.
Und schön sind die Anspielungen in diesem Film. Die haben auch, aber nicht nur mit Regisseuren zu tun. Hanns Zischler z.B., der Melo ist, antwortet einmal auf die Frage, wohin er mit all dem Geld gehen werde: "Vielleicht nach Amerika.”

Diese Antwort gab er bereits, als er 14 Jahre zuvor in Wim Wenders' Summer in the City gefragt wurde. Aber da blieb es ein Traum.

Aufregend ist in System ohne Schatten der Einsatz der Musik.
Abgesehen von Dollar Brands Klaviervariation, die als übliche Filmmusik einigen Szenen unterlegt ist, gibt es drei Musikteile, die filmisch und musikalisch selbständig und in sich geschlossen sind. Gleichrangig neben die anderen Szenen eingeschnitten, sieht und hört man, wie Mikro Rilling auf seinem Cello ein Thema variiert, das am Ende immer freier, jazziger wird; wie Laurie Anderson ihr Stück "Closed Circuits" vorträgt, singend und dabei mit ihren Händen gegen das Mikrophon trommelnd: "You are a closed circuit baby you have the answers in the palms of your hands…” und wie die Luzerner Faßnachtsgruppe ‘Die Wikinger’, kostümiert und maskiert, auf den unterschiedlichsten Schlaginstrumenten eine Trommelsession veranstaltet.

Diese Musikteile gliedern zum einen als darstellende Elemente das dargestellte Geschehen in vier Akte. Sie wirken so wie Ruhepausen, die anzeigen, daß ein Teil der Geschichte gerade beendet ist und ein neuer Teil gleich beginnen wird. Also auch: Pausenmusik. Aber eine, die für die Emotionen und den Rhythmus des Films bedeutsam ist, weil sie sich auch erzählerisch einmischt. Die Musik nimmt auch Handlungsstränge auf und setzt sie fort.
Zum anderen sind die Musikstücke selbst Bestandteil des dargestellten Geschehens. Sie sind Teil der Handlung: Wie die Verfolgungsjagd um den Berliner Theodor-Heuss-Platz. Oder wie der Gang der Helden durch den Schnee. Oder wie das Kassieren des Geldes in der Züricher Bank.
Man hört der Musik zu, wie man den Bewegungen zuschaut. Die Beziehung zwischen den Bewegungen. Der Wechsel im Rhythmus. Die Verzögerung der Gesten. Der Ausdruck der Gesichter. Was man sieht und was man hört: Das erzeugt eine Stimmung, die den Film insgesamt verändert. Die Diktion des Gezeigten wird wichtiger als das Gezeigte selbst. Der Tonfall, die Klangfarbe werden vorherrschend.
Abschließend nochmals Roland Barthes, der mit seiner Charakterisierung des Fragments die Verbindung herstellt: zwischen dem fragmentarischen Charakter des Films und der filmischen Darstellung von Musik. "Das Fragment hat sein Ideal. eine starke Verdichtung, nicht des Gedankens, der Weisheit oder der Wahrheit (wie in der Maxime), sondern der Musik: der ‘Entwicklung’ würde der ‘Ton’ entgegenstehn, etwas Artikuliertes oder Gesungenes, eine Diktion: da sollte das Timbre herrschen.”

System ohne Schatten: Ein Liebesfilm? Ein Gangsterfilm? Ein Psychodrama? Ein Musikfilm?

In jedem Fall ist es ein Film, der aus vielen, aus unterschiedlichen Filmen besteht. Die sollen dazu verführen, das absolut Artifizieile seiner Konstruktion zu übersehen.

System ohne Schatten: Für mich ein Meisterwerk, das ästhetisch formuliert, wie sehr das wahrhaft Bedeutsame im Ungesagten, im Unsichtbaren sich vollzieht.

Norbert Grob in Medium 11/83

 

Rudolf Thomes Gaunerfilm "System ohne Schatten" mit Bruno Ganz
Ein Krimi wie eine Feder

Ist das wirklich ein deutscher Film? Da ist plötzlich verblüffende technische Könnerschaft ohne spürbare Anstrengung, eine Lässigkeit, wie man sie nur aus ausländischen Filmen kennt (wo man sie denn dann auch gar nicht mehr vermerkt). Beim deutschen Film (von wenigen Ausnahmen abgesehen - selbst Fassbinder gehörte oft nicht dazu) waltet immer eine gewisse Bemühtheit; man sah und hörte immer, was oder wieviel die Filmmacher gearbeitet und geleistet hatten. Das hat nichts mit den Themen zu tun: Daß "deutsche Tiefe" der Sujets dem anstrengungslosen Wohlgefallen im Kino an sich entgegensteht, ist zwar offensichtlich, daß aber eine gewisse Schwerfälligkeit und handwerkschaftlicher Ernst die Eleganz in der Darbietung auch leichter Themen beeinträchtigen, ist steter deutscher Film-Kummer.

Nun serviert uns Rudolf Thome seinen Räuberfilm mit dem (schweren, deutschen) Titel "System ohne Schatten”. Darin geht es - auch nicht gerade filmgerecht - um einen Computerschwindel. Aber vom ersten Bild an frappieren die Leichtigkeit und Souveränität, mit der Thome seine Geschichte inszenierte.

Es gibt halbvergessene junge deutsche Filmmacher. Während Leute wie Fassbinder, Herzog oder Schlöndorff mit Recht (und Geschick) die internationale Werbetrommel für sich in Bewegung hielten, dämmerten einige nicht weniger Begabte leise vor sich hin. Zu ihnen gehört Thome der zu den Ersten des jungen deutschen Films zählte, der in den 60er, 70er Jahren lockere, pfiffige (meist Schwabinger) Dramen und Komödien machte und dann aufgrund kommerziellen Mißerfolgs abgeschrieben wurde. Immerhin war sein Film "Detektive" mit Ulli Lommel, Marquard Bohm, Walter Rilla und Iris Berben einer der wenigen geglückten Versuche, eine Krimi-Struktur wie im amerikanischen Gangsterfilm (etwa "Tote schlafen fest” mit seiner schwebenden, alogischen Ungreifbarkeit) ins Deutsche zu übersetzen (und zu parodieren), und da war die Farce "Rote Sonne" mit Uschi Obermeier: ein keckes, utopisches Signal schon vor dem Bewußtseinsboom der Frauenemanzipation. Dann war es lange leise um Thome bis zum heftig debattierten "Berlin Chamissoplatz". Jetzt also "System ohne Schatten".

Die Geschichte ist ganz leicht, fast ungreifbar. Ein Computerprogrammierer namens Faber (im Lateinischen hieße dies ironisch Handwerker) lernt die hübsche französische Berlin-Freak-Lady Juliet kennen. Ein Mann mit dem wiederum kennzeichnenden Namen Melo macht sich an Faber, von dessen Begabungen er weiß, heran: Heute beraubt man keine Bank mehr, heute knackt man sie per Computer.

Aus Liebe - wer weiß? - zu Juliet (vielleicht ist es auch nur Spieltrieb) willigt Faber in den elektronischen Banküberfall ein. Was dann noch passiert - der Überfall, der Eingriff "ins System", die Flucht vor unliebsamen Komplizen, der Aufenthalt in den verschneiten Schweizer Alpen hoch auf der Hütte, der Verrat, der Abschied -, das ist in seiner unangestrengten Beliebigkeit, in seiner parodierten Klischeehaftigkeit viel zu unerheblich, als daß man es hier erzählen müßte.

Denn Thome erzielt Spannung nicht lediglich aus vordergründigen Effekten, sondern aus der Art, wie er inszeniert. Da taucht irgendwo im Hintergrund und in der Unschärfe ein längst vergessenes Auto-Rot auf (das der Verfolger). Momente später aber ist es eben gerade nicht dieses Auto, sondern ein Lastwagen - mit dem selben Rot, das als optisches Ostinato und Gefühls-Warnlampe leuchtet, bis endlich die wirkliche Gefahr des Gangster-Autos ins Bild fährt: An uhrwerkspräzisen Stellen wie hier kann man ermessen, mit welcher Sicherheit und Diskretion hier Regie und Buch geführt wurden.

Fast ist man versucht, über den filmisehen Qualitäten die schauspielerischen zu vergessen. Bruno Ganz in seiner Sprödigkeit war vielleicht noch nie so gelöst, so unprätentiös, so un-schauspielerisch wie hier als Faber. Als sein Drahtzieher bleibt Hanns Zischler (Melo) diskret und ohne dämonisches Grinsen an seiner Seite. Dominique Laffin als Juliet überzeugt nicht im mindesten durch Schönheit, sondern zuallererst durch Charakter und Präsenz.

Hervorragend die Licht- und Kameraarbeit von Martin Schäfer. In einer langen Einstellung gehen Ganz und Zischler durchs nächtliche Berlin um den Block. Und sie kriegen von oben Spotlights auf den Kopf, so daß die Umrisse der Haare ganz leicht schimmern. Thome hat also mit oben mitfahrenden Scheinwerfern gearbeitet. Das ist erstens nicht leicht zu machen und zweitens im deutschen Film praktisch nie zu sehen. In der Berghütte werfen Thome und Schäfer auf Gesichter Schlaglicht-Effekte, die sehr leicht manieristisch wirken könnten (wie in Fassbinders "Lola”), hier aber werden sie diskret zurückgehalten. Der Film ist eben nicht aufgrund der Action-Story spannend, sondern weil in Bild und Ton ständig etwas darüberhinaus zu bemerken ist: Ein Hintergrund, ein Musikfetzen, ein entferntes Geräusch. Dreimal verlangsamt Thome die Geschichte, schafft er nachdenkliche Momente durch ausgedehnte Musikeinlagen - ein Cello, eine Sängerin, ein Schweizer Faschings-Trommlercorps.

So funktioniert der ganze Film: Wie eine Feder. Leicht wie eine Daune und elastisch wie ganz dünn gezogenes Metall.

Sebastian Feldmann in Rheinische Post 7. 1. 84

 

Rififi mit Computer
"System ohne Schatten". Spielfilm von Rudolf Thome. Deutschland 1983. 115 Minuten; Farbe.

Man kann Rudolf Thomes neuen Film so erzählen: Ein Mann verliebt sich in eine Frau, die ihrerseits die Freundin oder Komplizin eines Gangsters und Koks-Dealers ist. Da beide für ein geplantes Verbrechen den Mann brauchen, ködert ihn die Frau. Dann bereiten sie ihren Coup vor. Die Millionen-Beute schaffen sie ins Ausland. Nachdem sie die Beute verteilt haben, mischt sich eine andere Gang ein ...

Oder man kann Rudolf Thomes Film so erzählen: Auf einer Berliner Vernissage in einer Galerie lernt ein Computer-Ingenieur und Schach-Freak eine französische Schauspielerin kennen, die mit einem Mann liiert ist, der ebenfalls Schach-versessen ist und sich seinen Lebensunterhalt dadurch verdient, daß er gelegentlich mit Antiquitäten handelt. Die drei werden Freunde ...

In dem Film treten der Cellist Mikro Rilling, die Performance-Künstlerin und Minimal-Musikerin Laurie Anderson und eine Trommlergruppe der Basler Fasnacht auf.

Bruno Ganz spielt den Helden. Dominique Laffin, die ihren Ruhm dem feministischen Film "La femme qui pleure" verdankt, spielt eine Französin, die Bruno Ganz ihren Film "La femme qui pleure" zeigt. Hanns Zischler, der zur Berliner Szene gehört wie zu dem schönen Thome-Film "Berlin Chamissoplatz", spielt einen Schluri der Berliner Kulturszene.

Ist "System ohne Schatten" also ein Film über die Berliner Szene, in der es nicht so abgesichert zugeht wie in der Hamburger und nicht so lodenhaft chic wie in München? Oder ist "System ohne Schatten" ein Krimi aus der Computer-Welt, in der ein zwielichtiger Dandy und eine nervöse heimatlose Spielerin einen sympathisch unangepaßten Ingenieur aus seiner Bahn reißen, indem sie ihn dazu überreden, mit ihnen und seinem Computer-Wissen eine Bank anzuzapfen?

Der Reiz von Thomes Film resultiert daraus, daß er beides ist und beides nicht ist: ein Krimi und ein Film über ein Lebensgefühl. Denn der Krimi erwächst aus der intellektuellen Spielerei, mit der die drei nichts ernst nehmen außer sich und ihre Beziehungen. Und das Lebensgefühl erwächst daraus, daß sie alles ernster nehmen als sich (Geld vor allem), daß sie Spielchen miteinander veranstalten.

Thomes Film lebt von der undurchschaubaren Zwielichtigkeit seiner Figuren, von einer Story, die ein modernes Verbrechen schildert - Rififi im Zeitalter der Elektronik: Man muß nicht mehr den Tresor knacken, sondern nur noch den Computer-Code. Es gibt wohl kaum einen anderen Krimi, in dem so wenig geschossen, geboxt, eingebrochen, bei Nacht und Nebel geflohen wird.

Trotzdem handelt der Film von kaum etwas anderem. Was seinen Reiz ausmacht: Daß da geschossen, geraubt, Verstecken gespielt wird, zeigt er vor allem in den Attitüden, Wünschen, Hoffnungen und Reaktionen seiner Figuren.

Thomes Film ist so aufregend und spannend, weil das Dreieck, das da den Coup seines Lebens landet, so aufregend und spannend besetzt ist.

Bruno Ganz spielt einen liebenswürdigen, leicht verschrobenen Eigenbrötler, der beim Schachspielen an ein Paar gerät, das ihn nach und nach zur Komplizenschaft überredet. Er spielt einen Vierziger, der sich zurechtfindet (er hat einen guten Job und einen Audi Quattro), ohne angepaßt zu sein. Daß er auf Dominique Laffin trifft, die sich selbst spielt und eine Glücksspielerin dazu, macht aus dem Krimi eine seltsam rauhe und zarte Romanze.

Dominique Laffin ist kaputt und schön, ist skeptisch und romantisch, ist verliebt und realistisch. Und sie hat eine Stimme und einen Akzent, für die allein man in den Film gehen sollte; wenn sie deutsch radebrecht, dann ist das eine Liebeserklärung und eine vernichtende Sprachkritik zugleich.

Hanns Zischler ist der undurchschaubare Dritte. Wenn Berlin Hollywood wäre und die achtziger Jahre die Vierziger, wäre er ein Superstar der Schwarzen Serie, der in Bruno Ganz einen angegammeiten Parzifal, einen schütter gewordenen Achtundsechziger trifft.

Da der Film in Berlin gedreht wurde und in Berlin spielt, ist Zischler ein lebender Zeuge für das Berliner Lebensgefühl der Achtziger. Thomes Film ist spannend ohne Krimi-Grobheit und er ist sensibel ohne die fatale Wenders-Nabelschau. Er macht Spaß - wenn man Geduld hat.

Hellmuth Karasek in Der Spiegel 7.11.83


Eine einfache Geschichte
Rudolf Thomes Kriminalfilm "System ohne Schatten"

Im ersten Bild von Rudolf Thomes Film System ohne Schatten löst sich eine Gestalt aus der Morgendämmerung Berlins und läuft auf die Kamera zu. Im letzten Bild steht derselbe Mann auf dem Deck eines Parkhauses und blickt über die Stadt Zürich. Er ist angekommen, an einer anderen Stelle als er und auch der Zuschauer wohl vermutet haben; der Film, die Geschichte, die Bewegung ist zu Ende. Oder fängst sie jetzt erst an?

Der Mann heißt Faber und ist Computerspezialist. Er ist um die Vierzig, interessiert sich, wie es sich für einen Computerfachmann gehört, für die kühle Logik des Schachspiels, ist gut bezahlt, ein wenig gelangweilt und hat sich bequem eingerichtet. Bruno Ganz spielt ihn, und schon nach wenigen Szenen glauben wir ihn gut zu kennen.

Zufällig trifft Faber auf das Mädchen Juliet, eine französische Schauspielerin, die von der französischen Schauspielerin Dominique Laffin gespielt wird, und auf einen Typen aus der Berliner Szene, Melo genannt, der so dieses und jenes treibt. Den spielt Hanns Zischler, der sich auch im wirklichen Leben auf den verschiedensten Gebieten engagiert.

Das Zusammentreffen dieser drei setzt etwas in Bewegung. Faber verliebt sich in Juliet, die sich als leidenschaftliche Spielerin entpuppt. Melo, der entgegen seinem Namen eher ein kühler Rechner ist, setzt Faber, der entgegen seinem Namen nicht so sehr "Homo Faber”, sondern eher romantisch ist, die Idee in den Kopf, sein Computerwissen nutzbringend für alle drei einzusetzen. Der Plan zu einem modernen Bankraub entsteht. Ein kleiner Befehl an den Computer einer Bank würde genügen, damit sich auf einem sicheren Schweizer Nummernkonto Millionen ansammeln. Kann Faber dieser Versuchung widerstehen?

Rudolf Thome hat zwischen 1968 (Detektive) und heute neun lange Spielfilme gedreht. Wie im Leben und in den Träumen vieler Männer geht es in den Filmen Thomes immer wieder um Frauen, Geld, Reisen, bei ihm kommt noch die Liebe zum Kino hinzu. Das klingt einfach. Thome: "Die Regisseure, die ich liebe, sind keine Deutschen: Hawks, Rossellini, Ozu. Ihre Filme sind einfach." Schon vor zehn Jahren hat er gesagt: "…als ich anfing, Filme zu machen: Wir wollten ganz einfach simple, alltägliche Geschichten ganz einfach erzählen." Und das ist das Schöne an System ohne Schatten, daß er sich einfach ansehen läßt, als die Geschichte eines modernen Bankraubs, in der alles vorkommt, was man gerne im Kino sieht: Frauen und Autos, Geld und Liebe, Spannung und Bewegung. Und das ist das Schöne an "System ohne Schatten", daß jeder, der mehr sucht, bei Thome auch noch viel mehr finden wird.

Wie bei seinen Vorbildern. Denn wenn man es mit der Einfachheit ernst und genau nimmt, wie Thome, dann passiert Erstaunliches. Plötzlich entdeckt man, daß ein Krimi nicht nur eine Kriminalgeschichte erzählen kann, Sondern genausogut etwas über uns und unsere Welt. Und in der bewegen sich, von Computern gesteuert, die nur noch ganz wenige verstehen können, gewaltige Geldströme, die ganz vieles beeinflussen können. Wir entdecken Gangster, die anderen Menschen vorwerfen, nicht von einer "ordentlichen Arbeit” zu leben. Wir entdecken Faher, der glaubt, sein Leben nur mit Hilfe einer Frau ändern zu können. Wir entdecken Juliet, die glaubt, ihr Leben nur mit Hilfe von sehr viel Geld ändern zu können. Wir sehen, wie aus Berechnung Freundschaft und aus Freundschaft wieder Berechnung werden kann.

Hast Du Lust mit mir einen Kaffee zu trinken? hieß ein Kurzfilm von Rudolf Thome, und wer in diesem Einverständnis zu Thome ins Kino kommt der wird dort angenehm mit ihm sitzen. Da gibt es dann nicht mehr die Hektik "moderner" Action-Filme, bei denen wir vor lauter sich überstürzenden Ereignissen nichts mehr über die Menschen erfahren, die doch erst die Ereignisse interessant machen. Da ist es dann möglich, daß der Film dreimal praktisch anhält und Thome uns mit drei Musikstücken konfrontiert, wie jemand, der uns bei sich zu Hause drei Platten vorspielt die ihm gefallen und die sehr wohl doch etwas mit dem zu tun haben, über das man gerade spricht. "Auf der einen Seite gibt es Glück, auf der anderen das Gesetz", singt zum Beispiel die Elektronik-Künstlerin Laurie Anderson im Film, Faber bricht das Gesetz; wie steht es mit seinem Glück?
Die Antwort ist eine Frage der Perspektive, wie das Kino und das Leben eine Frage der Perspektive sein kann. Hat Faber am Ende des Films alles verloren oder kann er jetzt erst alles gewinnen? "Und wenn der Film weitergehen würde? - Ich weiß schon, warum ich da aufgehört habe… hat Thome zum Ende seines letzten Films Berlin Chamissoplatz gesagt. (Das und vieles andere über ihn und von ihm läßt sich übrigens in der sehr informativen Broschüre "Rudolf Thome" lesen, die die Freunde der deutschen Kinemathek" gerade als Heft 66 ihrer Reihe "Kinemathek" herausgebracht haben.)

Kommen wir noch einmal zum Ende. Ein Mann ist am Ende der Geschichte des Films an einem neuen Punkt seines Lebens angekommen. Wir haben diese Veränderung miterlebt, mit Spannung, mit Gefühlen, manchmal mit Irritation. Man kann es auch so sagen: Der Regisseur Rudolf Thome hat uns etwas von sich erzählt, von seinen Gefühlen, seinen Irritationen. "Überleben in den Niederlagen” hat Thome einmal eine Geschichte genannt, in der er über seine Karriere als Regisseur erzählte. So könnte auch die Geschichte Fabers überschrieben sein. Ehrliche Geschichten über Niederlagen sollten Mut machen. Rudolf Thomes Filme machen Mut. (In München im Arri)

Bodo Fründt in Süddeutsche Zeitung 14.11.83

 

Rudolf Thomes «System ohne Schatten» im Kino Nord-Süd
Windstille Plätze in einer zügigen Geschichte

Faber (Bruno Ganz) ist Computerfachmann; Junggeselle, aber nicht einsamer Junggeselle; die Tür zu seinem Appartement steht offen, vor allem für die Nachbarin Renate, die in einem schicken neuen Berliner Restaurant serviert und ab und zu abends mit liebevoll vorbereiteten Resten bei Faber vorbeisieht oder ihn auf eine Party mitschleppt. Faber folgt den Einladungen von Renate nicht ungern, aber mehr interessiert ihn die Erfindung eines Schachcomputers: Er sucht nach einem Computerprogramm, das Opfer bringt, um zu gewinnen. Auf einer Party lernt Faber Melo (Hanns Zischler) und Juliette (Dominique Laffin) kennen. Es stellt sich heraus, dass Juliette Schauspielerin ist und Paris im Kummer verlassen hat, aber auch in Berlin hängt. Melo ist einer, der sich mit Tricks durchs Leben schlägt; er telefoniert oft, er dealt. Er schlägt Faber einen Coup vor: einen Bankcomputer zinken, einen schmalen Arm des breiten Geldflusses in die Schweiz ableiten, auf ein Nummernkonto, hingehen, drei Millionen abheben und verduften. Faber steigt ein, bereitet den Coup vor, wird unsicher, als entgegen aller Planung ein Nachtwächter sterben muss, zieht aber die Sache doch weiter. Wir sehen ihn mit Melo und Juliette in einem Appenzeller Alpheimet warten, bis das Geld in der Zürcher Bank sich angehäuft hat. Faber hebt es ab, teilt und will mit Juliette verduften. Doch da nehmen ihm die Gangster, die den Nachtwächter umgelegt haben, das Geld wieder ab. Und er steht da: allein (ohne Juliette und ohne Geld).

Das ist die Story für einen spannenden, raschen, kalten modernen Kriminalfilm. Man könnte das so genau machen, dass die Staatsanwaltschaft Bedenken hätte wie seinerzeit bei "Rififi” (der in Zürich verboten wurde). Doch den Autor Rudolf Thome interessiert der Coup so wenig, dass ihm ein - unverständiger - deutscher Filmkritikerkollege attestierte, er habe den Stoff verfehlt. Thome interessiert sich für die Affektströme zwischen und in seinen Figuren.

Den Stoff, der bei Thome manchmal wie ein Vorwand wirkt, könnte man tatsächlich à la "War Games” inszenieren, mit einem unheimlichen Sog vom Ende her. Wie geht's aus? Schaffen sie's? Oder gelingt es den verschiedenen Ordnungen, die sich da gezeigt haben oder von denen man einfach weiss - der Ordnung des Geldes, des Staates und der Unterwelt den Lauf der Dinge zu beeinflussen?

Ein anderer Sog
Gerade diesen Sog versucht Rudolf Thome, wie mir scheint mit Erfolg, zu vermeiden, dieses Reissen auf ein zukünftiges Ziel hin. Er stellt einen ganz anderen Sog her: Immer wieder gibt es Passagen, in denen wir ganz mit den Personen auf der Leinwand sind, in der Gegenwart, in einer Ruhe (im Zentrum des Zyklons sozusagen). Da sehen wir: wie ein Mann, Faber, von einem anderen Mann (Melo) allmählich fasziniert wird und mit ihm umzugehen beginnt wie ein Junge mit einem anderen Jungen; wie eine Frau (Juliette) ein Komplott, das sie mit Melo geschlossen hat, vergisst und sich in Faber verliebt und in aller Ruhe mit ihm im Bett liegt und sitzt; wie Faber allmählich begreift, dass er sich in etwas Definitives eingelassen hat, als ein Nachtwächter tot im Keller liegt und er flüchten müsste und nicht kann; wie drei Komplizen auf der Bodenseefähre stehen und auf den Säntis zufahren, wortlos wie die Wanderer auf Caspar David Friedrichs berühmten Bild; wie Faber mit Juliette in Zürich im Kino sitzt und den Film anschaut, in dem sie mitspielt, und irgendwie stolz und gerührt ist, dass er neben der Frau sitzt, die er vorne auf der Leinwand sehen kann, und die die anderen Kinobesucher im gleichen Augenblick auch sehen; wie Faber Auto fährt ...

Thomes Talent und, glaube ich, seine unverwechselbare Eigenheit ist es, konventionelle Kinovorstellungen und Kinorhythmen zu brechen und uns mit sanfter Gewalt hinzuweisen auf das, was wirklich geschieht mit Figuren, die zwar auf den ersten Blick Kinofiguren sind, aber vor allem Thomes eigene Projektionen, die eben nicht genau das tun, was ihre Paten und Patinnen in unzähligen Kinofilmen tun, sondern das, was sie, genau sie, tun wollen oder müssen.

Das gemachte Licht


Schwierig, genau zu sagen, wie Thome das macht. Ganz bestimmt gehört dazu, dass er den Fluss der Erzählung, diese Abfolge von Begründung und zielgerichteter Action, immer wieder "willkürlich” unterbricht, zum Beispiel in "System ohne Schatten” mit den autonomen Musiknummern, die da völlig unvermittelt und "unnötig” in die bereits exponierte dramatische Intrige geschnitten werden und die der Zuschauer in eine unterirdische (oder subkutane) Verbindung mit dem Stoff zu bringen hat. Und noch deutlicher mit der Hingabe an Bilder und Ansichten, an die Schönheit gewisser Stimmungen, an ein Licht. Ein Licht, im Film: Das wird meistens gemacht. Rudolf Thome und sein Kameramann Martin Schäfer tun's ausgiebig, setzen da einen Glanz und dort einen Reflex, oft so, wie es in natura gar nicht sein kann. Aber "natura” ist ja nichts in dem Film (wie in den meisten anderen; nur versuchen die meisten Filmemacher, dass der Zuschauer das Künstliche nicht wahrhaben will oder kann).

Geglückte Fiktion

Thome gelingt etwas, was beispielsweise schweizerischen, aber auch den meisten deutschen Filmemachern nur ausnahmsweise glückt: Fiktion nämlich, Bewegung der Phantasie auf einer zweiten Ebene. Mich hat nicht erstaunt, dass die schweizerische Filmkritik so ungnädig mit "System ohne Schatten” verfahren ist, als er am vergangenen Filmfestival von Locarno uraufgeführt wurde - auch wir Filmkritiker sind manchmal so bieder wie die einheimischen Filme, so verflucht engstirnig und unbeweglich.
Das fällt besonders auf, wenn man einmal genau schaut, was Rudolf Thome mit den schweizerischen Versatzstücken und Bausteinen seines Films macht, von Bruno Ganz bis zum Zürcher Flughafen, von der Bankenbahnhofstrasse bis zu den Wohntürmen am Zürcher Hardplatz, vom Appenzeller Heimetli über den Schnee bis zu Banknotenbündeln. All diese Sachen, die bei den gängischen Durchschnittsrealisten Sachen bleiben, werden bei ihm zu Dingen, das heisst zu signifikanten Zeichen in einem transparenten Sinngefüge.

In "System ohne Schatten” erzählt und phantasiert uns Rudolf Thome von einer modernen Welt, die allmählich dem sauberen Computer anheimfällt, und von Menschen, die sich unzeitgemässe, archaische Gefühle gestatten und ihretwegen Verrücktheiten begehen, von zwei Spielernaturen, einer im ruhigen Glück, der andere ohne Glück, und von einem, der eines Tages mehr spürt als begreift, dass er zwar bequem lebt, aber kein ganzer Mensch ist, der sich deshalb auf ein Abenteuer (oder mehrere) einlässt und am Schluss weder in seinen geordneten Alltag noch ins Abenteuer zurückkann und etwas Drittes zu wählen hat: Faber, der Computerfachmann, der den Computer manipuliert, aber nicht überwindet, und den der Film verlässt, wenn er, ausgerüstet mit ein paar lumpigen Tausenderscheinen, auf einer verschneiten Parkfläche hoch über dem sinnlosen Strassenverkehr einer grossstädtischen Ausfallstrasse steht.

Sinnbild Laurie Anderson

Laurie Anderson, sagt Rudolf Thome, repräsentiere für ihn in diesem Film die Zukunft; deshalb sei sie - als Sinnbild - überhaupt drin. Sie gehe mit der Elektronik um, wie es Faber (noch) nicht kann: Völlig ungehemmt, völlig frei. Sie schafft die Synthese der beiden anderen Musiken, die ebenso unvermittelt in "System ohne Schatten” aufklingen: dem neutönerischen Cellospiel von Mikro Rilling und dem urtümlichen Stampfen und Rollen der Luzerner Guggenmusik der «Vikinger». Sinngemäss ertönt diese Musik über der Schlussszene mit diesem ernüchterten Faber, der irgendwie neu und anders beginnen muss.

Martin Schaub in Tages-Anzeiger , Zürich 30.12.83

Darsteller:

Faber Bruno Ganz
Juliet Dominique Laffin
Melo Hanns Zischler
Renate Sylvia Kekulé
Nino Konstantin Papanastasiou
1. Gangster Joachim Grigo
2. Gangster Halbe Jelinek
Theaterregisseur Hartmut Bitomsky
1. Arbeitskollege Michael Klier
2. Arbeitskollege Eberhardt Klasse
3. Arbeitskollege Armin Reimann
Programmierer Michael Stricker
1. Prostituierte Cynthia Beatt
2. Prostituierte Laurence Gavron
Nachtwächter Wolfgang Witzke
Zöllner Franz Kropf
Bankdirektor Gerhard Bock
Kassierer Rüdiger Mannigel
Kinder im Autobus Clementine Autain
Solaire Villiers
Malerin Edda Köchl
Maler auf der Vernissage Horst Hödicke
Cellist Mikro Rilling
Sängerin Laurie Anderson

Stab:

Regie Rudolf Thome
Buch Jochen Brunow
Kamera Martin Schäfer
Kamera-Assistenz Martin Gressmann
Materialassistent Pascal Mundt
Regie-Assistenz Petra Seeger
2. Regieassistent Jörg Tykwer
Kostümberatung Barbara Baum
Beleuchter Honorat Stangl
Axel Berger
Bühne Michael Wetterling
Ton Detlev Fichtner
Ton-Assistenz Uwe Griem
Produktionsleitung Jochen Brunow
Produktions-Assistenz Sybille Fanelsa
Filmgeschäftsführung Traute Pfeifer-Göres
Schnitt Ursula West
Schnitt-Assistenz Bettina Böhler
Ausstattung Michael Stricker
Standfotos Johannes Hebendanz
Script Corinna Belz
Produktionsfahrer Michael Krietemeyer
Aufnahmeleitung Günter Klebingat
Aufnahmeleitung (Schweiz) Iwan Schumacher
Musik Dollar Brand
Herstellungsleitung Hans Brockmann

Drehzeit: 28. Dezember 1982 - 14. Februar 1983
Drehorte: Berlin, Bodensee, Zürich, Appenzeller Land, Luzern

Länge: 3.147 m - 114 min - Format: 35 mm (1:1,85) Farbe Kodak und Gevacolor
Prädikat: Besonders Wertvoll, FSK-Freigabe: ab 6 J.

Produktion: MOANA-Film GmbH, Anthea Filmgesellschaft mbH
gefördert mit Mitteln der FFA, des BMI und der Berliner Filmföredrung

Uraufführung: 13. August 1983 Locarno

Kinostart: 28. Oktober 1983 Bochum (Unicenter)

Festivals: Locarno, Taormina, Kairo