Galaxis (1966)

 

Schrift: Das ist Sprache als Bild. Und Film: Das ist Bild - die Einheit von Abbild und Blick: als Sprache.

Wovon die Schrift redet, das behauptet sie: mit Worten. Wovon der Film redet, das zeigt er vor, konkret und ganz direkt: mit Körpern von Menschen und Dingen, mit Mode und Architektur - und mit dem Rhythmus, in den das alles in Bewegung kommt.

GALAXIS handelt anfangs vom Kontrast zwischen Schrift und Film.

Einerseits die Schrift: Die suggeriert eine zukünftige, fremdartige Welt. Und andererseits die Filmbilder: Die holen das Zukünftige in die Gegenwart und das Fremdartige ins Vertraute zurück.

GALAXIS handelt vom Kontrast zwischen der Illusion einer Realität und der Präsenz realer Dinge, die ihre eigene, eine andere Illusion schafft.

Zu lesen ist: Bewohner eines fremden Planetensystems hätten die Erde um 1 1/2 Millionen Männer beraubt. Die Folge sei, daß nun die Frauen der Erde mit Hilfe eines Computers die Männer unter sich aufteilten. Hinter der Schrift zeigen Bilder, wie eine Frau einen Code in einen Computer tippt. Und wie sie ihm danach einige Personalblätter entnehmen kann.

Zu sehen ist: Ein Aufzug, in dem zwei Männer sich begegnen. Der eine ist betont selbstbewußt; der andere eher zurückhaltend. Der eine ist lässig gekleidet, er verdeckt seine Augen mit einer Sonnenbrille; der andere trägt einen Anzug, der aussieht, als stamme er noch von seiner Konfirmation. Der eine redet viel; der andere schweigt viel. Beide sind, jeder für sich, auf dem Weg zu drei Frauen, um als Wohnpartner gewählt zu werden.

Zu sehen ist: die Wohnung der Frauen, d. h. vor allem ein weisser, fast leerer Raum. In der Mitte steht ein großes Bett mit einem Fernseher darauf. Auf dem Boden steht ein Schallplattenspieler und daneben ein Kofferradio, das auch als Lautsprecher dient. Zwei Sessel gibt es noch. Und einen Tisch für den Whisky.

Und zu sehen sind: die Frauen, alle in Mini-Röcken. Sie wirken zunächst eher desinteressiert. Die eine liegt auf dem Bett und starrt, ohne aufzuschauen, auf den Fernsehschirm, obwohl das Bild mehrmals gestört ist. Eine andere geht immer achtlos an den Männern vorbei. Die dritte bietet immerhin Whisky an.

Der eine Mann ist irritiert. Er sagt schnell, er habe ein Empfehlungsschreiben. Der andere wartet gelassen, was sich ergibt.

Zu lesen sind: Sätze. Zu sehen sind: Menschen und wie sie gekleidet sind; Gegenstände und wie sie geformt sind; und eine Wohnung und wie sie eingerichtet ist. Das eine weist ins 21. Jahrhundert. Das andere präsentiert etwas vom Leben: 1968.

GALAXIS beginnt mit dem Gestus: Es wird einmal sein. Aber dann geht es nur noch darum, was gerade ist: Was gerade geschieht - zwischen zwei Männern und drei Frauen.

GALAXIS handelt auch von Männern, die Frauen treffen. Nur sind es nun die Frauen, die "ja" sagen müssen.

Der eine Mann tut viel, um zu gefallen. Er zeigt sich. Er redet. Er lächelt. Er tanzt. Der andere Mann sitzt lange Zeit nur in seinem Sessel, fast regungslos. Er lehnt es ab zu tanzen. "Ich kann nicht tanzen". Eine der Frauen fragt ihn nach seiner Mitgliedschaft in der Anti-Frauen-Bewegung. "Was haben Sie sich dabei gedacht." Seine Antwort: Er sei zwei Jahre jünger gewesen. Inzwischen habe er eingesehen, daß man die Dinge nehmen müsse, wie sie seien. "Aber das paßt Ihnen nicht?" Nach kurzem Zögern: "Das wird sich noch herausstellen."

GALAXIS handelt von der Frage, wie Männer mit Frauen und Frauen mit Männern zusammenleben können.

Schließlich fragen die Frauen die beiden Männer, wer ihnen am besten gefalle. Der eine Mann begutachtet lange. Er bittet die eine um eine Körperdrehung und schaut die anderen prüfend an. Dann trifft er seine Wahl.

Der andere Mann kann sich nicht entscheiden. Doch damit hat er alles zu seinen Gunsten entschieden.

"Hier leben wir also", sagt eine der Frauen noch zu ihm und weist mit dem Arm auf den Raum. So endet der Film damit, daß sie zu viert Platz nehmen auf dem qroßen Bett. Sie schauen sich an, trinken einen Schluck Whisky. Niemand lächelt.

Norbert Grob in Kinemathek 66, 10/83