Stand: 15.9.99


Europakarte--- --- Europa (Textversion) --- --- Deutschlandkarte--- --- Deutschland (Textversion) --- --- Tangoserver --- --- Ralf Scholl--- --- Email


Buenos Aires ist zweifellos das weltweite Zentrum des Tangos Argentinos. Wer also nach Buenos Aires fährt, um (auch) Tango zu tanzen, findet nachfolgend eine Reihe ausführlicher Tips, die dabei helfen sollen, bei minimalem Geldaufwand ein Maximum an Gegenleistung zu erhalten. Grundlage sind meine persönlichen Erfahrungen während zweier vierwöchigen Aufenthalts. Jegliche Bewertungen sind natürlich subjektiv und durch meine Interessen geprägt. Nachfolgend die wichtigsten Hinweise zu einer Tangoreise von Europa nach Buenos Aires.

  1. Flug: Um einen günstigen Flugpreis zu erhalten, lohnt es sich, ca. 3Monate vor dem Abflug zu buchen. Spätestens 4...6 Wochen vor dem Abflugdatum sind nämlich üblicherweise die billigen Plätze ausgebucht.
    Mein Tip: Studenten mit ISIC (International Student Identity Card) und Lehrer/Hochschullehrer mit ITIC (International Teacher Identity Card) fliegen zu den besonders günstigen Studententarifen der Fluggesellschaften. ISIC/ITIC und die Studententarife (von ca. 1200 DM für Hin- und Rückflug) bekommt man in spezialisierten Studentenreisebüros in den Unistädten. Für die Ausstellung der ITIC ist eine Bescheinigung der Schule/Hochschule nötig, daß man als Vollzeit-Lehrkraft arbeitet.
  2. Unterkunft: Die Hotelpreise in Buenos Aires tendieren eher zu "überzogen" als zu "Sonderangebot". Im früher einmal sehr guten, heute aber etwas abgewohnten Hotel Continental im Stadtzentrum (in der Luis Saenz Peña = Diagonal Norte) zahlt man z.B. 100$ pro Person und Tag im Doppelzimmer. Am anderen Ende der Skala liegen die Billighotels wie z.B. das Hotel Varela, Estados Unidos 328, oder das Hotel Victoria, Chacabuco 678, beide in San Telmo, also noch in Zentrumsnähe gelegen. Dort zahlt man 12$ pro Nacht für das Einzel- oder Doppelzimmer ohne Dusche; ($15 mit Dusche, Bidet und Toilette im eigenen 4 qm "großen" Badezimmer, Vorteil: die Toiletten haben wenigstens Klobrillen); für einen ganzen Monat bei Vorauszahlung 140 -180$. Allerdings sind die Bedingungen für einen einigermaßen verwöhnten Mitteleuropäer am unteren Rande des Zumutbaren: die Duschen sind die einzige Möglichkeit, an heißes Wasser zu gelangen, manchmal, wennn gerade viele geduscht haben, gibt es allerdings keines; auf allen Gemeinschaftstoiletten fehlen die Klobrillen. Dafür ist es sauber und die Hoteliers sind freundlich.

    Mein Tip: In der Pension der Familie Banchero, Cochabamba 286, Tel. 43075073 - Pablo Banchero, der als einziger Englisch spricht, ist Tangosänger - teilen sich je vier Zimmer zwei neu eingerichtete Bäder, deren sanitäre Einrichtungen auf europäischem Niveau sind. Außerdem ist die Atmosphäre sehr familiär: Man kann z.B. den Grill der Familie für eine Parilla benutzen. Da es so wenige Zimmer gibt, empfiehlt sich eine langfristige Voranmeldung - man zahlt 20$ für ein Einzelzimmer und 30$ für ein Doppelzimmer pro Tag.
    Der Wermutstropfen: Wer extrem lärmempfindlich ist, sollte es sich gut überlegen, denn nur 100 m vom Haus entfernt verläuft eine Stadtautobahn. Andererseits hat man es aber auch nur zwei bzw. vier Blöcke weit zur Practica in der Cochabamba 444 bzw. zum Torquato Tasso. (s.u.)

  3. Bezahlen in Buenos Aires:

    Die argentinische Währung ist der konvertible Peso ($). Die Regierung garantiert einen Umtausch von 1:1 in US-$. Deswegen kann man fast überall in Buenos Aires mit US-$ (in Argentinien übrigens U$S geschrieben) bezahlen. Auch Kreditkarten werden ab einem Betrag von 10 $ fast überall akzeptiert. Ausnahme: In U-Bahn und Bussen kommt man nur mit Pesos bzw. Centavos weiter. Für die Busse braucht man unbedingt Münzen, da die Automaten keine Scheine nehmen.

  4. Fahrt vom Flughafen in die Stadt:

    Wer nicht den völlig überzogenen Preis von 30$ für die ca. 30 km Fahrt vom internationalen Flughafen "Ezeiza" ins Stadtzentrum bezahlen möchte, fährt am besten mit "San Martin - Passenger and Crew", einem Kleinbusunternehmen, das viertel- bis halbstündig von Ezeiza zum nationalen Flughafen "Aeroparque" fährt, mit einem Stop im Stadtzentrum. (ca. 35 min Fahrzeit) Für 11$ erhält man am Schalter von "San Martin", sein Ticket.
    Mein Tip: Wer mit ganz kleinem Budget reist, oder wer vor seinem Rückflug auf der Fahrt von Buenos Aires zum Flughafen noch einmal in aller Ruhe von der Stadt seiner Träume Abschied nehmen will, dem sei der Bus 86 empfohlen! Für 1,35$ gelangt man mit ihm in ca. 1 Stunde und 40 min vom Flughafen über das Stadtzentrum nach San Telmo und Boca bzw. von Boca/San Telmo zum Flughafen. Die Haltestelle ist gerade einen Block von der Casita Banchero entfernt.

  5. Fahrten in Buenos Aires:

    B.A. hat ein gut ausgebautes öffentliches Nahverkehrssystem, bestehend aus U-Bahn ("Subte") und Bussen ("Collectivo"). Zum U-Bahn-Fahren muß man sich am Schalter einer U-Bahn-Station für 0,60 $ eine Blechmünze kaufen, die man am Drehkreuz benötigt, um in die Station zu gelangen. Das Busfahren kostet (meist) 0,70$, und man benötigt dafür Münzen, am einfachsten 1$-Münzen. Man sagt dem Busfahrer beim Einsteigen sein Ziel (oder den Betrag und zahlt dann am Automaten im Bus. Der gibt auch das Wechselgeld heraus. Vorsicht: Wenn es keine Direktverbindung gibt, und man den Bus wechseln muß, muß man auch erneut zahlen! Wenn man also zu viert unterwegs ist und es keine Direktverbindung gibt, lohnt es sich meist, eines der fast Vierzigtausend Taxis zu nehmen! Taxifahren ist billig (Grundgebühr 1$), geht aber auf die Dauer trotzdem ganz schön ins Geld!
    Mein Tip: Am ersten Tag an einem Kiosk den "Lumi" verlangen. So nennt sich das Verzeichnis der Buslinien von B.A. Kostet 10$ und bietet als Nebeneffekt einen sehr guten Stadtatlas mit Straßenverzeichnis. Das Problem ist die Umständlichkeit der Darstellung: Die Linien sind (wegen der Vielzahl) nicht in die Straßenkarten selbst eingezeichnet, sondern in ein daneben befindliches Verzeichnis von Planquadraten. Den genauen Verlauf der einzelnen Linien muß man dann bei der Beschreibung des Streckenverlaufs der jeweiligen Linie nachschlagen und in der Karte nachvollziehen. Auch sind die genauen Orte der Haltestellen im Lumi nicht angegeben, aber das Grundprinzip ist einfach: alle zwei Quadras, also an jeder zweiten Querstraße, ist eine Haltestelle. Mittlerweile sind die meisten Bushaltestellen sogar mit Schildern versehen (das ist eine Neuerung!); im Zweifelsfalle hilft allerdings nur Nachfragen bei Einheimischen. Die Busse muß man übrigens mittels Handzeichen auf sich aufmerksam machen, sonst halten sie nicht an, sondern fahren an der Haltestelle vorbei.

  6. Finden der Milongas, Practicas etc.

    Als Tourist in Buenos Aires kann man lange fragen, wo Tango getanzt wird: Normalerweise wird man dann zu irgendeiner Tango-Show geschickt. Die Orte der Milongas sind den meisten Argentiniern völlig unbekannt!!!
    Mein Tip: Am ersten Tag die beiden Tango-Käseblättchen "B.A.-Tango" und "Tangauta" besorgen. Den Tangauta erhält man auf jeden Fall kostenlos in der Redaktion, Avenida del Mayo , 3. Stock, (Eingang links neben dem Café Tortoni). Beide Zeitschriften liegen auch an den üblichen Milongas aus, aber dazu muß man eben erst mal eine gefunden haben... (Adressen einer Auswahl: siehe weiter unten) Am "Kiosko de Tango" in der Corrientes ca. vor Nr. 1550 oder an dem Kiosk auf der Plaza Dorrego in San Telmo kann man für zwei Pesos auch ein Vierteljahresverzeichnis der Veranstaltungen (B.A. Tango) kaufen; außerdem in "La Esquina del Tango" in der Corrientes 798 (Ecke Esmeralda). Reinschauen - dort finden sich auch Adressen von Tango-Schuhmachern, weitere Übernachtungsmöglichkeiten und, und, und...!

  7. Privatstunden, Gruppenunterricht und Praktikas
    Mein Tip: Es lohnt sich nicht, gutes Geld für teure Privatstunden zu verschwenden, um Figuren und Schritte zu lernen. Dazu geht man am besten in einen guten Gruppenunterricht. In den Privatstunden, die man natürlich auch nehmen sollte, kann man sich dafür effektiver mit der Technik oder dem Verbessern von bereits bekannten Figuren und Schritten beschäftigen. (Wobei "bekannt" durchaus heißen kann: Vor einer Woche oder vor drei Tagen neu gelernt.)

    Meine Empfehlung als Praktika: Damian & Nancy, montags 20.00 Uhr in "La Casa del Tango", La guardia vieja 4000 (genaue Nummer selber rausfinden!), freitags im "Torquato Tasso", Defensa, gegenüber dem Parque Lezama. Kosten: 6$ pro Person
    Dies sind Kurse für alle Niveaus; d.h. als guter Tänzer hat man viel Zeit, seine eigenen Figuren zu üben. Außerdem stehen Damian & Nancy immer für Fragen zur Verfügung - auch zu den eigenen Figuren, sodass diese Stunden ein äußerst intensives Training sind!

    Ansonsten ist eine sind sehr brauchbare Praktikas Mo, Di, Do und Freitag in der Cochabamba 444 in San Telmo. (Mo + Fr ab 21.30 Uhr Gustavo y Olga, Di + Do ab 20.30 Uhr Mingo Pugliese) Diese Praktikas sind recht nett, laufen aber eher wie Milongas ab; wem das gefällt, der findet hier Tänzer mit sehr gutem Niveau! Man kann aber ohne mitgebrachten festen Partner immer nur testweise an Figuren bzw. Schritten arbeiten. Dienstags ist am meisten los - warum, weiß niemand.

    Meine Empfehlung für Gruppenunterricht auf fortgeschrittenem Niveau:
    Damian & Nancy in "La casa del Tango" samstags 20 Uhr . Unterricht wie oben, aber da es ein Kurs für "Avancados" ist, auf höherem Niveau. Kosten: 6$ pro Person.

    Meine Empfehlung für Gruppenunterricht auf sehr fortgeschrittenem Niveau:
    Gustavo (Naveira) y Giselle Anne: Dienstags und freitags in dem "Centro cultural Region leonesa": Kurs für "Avancados", also wirklich sehr Fortgeschrittene!!! Man muss paarweise kommen. Kosten für ca. 1 1/2 Stunden: 15 $ pro Person, oder bei Bezahlung von 8 Stunden im Voraus insgesamt 80$ pro Nase.

    Meine Empfehlungen für Privatstunden:

    Vor meinen Empfehlungen für Milongas noch eine kurze Vorbemerkung: In Deutschland liegt das Alter der Tangotänzer im Wesentlichen zwischen 20 und 40. In Buenos Aires ist es genau umgekehrt: Die Tänzer sind entweder über 40 oder unter 25. Daraus ergibt sich, daß es zwei Typen von Milongas gibt: Die für die eher älteren Semester und die für die Jugend. Bei den Milongas der Älteren geschieht das Auffordern tatsächlich fast ausschließlich durch Zunicken vom eigenen Sitzplatz aus. Und: Wenn man paarweise gekommen ist, wird die Frau prinzipiell nicht aufgefordert, solange der Mann am Tisch sitzt, es sei denn, er hat vorher häufig mit anderen Frauen getanzt. Ansonsten wird respektiert, dass sie ihm gehört. (Macho lässt grüßen.) Wenn man diese Spielregeln nicht kennt, und z.B. nur die Frau tanzen kann, führt das zu netten Frustrationen. Bei den Jüngeren wird direkt aufgefordert, wie es auch in Europa üblich ist. Da gibt es wenig Chancen mit Zunicken - das sollte man als Mann wissen.

    Empfehlenswerte Milongas:

    Für jüngere Leute (oder alle, die sich jung geblieben fühlen):
    Tag Zeit Ort Adresse Tel. Kommentar
    Mo 23.30 - 4.00 Uhr Carlos Calvo ca. 1690 ? Kleine Tanzfläche; gemischtes, eher äteres Publikum, aber sonst gibt es nichts
    Di 22.00 - 4.00 Uhr Club Almagro, "Martes de los chicos" Medrano 522 307-5357 Hier tanzt die Jugend von 14..25; für B.A. relativ niedriges Niveau, zwischen 0.30 und 2.30 Uhr z.T. extrem voll
    Mi 22.30 - 4.30 Uhr Maracaibo ???(Microcentro) ? Gute Livemusik, mit 10$ Eintritt sehr teuer, deswegen eher älteres Publikum
    Do 23.00 - 4.30 Uhr Niño bien Carlos Calvo ca. 1470 ? Großer Saal, sehr glattes Parkett, alles von jung bis alt, sehr gute Musik, sehr voll, im Eintritt ist ein Glas Sekt enthalten, z.Zt. super-angesagt!
    Fr 23.00 - 4.30 Uhr "Torquato Tasso" Defensa ca.1600 (Stadtteil San Telmo) ? Klein, sehr voll, mit Livemusik aber gratis!! Viele junge Leute mit schmalem Geldbeutel, Superstimmung.
    Fr ab 23.30 "La Estrella" im Centro cultural armenico Armenia 1366 (Stadtteil Palermo) 832-4105 großer Saal, dadurch nicht ganz so voll wie im "Almagro"; ab 3.00 Uhr hat man Platz zum Tanzen; dann kostet es auch keinen Eintritt mehr
    Sa ab 23.30 "La Viruta" im Centro cultural armenico Armenia 1366 (Stadtteil Palermo) 832-4105 im gleichen Saal wie "La Estrella" - s.o.
    So 23.00 - 3.00 Uhr "Torquato Tasso" Defensa ca. 1600 (Stadtteil San Telmo) ? Klein, sehr voll, Livemusik, gute Stimmung.
    So 23.00 - 4.30 Uhr "Parakultural" im Arlequines, Perú 571, (Stadtteil San Telmo) 301-8682 Etwas welliges Parkett, ziemlich leer, aber sehr gute Tänzer. Hier kann man den Platz für die tollsten Figuren.

    Für ältere Leute (oder einfach Interessierte):
    Tag Zeit Ort Adresse Tel. Kommentar
    Di
    Mi ab 20.00 Uhr El Morocco Corrientes 2048, 774-7454 Modernes Ambiente, extrem elegant (Abendanzug unbedingt empfehlenswert!!), mit 10$ teurer als die anderen Milongas, Tango als "Gesellschaftstanz"
    Do ab 23.00 Niño bien Carlos Calvo s.o.
    Sa 22.30 Uhr - 3.00 Club Gricel La Rioja 1180 957-7157 Unbedingt sehenswert: schöner alter Raum mit Säulen rund um die Tanzfläche, etwas welliges Parkett; danach kann man noch im 500m entfernten "Viruta" weitertanzen
    ab 22.00 Uhr Sunderland Club Lugones 3161 ? Sporthalle, im Winter sehr kalt; sehr, sehr gute alte Tänzer, nicht allein hingehen!
    So 23.00 Uhr - 4.30 Salon Canning Scalabrini Ortiz 1331 832-6753 Z.T. sehr gute alte Tänzer

    Und wem diese Möglichkeiten nicht genügen, der kann schon am Nachmittag Tango tanzen gehen!
    Tag Zeit Ort Adresse Telefon Kommentar
    Mo 15.00 - 23.00 Uhr Confitería Ideal Suipacha 384, 1. Stock 326-0521 Mindestens einmal hingehen! Der Saal ist sehenswert; die Stimmung gut.
    Di 16.00 - 21.00 Uhr 581-4943
    Mi 16.00 Uhr 326-0521
    Do 13.00 Uhr 326-0521
    Di 16.00 - 20.00 Uhr La Pavadita Corrientes 1218 605-8234 U-förmige Tanzfläche, meist sehr nett
    Do



    Fazit von zweimal vier Wochen Tango in Buenos Aires:

    Es gibt in B.A. meiner Schätzung nach etwa sechs- bis zehnmal so viele Tangotänzer wie in Berlin, das Niveau ist spürbar höher, aber nicht astronomisch hoch. Es gibt aber Spitzenleute, die es in Europa in dieser Qualität einfach nicht gibt. (Das Bild, das mir als Vergleich vorschwebt ist das einer kleinen und einer großen Pyramide: Bei einer Vervierfachung der Grundfläche (entspricht der Anzahl der Tänzer) steigt der Schwerpunkt (entspricht dem durchschnittlichen tänzerischen Niveau) nur auf die doppelte Höhe. Und ebenso die Spitzenhöhe!

    Wenn man im Urlaub nach Buenos Aires fährt und nichts anderes tut, als Tango zu tanzen, ist das eine äußerst intensive Geschichte: Ich habe in den je vier Wochen meiner beiden Aufenthalte jeweils so viel (oder mehr) gelernt, wie in etwa zwei Jahren zuvor! - Ich hatte mich allerdings vorher auch nicht besonders heftig bemüht, viel zu lernen, sonst sähe das schon anders aus: dann hätte ich wohl "nur" so viel gelernt wie vorher in einem Jahr.

    Aber auch in Buenos Aires wird nur mit Wasser gekocht, und auch die Porteños müssen ihre ersten Tangoschritte genauso mühsam lernen wie jeder Europäer oder Nordamerikaner. (Das habe ich selbst gesehen! Alles gegenteiligen Behauptungen gehören in den Bereich der Sagen und Märchen.) Der einzige echte Vorteil in Buenos Aires ist, daß viele Jugendliche im Alter von 14, 15, 16 Jahren Tango lernen, in einem Alter, in dem bei uns die Jugendlichen durch die Tanzschulen geschleust werden. Und diese im Durchschnitt mehr als fünf Jahre, die dort früher angefangen werden, die spielen dann langfristig für das Niveau schon eine Rolle! So habe ich einen Gabriel Missé (18 Jahre) mit seiner Partnerin (17 Jahre) bei einem Schautanz Schrittkombinationen tanzen sehen, die ich keinem Profi in Europa zutraue! (Zumindest keinem, den ich kenne.) Und ich habe eine 16-jährige erlebt, ein echtes Ausnahmetalent, die erst seit 5 Monaten tanzte, mit der ich aber alles, was ich in acht Jahren in Deutschland gelernt hatte und alles, was ich in Buenos Aires dazugelernt habe, spätestens im dritten Versuch mit Genuß tanzen konnte, vorausgesetzt, daß meine Führung (für mich!!) klar war.

    Im Übrigen: Der Traum vom Tangotanzen in Buenos Aires ist nicht ganz billig, aber billiger, als viele denken: Mit äußerster Einschränkung (Billighotel usw.) ist man für zwei Wochen mit ca. 2500 DM dabei, inklusive Gruppenstunden im "La Florcita".
    Für vier Wochen sollte man mit ca. 5500 DM rechnen, wenn man ca. 2000 DM für Stunden und Eintritte in Milongas ausgeben will. Wohlgemerkt: Bei billigster Unterkunft!

    Und zu guter Letzt noch zwei ganz konkrete Hinweise: Wenn man auf den Milongas bis zum Ende bleibt (z.B. so zwischen drei und halb fünf Uhr im Paracultural oder zwischen vier und sechs Uhr im Estrella), hat man endlich genügend Platz, um wirklich tanzen zu können; und dann sieht man auch noch unbekannte, aber gute Jungprofis tanzen: Tänzer, die viel Freude am Tanzen haben, und etwa zur Hälfte aus der ganzen Welt stammen und zur Hälfte aus Buenos Aires. Mit denen macht es wirklich Spaß zu tanzen oder auch mal nur zuzuschauen! Und wenn sich die auswärtigen Profis in eine "normale" Milonga, z.B. am Nachmittag verirren, dann passiert es schon einmal, daß ein Porteño sagt: Die tanzen ja besser als wir! Das ist dann genau der umgekehrte Effekt, den wir hier in Europa erleben: Es kommen hauptsächlich die guten Leute rüber, die wissen, weswegen sie kommen, und wir glauben dann, das Niveau in Buenos Aires müsse einfach atemberaubend sein. Das ist es nun doch nicht.

  8. Besonders interessant, wenn man einmal die Entstehung einer neuen Schrittkombination sehen will: In der Cochabamba 444 montags oder freitags ganz zum Schluss, wenn Gustavo und Giselle mal aktiv werden, vielleicht zusammen mit Chicho und noch einem dritten Paar. Das ist spannend (und verwirrend) und es erleichtert einen doch wirklich, auch mal diese Topleute, die sonst scheinbar alles so mühelos können, einmal mit Knoten in den Beinen zu sehen.
  9. A propos "atemberaubend": "Una noche de Tango" von "Tango x 2", lies: "Tango por dos" im Teatro Presidente Alvear, Corrientes ca. 1600, ist unbedingt sehenswert, sogar mehrfach! Karten für die nächste Woche kann man ab Samstag kaufen bzw. vorbestellen, und Mittwoch ist der Happy-Day: alle Plätze zum Einheitspreis von 5$. Aber Achtung! Auch hier kann man nur mit Pesos bezahlen. (1999 traten sie leider nicht auf. Die Empfehlung bleibt trotzdem!)

    Und am "Kiosko del Tango" ca. 300m vom Teatro Alvear Richtung Pyramide, auf der anderen Straßenseite, kriegt man so ziemlich alles zum Thema Tango, inclusive diverser CDs. Überhaupt: CDs. - Es lohnt sich, bei "Musimundo" mal die Tango-CDs durchzustöbern, um die Exemplare für 10$ herauszufiltern. Z.T. sehr gute Musik, und in Deutschland nur für ca. 35 DM zu bekommen.

    Sind noch Fragen offen? Dann schickt eine Email an mich! - Ich überlege jedenfalls jetzt schon, wie ich es schaffen kann, nächstes Jahr zum dirtten Mal für einen Monat nach Buenos Aires zu kommen. Ich habe es genossen!

    Weitere Informationen über den Tango in Buenos Aires - aus der Sicht eines anderen deutschen Tänzers findet Ihr unter dieser Adresse. Auch wenn meine persönlichen Eindrücke z.T. deutlich andere sind - z.B. empfand ich, daß in den Milongas hauptsächlich Tangos von Pugliese gespielt werden - halte ich seine Eindrücke für authentisch. Auf jeden Fall ist es richtig, daß man sich in den Milongas tatsächlich in der ersten Minute nur unterhält. Aber wer - wie ich - wenig Spanisch kann, fängt eben schon nach 20 Sekunden zu tanzen an, was den zusätzlichen Vorteil hat, daß einem dann niemand unberechenbar in die Bahn tanzt - auch das kommt nämlich in den Milongas der jungen Leute durchaus häufig vor.

    Außerdem ist es richtig, daß in Buenos Aires in den Milongas neben Tango, Milonga und Vals auch Salsa und Rock getanzt wird, wobei der "Rock" nichts mit dem in Europa üblichen RocknRoll zu tun hat, sondern mit dem Stil der 50-er Jahre. D.h.: Es ist eine Abwandlung des in Europa üblichen Jive: Statt des seit-schluß-seit im Jive-Grundschritt wird in Argentinien lediglich tap-schritt getanzt. Wer also Jive kann, kann problemlos den argentinischen "Rock" tanzen. Und wer nicht, sollte zu Facundo und Kely gehen, und es dort lernen. - Das ist die beste Adresse dafür.)

     

    Eines sollte einem jedenfalls ganz klar sein: Es gibt in B.A. stilistische Unterschiede zwischen den einzelnen Lehrern, die mindestens ebensogroß sind, wie im Rest der Welt, eher noch größer. Der Milonguero-Stil ist zwar am weitesten verbreitet, aber durchaus nicht als allgemeingültig akzeptiert! (Außer in den Milongas, solange es voll ist, natürlich.)

    Und noch eines: Einen speziellen "Tango de Salon", wie er in einigen Berliner Tangoschulen unterrichtet wird, habe ich in B.A. nirgends gesehen. Was man in diesen Kursen lernt, sind nur Varianten des normalen Tangos - m.E. sind diese Kurse eine typisch deutsche Geldschneiderei.

    Viel Spaß bei Euren Buenos Aires-Besuchen! Und schickt mir mal eine Email mit euren Eindrücken, wenn ihr zurück seid!


    Europakarte--- --- Europa (Textversion) --- --- Deutschlandkarte--- --- Deutschland (Textversion) --- --- Tangoserver --- --- Ralf Scholl--- --- Email