Praktische Tips zum Wandersegelfliegen

von Jan Lyczywek

Planung & Information

Nicht zu viel planen! Das ist wohl der wichtigste Tip. Wir haben als Wandersegelfluganfänger viel zu viel recherchiert. Zum Beispiel haben wir alle französischen Segelflugvereine, die auch nur im entferntesten in der Nähe unserer groben Route lagen, angemailt und gefragt, ob es in dem geplanten Zeitraum Schlepps auch unter der Woche gibt. Fast alle haben geantwortet; die meisten hätten uns schleppen können. Gelandet sind wir in Frankreich zweimal im Acker und zweimal auf Plätzen, an denen es keine Segelflieger gibt. Der dicke Leitz-Ordner mit all den Antwort-Emails, den Listen "schleppender" Plätze und den entsprechenden ausgedruckten Anflugkarten aus der Online-AIP? Hübsch, aber leider - völlig wertlos.

Was also braucht man wirklich? Das wichtigste sind verlässliche, aktuelle Flugplatz- und Luftraumdaten in digitaler Form. Man tut sich einen Gefallen, diese möglichst aus einer Quelle zu beziehen und nicht aus verschiedenen Dateien zusammenzukopieren, sonst ist schnell einmal derselbe Flugplatz unter zwei Namen oder mit abweichenden Daten doppelt enthalten. Wir haben alle Dateien von der Website von SeeYou heruntergeladen. Zugegebenermaßen keine "offizielle" Quelle, dafür aber stets recht aktuell und für die ganze Welt aus einer Hand erhältlich.

Außerdem sind - wir waren selbst überrascht darüber - ganz banale Papierkarten nicht nur als Navigationsausrüstung vorgeschrieben, sondern tatsächlich überaus praktisch. Nicht etwa zum klassischen Mitkoppeln der Position; diese Methode ist heutzutage wirklich antiquiert und erzeugt unverhältnismäßig viel zusätzliche Arbeitsbelastung, nur um den mehr als unwahrscheinlichen gleichzeitigen Ausfall aller GPS-Systeme abzusichern. Nein, die aktuelle Position weiß der PDA bzw. Rechner viel besser und anhand der Luftraumstrukturen ist sie auch problemlos vom Moving-Map-Bildschirm in die Karte hineindenkbar. Aber zum Planen der großen Linien, für die weitere Kurswahl sind Karten viel übersichtlicher und einfacher als die Bildschirme, auf denen man dafür immer zoomen und scrollen muss und dabei schnell das Gefühl für die Größenverhältnisse verliert. Auch Frequenzen, Ober- und Untergrenzen von Lufträumen sowie deren Namen (die man gerade für die Nachfrage im Funk braucht) liefert die Karte viel schneller und vor allem auch für mehrere Lufträume gleichzeitig, während man am Rechner bzw. PDA dafür hin- und herblättern muss. Also: Klein-klein-Navigation und genaue Positionsbestimmung macht die Elektronik, auf Papier wird großräumig navigiert und Information nachgeschlagen.

Sicherlich kann man sich mit weiterer Information wie einer AIP oder aktuellen NOTAMs aufrüsten; professioneller wäre das gewiss. Wir haben das nicht getan und sind gut geflogen damit.

Eine schlaue Idee ist es, dem Fahrer im Auto denselben (Luftfahrt-)Kartensatz mitzugeben. Leider sind Luftfahrtkarten sehr teuer, aber oft kommt man günstig an ältere Exemplare. Für das Auto genügt das vollauf, es kommt ja nur darauf an, dass die verwendeten Bezeichnungen (größtenteils) übereinstimmen.

Man versuche nicht, im Vorhinein die Route einer solchen Reise festzulegen oder auch nur morgens das abendliche Ziel der jeweiligen Tagesetappe! Solche "Planung" ist zeitraubend, einengend, unnötig und zu guter Letzt kommt es ohnehin - immer, garantiert - anders! Wer Freude daran hat, solcherlei im Vorhinein genau festzulegen, der fliege mit einem Motorflugzeug.

Spielregeln

Genau, wie man nicht alles planen kann, kann man natürlich auch nicht den Umgang in der Gruppe miteinander durch Regeln institutionalisieren. Entweder es passt, oder es passt nicht. Drei "Spielregeln" scheinen uns dennoch sinnvoll zu sein; sie haben sich bewährt.

  1. Keine Hierarchie in der Gruppe: Entscheidungen werden gemeinsam getroffen und die Konsequenzen gemeinsam getragen. Das heißt: im Nachhinein keine Vorwürfe, wenn etwas nicht gelingt!
  2. Keine Rücksicht auf den Rückholer! Also: keine vorzeitige Landung, damit der Fahrer früher Feierabend hat, kein Verzicht auf eine notwendige Kursänderung, nur um dem Fahrer einen Haken zu ersparen. Das klingt brutal, ist aber wichtig, um unbeschwert fliegen zu können und das Wetter richtig nutzen zu können. Wir sind zum Fliegen hier, also richtet sich das Auto nach dem Flugzeug, nicht umgekehrt.
  3. Keine Änderung des Rotationsschemas, wenn diese nicht unbedingt geraten erscheint. Es wird also wenn irgend möglich in gleichbleibender Reihenfolge durchgewechselt. So vermeidet man die Gefahr, dass einer sich als "besserer", ein anderer sich als "schlechterer" Pilot fühlt.

Kommunikation zwischen Flugzeug und Auto

Wir hatten ein Handfunkgerät dabei, um zumindest kurz nach dem Start oder in den Fällen, in denen das Auto das Flugzeug einholt, direkt kommunizieren zu können. Das hat nicht ein einziges Mal geklappt. Teils liegt das an der in den allermeisten Geländegegebenheiten recht geringen Reichweite der Handquetsche, teils daran, dass im Flugzeug meist FIS- oder ATC-Frequenzen gerastet sind. Das Handfunkgerät ist allenfalls am Boden auf den jeweiligen Flugplätzen praktisch. Man kann es aber auch getrost zuhause lassen.

Als Alpenflieger ist man an recht ordentlichen Handyempfang gewöhnt. In Flachlandgebieten jedoch sind die Antennen der Handy-Masten sinnvollerweise anders eingestellt und verfügen über viel flachere Abstrahlkegel. Deswegen funktioniert das Telefonieren mit dem Handy dort nur, wenn man ziemlich tief ist, und auch das nur schlecht.

SMS hingegen funktioniert auch bei schlechten Empfangsbedingungen recht gut, weil die übertragene Datenmenge um Größenordnungen kleiner ist und die Verbindung daher nur für Sekundenbruchteile stehen muss, um eine im Postausgang wartende, fertig verfasste SMS abzusetzen. Beim Verfassen der SMS muss man aber an eben diesen Effekt denken: es kann durchaus sein, dass eine fertig geschriebene SMS nach dem Klick auf den "Senden"-Button längere Zeit im Postausgang herumliegt, bis sie tatsächlich versendet wird. Als Absendezeit wird an die SMS automatisch der Zeitpunkt dieses tatsächlichen Sendens angehängt. Der Fahrer jedoch muss wissen, wann die SMS verfasst wurde, nicht, wann sie tatsächlich den Postausgang verließ. Deswegen gehört in den Text der SMS als allererstes die Uhrzeit (MESZ), zu der sie verfasst wurde. Die SMS beginnen also mit "14:00" oder "1400".

Es hat sich bewährt, jeweils etwa zur vollen Stunde eine SMS zu schreiben. Dem Fahrer genügt das für eine vernünftige (Autobahn-)Routenplanung. Bei unerwarteten Kursänderungen oder plötzlicher Verschlechterung der Wetterverhältnisse sind hin und wieder auch "außerplanmäßige" Mitteilungen sinnvoll. Grundsätzlich gilt aber: den Fahrer nicht mit SMS zumüllen! Mit dem Auto kann man ohnehin nicht im Viertelstundenrhytmus umdisponieren.

Weiters hat es sich sehr bewährt, dem Fahrer einen Eindruck von den Streckenflugbedingungen zu vermitteln. Dazu ist am besten und kürzesten ganz einfach die Höhe geeignet. Natürlich muss man dabei ein bisschen mitdenken: kurbelt man beispielsweise gerade in einem zuverlässigen Bart aus 1200 m wieder hoch und befindet sich bereits auf 1500m, während die Basis in 2000 m liegt, dann schreibt man natürlich "2000m", denn nur diese (im Flachland reichliche) Höhe gibt dem Fahrer den zutreffenden, optimistischen Wettereindruck. Nach einem Absaufer, aus dem man sich in einen Nullschieber in 400 m über Grund gerettet hat und noch keine rechte Hoffnung aufs Wegkommen hat, darf man hingegen durchaus "400m" schreiben.

Zusätzlich hatten wier uns ein Code-System ausgedacht, das mit ganz wenigen Zeichen auch die Einschätzung der Wetteraussichten durch die Flugzeugbesatzung wiedergibt: "++" bedeutet "sehr gutes Wetter, schnelles Weiterkommen", "+" heißt "gutes Wetter, Weiterflug gesichert", "-" steht für "schwierige Wetterverhältnisse, langsames Vorankommen erwartet" und "--" schließlich ist das Kürzel für "extrem schlechte Bedingungen, baldige Landung wahrscheinlich". Im ersten Moment wirken diese Codes arg theoretisch und künstlich, aus der praktischen Erfahrung können wir das System aber dringend empfehlen, es hat sich hervorragend bewährt.

Neben Uhrzeit, Höhe und Flugbedingungs-Kürzel gehört selbstverständlich die Position in die SMS. Dabei genügt eine grobe Angabe anhand größerer Städte oder Flugplätze. Hier keine mikroregionale Heimatkunde betreiben, 20 Kilometer hin oder her sind für den Fahrer belanglos, außer bei absehbar bevorstehender Landung.

Aus der Positionsmeldung muss aber eindeutig hervorgehen, ob das Flugzeug über dem genannten Ort fliegt oder dort gelandet ist! Gerade bei Flugplätzen als Positionsbezeichnung entsteht sonst schnell ein zeitraubendes Missverständnis. Auch dafür hatten wir Kürzel verwendet, nämlich F (Flug) und L (Landung).

Und schließlich sollten die Absichten für die weitere Stunde kurz umrissen werden; meist genügt der Kurs.

Eine solche SMS könnte dann lauten: "1600 uhr f+ braunschweig 1700m kurs n"

Grundsätzlich gut bewährt hat sich das Trackingsystem SPOT. Viele Freunde haben uns online am Rechner mitverfolgt. Wer über bezahlbares mobiles Internet verfügt, könnte das natürlich auch vom Auto aus tun. Das wäre gewiss die Luxusvariante, allerdings scheint es mir fraglich, ob die hohe Informationsdichte den Fahrer dann nicht dazu verleitet, dem Flugzeug genauer zu folgen, als das seinem eigenen Vorwärtskommen am Boden dienlich ist.

Taktik am Boden

Wie oben schon erwähnt, sollte der Fahrer nicht versuchen, gewissermaßen unter dem Flugzeug herzufahren. Es genügt völlig, in großen Zügen der groben Richtung zu folgen. Dabei lohnt es sich immer, Autobahn zu fahren, auch dann, wenn die Abweichung von der (vermuteten) Flugstrecke beträchtlich erscheint. Mit Hänger kommt man auf der Autobahn nicht nur sehr viel schneller, sondern auch viel sparsamer vorwärts. Dadurch lassen sich einige zig Kilometer Umweg gegenüber der vermeintlich direkteren Landstraße leicht kompensieren. Unser Auto war so meist schon eine bis eineinhalb Stunden nach dem Flugzeug am Landeplatz.

Technik und Ausrüstung

Ähnlich wie beim Planen gilt auch hier: vieles ist einfach unnötig, manches aber nice to have, und wirklich nötig ist nur ganz wenig. In einem Doppelsitzer ist es nie verkehrt, für den hinteren Sitz ein vollständiges, auch in Stromversorgung und GPS-Quelle autarkes Rechnersystem zu basteln. Wir haben das ganz einfach gelöst, mit einem zweiten PDA samt Wandler, einem zusätzlichen Volkslogger als Datenquelle und einer separaten Bleibatterie für beide im Gepäckfach. Das ist selbst dann praktisch, wenn der im Flugzeug eingebaute Rechner vom hinteren Sitz aus bedienbar ist (was in unserem Fall leider nicht möglich war). Denn so kann der Pilot Flying den eingebauten Rechner des Flugzeuges ganz für seine momentanen fliegerischen Erfordernisse in Beschlag nehmen, während der "Navigator" mit seinem separaten System auch etwas kompliziertere Berechnungen oder Statistiken ausknobeln kann.

Wenn PDAs verwendet werden, dann ist es wie immer bei Vereinsflugzeugen einfacher, wenn jeder Pilot seinen eigenen PDA hat und ihn jeweils auf seinem Sitz einbaut. So arbeitet jeder mit den gewohnten Konfigurationseinstellungen und verstellt nicht die Rechner der anderen. Allerdings muss man natürlich unbedingt vorher identische Flugplatz- und Luftraumdaten sowie dieselbe Polare in alle PDAs und den fest eingebauten Rechner eingeben!

Ganz erstaunlich nützlich ist ein Transponder. Wenn für einen geplanten Wandersegelflug zwei Flugzeuge in Frage kommen, eines mit, eines ohne Transponder, dann würden wir uns unseren Erfahrungen nach für den Flieger mit Transponder entscheiden.

Ein Motor ist unserer Ansicht nach nur dann interessant, wenn man dann auch folgerichtig auf das Verfolgerfahrzeug verzichtet.

An sonstigem Equipment braucht man eigentlich nichts, was nicht auch in der ganz alltäglichen Streckenflug-Ausrüstung enthalten wäre, wie man sie sowieso immer im Flugzeug hat, als da wären unter anderem: Trinkwasser, Essen, warme Kleidung, Ersatzklamotten, Regenjacke, Verbandszeug, ordentliches Verzurrmaterial, ein "Abschleppseil", die gesetzlich geforderten Papiere, Handys, Geld, Klebeband, minimales Werkzeug, Kameras, Liste mit wichtigen Telefonnummern (ja, auf Papier), Bleibatterieladegerät (Steckernetzteil), etc. etc.

Also: eine vernünftige Streckenflug-Ausrüstung enthält eigentlich schon (fast) alles, was für den Wandersegelflug (in der hier beschriebenen Variante mit Verfolgerfahrzeug) notwendig ist. Wenn nicht, dann war eben die Streckenflugausrüstung bisher unvollständig.

Ein Navigationssystem im Auto ist erstaunlicherweise weitgehend nutzlos, solange das Flugzeug noch fliegt, denn ohne festes Ziel sind die Computer einfach hilflos. Ist das Flugzeug gelandet, kann das Navi natürlich schon hilfreich sein, vorrausgesetzt, die Datenbasis stimmt.

Ein eher nebensächliches, aber ganz ungemein nützliches Technikspielzeug für das Auto ist ein Spannungswandler von 12 V= (Zigarettenanzünder) auf 220 V~. Solche Wandler gibt es schon für 20 bis 30 Euro, 100 Watt Ausgangsleistung genügen völlig. Wozu braucht man das? Ganz einfach: die vielen elektrischen und elektronischen Kleingeräte, die man so dabei hat, wie Handy, Kamera, Rasierer, Laptop, PDA, Navi, Headset, Handquetsche etc. wollen alle andauernd aufgeladen werden. Um nicht jeden Abend auf die Suche nach einer Steckdose gehen zu müssen, ist es schon sehr praktisch, das Laden während der Fahrt im Auto zu erledigen. Nun könnte man sich für jedes dieser Geräte für viel Geld einen eigenen 12-V-Lader kaufen, den man dann nach zwei Jahren zusammen mit dem mittlerweile veralteten Gerät wegschmeißen muss, weil er nur auf dieses Gerät passt. Oder man verwendet die ohnehin mitgelieferten 220-V-Steckernetzteile, die bei jedem dieser Kleingeräte dabei sind, und steckt sie reihum an den Wandler an. 220 V~ ist also einfach der sinnvollere gemeinsame Standard.

Das Problem, die Flugzeugbatterien laden zu müssen, hatten wir dank eines auf dem Rumpfrücken aufgeklebten Solarpanels nicht. Wer nicht über diese segensreiche Einrichtung verfügt, sollte tunlichst zwei Sätze Batterien mitnehmen und genug Ladegeräte, um abends beide Sätze gleichzeitig laden zu können. Auch Bleibatterien kann man im Auto während der Fahrt laden, dafür ist dann allerdings ein Ladegerät nötig, das direkt 12 V= als Eingangsspannung verwendet (beispielsweise aus dem Modellbau), denn der Umweg über den Wandler auf 220 V~ und wieder zurück wäre hier wohl zu verlustreich.


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