Bericht aus einem „Paradies“ für Segelflieger

von Ali Siegert, 15.Dez.2007

„hier musst du dich ganz auf das Fliegen konzentrieren und jede unnötige Anstrengung vermeiden“, so bemerkte Alexander Müller auf dem Weg zum Frühstück. Immerhin, schnell gehen ist auch um 8:00 Uhr schon mühsam, wenn die Temperatur um diese Zeit schon deutlich über der 20°-Marke steht. Aber zuerst einmal das Frühstück: hier trifft sich eine stattliche Anzahl hoch motivierter Piloten, schlürft den Morgenkaffee, nimmt vom überreichlich gedeckten Obstbüffet mit exotischen Früchten, schmiert Butter und Marmelade oder Wurst auf's frisch gebackene Brot und träumt so bis zum Briefing vor sich hin. Dann aber heißt es wach zu sein: spätestens wenn die vorhergesagte Auslösetemperatur schon eine Stunde nach dem Briefing sein soll, wird’s hektisch. Stullen werden noch schnell geschmiert und plötzlich ist der große Speisesaal unter dem Reetdach leer.

Minuten später sind die ersten Flugzeuge bereit zum Rausschleppen auf die Runway. Ach ja, Runway – wer die Unterwössener Verhältnisse gewohnt ist, muß umdenken. Der Großteil der Flugzeuge sind „Langohren“ mit 25 m und mehr Spannweite. Die diktieren das Geschehen. Und ohne Motor ist kaum einer dabei, fast alle sind Eigenstarter. Deshalb ist die Startaufstellung auch etwas ungewöhnlich. Die Flugzeuge stellen sich in Startrichtung nicht hinter, sondern nebeneinander in der Pfanne mit etwa 3km Durchmesser auf. 5 Autos ziehen die Flugzeuge nach und nach in Startposition und noch lange, ehe eine Wolke am Himmel zu sehen ist, brummen die Ersten los. Die ersten 80 bis 100 km in Blauthermik in Höhen von 500 bis 1000m über Grund legen die Basis für lange Strecken.

Als Gebirgsflieger heißt es da umdenken. Bodennah fliegen ist uns ja geläufig, aber wenn bei 500m über flachem Gelände nix mehr geht, ist eben unlandbares Gelände schnell da. Da heißt es Gefühl entwickeln, alles mitnehmen, aber auch schnell umschalten, wenn plötzlich, von jetzt auf eben, die Steigwerte auf 3-5 m steigen, die erreichbare Höhe von 1000m auf 2000m und mehr über Grund steigt. Dann heißt es Gas geben. Schließlich muss der 70er-Schnitt der ersten Stunde kompensiert werden. Für eine große Strecke müssen eben mindestens 115 bis 125 Durchschnittsgeschwindigkeit her, sonst bist Du am Abend nicht bei den 1000km-Piloten (etwa 20, an guten Tagen 30% der Piloten haben das erreicht).

Für mich heißt es erst mal einfliegen, kurze Strecken zur Orientierung, erreichen besserer Durchschnittswerte. Ich traue mich, die ersten kurzen Flüge in den OLC zu stellen, neben den Tausendern, die das Geschehen bestimmen. Aber die letzten beiden Tage geben doch Anlass zur Hoffnung: erstmals knapp über 900 km machen Hoffnung, auch einmal „dabei zu sein“ und eine Palme zu bekommen, die jeder, der diese Strecke (1000km angemeldet FAI) zum ersten Mal geschafft hat, pflanzen darf.

Gestern (14.Dez.2007) hatte ich einen traumhaft schönen Flug. Zuerst nach Nordwesten bis an die Grenze zur Namibwüste, dann der Gebirgskante entlang etwa 250km nach Süden. Rechts immer der Blick auf wilde Gebirgslandschaften, riesige Sanddünen, die sich an den bizarren Felsbergen anlagern wie Gletscher in den Alpen, dahinter die immer diesiger werdende, unwirklich erscheinende Namibwüste. Wer Glück hat, findet beim Rückflug eine Konvergenz von kalter Meeresluft aus West, die gegen die aufgeheizte Festlandsluft aus dem Osten trifft. Das würde lange Strecken im Geradeausflug mit sagenhaften Schnitten ermöglichen – ja wenn sie doch nur käme, die Konvergenz. Sie soll im Grenzgebiet zwischen Wüste und Inland liegen, irgendwo in diesem weiten, menschenleeren Land. Aber ich habe ja noch 6 Wochen, vielleicht bin ich einmal zum richtigen Zeitpunkt an der richtigen Stelle…

to be continued
Ali

PS: der Alexander ist schon wieder mehr als 1250km geflogen, wie der das nur macht?


Bericht aus einem „Paradies“ für Segelflieger, Teil 2

von Ali Siegert, 12.Jan.2008

So waren die vergangenen Tage in Bitterwasser:

Da das Internet hier nach wie vor nicht stabil ist, mache ich einen kurzen Bericht, den ich als Anhang verschicken kann. Das geht schneller und ich fliege nicht ständig aus dem Netz.

Einige gute Tage habe ich jetzt in Bitterwasser erlebt. Der vorläufig beste Tag in BW war der 19.12., an diesem Tag sind 17 Tausender geflogen worden - mit ein wenig Glück hätte es klappen können. Meiner Unerfahrenheit ist es zuzuschreiben, dass ich einen falschen 3.Wendepunkt gewählt habe, der wegen Überentwicklung nicht mehr anzufliegen war. Trotzdem ein sehr interessanter Flug. Den ersten Teil im Blauen zum Gamsberg mit einem Schnitt von etwa 90km/h, dann der lange Schenkel an der Namib entlang mit ca. 130km/h, zurück ebenso, bis ich eben ungeplant im rechten Winkel abdrehen musste. Für die erforderlichen 300km hatte ich noch 3 Stunden, das sei zu schaffen, dachte ich. Leider brach die Thermik östlich der „Namib-Konvergenzlinie“ früh zusammen, Ergebnis, 951km, ein paar km zu wenig für einen Champagner.

Seit dem 21.12. bin ich nicht mehr geflogen, habe aber alles hergerichtet – voll getankt, Sauerstoff voll. Wenn der nächste gute Tag kommen wird, habe ich alles fertig. Gestern hatten wir für interessierte Piloten interessante Tipps für 1000er-Flüge erhalten. Vieles wusste ich schon, aber ein paar interessante Details waren eben doch dabei. Zum Beispiel, wie die kinetische Energie des Flugzeuges auch beim delphinieren am besten ausgenutzt werden kann. Und natürlich, wie die Profis hier die Wolken anfliegen und wann sie einkreisen, ob generell hoch (knapp an der Basis) geflogen werden sollte oder ob man länger geradeaus fliegen soll. Vor allem auch, wie die Linie zum nächsten Wendepunkt gelegt werden soll. Jedenfalls bin ich bestätigt, dass eine gerade Linie niemand fliegt, sondern alle suchen sich eine ideale Wolkenlinie, der kleine Umweg kostet weniger Zeit als durch starkes Sinken zu fliegen und dann mühsam wieder aufzukreisen. Und zum Schluß die tröstliche Aussage: Du brauchst auch Glück für einen Tausender…

Gestern hatten wir am Platz wieder Gewitter, die Pfanne ist nicht zu befahren, gestartet werden muß auf der Hangar-Piste. Heute gehen aber die wenigsten in die Luft, selbst die deutsche Damen-Nationalmannschaft bleibt am Boden. Taupunkt ist bei 15°, das gibt heute wieder Gewitter. Weihnachten scheint häufig regnerisch zu sein, aber ich habe ja noch ein paar Wochen, da werden schon noch 2-3 gute Tage kommen.

Heute ist Weihnachten, ein kakteenartiger Weihnachtsbaum, goldfarben besprüht, steht schon im Restaurant. Wir werden heute nachmittag, wenn es etwas bewölkt ist, einen Spaziergang in die Dünen machen, Tiere beobachten und die Stille der Wüste genießen. Ganz anders als zu Hause, wo dieses Jahr winterliche Verhältnisse herrschen. Die vielen Piloten aus vielen Ländern warten hier weniger auf das Christkind als auf gutes Flugwetter. Irgendwie sind hier alle ein wenig verrückt.


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