Kleines Plädoyer für's Flachlandfliegen

von Markus Müller

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Am Mittwoch den 25. Juli war ein Wetter, das sich in den einfachen Worten eines Nichtmeteorologen wie folgt beschreiben ließ: mindestens 6/8 Bewölkung, tiefe Basis meist unter 2000 NN, die ziemlich schwache Thermik durch böige westliche Winde mit 25 km/h reichlich verblasen.

Schon wegen dieser Ausgangsvoraussetzungen war der Plan -wenn denn überhaupt was geht- die Alpenrandvariante nach Eschenlohe (Wendelstein, Wallberg, Benediktenwand, Herzogstand, Heimgarten, Eschenlohe und dann schaugn ma mal...) Da ich nach dem Schlepp zur Hochplatte über eine 3/4 Stunde gebraucht hatte, um zum Sudelfeld zu kommen, war klar, daß das kein leichter Tag wird und als ich dann nach mehr als 2 1/2 Stundem am Kloster Ettal (das sind nicht mal 115 km!) angekommen war, hatte sich weder die Basis noch die Thermik verbessert, dafür war der Wind ein wenig stärker geworden, die Steigwerte also nochmal ein bißchen schlechter.

Zurück das gleiche nochmal und dann 230 km in 5 oder mehr Std? Der Süden war rein optisch und wegen der ca.1900 NN Wolkenbasis keine Alternative, was bleibt also um sich in der Situation noch zu verbessern: das für einen eingefleischten Alpenflieger Undenkbare - das Flachland.

Zugegeben, das hat Nachteile: man verliert die Hangflugmöglichkeiten und vergibt sich die Chance seine eigenen Hotspots, die man sich vielleicht bei früheren Rückmärschen erarbeitet und gemerkt hat, zu nutzen. Aber Hangflug bei einer derart geringen Arbeitshöhe ist nicht jedermanns Sache, die Wiesen zwischen Innsbruck und Kufstein können da viele Geschichten von gestrandeten Unterwössenern erzählen und genau auf dem Grat wird es bei einem böigen Wind von über 25 km/h auch nicht gerade gemütlich, zumal die richtige Linie fürs Vorwärtskommen sehr schmal wird und ein Abtauchen ins Lee schnell ein richtiges Problem werden kann.

Die Wolkenoptik und Basishöhe in etwa 15 -20 km nördlich von Oberammergau, so auf der halben Strecke zum Starnberger See Südufer, war in etwa gleich wie in den Bergen. Nur, wer da fliegt hat bei einem solchen Wetter auf einmal Vorteile gegenüber dem bodennahen Stress in den Voralpen mit langsamen Vorwärtskommen und einem erhöhten Außenlanderisiko:

  1. Bei 1900m Basis stehen auf einmal etwa 800 Höhenmeter mehr Arbeitshöhe zur Verfügung.
  2. Die Thermik ist zwar auch im Flachen windverblasen, nur da das nicht durch's Gelände gestört wird, kriegt man in kürzester Zeit 'raus wie man z. B. bei Rückenwind vor die nächste Wolke muß um zu punkten. Es ist ziemlich leicht, das System zu erkennen, dann Richtung Basis zu verlagern und seinen Anflug auf die nächste Wolke darauf einzurichten.
  3. Ein nicht zu unterschätzender Vorteil ist die Tatsache, daß man auch bei einer sehr bescheidenen Wolkenbasis von Füssen bis praktisch in die Tschechei in West-Ost Richtung so gut wie nie aus dem Gleitpfad eines Flugplatzes rauskommt. Wer's nicht glaubt soll sich die Karte anschauen und eine Linie ungefähr paralell zum Alpenrand in ca. 30 km Abstand dazu ziehen. (Füssen, Eschenlohe, Königsdorf, Warngau, Brannenburg, Vogtareuth, usw. usw.)

Schaut man sich jetzt den IGC-File und da insbesondere den Höhenschrieb und die dazugehörigen Zeiten an, so waren es dann tatsächlich für die ersten 2:45 Std 115 km, die ca. 3:15 Std, die ich dann im Flachland geflogen bin, waren aber ca. 240 km, also mehr als das Doppelte mit einer 1/2 Std mehr. Die Strecke ging von Oberammergau bis zur Salzachmündung in den Inn und dann über Burghausen schön brav an der Salzburger Kontrollzone nördlich vorbei zurück nach UWö.

Für dieses Wetter war das ein beträchtlicher Gewinn an Reisegeschwindigkeit und zusätzlichen km. Daß ich dann, als ich endlich wieder in Unterwössen war, über der Jagerhütten noch mal völlig problemlos auf 2800 NN aufkreisen konnte, war natürlich ein reines Derblecken der Wettergötter (so ein Wetter macht nicht einer allein), ändert aber nichts daran, daß es manchmal eine wirklich gute Entscheidung sein kann, sich aus den Bergen raus zu trauen! Also beim nächsten schwachen Tag darüber nachdenken! Es ist NICHT unmoralisch, im Flachland zu fliegen!


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