Der Weg in die Welle

Eine Betrachtung der Unterwössener Wellenflugmöglichkeiten
von Wolfgang A. Lengauer

[FL236]
3,2 m/s Steigen in FL236 (7085m MSL)

Angeregt von der für mich überraschenden Resonanz auf meine letzten Föhnflüge und der häufig gestellten Frage „wie hast Du das gemacht?“ werde ich nun versuchen, über meine Erfahrungen bezüglich der Föhnflüge in den letzten Jahren zu berichten.

Schon vor Beginn meiner segelfliegerischen Aktivitäten war ich fasziniert von der Möglichkeit, mit dem Segelflugzeug bei Föhn in hoch reichende Wellensysteme einzusteigen. Während meiner Segelflugausbildung hatte ich dann mehrfach Gelegenheit, von erfahrenen Piloten über die Faszination dieser so ganz speziellen Disziplin des Segelflugs zu erfahren.

[Panorama]
Wellenpanorama

Von der beinahe Schwerelosigkeit in der Welle, den fantastischen Sichten, den unglaublichen Windgeschwindigkeiten und den Naturgewalten war die Rede. Angespornt von den teils enthusiastischen Berichten wollte ich natürlich auch so schnell wie möglich in die Welle. Ich kann mich noch sehr gut an meine ersten Versuche erinnern und auch daran, wie kläglich ich bei meinem ersten Versuch gescheitert war. Der Einstieg in die Föhnfliegerei war gar nicht so einfach wie gedacht.

Natürlich hatte ich vorher die verfügbare Literatur von vorne bis hinten durchgelesen. Aber dann in freier Natur war es schon eine andere Sache, das Gelesene umzusetzen. Eine große Hilfe bei der Umsetzung der Theorie in die Praxis kam dann von unserem Streckenflugpionier Walter Weber. Seine Hinweise waren von unschätzbarem Wert und in Dankbarkeit für seine Unterstützung hoffe ich, daß die folgenden Zeilen auch manch anderem Segelflieger helfen, die Faszination des Fliegens im Südföhn von Unterwössen aus zu erleben.

Vorausschickend einige generelle Hinweise für den Beginner:

Die Theorien der Entstehung von Wellensystemen, die Theorien des Einstiegs über den Rotor, die Theorien des Hangflugs usw. sollten geläufig sein.

Absolut empfehlenswert dazu sind die Bücher von:

Auch beim Herumstöbern im Internet gibt es interessante Beiträge zur Erklärung des Phänomens Föhn.
Sehr interessant z.B.: 'promet', Heft 1/2, 2006 „Atmosphäre und Gebirge“ (3,4MB PDF) der Deutschen Meteorologischen Gesellschaft (www.dmg-ev.de).

Weitere Voraussetzungen für das Föhnfliegen:

Wege zur Welle vom Startplatz Unterwössen

Auch der weiteste Weg beginnt mit dem ersten Schritt. Und das ist nun mal beim Segelfliegen der Schlepp zur Ausgangsposition. Sehr wichtig ist dabei die Absprache mit dem Schlepppiloten über das Vorhaben und die Wegstrecke. Was die Schlepppiloten anbelangt, da haben wir in Unterwössen das große Glück, daß die DASSU immer hervorragende, erfahrene Schlepppiloten stellt. Dies ist gerade bei turbulenten Schlepp´s von unschätzbarem Wert.

Die nachfolgend beschriebenen Wege beziehen sich auf Wind aus 160 bis 200 Grad mittlerer Stärke und auf das Vorhaben Wellen in der Umgebung Unterwössens zu finden um dort möglichst hoch zu steigen.

Für die zweite Variante des Föhnfliegens ergeben sich andere Kriterien, die zu gegebener Zeit (wenn gewünscht) beschrieben werden. [Ja bitte! -Red.]
Es handelt sich dabei um die großen Streckenflüge über 1000 km, die im dynamischen Hangflug auch von Unterwössen aus möglich sind.

1. Ziel: Kampenwand

Der F-Schlepp führt zur Kampenwand, man sollte möglichst bis Gipfelhöhe im Schlepp steigen oder knapp darunter klinken. Jetzt in Achterschleifen versuchen hochzusteigen und schon ein Gefühl entwickeln für die Stärke und die Richtung des Windes. Am Anfang sollte man sich ruhig Zeit lassen und die verschiedenen Steigzonen erkunden. Richtung Süden beobachten, ob sich kleine Wolkenfetzen bilden, die einen möglichen Rotor anzeigen und ruhig versuchen, bei entsprechender Ausgangshöhe diese Wolken anzufliegen. Der Höhenverlust kann dabei beträchtlich sein, auf die sichere Rückkehr zum rettenden dynamischen Aufwind an der Wand achten.

Der Versuch, den einmal gefundenen Rotor auszufliegen, kann manchmal schwierig, manchmal aber auch sehr einfach gelingen. Unbedingt dabei zu beachten ist, daß die sich bildenden und wiederauflösenden Rotorzeichen mit dem Wind nach Norden abgetrieben werden, es empfiehlt sich also möglichst südlich der Rotorzeichen zu bleiben.

Von mir gefundene Möglichkeiten (es gibt sicher noch viele andere) zum Einstieg in die Welle von der Kampenwand aus:

In diesen Wellen wurden von Unterwössen aus schon sehr große Höhen erflogen. (Siehe auch Manfred Kreipl „Wolken Wind und Wellenflug“)

2. Ziel: Rudersburg

Entweder im F-Schlepp oder mit genügender Höhe von der Kampenwand aus erreichbar. Vorgehensweise wie bei der Kampenwand: erst in Achterschleifen größtmögliche Höhe machen, dann Vorflug gegen den Wind. Markanter Auslösepunkt ist der Walchsee, bzw. etwas östlich davon, meist relativ stark turbulent. Ebenso markant der Auslöser bei den Fischweihern nordöstlich des zahmen Kaisers. Um diesen Punkt zu erreichen, bedarf es von der Rudersburg aus schon eines größeren Höhenpolsters.

Mit Absicht gebe ich hier keine Höhenangaben für den Abflug, da es sehr unterschiedliches Sinken beim Vorflug gibt, je nach Windrichtung und Stärke.

Gelingt der Einstieg bei Walchsee, dann ist der weitere Weg mit entsprechender Höhe über den Heuberg zum Zahmen Kaiser vorgezeichnet. Angelangt am Zahmen Kaiser empfiehlt es sich, nach Erreichen der größten Höhe mittels Achtern, in Richtung Osten zu probieren. Östlich des Feldberges bzw. Stripsenkopfs steht häufig eine ortsfeste Welle, die auch zu größeren Höhen führen kann.

Damit ist der Weg zum Wilden Kaiser frei.

3. Ziel: Wilder Kaiser

Der F Schlepp (bei den moderaten Unterwössner Schleppgebühren nicht gerade billig aber auch kein Rockefeller Schlepp) zum Wilden Kaiser bietet sich immer dann an, wenn die Windgeschwindigkeiten in den unteren Regionen zu schwach sind und somit Hangflug an der Kampenwand oder an der Rudersburg nicht möglich ist. Hier bietet sich auch die Gelegenheit, die Fischweiher anzufliegen um zu testen ob der Rotor bereits steht. Wenn nicht, weiterflug um die Mauckspitze herum, nicht zu früh klinken (du sparst damit vielleicht ein paar Euro, versaust dir aber unter Umständen einen tollen Föhntag) und im Hangflug hochsteigen.

Zum Hangflug am Wilden Kaiser ist zu bemerken, daß je nach Windrichtung der östliche Teil des Kaisers, manchmal aber der westliche Teil besseres Steigen bietet. Es kann aber auch sein, daß weder östlich noch westlich des Treffauers vernünftiges Steigen anzutreffen ist, obwohl der Wind mächtig aus Süden bläst ?? Die Erklärung dafür ist, daß südlich vorgelagerte Wellen den Hangaufwind massiv stören. Ähnliches findet sich häufig auch an der Nordkette bei Innsbruck, manchmal auch am Steinernen Meer querab Dienten.

Die erfahrenen Unterwössner Föhnflieger werden bestätigen, daß der Welleneinsteig vom Kaiser aus alles andere als leicht zu bezeichnen ist. Bei der Betrachtung der Orographie südlich des Kaisers wird auch offenbar, warum das so ist. Trotzdem kann mit Geduld und Ausdauer meist der Welleneinstieg geschafft werden. Markante Auslösepunkte sind die Tennisplätze bei Scheffau, die Bergstation bei Ellmau und der Brandstadel am Skigebiet Scheffau, dann bei genügender Ausgangshöhe Richtung West bei Wörgl und Richtung Ost bei St. Johann.


Wie trotz schwieriger Bedingungen ein Einstieg in die höheren Regionen machbar ist, möchte ich anhand meines Föhnflugs vom 8.12.2006 beschreiben [IGC Datei] :

Vorhergesagt für den 8.12.2006 war Süd bis Südwestwind mit 100 km/h, Spitzen 120 km/h, in der Höhe nach West drehend, Wellenbildung möglich. Die Zugspitze hatte morgens Südwind mit 60 km/h, Patscherkofel Wind aus 150 Grad mit Spitzen von 100 km/h (nicht irritieren lassen, Patscherkofel zeigt meist 150 Grad an, auch wenn die Hauptwindrichtung Südwest ist).

Am Tag zuvor hatte ich um einen F-Schlepp angefragt und Stefan Brockelt meinte, es wäre kaum machbar, da die Schleppmaschine einen neuen Motor bekommt, wahrscheinlich nicht fertig ist und außerdem der neue Motor nicht mit Vollast betrieben werden dürfe. Trotzdem könne ich ja versuchsweise kommen, vielleicht gehe es ja doch irgendwie.

Und es ging trotz meiner nicht sehr großen Hoffnung dann tatsächlich. Jakl und Bert arbeiteten auf Hochtouren und Stefan hatte den Plan, mit niedrigen Drehzahlen (und damit längerem F-Schlepp) den Flug doch noch zu ermöglichen. Der DASSU Mannschaft dafür meinen herzlichsten Dank.

Es ist 11 Uhr Ortszeit, nach einem sehr turbulenten und langen Schlepp (Stefan sei Dank für seine Geduld) klinke ich südlich des Treffauers in etwas über 1900 m MSL aus.

Der Hangwind ist stark aber auch turbulent, was mich sofort veranlasst, südlich nach Rotorwolken Ausschau zu halten. 2500 m sind schnell erreicht, die Windanzeige meldet 210 Grad mit 40 km/h. Jetzt ist hier im Hangflug nichts mehr zu gewinnen, also wohin? Kleine sich wiederauflösende Flusen weisen den Weg, sie stehen nordöstlich von Ellmau und bringen auch gleich leichtes welliges Steigen. Der Innsbrucker Controller gibt auf Frequenz 120.10 MHz die Freigabe zum weiteren Steigen, der Transponder Code wird auf die verlangte 0070 gerastet und ohne große Turbulenzen geht es locker bis 3000 m.

Von hier aus bietet sich nun der Weg zum Brandstadel an (Walter Webers liebstes Ziel für den Weiterflug Richtung Wörgl). Vom Brandstadel (Skigebiet Scheffau) aus kann bei südwestlichen Windrichtungen der Weg über Wörgl und weiter über die Talausgänge Wildschönau, Alpachtal, Zillertal sinnvoll sein. Mehrmals ist es auch gelungen, weiter südlich an den Hängen von Kelchsau, Wildschönau, Alpachtal, Zillertal Welleneinstiege zu finden. Den Weg vom Brandstadel über Westendorf Richtung Großer Rettenstein habe ich vor einigen Jahren erstmals versucht und ich bin inzwischen überzeugt, daß dies der Beste ist für den Weiterflug Richtung Alpenhauptkamm.

Vorsichtig, mit Gefühl den Brandstadel anfliegend suche ich nach dem Auslösepunkt, doch leider, bei der doch relativ starken Westkomponente, funktioniert der Rotor hier heute absolut nicht. Mein kritischer Blick geht nach Süden: lohnt es sich überhaupt, bei den heutigen Bedingungen den Vorflug zu wagen?

Am Beginn des Bergrückens, der sich zum Großen Rettenstein hochzieht, bilden sich kleine Rotorwolken, sie könnten mir zum Aufstieg in höhere Regionen verhelfen, und weit im Süden am Alpenhauptkamm zeichnet sich eine hohe Wellenwolke größeren Ausmaßes ab. Kaum bemerkt, schon aus dem Bauch heraus, ist in mir für den Vorflug entschieden worden. Wenn mein Bauchhirn entscheidet, dann hat mein Verstand meist schon verloren. Das Gesehene zieht mich magisch an.

Ich halte mich gar nicht mit langem Suchen am Brandstadel auf und richte die Nase meines Flugzeugs Richtung Süden gegen den Wind zum Alpenrosenhaus bei Westendorf. Mit wenig Höhenverlust dort angekommen, empfangen mich starke Tubulenzen. Ich versuche, den Rotor auszufliegen, aber es gelingt nicht. Nur ein wenig an Höhengewinn ist machbar. Jetzt wird es schwierig, 2600 m sind nicht sehr viel Polster um weiter nach Süden vorzufliegen, denn der Bergkamm steigt Richtung Großer Rettenstein stark an und beim Vorflug ist mit massivem Sinken zu rechnen. Ein kleiner sich schnell wieder auflösender Rotorfetzen südlich von mir bringt die Entscheidung es doch zu versuchen.

Meine LS 8 ist massiv gebaut, ich habe Vertrauen zu diesem Flugzeug und so habe ich auch kein mentales Problem, die Turbulenzen auszuhalten. Es geht ganz schön zur Sache, ich kämpfe mich durch, aber mehr als maximal 2800m sind hier nicht drin.

Jetzt beginnt der schwierigste Teil des gesamten Flugtages: Mit diesen 2800 Metern ist auf keinen Fall der Vorflug auf die Luvseite des Pinzgaus möglich. Ich bin also darauf angewiesen, daß am Ende des Tals, das sich vom langen Grund heraufzieht, oder am Ende des Tals, das sich von Westendorf heraufzieht, ein Rotor im Lee steht.

Ich entscheide mich für das Tal rechts vor mir ohne ein Anzeichen von Rotorwolken zu sehen. Meine Entscheidung beruht zum einen auf der Erfahrung vergangener erfolgreicher Versuche, zum anderen aber auch auf der Überlegung, daß bei der starken Westkomponente das Sinken unter Grat leeseitig doch nicht so ganz lustig wäre. Es muß gelingen den Rotor zu finden, ansonsten geht es zurück durch das zu erwartende starke Lee und der Flugplatz Kufstein ist dann gerade noch erreichbar.

Alternativ könnte man auch gleich den Bergkamm wechseln und direkt zum Rettenstein fliegen, dann ist St.Johann der nächstgelegene Landeplatz.

Nur zögerlich nimmt das Flugzeug bei starkem Gegenwind Fahrt auf, unerbittlich brummt das Vario, zeigt teilweise über 5 m/s Sinken an, die Gleitzahl geht auf 8 zurück (Ja, richtig gelesen, 1 Meter Sinken bringt gerade mal 8 Meter Gleiten, Geschwindigkeit über Grund dabei 90 bis 100 km/h, angezeigte Geschwindigkeit 160 km/h) und der Blick auf den Höhenmesser macht auch nicht gerade gute Stimmung.

Die Berggipfel vor mir werden immer höher, 2400m sind erreicht und immer noch nichts vom Rotor zu spüren. Ich gebe mir als Limit 2100m, dann muß ich umdrehen. Aber jetzt, bei 2200m, gibt es einen gewaltigen Schlag – der Rotor ist erreicht! Ich lege den Flieger steil in die Kurve, nur nicht herausfallen, Fahrt halten und versuchen zu zentrieren. Auf der einen Seite reißt es mich steil nach oben aber auf der anderen Seite gleich wieder hinab. Ich versuche, die Fahrt konstant zu halten und beobachte ständig den Fahrtmesser: von 200 km/h bis 80 km/h in sekündlichen Abständen ist alles drin. Ein Wechselspielchen von der brutalen Art.

[Pinzgau]
Pinzgau

Mühsam erkämpfe ich mir Meter um Meter, selten habe ich einen so beinharten Rotor erlebt, beinahe zieht er mir den Zahn und ich denke schon ans Umdrehen, da merke ich, daß das Steigen etwas ruhiger und gleichmäßiger wird, ich atme auf und weiß, daß der Rotor endlich ein Einsehen mit mir hat und großzügig den Aufstieg erlaubt.

Im ruhigeren Steigen räume ich die Unordnung im Cockpit wieder auf und orientiere mich erstmal, wie es um mich herum so aussieht, um für den weiteren Flug zu entscheiden. Eine massive Föhnmauer schiebt sich vor mir über den Alpenhauptkamm, ein großartiges Schauspiel. Südlich davon ist alles zugestaut, Wolkenfetzen reichen fast herüber zu mir übers Tal. Aber der Blick nach oben elektrisiert mich, was vorher andeutungsweise nach einer großen Welle ausschaute ist nun noch viel gewaltiger als angenommen. Weit vor und über mir wölbt sich eine lange, gerade gezeichnete, scharf abgegrenzte Wolkenmasse so weit ich sehen kann nach Osten und auch noch ein Stück weit nach Westen.

Es war deutlich zu sehen, daß diese Föhnwelle als Primärwelle vom Alpenhauptkamm ausgelöst wurde. Schon oftmals habe ich von der „Großen Woge“ oder der „langen Welle“ gelesen. Dieses Phänomen soll bei bestimmten Bedingungen auftreten und Ausdehnungen von bis zu 100 km am Stück wurden schon in den siebziger Jahren beschrieben und erflogen. Interessant dabei ist, daß der Südwestwind diese Welle nicht in Ost-West Richtung sondern mehr dem Kamm über den Großglockner Richtung Kärnten ausprägte. Die Höhe der Welle war schätzungsweise 10.000m MSL.

Das könnte sie sein, die lange Woge. Aber wie kann ich dorthin aufsteigen? Ich sitze fest zwischen 3500 und 4000 Meter und trotz eifriger Bemühungen komme ich nicht mehr höher. Der Wind scheint ab 3500 Meter weiter auf West zu drehen und ist böig mit Anzeigewerten von 210 bis 245 Grad mit Geschwindigkeiten von 40 bis 60 km/h. Scherwinde und Turbulenzen verhindert den kontinuierlichen Aufbau der Sekundärwelle und den problemlosen Einstieg.

Von Innsbruck kommt die teilnahmsvolle Bemerkung, daß ich zwar die Höhenfreigabe bis Flugfläche 140 habe, aber wohl nicht ausnützen könne, da mittlerweile meine Höhe wieder auf 3500 Meter geschrumpft sei.

Normalerweise würde ich jetzt den Pinzgau queren und den nächstgelegenen Bergkamm, der sich zum Alpenhauptkamm hochzieht, anfliegen um dort im Rotor hochzusteigen. Nur an diesem Tag schwappte die Südluft weit in den Pinzgau in einer Höhe von ca. 3000 Meter, so daß diese Möglichkeit ausschied.

Aber ich gebe nicht auf. Wieder und wieder fliege ich gegen den Wind, soweit wegen der Wolken möglich, vor, aber ohne wesentlichen Erfolg. Dann endlich: der Vorstoß mit dem Wind etwas nach Südosten bringt die Erlösung. Das bekannte Schwebegefühl stellt sich ein, keinerlei Turbulenzen mehr, nur noch ruhiges Steigen.

[Video4]
Video (1.5 MB, H264-MP4, Quicktime)

Da ist auch der Controller beruhigt. „Wie hoch wollen Sie denn steigen?“
So hoch wie es geht ist meine Antwort. Er gibt mich weiter an Innsbruck Radar, Frequenz 119.75 MHz. Auch Innsbruck Radar mag anscheinend Segelflieger mit Transponder, der Mann am Funk gibt mir Flugfläche 200 frei und erkundigt sich mitfühlend nach den Temperaturen und dem weiteren Flugvorhaben. Als er von meinen Plänen hört, die Wolke Richtung Osten abzufliegen, übergibt er mich an Wien Radar. Die Dame am Funk ist sehr nett und äußerst entgegenkommend. Als die freigegebene Flugfläche 240 erreicht ist will sie mir gleich freiwillig FL 280 anbieten. Mit Rücksicht auf meinen Flieger (die Temperaturen haben mitttlerweile die 25 Grad unterschritten) verzichte ich jedoch darauf, weiter zu steigen und jage mit großer Geschwindigkeit der Föhnwoge entlang. Es ist ein Leichtes, den scharfen Konturen zu folgen und ohne großen Höhenverlust lege ich an die 110 km in über 7000m Höhe zurück.

Ganz sicher geht es ohne Kreis bis ans Ende der Woge denke ich, aber neugierig schaue ich zwischendurch mit einigen Kreisen, ob sich innerhalb der gleichmäßigen Steigens auch stärkere Steigkerne bilden. Die Woge dehnt sich nicht exakt in der Ost-West Richtung aus, vielmehr folgt sie dem Alpenrelief Richtung Kärnten.

[Wellenwolken]
Wellenwolken

Der Millstätter See und die Nockberge sind erreicht. Zu sehen ist aber nur der See unscharf durch die Wolken, die unter mir alles dicht machen. Auch die Konturen über mir werden langsam unschärfer und ich denke südöstlich der Turracher Höhe wird es aus sein mit der großen Woge, die sich beim Blick nach Westen weit über 130 km scharf abgegrenzt immer noch zeigt. In Gedanken spiele ich das Spielchen, was wäre, wenn sich der Alpenkamm jetzt noch wie in den Argentinischen Anden weiter fortsetzen würde?? Gar nicht auszudenken, was dann alles auch hier möglich wäre…

Keine Zeit zum Träumen sondern Zeit zum Umkehren, ich will trotz der enormen Höhe beim Rückflug nichts riskieren. Bisher habe ich mit der Rückenwindkomponente eine mittlere Geschwindigkeit von knapp 190 km/h vom Pinzgau bis hierher erreicht. Jetzt, auf Westkurs, lasse ich es eher genüsslich angehen, aber es werden gegen den Wind immerhin noch über 140 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit über knapp 140 km. Langsam wird es sehr kalt im Cockpit, eine hohe Wolkenschicht schiebt sich unaufhaltsam vor die wärmende Sonne. Ich bin zwar noch weit über 5000 m hoch, aber es ist schon sehr, sehr frisch und ich beschließe, südlich von Krimml den Flug zu beenden und heimzugleiten.

[Video6]
Video (2.7 MB, H264-MP4, Quicktime)

Mittlerweile hat mich Innsbruck Radar wieder übernommen, ich melde mein Vorhaben, ziehe den Becken und Schultergurt noch mal stramm und erwarte mit Kurs Nord die Turbulenzen. Es dauert auch nicht lange und schon wirft es mir wieder alles, was nicht niet und nagelfest ist, wild durcheinander. Mein mir zugedachtes Kontingent an ruhigem Dahingleiten ist für den heutigen Tag anscheinend aufgebraucht, denn das Schütteln und Schaukeln hört nicht auf. Selbst kurz vor Erreichen des Chiemsees testen die Turbulenzen weiterhin ganz frech die Festigkeit meiner LS 8. Der Endanflug mit Beginn an der Ostseite des Chiemsees lässt dann noch mal das schon im Übermaß vorhandene Adrenalin im Körper weiter ansteigen. Etwas über 20 km sind es noch bis Unterwössen, meine Höhe ist 2200 Meter über MSL, mit Sicherheitshöhe abgerechnet ergibt das 1300 Höhenmeter für 20 km Gleitstrecke. Mein Rechner sagt mir, daß ich in ca. 800 Meter über Unterwössen ankomme. Aber heute zeigt sich mal wieder, daß bei Föhn Gleitzahlrechnungen obsolet sind. Es geht nur abwärts und kaum vorwärts. Es kommt mir vor als wäre ich beim Drachenfliegen und säße nicht in einem Segelflieger mit Gleitzahl 45.

[Nach Hause]
Nach Hause

Mein Flarm zeigt etwas vor und ca.100 Meter über mir einen Flieger an. Es ist Klaus Tröscher im Traunsteiner Discus, der auch im Föhn unterwegs war und ähnlich zu kämpfen hat wie ich. Es wird interessant sein, seine Erlebnisse zu hören und die Erfahrungen auszutauschen. Aber erst mal heimkommen.
Der Wössner Hof ist erreicht und ich habe noch 100 Meter plus auf meinem Rechner. Soll ich das riskieren oder lieber hier auf der Wiese landen? Ich mache es abhängig von der Hügelkette südwestlich vom Wössner Hof, die zum Steinbruch hinaufzieht. Dort angekommen hört das Sinken endlich auf, das Heimkommen ist gesichert und mit einem Höhenpolster von 150 Metern beginne ich den Direktanflug auf die Piste 24 Flugplatz Unterwössen.

Nach der Landung öffne ich die Haube, die Anspannung weicht, ich atme tief durch und bin erfüllt von Dankbarkeit für das Erlebte .

Fazit:

Rückblickend auf diesen Flug und viele vergangene Föhnflüge wird mir wieder einmal bewusst, wie facettenreich das Fliegen mit dem Segelflugzeug doch ist. Kein Flug ist wie der andere. Immer neue und interessante Erfahrungen mit Erlebnissen, die sich tief einprägen, werden gemacht. Bisher war ich der Ansicht, daß große Strecken über 1000 km nur im Hangflug von Unterwössen aus möglich sind. Aber wenn der Einstieg in so große zusammenhängende Föhnwellen auch schneller als am 8.12. zu machen ist, dann könnten auch Strecken weit über 1000 km in einem Mix aus Hang und Wellenflug von Unterwössen aus möglich sein…


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