Kriminalitätstheorien
Ungeachtet der Vielzahl bestehender Erklärungsansätze wird von mancher Theorie der Anspruch erhoben, Kriminalität als Ganzes zu erklären. Bei kritischer Überprüfung dieser Theorien ist jedoch festzustellen, daß sich ihr Erklärungswert auf bestimmte Kriminalitätsphänomene beschränkt, es sich insofern allenfalls um Theorien mittlerer Reichweite handelt. Die nachfolgenden Theorien können also immer nur einen Teilausschnitt der Kriminalität (in bezug auf bestimmte Personengruppen) erklären bzw. zu erklären versuchen, also nicht die Entstehung von Kriminalität insgesamt.
Kriminalitätstheorien lassen sich in drei Gruppen einteilen:
Kontrolltheorien
Theorien mit psychologischen Ansätzen, d.h. psychologische Betrachtung des Individuums (Verhältnis von Trieb und Kontrolle):
Theorie des inneren Halts nach Reiss
Theorie des äußeren Halts nach Reckless
Lerntheoretische Ansätze
Theorien, die auf das Individuum bezogen, versuchen, aus sozialpsychologischen Gesichtspunkten heraus Kriminalität zu erklären:
Theorie der differentiellen Assoziation nach Sutherland
Theorie der differentiellen Identifikation nach Glaser
Theorie der Techniken der Neutralisierung nach Sykes/Matza
Theorien, die versuchen aus der sozialen und/oder gesellschaftlichen Struktur heraus zu erklären. So ist nach diesen Theorien die soziale Struktur einer Gesellschaft ( z.B. große Armut ) geeignet, Kriminalität zu erklären (bei Armut wird auf illegale Weise der Lebensunterhalt verdient):
Anomietheorie nach Merton
Kulturkonflikttheorie nach Sellin
Erweiterte Kulturkonflikttheorie nach Taft
Ökologische Theorie v.a. nach Thrasher, Shaw und McKay
Subkulturtheorien
Theorie der delinquenten Subkultur nach Cohen und Whyte
Theorie der differentiellen Gelegenheiten nach Ohlin und Cloward
Inhalt:
Kontrolltheorien 2
Halttheorie nach Reiss (innerer Halt) 2
Halttheorie nach Reckless (äußerer Halt) 2
Lerntheoretische Ansätze 3
Theorie der differentiellen Assoziation nach Sutherland 3
Theorie der differentiellen Identifikation nach Glaser 4
Theorie der Techniken der Neutralisierung nach Sykes und Matza 4
Soziologisch orientierte Kriminalitätstheorien 5
Die Anomietheorie nach Merton 5
Kulturkonflikttheorie nach Sellin 7
Erweiterte Kulturkonflikttheorie nach Taft 8
Ökologische Theorie v.a. nach Thrasher, Shaw und McKay 8
Die Subkulturtheorien 9
Theorie der delinquenten Subkultur nach Cohen und Whyte 9
Theorie der differentiellen Gelegenheiten nach Ohlin und Cloward 10
Organisierte Kriminalität (OK) 11
Kontrolltheorien
Theorien der (inneren Kontrolle), die v.a. an Freuds psychoanalytische Betrachtungsweisen anknüpfen, werden z. B. von Reis, Reckless und Hirschi vertreten. Diese fragen jedoch primär nicht danach, weshalb sich Menschen sozial abweichend (kriminell) verhalten, sondern danach, warum sich so viele Menschen sozial konform (sozial angepaßt) verhalten.
Nach Freud werden die Entscheidungen eines Menschen durch folgende drei psychische Instanzen bestimmt:
Es-Instanz (Triebe, primitiven Motive, Sexualität, Aggression und Destruktion)
Ich-Instanz
Diese Instanz vermittelt zwischen den Anforderungen des Es und der Außenwelt, sie ist das Anpassungs- und Selbsterhaltungsorgan des Menschen. Die Ich-Instanz wird erst im Rahmen der Sozialisation aufgebaut.
Überich-Instanz
Diese Instanz entwickelt sich im Laufe der ersten Lebensjahre. Es enthält moralische und sittliche Gebote und Verbote, Wertvorstellungen, kulturelle und gesellschaftliche Normen. Erst im Alter von fünf bis sechs Jahren werden Regeln und Gesetze internalisiert, die Instanz des Überich sozusagen gefestigt
Halttheorie nach Reiss (innerer Halt)
Reiss führt das sozial konforme Verhalten vor allem auf den Einfluß intakter familiärer Erziehung zurück. Kriminelles Verhalten hat dementsprechend mit dem Versagen der Familie als der wichtigsten Primär-Sozialisationsinstanz zu tun. Jedenfalls dann, wenn es dieser nicht gelungen ist, dem Kind seine soziale Rolle begreiflich zu machen und ihm beizubringen, diese Rolle mit seinen Bedürfnissen in Einklang zu bringen. Dementsprechend soll das soziale Versagen mit schwach entwickelten Ich- und Überich-Instanzen zu tun haben: Es fehlt der innere Halt, der notwendig ist, um kriminellen Versuchungen widerstehen zu können.
Aus dem Unterricht:
Jeder Mensch baut im Laufe seiner Entwicklung einen inneren Halt (seine Persönlichkeit) auf. Dies geschieht durch Auf- oder Ausbau des Ich. Kriminelles Verhalten kann verursacht werden durch einen Konflikt oder einer Unausgeglichenheit zwischen Über-Ich und den Trieben
Halttheorie nach Reckless (äußerer Halt)
Reckless stellt dem inneren Halt (dem Selbstkonzept) den äußeren Halt, den der einzelne durch Familie, Freunde usw. erfährt, gegenüber. Fehlt es am äußeren Halt, kann der innere Halt kriminelle Entgleisung verhindern (und umgekehrt). Fehlen äußerer und innerer Halt, ist hingegen der Weg in die Straffälligkeit fast vorprogrammiert.
Aus dem Unterricht:
innerer und äußerer Halt bedingen einander
jeder Mensch baut im Zuge seiner Entwicklung einen inneren Halt (Persönlichkeit) auf (=Ich-Instanz nach Freud)
die Es-Triebe, vor allem Sex- und Aggressionstriebe, werden durch das Über-Ich kontrolliert, welches ebenfalls durch Sozialisation entwickelt wird
Durch schwachem äußeren Halt kommt es zu kriminellen Verhalten.
Lerntheoretische Ansätze
Theorie der differentiellen Assoziation nach Sutherland
Auch Theorie der unterschiedlichen Kontakte. Sutherlands Theorie umfaßt eine Reihe von neun Einzelaussagen (Thesen), von denen die wichtigsten wie folgt lauten:
Kriminelles Verhalten ist gelerntes Verhalten. Negativ formuliert heißt das, daß kriminelles Verhalten als solches nicht vererbt wird.
Kriminelles Verhalten wird in Interaktion mit anderen Personen in einem Kommunikationsprozeß erlernt.
Kriminelles Verhalten wird hauptsächlich in intimen persönlichen Gruppen erlernt. Das bedeutet, daß unpersönliche Kommunikationsmittel wie Filme und Zeitungen eine relativ unwichtige Rolle bei der Entstehung kriminellen Verhaltens spielen.
Das Lernen kriminellen Verhaltens schließt das Lernen
der Techniken zur Ausführung des Verbrechens, die manchmal sehr kompliziert, manchmal sehr einfach sind
und der Motive, Triebe und Rationalisierung
ein.
Eine Person wird delinquent infolge eines Übergewichts der die Verletzung begünstigenden Einstellungen über jene, die Gesetzesverletzungen negativ beurteilen (Theorie der unterschiedlichen Kontakte, der differentiellen Assoziation). Wenn also Personen zu Kriminellen werden, geschieht dies auf Grund von Berührungen (Kontakte) mit kriminellen Verhaltensmustern (respektive Personen) und Isolierung von antikriminellen Verhaltensmustern (respektive Personen).
Was mit diesen Thesen gemeint ist, hat Sutherland an folgenden Beispielen zu erklären versucht:
In einem Gebiet mit hoher Delinquenzrate wird ein ungezwungener, geselliger, aktiver und kräftiger Junge sehr wahrscheinlich mit den anderen Jungen in der Nachbarschaft in Kontakt kommen, delinquentes Verhalten von ihnen lernen und ein Gangster werden ... In einer anderen Situation wird der gesellige, kräftige und aggressive Junge Mitglied einer Pfadfindergruppe und wird nicht in kriminelles Verhalten verwickelt werden.
Ein erfolgreicher Berufsdieb kann man nur werden, wenn man auch über das Wissen verfügt, wie man einen Diebstahl technisch gekonnt durchführt und wie man eine Entdeckung vermeidet. Diese kriminalistischen Erkenntnisse werden meist durch bereits erfahrene Einbrecher und Diebe vermittelt (etwa im Strafvollzug) z. B. die erforderliche Fingerfertigkeit (für den Taschendiebstahl), die Geschicklichkeit im Umgehen mit technischen Hilfsmitteln, etwa dem Nachschlüssel (Dietrich) oder dem Schweißbrenner. So ist es wahrscheinlich kein Zufall, daß es gerade die Diebe und Einbrecher sind, die in den Strafanstalten in die Kurse für den (staatlich geprüften) Schweißer hereindrängen.
Mitunter leiten auch Eltern ihre Kinder zum Stehlen an. Kriminalität wird von Familienmitgliedern erlernt (z.B. Taschendiebstahl), das gilt auch für das Anbetteln von Passanten durch Kinder.
Aus dem Unterricht:
Kriminalität ist nicht vererbt
Kriminalität ist erlernt. Die Lernprozesse sind dieselben, wie sie sich auch im Normalen vollziehen ( negatives Lernen == positives Lernen )
Kriminalität wird in kleinen Gruppen erlernt
Im Gegensatz zur strukturellen Theorie, welche versucht, Normen durch die Ursachen der Bildung von Gruppen zu erklären, erklärt Sutherland die Entstehung von Normen und Werten durch Lernvorgänge innerhalb dieser Gruppen. Unter Lernen ist hier das Erlernen
der Technik der Begehung einer Straftat
der Motive, weshalb diese Straftaten begangen werden
und des Entschuldigen einer Straftat ( Rationalisieren)
zu verstehen.
Theorie der differentiellen Identifikation nach Glaser
Glaser geht davon aus, daß es nicht die generellen Kontakte zu dissozialen Personen oder Gruppen sind, die die kriminelle Ansteckung bewirken (denn diese hat der Aufsichtsbeamte im Strafvollzug auch), sondern, daß es innerhalb dieser Personenmehrheiten wiederum ganz bestimmte Personen sind, mit denen sich der Gefährdete identifiziert, um sie als Vorbild für seine eigenen Motive und Verhaltensweisen zu nehmen. Ein Mensch zeigt kriminelles Verhalten in dem Maße, in dem er sich selbst mit wirklichen oder imaginären Personen, aus deren Persprktive sein kriminelles Verhalten annehmbar erscheint, identifiziert.
Aus dem Unterricht:
kriminelle Verhaltensweisen werden erlernt, indem man kriminelles Verhalten anderer, mit denen man sich identifiziert( Identifikationsprozeß), übernimmt
der Identifikationsprozeß kann mit imaginären (Personen aus Fernsehen, Zeitungen, Büchern) oder realen Personen stattfinden
Gewaltdarstellungen in den Medien können zwar keine Kriminalität verursachen, aber sie können kriminelles Handeln unter Umständen verstärken
es handelt sich bei der Übernahme / Nachahmung krimineller Verhaltensweisen nicht um ein bloßes Kopieren, sondern dieses Verhalten wird für sich selbst für richtig befunden, man spricht von einer bewußten Identifikation
Theorie der Techniken der Neutralisierung nach Sykes und Matza
Aus dem Unterricht:
kriminelles Verhalten ist auch erlernt
für die kriminellen Handlungen wird ein System der Rechtfertigungsgründe aufgebaut
die Person sieht sein eigenes Verhalten als richtig oder gerechtfertigt an, entweder
durch einen Denkprozeß nach der Tat
oder
durch ein System der Rechtfertigung, welches schon vor der Tat vorhanden ist
Rechtfertigung beruft sich auf eine höhere Instanz, welche strafbares Handeln rechtfertigt, da sie über den strafrechtlichen Normen steht
In vielen Fällen ist nicht nur eine Rechtfertigung des Handelns vorhanden, sonder sogar ein Gebot zu Handeln ( zwingende Erforderlichkeit ).
Soziologisch orientierte Kriminalitätstheorien
Nach den Überlegungen Durkheim ist Kriminalität kein krankhaftes Phänomen, sondern integrierender Bestandteil jedes gesunden Gemeinwesens und damit eine völlig normale (ja zu erwartende) Erscheinung. Kriminalität ist demnach die Kehrseite jeder sozialen Regelung (Normen), es gibt keine Gesellschaft, in der keine Kriminalität existiert. Ein Symptom für einen anomischen Zustand stellen sprunghaft ansteigende Kriminalitätszahlen dar. So läßt sich erklären weshalb sich die normale Kriminalitätsrate verschiebt. Allerdings bleibt die Frage offen, bei welchem Umfang die Kriminalität die Schwelle der Normalität überschreitet.
Anomie nach Durkheim: Nach der Auffassung Durkheims in Anlehnung an die Theorien Freuds ist der Mensch ein Bündel ungerichteter Triebe und Bedürfnisse. Diese von Natur aus unbeschränkten Bedürfnisse sind durch das Kollektivbewußtsein einer Gesellschaft sozial begrenzt, Mittel und Ziele der Bedürfnissbefriedigung sind somit sozial reglementiert. Ein Versagen (Anomie) der integrierenden Funktion des sozialen Systems (des Kollektivbewußtseins und der daraus erwachsenden Reglementierung) bringt eine hohe Rate von abweichendem Verhalten mit sich.
Anomie ist also ein Zustand der Normenlosigkeit (Normschwäche), in dem die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, dem einzelnen entweder die Mittel oder vor allem die Ziele individueller Bedürfnissbefriedigung zur Verfügung zu stellen. Unter anomischen Verhalten sind somit negative soziale Auffälligkeiten wie Rechtsbrüche, Unfälle und Krankheiten zu verstehen.
Solche Zustände stellen sich nach Durkheim vor allem im Zuge sozialer Umbrüche ein, wie sie z. B. im Gefolge von Industrialisierung, Urbanisierung oder von Kriegen vorkommen. Beispiele hierfür sind die Arbeitslosigkeit während der Weltwirtschaftskrise, der deutsche Zusammenbruch 1945 nach dem verlorenen 2. Weltkrieg, die sozialen und ökonomischen Umwälzungen in den neuen Bundesländern und in den einzelnen osteuropäischen Staaten. Insoweit spielt auch die Öffnung politischer Systeme und die Zulassung pluralistischer Strukturen - und damit die Zulassung von mehr Individualfreiheit - eine Rolle.
Die Anomietheorie nach Merton
Im Anschluß an die Hypothesen von Durkheim geht Merton primär der Frage nach, wie es zu erklären ist, daß die Häufigkeit abweichenden Verhaltens in den sozialen Schichten variiert. Seine zentrale Vermutung lautet, daß abweichendes Verhalten als Symptom für das Auseinanderklaffen von kulturell vorgegebenen Zielen und von sozial strukturierten Wegen (Mitteln), auf denen die Ziele zu erreichen sind, betrachtet werden kann. Anomie (Normschwäche) soll also aus dem Auseinanderklaffen von den als legitim anerkannten gesellschaftlichen Zielen und den Zugangsmöglichkeiten zu den zur Erreichung dieser Ziele erlaubten Mitteln resultieren.
Diese Diskrepanz fällt nach Merton schicht-spezifisch differenziert aus. Deshalb würde sich die Kriminalitätsbelastung, die auch für Merton ein Symptom für eine anomische Situation darstellt, in den sozialen Schichten naturgemäß unterscheiden. Das heißt, daß die unterschiedliche Kriminalitätsbelastung der sozialen Schichten mit der Diskrepanz (Konflikt) zu tun haben könnte, die zwischen
den von allen Schichten verinnerlichten Ansprüchen der Ober- und Mittelklasse besteht
und
der chancenlosen Realität der Unterschichtsangehörigen, denen es an den Mitteln mangelt, sich solche Ansprüche erfüllen zu können (weil ihnen z. B. das Einkommen, die berufliche Stellung oder die politische Macht fehlt).
Um mit diesem Konflikt fertig zu werden, greifen die Betroffenen nach Merton auf eines der fünf folgenden Verhaltensmuster (Rollenanpassungen) zurück:
Konformität: kulturelle ( bzw. gesellschaftliche) Ziele (z.B. wirtschaftlicher Erfolg und rascher sozialer Aufstieg) sowie die legalen Mittel zu deren Erreichung werden bejaht und dem sozialen Wandel angepaßt (keine kriminologische Bedeutung)
Ritualismus: kulturelle Ziele werden heruntergeschraubt oder aufgegeben, die legalen Mittel jedoch beibehalten (z.B. routinemäßige Mehrarbeit); keine kriminologische Bedeutung
Rückzug (Escapismus): kulturelle Ziele werden ebenso wie die legalen Mittel zu ihrer Erreichung abgelehnt. Typisch ist die Flucht in gesellschaftliche Scheinwelten, die z. B. Rauschgift, Alkohol und Sekten eröffnen (beachtenswert in diesem Zusammenhang sind die Erfolge der Mun-Sekte, die als Vereinigungskirche firmiert und damit in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung Mißverständnisse provoziert)
Innovation: kulturelle Ziele werden akzeptiert, aber mit illegalen Mitteln zu erreichen versucht (z.B. mit Kriminalität)
Rebellion: Ziele und Mittel werden bekämpft, mit dem Ziel, die bestehenden Sozialstrukturen zu verändern (z.B. auch durch politisch motivierte Kriminalität wie den Terrorismus)
Die Anomietheorie beruht also auf der Annahme, daß diejenigen, denen die Gesellschaft nicht auf legalem Wege z. B. die Chance auf Wohlstand vermittelt, eher als andere dahin gedrängt werden, ihn auf illegalem Wege (z.B. durch Eigentumsdelikte) anzustreben. Eher zur Kriminalität gedrängt werden die Unterschichtsangehörigen (schichtspezifische Chancenungleichheit), zu denen in diesem Sinne auch die Arbeitslosen gezählt werden (Geldknappheit infolge von Arbeitslosigkeit).
Aus dem Unterricht:
Anomie = (griechisch: anonomos) weg von der Norm, vom Gesetz abweichendes Verhalten, kann durch wirtschaftliche Veränderungen bewirkt werden (Orientierungslosigkeit)
Robert K. Merton leitet 1938 die Thesen Durkheims ab und entwickelt die Anomietheorie (Anomie bedeutet hier soviel wie weg vom Gesetz oder unnormal)
Kernaussage der Theorie:
Soziale Strukturen nämlich kulturelle Ziele der Gesellschaft, wie Wohlstand oder Macht, wollen von allen Menschen der Gesellschaft erreicht werden. Die Arbeit ist das eigentliche Mittel, diese Ziele zu erreichen. Gibt es zu wenig Arbeit, so entstehen Diskrepanzen bzw. Spannungen, die zu kriminellem Verhalten führen kann.
Nach Robert K. Merton stehen gesellschaftliche Strukturen im Zusammenhang mit menschlichem Verhalten, wobei jede Gesellschaft aus bestimmten gesellschaftlichen Strukturen besteht. Es gibt eine Sozialstruktur, die (nach Riese) aus 2 Elementen besteht:
die kulturellen Ziele
bestimmte Ziele werden von der Gesellschaft als erstrebenswert angesehen, Bsp. Wohlstand, überlieferte Traditionen und Normen (das kulturelle Ziel umfaßt menschliche Bedürfnisse und den Drang, diese zu erreichen)
die Ziele umfassen die menschlichen Bedürfnisse, die erreicht werden sollen, werden also von den Bedürfnissen der Mehrheit der Bevölkerung gekennzeichnet
die Bedürfnisse sind pro Schicht unterschiedlich, es gibt jedoch ein gewisse Grundübereinstimmung (Konformation) der Gesellschaft bezüglich normen- und konformgerechten Verhalten
den institutionalisierten Mitteln, diese sind von der Gesellschaft/Staat für die Gesellschaft bereitgestellte Mittel, um Bedürfnisse (das kulturelle Ziel) zu erreichen und zu befriedigen. Sind keine legitimen Mittel vorhanden, um das kulturelle Ziel zu erreichen, können dadurch Straftaten entstehen.
Anpassungstypen
Menschen versuchen sich generell an die kulturellen Ziele der Gesellschaft anzupassen. Hierbei unterscheidet man die in der folgenden Tabelle (auf Seite 7) aufgeführten 5 verschiedene Anpassungstypen
Anpassungstypen |
ZIELE |
LEGITIME MITTEL |
---|---|---|
|
|
|
|
+ |
+ |
|
|
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|
- |
+ |
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+ |
- |
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|
|
|
- |
- |
|
|
|
|
+/- |
+/- |
Kulturkonflikttheorie nach Sellin
Nach Sellin - vor dem Hintergrund der amerikanischen Einwanderungserfahrungen - entwickelt sich anomisches Verhalten auch aus dem Konflikt zwischen unterschiedlichen kulturellen Wert- und Verhaltensnormen. Mit diesem Normenkonflikt sollen vor allem Einwanderer konfrontiert werden, und zwar primär solche, bei denen die kulturellen Anschauungen, Verhaltensregeln und Normen ihres Herkunftslandes (Heimatlandes) mit denen des Gastlandes nicht übereinstimmen.
Soziale Probleme bekommen danach also vor allem solche Menschen, die sich den neuen Verhältnissen der Wirtskultur (Adoptivkultur) nicht einzupassen vermögen (mangelnde Anpassungsfähigkeit) oder auch nicht einpassen (integrieren) lassen wollen (mangelnde Anpassungswilligkeit). Die entsprechenden Schwierigkeiten werden noch durch Gefühle der Heimatlosigkeit und Orientierungslosigkeit sowie durch Distanzierung bzw. Ablehnung seitens der Bevölkerung des Gastlandes (also der einheimischen Bevölkerung) weiter verstärkt.
Der Kulturkonflikt resultiert also daraus, daß sich die Normsysteme des Heimatlandes der Immigranten und des Gastlandes widersprechen. Der Einwanderer muß sich daher, wenn er eine neue soziale Identität aufbauen will, den Normen und Standards des Gastlandes anpassen (annähern), ein Prozeß, der zu Streß führt und der um so stärker ausfällt, je weniger sich die Kulturen entsprechen. Aus dieser Streßsituation können Außen- und Innenkonflikte entstehen:
Außenkonflikte liegen dann vor, wenn die Wertsysteme der Herkunfts- und neuen Adoptivkultur nicht übereinstimmen und sich der Ausländer zur Lösung des Konflikts nicht an den Normen (bzw. Am Ehrenkodex) des Gastlandes, sondern an denen seiner von ihm verlassenen Heimat orientiert. Als Beispiel ist hier der aus Sizilien eingewanderte Vater zu nennen, der den Schwängerer seiner 16jährigen Tochter in den USA tötet. Sein Verhalten soll den südländischen Bräuchen entsprechen und wird deshalb in Italien auch geringer bestraft. Außenkonfliktsbestimmt sind darüber hinaus auch alle jene Straftaten, die bei Ausländern durch Frustration ausgelöst werden (vgl. dazu auch die Anomietheorie): Situationen, in denen der Ausländer also erkennt, daß er die gesellschaftlichen Ziele mit seiner Ausbildung und Bezahlung auf dem legalen Wege (nur bedingt oder) niemals erreicht.
Häufig kommt es aber auch vor, daß der äußere Konflikt auch zu einem Konflikt innerhalb der Ausländergruppe (etwa innerhalb der Ausländerfamilie selbst) führt (Innenkonflikt) und dort destabilisierend wirkt. Im Gegensatz zu ihren Eltern internalisieren (verinnerlichen, sich zu eigen machen) nämlich die Kinder der Ausländer durch ihren engeren Kontakt mit der Umwelt weitgehend die Ziele der neuen Gesellschaft und rebellieren entsprechend gegen die vermeintliche Rückständigkeit ihrer Eltern, insbesondere gegen deren Moralvorstellungen und Erziehungsmethoden (auch Kulturkonflikttheorie der 2. Generation genannt).
Aus dem Unterricht:
Unterscheidung zwischen Wirtskultur und Subkultur.
Wandern Personen von einer Kultur in die andere ( Immigrant ) oder leben grenznah zwischen zwei Kulturen (mit ständigem Wechsel zwischen den Kulturen), dann entstehen Konflikte, da zwischen Kulturen immer unterschiedliche Werte und Normen bestehen und da bei einem Wechsel zwischen zwei Kulturen der Immigrant versucht, eine Identität bei Gleichartigen (gleiche Nationalität, Religion o.ä.) zu finden. Eine Anpassung dauert sehr lange oder findet nie statt
Erweiterte Kulturkonflikttheorie nach Taft
Aus dem Unterricht:
Auch Theorie der 2. und 3. Generation
Personen der 2. (Kinder, die mit ihren Eltern in ein fremdes Land kommen) und folgender (Kinder die in Wirtskultur geboren werden) Generationen aus anderen Kulturen wachsen auf in einem Konflikt zwischen den Werten und Normen des Heimatlandes, welche innerhalb der Familie vermittelt werden, und den Werten und Normen des Gastlandes, die außerhalb der Familie gelten. Dieser Konflikt führt zu einem Innenkonflikt bei diesen Jugendlichen, der häufig durch das Begehen von Straftaten zu lösen versucht wird.
Ökologische Theorie v.a. nach Thrasher, Shaw und McKay
Der ökologische Ansatz versucht zu erklären, warum sich sozial abweichendes Verhalten in bestimmter Weise in bestimmten Stadtteilen konzentriert. Thrasher untersuchte die Aufenthalts- und Aktionsgebiete von 1313 Chicagoer Gangs (Banden) und gelangte dabei zu dem Ergebnis, daß es bestimmt Gegenden am Rande der City gibt (Schienengelände, Fabrikzonen usw.), in denen das Bandenwesen Chicagos primär gedeiht. Diese Gebiete wurden von ihm gang-lands genannt.
Shaws erste Untersuchung (nach dem Chicagoer/Thrasher Beispiel) bezog sich auf die Wohnsitze von 60 000 männlichen Jugendlichen Chicagos, die von der Stadt, der Polizei oder den Gerichten als Schulschwänzer bzw. als Rechtsbrecher registriert worden waren. Die Gebiete in denen extrem viele seiner Probanden lebten, nannte er delinquency areas. Später dehnte Shaw in Zusammenarbeit mit seinem Assistenten McKay seine Untersuchung auf weitere nordamerikanische Städte aus. In diesen Städten ermittelten sie wiederum Gebiete, die im Vergleich zu anderen Stadtteilen durch besonders hohe Kriminalitätsraten auffielen. Eine nähere Untersuchung ergab, daß sich diese delinquency areas wiederum nicht nur durch höhere Delinquenz- bzw. Schulschwänzerraten von anderen Teilen der Stadt unterschieden, sondern auch z.T. durch hohe Säuglingssterblichkeit, hohe Quoten an Tbc, Übervölkerung, hohe Raten an von staatlicher Unterstützung lebenden Familien und durch mangelnde Angebote zur Freizeitgestaltung.
Die Delinquenzgebiete lagen dort, wo die Stadtteile am verkommensten waren (Abbruchhäuser/Sanierungsgebiete). In solchen Gebieten, in die bestimmte Bevölkerungsgruppen abgedrängt wurden, die kein Geld hatten (billige Mieten), lösten sich offenbar unter dem Druck sozial zersetzender Kräfte (die sich oft dort einfinden, wo die Armut zu Haus ist) die gesellschaftlichen Bindungen auf, mit der Folge, daß auch der Widerstand gegen kriminelles Verhalten abnahm (geringe soziale Kontrolle). Die wohlhabende Bevölkerung, die aus der Innenstadt in die Randviertel zog, blieb von dieser Entwicklung verschont.
Dadurch entstanden - von den sozialen Strukturen aus gesehen - mehrere Ringe, die sich um die City gruppierten, und zwar: in der Mitte Industriegebiet und Geschäftsviertel (Zone I), dann ein Übergangsgebiet zu den Wohnvierteln, das oft zum Slumgebiet wurde (Zone II), das Wohnviertel der Arbeiter (Zone III), die Wohngebiete des Bürgertums (Zone IV) und schließlich die Wohngebiete der Pendler (Zone V). Entsprechend dieser Verteilung von innen nach außen nahmen auch die Kriminalitätszahlen ab, und zwar umgekehrt proportional zur Entfernung vom Stadtzentrum (sog. Zonentheorie).
Shaw und McKay stellten im einzelnen fest, daß je höher die Delinquenzrate einer area war, desto mehr die Wahrscheinlichkeit zunahm, daß ein Jugendlicher rückfällig wurde. Die Ursache für diese Erscheinung haben sie u.a. darin gesehen, daß der erzieherische Einfluß auf Kinder in den delinquency areas oft teilweise oder vollständig fehlt. Ihre Resultate der Untersuchung lassen sich wie folgt zusammenfassen:
je näher ein Gebiet zum Stadtzentrum liegt, desto höher fällt die Belastung mit Kriminalität aus (Zonentheorie)
es gibt sog. delinquency areas, die durch hohe Delinquenzraten und ungünstige Sozialstruktur auffallen
in diesen delinquency areas ist die soziale Kontrolle auf ein Minimum reduziert
diese sozialen Bedingungen produzieren delinquentes Verhalten
rascher Bevölkerungswechsel in einer Gegend begünstigt das Entstehen kriminellen Verhaltens, was damit zu tun hat, daß die einströmenden Menschen noch nicht integriert sind. Im Laufe der Zeit stabilisiert sich jedoch das soziale Gefüge dann wieder in Richtung auf sozial angepaßtes Verhalten.
Delinquenz kommt vor allem bei Einwanderern vor, und zwar unabhängig von Rasse oder Nationalität
Die Subkulturtheorien
Der ökologische Ansatz ist durch sog. Subkulturtheorien ergänzt bzw. modifiziert worden, von denen es eine ganze Reihe von Spielarten gibt. Gemeinsam ist diesen Konzepten die Betonung der Kluft, die zwischen den Wert- und Normensystemen der Mittel- und Oberschichten und den Möglichkeiten der Unterschichten, die entsprechenden Ziele selbst zu erreichen, besteht.
Theorie der delinquenten Subkultur nach Cohen und Whyte
Whyte hat den Vertretern der Chicagoer Schule entgegengehalten, daß die delinquency areas, also primär die Slums, keineswegs (wie von Shaw behauptet) desorganisiert, sondern von einem eigenen subkulturellen Normensystem durchzogen sein. Mit diesem Normensystem ist ein solches gemeint, das sich in weiten Teilen im Widerspruch zu den Moralbegriffen der Gesamtgesellschaft befindet, jedoch in der Lage ist, die Verhaltensweisen innerhalb der subkulturellen Verhältnisse im Rahmen einer eigenen Hierarchie zu regeln.
Cohen hat das Verhalten von Jungen aus der Mittelklasse und aus der Arbeiterklasse untersucht, und zwar mit dem Resultat, daß die Jungen der Unterschicht gegenüber den Werten und Zielen der Mittelschichten ambivalente Gefühle entwickeln, d.h. sie halten sie zwar grundsätzlich für erstrebenswert, sehen aber zugleich die Schwierigkeiten, diese aus ihrer sozial benachteiligten Situation heraus erreichen zu können. Aus diese Situation entwickeln sich wie Cohen festgestellt hat folgende Reaktionen:
Ein sich Abfinden mit der gegebenen Situation (Verbleib in der eigenen Schicht)
trotz der ungünstigen Ausgangssituation doch zu versuchen, die Mittelschichtsziele zu erreichen
Ablehnung der Mittelschichtsziele und - werte zugunsten eines eigenen subkulturellen Werte- und Normensystems.
Aus dem Unterricht:
Theorie der delinquenten Subkultur nach Cohen / Whyte / Short
Subkultur ist ein wertneutraler Begriff, der grundsätzlich nichts mit Kriminalität oder negativ abweichendem Verhalten zu tun hat. Subkulturen sind Gruppen, die sich innerhalb einer Gesellschaft gebildet haben (z.B. Kleingärtner, Parteien, Religionsgemeinschaften, Jugendgruppen). Innerhalb einer Gruppe gelten gleiche Normen und Werte. Eine einzelne Gruppe bildet jedoch keine Subkultur. Subkulturen sind Personengemeinschaften im größeren Rahmen (im gesamten Land), wie z.B. der Deutsche Fußballbund, Rocker oder Drogensubkultur in großen Städten.
Eine Gesellschaft ohne Subkultur ist zur Stagnation verdammt, Subkulturen dienen neuen Überlegungen und Veränderungen innerhalb der Gesellschaft.. Aus der Struktur der (Wohlstands-) Gesellschaft bilden sich räumliche Subkulturen (z.B. Slums). Hier wird zwischen upper-class (ca. 2/3 der Bevölkerung) und lower-class (ca. 1/3 der Bevölkerung) unterschieden.
D. h. ca. 2/3 der Bevölkerung leben im Wohlstand (upper-class). Das verbleibende Drittel (lower-class) zieht sich in die Subkultur der Slums ( Satellitenstädte ) zurück. Diese Subkultur ist gekennzeichnet von einem hohen Maß an Jugendarbeitslosigkeit. Ein Aufstieg in die upper class ist meist nicht mehr möglich. Mitglieder dieser Subkultur versuchen Status zu erlangen, es kommt zur Bildung delinquenter Subkulturen.
Upper-class und lower-class stehen zueinander in einem Spannungsverhältnis, da kulturelle Ziele vorhanden sind, die von vielen nicht erreichbar sind. In den Subkulturen bilden sich eigene Normen heraus, die im Gegensatz zu bisherigen Normen der Gesellschaft stehen.
Unter anderen lassen sich folgende Subkulturen unterscheiden:
Basissubkultur
Ziele der Gesellschaft können nicht erreicht werden
Jugendliche verhalten sich innerhalb ihrer Wohngegend bösartig, sind negativ eingestellt und nicht nützlich gegenüber der Gesellschaft (nichtutilitarisch)
Hedonismus, d. h. kurzfristige Lustgewinne z.B. durch Essen, trinken, Sex
hieraus folgen oft Bandenkämpfe
konfliktorientierte Subkultur
verstärkte Form der Basissubkultur (größere Banden, straffere Organisation)
sucht den Konflikt innerhalb der Gesellschaft ( z. B. mit der Polizei) und mit anderen Gruppen auf gleicher Ebene
der Status (Name und Ruf, d.h. Härte, Tapferkeit und Konfliktbereitschaft) in der Bandenwelt nimmt an Bedeutung zu und wird ständig aufs Neue behauptet
Auseinandersetzungen finden untereinander mit einem gewissen Fairneßcode statt, kommen aber nicht bei Auseinandersetzungen mit anderen zur Geltung
wollen durch ihr delinquentes Verhalten auf ihre Probleme aufmerksam machen (Presse, Politik)
Delinquente Subkultur des Halbprofessionellen Diebstahls
Übergang zur Kriminalität
starke Strukturierung in Banden (u.a. durch ethnische Zugehörigkeit)
aus diesen Banden rekrutiert sich die organisierte Kriminalität, wodurch ein sozialer Aufstieg möglich wird
Subkultur der Rauschgiftsüchtigen
in sich geschlossene Drogenszene, die allein und zurückgezogen in der Gesellschaft existiert
Delinquente Mittelklassen-Subkultur
Schwierigkeiten in der Entwicklungsorientierung
Verhalten ähnlich wie Basissubkultur
weniger Gewalt, aber planvolles Spielen mit der Gefahr ( § 248 StGB )
z.B. Hooligans
Innerhalb dieser Subkulturen finden Kämpfe statt, um sich selbst zu finden, zu befriedigen sowie Status und Ansehen zu gewinnen. Ist eine Person nicht in der Lage sich in einer Subkultur durchzusetzen, so ist die Wahrscheinlichkeit eines Suizides erhöht und es kommt eher zu Drogenkonsum.
Theorie der differentiellen Gelegenheiten nach Ohlin und Cloward
Ohlin und Cloward gingen davon aus, daß das Kriminellwerden letztlich auch mit der Frage zu tun hat, welche speziellen Gelegenheiten sich dem (potentiellen) Straftäter bieten. Diese Gelegenheit betrifft auch die Frage des Zugangs zu illegalen Mitteln (Waffen, Diebeswerkzeug etc.), die wiederum von den sozialen Bedingungen abhängen würde, unter denen jemand lebt und aufwachsen mußte. Dementsprechend wurden die lerntheoretischen Ansätze von Sutherland dahingehend erweitert, daß die Chance, kriminelle Verhaltensweisen zu lernen, in den Slums höher ist als in anderen Wohngebieten der Stadt und durch Kulturkonfliktsproblematik noch verschärft werden kann.
Organisierte Kriminalität (OK)
Formen der OK:
Kleingruppe mit ca. 3-5 Mitgliedern
Kerngruppe mit Umfeld mit ca. 5-8 Mitgliedern im Kern und ca. 50-70 Mitgliedern im Umfeld
weitgehend ethnisch bestimmte Großgruppe mit ca. 50-100 Mitgliedern (i.d.R. mit Boß)
Die genannten Formen der OK stehen weitgehend miteinander in Verbindung (Mischform, netzartige Struktur, arbeitsteilig und spezialisiert). Durch diese Vernetzung wird eine Art Abschottung erreicht. Die OK ist hierarchisch organisiert. Sie versucht alle gesellschaftlichen Bereiche zu infiltrieren durch z. B. Korruption. Durch die OK setzt eine deliktspezifische oder regionale Monopolisierung, sowie bei Großgruppen eine Zentralisierung ein. Ein Kristallisationspunkt der OK ist die Hehlerei, welche hauptsächlich aus dem Nachtleben/Rotlichtbereich entspringt.
Neben einer Netzstruktur existieren auch sog. geschlossene Systeme, so z. B. bei mafiosen Organisationen (vorwiegend bei Großgruppen). Die Zusammenarbeit der Personen im OK-Bereich ist auf Dauerhaftigkeit angelegt, gemeinsam werden Straftaten (illegale Geschäfte) begangen. Ein Erklärungsansatz hierfür ist nach Merton, daß illegale Geschäfte genutzt werden, um die kulturellen Ziele wie Reichtum, Macht, Status etc. zu erreichen. Ein weiteres Merkmal der OK sind eigene Normen und Werte, die innerhalb dieser Organisationen gelten.
Seit dem Fall der Mauer ist Deutschland Arbeitsfeld mafioser Organisationen geworden mit vorwiegend folgenden Tätigkeitsbereichen:
Checkkartenbetrug
Geldwäsche
Absatz und Diebstahl von Waren