Freie Universität Berlin
Fachbereich Politik- und Sozialwissenschaften
Studiengang Journalistenweiterbildung (JWB)
Genese eines Amtes:
Die EU schafft sich einen
Außenminister
Abschlussarbeit zur Erlangung des
akademischen Grades
Licentiatus Rerum Publicarum
vorgelegt von:
Stephan
Karkowsky
Berlin, 30.03.2004
Erstgutachter: Dr. Ulrich
Brückner (JWB FU-Berlin, Stanford University in Berlin)
Zweitgutachter: Prof. Dr.
Hartmut Wessler (International University Bremen)
A.
Außenpolitische Akteure der EU
A.1 Personalisierung der EU-Außenpolitik
A.1.1 Von der EPZ zum Hohen Vertreter
A.1.2 Der „Hohe Vertreter der EU für die GASP“
A.1.3 Der Kommissar für Außenbeziehungen
A.1.4 Weitere Außenpolitiker in der EU-Kommission
A.2 Juristischer Kontext und Vertragliche Grundlagen
A.2.1 Die binnenstaatliche Ebene
A.2.2 Die interinstitutionelle Ebene
A.2.3 Die internationale Ebene
B.
Genese eines Amtes: Die EU schafft sich einen Außenminister
B.1 Wer sprach zuerst vom Doppelhut?
B.2 Außenpolitische Akteure im Verfassungsentwurf
B.2.1 Wo steht was und wie oft?
B.2.2 Aufgaben unter dem Doppelhut: Der Außenminister der Union
B.2.3 Wer sonst noch EU-Außenpolitik bestimmt
C
Erwartungen an den Außenminister der Union
C.1.1 Nationale Leitbilder: Identitäre Elemente
C.1.2 Eine Stimme verbessert die Politikvermittlung
C.2.1 Die Bedeutung diplomatischer Normen
C.2.2 Der Außenminister als internationaler Akteur
D
Gulliver im Land der Europäer
D.1 Der Außenminister – Ein Erfolgsmodell?. 56
D.2 Die Macht des Supra-Ministers
D.3 Außenpolitik und Öffentlichkeit
Anlage 1: Europa sucht den Supra-Star, Manuskript
Anlage 2: Europaabteilungen in den Bundesministerien
Literatur- und Quellenverzeichnis:
„Das ist der Wunsch, endlich Henry Kissingers
maliziöse Frage zu beantworten, welche Telefonnummer Europa eigentlich habe.“
(Peter Glotz, 2002)
„Es sollte eine europäische Nummer sein, es
muss ja keine deutsche sein.“
(Gerhard Schröder, 1999)
Seit Kissingers Bonmot von
der nicht vorhandenen europäischen Telefonnummer[1][1] ist die EU auf
450 Millionen Bürger angewachsen.[2][2]
Sie ist auf dem Weg, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden. Ihre
Akzeptanz in Internationalen Systemen wächst. Dennoch ist die EU noch immer auf
der Suche nach einer gemeinsamen Stimme, die ihr eine ihrer wirtschaftlichen
und demographischen Größe entsprechende politische Macht verleihen könnte. Der
Präsident des Europäischen Konvents, Valérie Giscard d’Estaing, hatte dazu
erklärt,[3][3]
die EU-Außenpolitik müsse in Zukunft von einer Person „auf der gleichen
Augenhöhe wie US-Außenminister Powell“ vertreten werden (Bolesch 2002). Giscard
hatte damit gleich mehrere Ansprüche geltend gemacht:
-
1. sollte die
EU-Außenpolitik künftig von einer Person vertreten werden, und
-
2. sollte diese
Person auf der diplomatischen Ebene den gleichen Rang bekleiden und mit derselben
Macht ausgestattet sein, wie der Außenminister der Großmacht USA.
Hat Giscard mit dem von ihm
vorgelegten Entwurfs eines Vertrags über eine Verfassung für Europa (CONV
850/03, im Folgenden: Verfassungsentwurf, abgekürzt: EVE) und mit der
Einrichtung eines Außenministers der Union in Artikel 27 seine Ziele erreicht?[4][4]
Immerhin wird diese Einrichtung in ersten Analysen als „die wichtigste
Einzelreform, auf die sich der Konvent geeinigt hat“ bezeichnet (Thym 2003, 16,
vgl. auch Risse 2003, 12f).[5][5]
Die Wirkung auf die Außenpolitik der EU kann naturgemäß erst überprüft werden,
wenn der Entwurf angenommen wurde und der Außenminister sein Amt angetreten
hat. In dieser Arbeit sollen die Erwartungen untersucht werden, die mit dem
neuen Amt verknüpft werden. Das Aufzeigen dieser Erwartungen soll
verdeutlichen, welche Denkmuster die Genese des Amtes befördert haben. Daraus
soll sich ein besseres Verständnis ableiten lassen für das Warum dieses
Amtes.
Gegliedert ist die Arbeit
wie folgt: Nach einer Einführung in die Geschichte der Personalisierung des
außenpolitischen Handelns der EU und den juristischen Kontext, in dem sich die
Akteure bewegen (Teil A), folgt ein deskriptiv-dokumentarischer Teil B. Darin
stehen Fragen im Mittelpunkt, wie: Welche Dynamik führte zur Entstehung des
Amtes und welche Möglichkeiten gibt der Verfassungsentwurf vor? Dem zugrunde
liegt eine systematische Auswertung der Dokumente des Europäischen
Verfassungskonventes.[6][6]
Ausgewertet wurden außerdem die Dokumente der während des Konventes amtierenden
Ratspräsidentschaften der EU,[7][7]
sowie Beiträge in Zeitschriften, Aufsatzsammlungen, Monographien und im
Internet.[8][8]
Ein Analyseteil C soll anschließend die Erwartungen an das Amt anhand von zwei
Hypothesen darstellen, die aufgrund der großen Häufigkeit ihrer Nennung
ausgewählt wurden. Dies sind der Ruf nach einer gemeinsamen Stimme oder One
Voice for Europe und der Wunsch, eine bessere Sichtbarkeit des
außenpolitischen Handelns der EU zu erzielen, A better Visibility. Beide
Ansprüche können –unterschiedlich abgestuft- beispielhaft stehen für jeweils
die Binnenwirkung und die Außenwirkung, die damit erreicht werden sollen.
Für die Analyse wird dabei
ein holistischer, reflexiver und akteursorientierter Ansatz „from a more
sociological perspective“ (Manners 2003, 2) verwendet.[9][9] Begründet wird
das mit den Chancen und Grenzen der interdisziplinären Struktur des Studiums
der Journalistenweiterbildung: Die Chancen liegen im Erkennen von
Sachzusammenhängen zwischen unterschiedlichen Disziplinen und der Möglichkeit,
diese logisch miteinander zu verknüpfen. Die Grenzen liegen in der limitierten
Tiefe des Einstiegs in ein Thema. Hinter jeder Frage taucht zwangsläufig ein
komplettes Forschungsgebiet auf, je nachdem, woran man den Außenminister messen
möchte: Für eine Bewertung der ihn betreffenden Paragraphen ist ein
Mindestverständnis von Verfassungs- und Staatsrecht vonnöten. Für eine
Einordnung in die Dynamik der Integration ist die Kenntnis der europäischen
Geschichte unerlässlich. Für die Bewertung seines möglichen Internationalen
Einflusses sind die Theorien von Internationalen Beziehungen, Diplomatie und
Völkerrecht entscheidend. Schließlich helfen die in Soziologie und
Kommunikationswissenschaft entwickelten Akteursmodelle, Handlungsziele
aufzudecken, Entwicklungen verständlich zu machen und Handlungsfähigkeiten[10][10]
aufzuzeigen. Wer einen ganzheitlichen Ansatz wählt, gewinnt Aussagen, die über
den Tellerrand der einzelnen Disziplinen hinausschauen. Voraussetzung dafür ist
eine umfangreiche Literaturrecherche, wie sie im Literatur- und
Quellenverzeichnis dokumentiert ist.
Dabei wurde keine Veränderung
im bereits von Eberwein/Kaiser 1998 beklagten Zustands festgestellt, dass zu
den Institutionen des außenpolitischen Entscheidungsprozesses „seit den
siebziger Jahren kein neues Standardwerk mehr erarbeitet worden ist“
(Eberwein/Kaiser 1998, 9ff).[11][11]
Bierling hat 1999 zwar versucht, diese Lücke zu schließen, bleibt aber auf der
Akteursebene in gut gemeinten Ansätzen stecken. Der Außenminister als Akteur
spielt in der Literatur zumeist nur als Verfasser anekdotischer Erinnerungen
eine Rolle (vgl. Kissinger 1981, 1982). Bierling nennt die Situation
„analytisch unbefriedigend“ (Bierling 1999, 25). Auch zur Personalisierung der
EU-Außenpolitik durch die Einrichtung des Hohen Vertreters der EU für die GASP
finden sich nur vereinzelte Anmerkungen, aber keine systematischen
Untersuchungen. Wer aktuell nach dem Handlungsspielraum eines Außenministers in
Nationalen Regierungssystemen fragt, findet ebenfalls kaum Orientierungshilfen.
Der generelle Bedeutungsverlust der klassischen Außenpolitik wird zwar allgemein
erkannt, zumeist aber nicht auf die Person des Außenministers angewendet. So
führt am ehesten die Literatur zur Rolle der EU als globaler Akteur (vgl. z.B.
Bretherton 1999, Manners 2003, Jupille/Caporaso 1998) zum Ziel. Auch hier
findet sich zwar keine Untersuchung zur Personalisierung des außenpolitischen
Handelns der EU, zumindest aber werden Instrumente entwickelt, mit denen sie
beschrieben werden kann.
Aus Format- und Zeit-Gründen
wurden umfangreiche Aspekte der GASP, wie z.B. militärische Aspekte (ESVP),
nicht oder nur am Rande behandelt, ohne dass dies deren Bedeutung abwerten
soll. Im Gegenteil soll hier ausdrücklich angemerkt werden, dass der Ausbau der
EU von einer Zivil- zu einer Militärmacht besonders im Verhältnis zu den USA[12][12]
als bedeutender für die Anerkennung der EU als globaler Akteur gesehen wird,
als die Reform ihrer Institutionen. Für den Ansatz dieser Arbeit waren
militärische Aspekte dagegen zumeist nicht von Bedeutung. Das journalistische
Produkt, dessen Vorbereitung diese Arbeit dienen sollte, ist ein
Zeitschriften-Feature über die Hintergründe von Medienspekulationen darüber
geworden, wer den Posten des Ersten Europäischen Außenministers anstrebt. Es
ist in der Anlage beigefügt.
A. Außenpolitische Akteure
der EU
In diesem Kapitel soll das
Personal beschrieben werden, das für die EU außenpolitisch handelt. Außerdem
wird der juristische Kontext aufgezeigt, in dem dieses Handeln stattfindet.
A.1
Personalisierung der EU-Außenpolitik
A.1.1 Von der EPZ[13][13] zum Hohen Vertreter
Eine gemeinsame Politik der
Mitgliedstaaten war bei der Gründung der EU-Vorläufer nicht das vordringliche
Ziel, schon gar nicht eine gemeinsame Außenpolitik. Vielmehr wurde die
Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl (EGKS, auch Montanunion) 1951 als Wirtschaftsgemeinschaft
gegründet. Dahinter stand allerdings der politische Wunsch, die
deutsch-französische Erbfeindschaft zu überwinden[14][14] und in
Europa dauerhaft Frieden zu schaffen. Erste Versuche darüber hinaus gehender, politischer
und supranationaler Gemeinschaften, wie der Europäischen
Verteidigungs-Gemeinschaft (EVG), scheiterten zunächst.[15][15] Erst der
Verzicht auf den supranationalen Ansatz ermöglichte 1970 eine Europäische
Politische Zusammenarbeit (EPZ) der zunächst sechs Mitgliedstaaten, die –auf
freiwilliger Basis- dem heute praktizierten Modell nahe kommt: Vereinbart
wurden regelmäßige Konsultationen der mit Außenpolitik befassten Minister und
hohen Beamten, sowie die Einsetzung eines politischen Komitees[16][16]
(vgl. Hafner 2001, 3).
1992 wurde die EPZ zur GASP
ausgebaut. Fixiert wurde die „Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik“ im
Vertrag von Maastricht (EU-Vertrag), der 1993 in Kraft trat und eigentlich aus
vier Verträgen bestand: Den drei Säulen der EU und ihrem Dach. Die GASP wurde zur zweiten Säule der EU.[17][17]
Sie beinhaltete bereits die Möglichkeit einer gemeinsamen Verteidigung.[18][18]
Vergemeinschaftet[19][19]
wurde die GASP aber nicht, sie blieb von ihrem Charakter her zwischenstaatlich.
Die Grundsätze und allgemeinen Leitlinien der GASP bestimmt der Europäische Rat[20][20].
Die Kommission wird an diesen Aufgaben beteiligt (EUV Titel V, Art. J8). Zum
zentralen Organ der GASP wurde der (Minister-)Rat Allgemeine Angelegenheiten
und Außenbeziehungen, der sich für gewöhnlich zusammensetzt aus den
Außenministern der Mitgliedstaaten. Zunächst vertrat eine Troika die GASP nach
außen, bestehend aus dem (halbjährlich wechselnden) Vorsitz des Rates,
unterstützt vom vorausgehenden und nachfolgenden Vorsitz. 1997 wurde im Vertrag
von Amsterdam die „Troika neu“ (EUV Art. 18, 4) formuliert: Die Mitwirkung des
vorausgehenden Vorsitzes wurde gestrichen und ersetzt durch das Amt des Hohen
Vertreters für die GASP (EUV Art. 18, 3), das vom Europäischen Rat in Köln dem
Generalsekretär des Rates übertragen wurde. Damit wurde die Außenpolitik der
Union erstmals personalisiert (vgl. Tonra 2003, 10).
Am 18. Oktober 1999 tritt
mit dem ehemaligen NATO-Generalsekretär Javier Solana ein Hoher Vertreter der
EU für die GASP für die Dauer von 5 Jahren an.[21][21] Der Hohe
Vertreter ist Generalsekretär des Rates.[22][22] Unterstützt
wird er vom Leiter der Generaldirektion E des Rates
(Außenwirtschafts-beziehungen, Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik),
Generaldirektor Robert Cooper. Drei Verwaltungseinheiten unterstehen derzeit
(März 2004) unmittelbar dem Hohen Vertreter: die Strategieplanungs- und
Frühwarn-einheit (Politischer Stab), das Gemeinsame Lagezentrum (SITCEN) und
der EU-Militärstab.[23][23]
Vereinbart wurde die Einrichtung
des Amtes 1997 mit dem Vertrag von Amsterdam, der am 1. Mai 1999 in Kraft trat.
Laut EUV (Amsterdam) liegt die Aufgabe des Hohen Vertreters darin, den
(halbjährlich wechselnden) Vorsitz bei der Vertretung der GASP zu unterstützen
(EUV Titel V, Art. J8/3[24][24]).
Vorsichtig wird formuliert, dass der hohe Vertreter „gegebenenfalls auf
Ersuchen des Vorsitzes im Namen des Rates den politischen Dialog mit Dritten
führt“ (EUV Titel V Art. J16). Nach geltender Ansicht lassen die Kompetenzen
Solanas keine rechtsverbindliche Außenvertretung zu (Koenig 1998, Rdnr. 938).
Auch nominell findet der hohe Vertreter im derzeit gültigen Nizza-Vertrag kaum
Erwähnung. Die einen sagen, der hohe Vertreter hat „wenig oder fast keine
Befugnisse“ (Cameron 2004, 44),[25][25]
die anderen: er bekleide lediglich „die Rolle eines Frühstücksdirektors“ (Hacke
2001). Solana sollte vor allem für jene Kontinuität in der Gemeinsamen Außen-
und Sicherheitspolitik sorgen, die durch den wechselnden Ratsvorsitz latent
gefährdet war. Sein Aufgabenbereich war dabei nach deutschen Normen von
vornherein dichter an den Aufgaben eines
Verteidigungs- als eines Außenministers. Dies wurde dadurch
unterstrichen, dass Ex-NATO-Generalsekretär Solana nun in Personalunion
Generalsekretär der Westeuropäischen Verteidigungsunion WEU war. Tatsächlich
aber fristete Solana auch in der Irak-Krise „ein Schattendasein und durfte sich
[nur] hin und wieder in Zeitungskommentaren äußern“ (Risse 2003, 2). Seine de-jure
Kompetenzarmut konnte Solana kraft seiner staatsmännischen Erfahrung als
ehemaliger spanischer Außenminister zum Teil wieder wett machen: „Er
telefoniert regelmäßig mit US-Außenminister Colin Powell“ (Cameron 2002, 9). In
der Presse gilt Solana als „der Außenpolitikchef der EU“ (Cameron 2002, 13).
Das entspricht nicht ganz der Realität, „aber von Journalisten kann man nicht
erwarten, dass sie sich 15 verschiedene Telefonnummern merken“ (Cameron 2002,
13). Laut EUV ist der jeweilige Präsident des Europäischen Rates der oberste
Außenpolitiker der EU, gefolgt vom (rotierenden) Vorsitzenden des Ministerrates
Auswärtige Angelegenheiten, den in der Regel der Außenminister des Landes
stellt, das die Ratspräsidentschaft inne hat.
Als Solanas Meisterstück
anerkannt wird sein Strategiepapier „Ein sicheres Europa in einer besseren
Welt“:[26][26]
„Die erste europäische Sicherheits-strategie überhaupt … bietet den
konzeptuellen Rahmen für die EU, um die GASP zu gestalten und mit Dritten, vor
allem den USA, über gemeinsame Bedrohungen und Antworten darauf zu diskutieren“
(Cameron 2004, 39f).
Kurz nach der Ernennung des
Hohen Vertreters der EU für die GASP ernannte der neue Kommissionschef Romano
Prodi 1999 einen Kommissar für Außenbeziehungen: Chris Patten. Patten und
Solana müssen sich also die historische Vorläuferschaft für das Amt des
Außenministers der Union teilen: „Javiers Rolle ist es, dem Rat zu helfen, die
Mitgliedstaaten auf unsere Gemeinschaftspolitik zu verpflichten und diese
Politik in der Welt zu vertreten. Meine Rolle ist es sicherzustellen, dass die
EU diese Politik umsetzt,“ beschreibt Chris Patten die Aufgabenteilung (zitiert
nach Cameron 2002, 10). Patten vertritt die auswärtigen Beziehungen der EU in
allen Belangen, in denen diese vergemeinschaftet sind, also mit Ausnahme der
GASP. Allerdings hat die Kommission erheblichen Einfluss auf die GASP, allein
schon aufgrund ihrer Budgethoheit, von der zahlreiche GASP-Maßnahmen abhängen
(vgl. Cameron 2002, 10).[27][27] Patten ist auch der Chef der ca. 128[28][28]
Vertretungen der EU-Kommission weltweit. Ursprünglich sollte Patten „eine
koordinierende Rolle gegenüber den anderen Kommissaren[29][29] spielen, ...
aber dies hat auf effektive Art und Weise niemals wirklich stattgefunden“
(Cameron 2004, 44).
A.1.4 Weitere Außenpolitiker in der EU-Kommission
Chris Patten ist in der
EU-Kommission nicht allein für Außenpolitik zuständig. Er teilt die
außenpolitische Verantwortung[30][30]
mit den Kommissaren Poul Nielson[31][31]
(Entwicklung und humanitäre Hilfe), Pascal Lamy (Außenhandel) und Günter
Verheugen (Erweiterung). In ihren Bereichen vertreten diese Kommissare die
Kommission auch nach außen, etwa in Internationalen Organisationen wie der
Welthandelsorganisation (WTO), bei IWF oder Weltbank, der NATO oder der OSZE.
Sie halten entsprechend ihren Ressorts auch Kontakte zu Blöcken und Ländern wie
dem südamerikanischen Handelsabkommen Mercosur oder den ASEAN-Staaten (s.
Grafik 1: Die Europäische Union in der Welt).
Grafik: Die
Europäische Union in der Welt, aus: EU-Nachrichten, Themenheft Nr. 2, 2002
„Wenn man als Verfassung
die oberste Schicht im Stufenbau einer einheitlichen Rechtsordnung versteht,
dann hat die Europäische Union im Grunde schon heute eine ‚Verfassung’: Denn
die EU ist zweifellos eine eigenständige, wenn auch in das Völkerrecht
eingebettete Rechtsordnung. Ihre ‚Verfassung’ wird gebildet aus dem das gesamte
Unionsrecht umspannenden Vertrag über die Europäische Union (EUV), den drei
Gründungsverträgen (EGV, EGKSV und EAGV) und den diesen Verträgen innewohnenden
allgemeinen Rechtsgrundsätzen der Verfassungen der Mitgliedstaaten.“ Josef
Azizi, Richter am EuGEI, 2001
A.2
Juristischer Kontext und Vertragliche Grundlagen
In diesem Kapitel soll der
juristische Rahmen erarbeitet werden, in dem der Außenminister der Union
agieren muss und ohne den eine Arbeit über die Genese seines Amtes auf der
vertraglichen Ebene nicht auskommt.
Die juristische
Dimension lässt sich in mehrere Ebenen unterteilen:
-
1. die
Beziehungen unter den Mitgliedsstaaten,
-
2. die
institutionellen Beziehungen innerhalb der EU und
-
3. die
Beziehungen zwischen der EU als Vertreter der Mitgliedstaaten und Drittländern.
Die Schaffung eines
Außenministers der EU bedeutet juristisch vor allem eine Veränderung oder
Neuformulierung von Verträgen zwischen den Mitgliedstaaten der EU. Im Fall
einer Annahme des Verfassungsentwurfes durch die Mitgliedstaaten wäre das
konkret die Aufhebung, Veränderung oder Neuformulierung des derzeit gültigen
Mantelvertrags über die Europäische Union (Nizza-Vertrag), einschließlich den
darunter subsummierten Verträgen (EG-Vertrag, EURATOM) und die Ersetzung dieser
Verträge durch den Vertrag über eine Verfassung für Europa, der als Dokument
CONV 850/03 im Entwurf (EVE) vorliegt.[32][32] Die
Bestimmungen zum Außenminister ersetzten und ergänzen dabei vor allem die
bisherigen Vertragsbestimmungen zum Generalsekretär des Rates und Hohen
Vertreters der EU für die GASP.[33][33]
Die im Verfassungsentwurf
beschriebene Rolle des Außenministers der Union muss also zunächst als
vertragliche Vereinbarung zwischen den Mitgliedsstaaten über die personelle
Neu-Organisation der Aufgabe zur Durchführung der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik (GASP) verstanden werden. Das Vetorecht in der GASP wird
dabei nicht berührt. Das bedeutet, dass einzelne Staaten nach wie vor
gemeinschaftliches Handeln verhindern können, wenn sie ihre nationalen
Souveränitäten dadurch verletzt sehen..
Der Verfassungsentwurf ist
also ein binnenstaatlicher Vertrag, zugleich ist er eine innerinstitutionelle
Ordnung. Er definiert die Rechte und Pflichten des Außenministers im Verhältnis
zu anderen institutionellen Akteuren außenpolitischen Handelns der EU.
Idealtypisch sollte im Verfassungsentwurf sichtbar werden, aufgrund welcher
vertraglicher Vereinbarungen das außenpolitische Handeln der EU künftig unter
den Mitgliedstaaten koordiniert wird, wer die Verantwortung für diese
Koordinierung tragen soll, und wer die Union nach außen gegenüber Drittstaaten
und – Organisationen vertritt. Tatsächlich ist der rechtliche
Gestaltungsspielraum für den Außenminister aber nicht immer klar abgegrenzt.
Üblicherweise ist
Außenpolitik politisch bestimmt und damit nicht einklagbar. Auch bei der
GASP bleibt der Europäische Gerichtshof außen vor (vgl. Art. III-282 EVE).
Ausdrücklich bestimmt Art. I-39, 7 S. 3 EVE: Europäische Gesetze und
Rahmengesetze sind ausgeschlossen. Der außenpolitische Wille demokratischer
Staaten wird generell nur indirekt (durch Wahlen) legitimiert. „Kontrolle und
Beurteilung der Außenpolitik [ist] den Gerichten entzogen, da die Führung der
Außenpolitik in die überwiegende Kompetenz der Exekutive fällt“ (Bernath, 26).
Nationale Verfassungen enthalten daher generell keine detaillierten Regeln für
die Außenpolitik (Thym 2003, 3). Selbst wenn die Außenpolitik „gegen die
Staatsinteressen“ handelt, also gegen die Mehrheit der Bevölkerung, kann sie
dafür nur durch ihre Abwahl zum nächsten Wahltermin abgestraft werden (vgl.
Bindschedler 1954). So ist es vor allem einer Souveränitäts-Versicherung der
Mitgliedstaaten nach innen geschuldet, dass die Außenpolitik in den
Europäischen Verträgen seit Maastricht eine vergleichsweise große Rolle spielt:
Was inhaltlich auf die internationale Gemeinschaft gerichtet scheint, dient
auch dem Kohärenz- und Kompatibilitätsabgleich der Mitgliedstaaten mit der
eigenen Außenpolitik.
Für die
Handlungsmöglichkeiten des Außenministers von Bedeutung ist: Völkerrechtlich
verbindliche Verträge können nur zwischen Rechtspersönlichkeiten geschlossen
werden (vgl. Rittberger 2003, 1). Die Mitgliedstaaten besitzen diese
Rechtspersönlichkeit, die EU selbst bislang nicht. Dies soll sich mit der
Verfassung ändern. Art. 6 EVE bestimmt schlicht: „Die Union besitzt
Rechtspersönlichkeit“ (CONV 850/03, S. 7). Sie löst die bisherigen
Rechtspersönlichkeiten (Gemeinschaft, EURATOM) ab. „Als Konsequenz der
Verleihung der Rechtspersönlichkeit wird die Union zum Völkerrechtssubjekt.
Damit stehen ihr künftig die Instrumente des internationalen Handelns zur
Verfügung: Sie kann dann internationalen Organisationen oder Übereinkommen
beitreten, völkerrechtliche Verträge abschließen oder als Beschwerdeführerin vor
einem internationalen Gericht auftreten. Auf diese Weise wird das Auftreten der
EU gegenüber Drittstaaten und internationalen Organisationen verbessert, eine
größere Rechtssicherheit für die Vertragspartner erreicht und die Herausbildung
einer europäischen Identität auf internationaler Ebene .. gefördert“ (Metz
2003, S. 26). Die formelle Selbstverleihung der Rechtspersönlichkeit „schafft
eindeutig keinen Europäischen Staat“ (Thym 2003, 3). Sie ändert nichts am
Grundsatz, dass aus völkerrechtlicher Sicht die Mitgliedstaaten die „Herren der
Verträge“ bleiben (Azizi 2001, 14, Original bei: Ipsen 1972).
Schon jetzt gibt es de-facto
umfangreiche Beziehungen zwischen den gemeinsamen Mitgliedstaaten der EU und
Drittstaaten oder Internationalen Organisationen. Nur dass diese bislang durch
den EG-Vertrag organisiert werden (nach Art. 281 EGV: Die Gemeinschaft besitzt
Rechtspersönlichkeit) und nicht direkt durch die EU. So regeln z.B. die Art.
131 – 134 EGV die gemeinsame Handelspolitik, die Art. 182 und 188 sowie 310 EGV
die Kooperations- und Assoziierungspolitik (vgl. Schmalz 2000, S. 113f) und die
Art. 177 – 187 und 310 EGV die Entwicklungs-zusammenarbeit (vgl. Schmalz 2000,
S. 115f). Auch nach der Erlangung der Rechtspersönlichkeit der EU bleibt „jeder
Mitgliedstaat .. zunächst für seine eigene Außenpolitik zuständig“ (Schmalz
2000, S. 122). Die Außenpolitik der EU bleibt damit über das im EG-Vertrag
vergemeinschaftete internationale Handeln hinaus davon abhängig, in welchem
Maße sich die Mitgliedstaaten auf ein gemeinsames Vorgehen einigen. Das ist
“part of the system’s modus operandi” (Chryssochoou 2001, 13).
Eine Einführung in den
juristischen Kontext wäre nicht komplett ohne ein Wort zur Verfassungsrealität.
Sie fehlt in keinem Hinweis auf die Regeln der GASP (zum Begriff der
Verfassungsrealität vgl. Öhlinger 1976). Die reine Rechtslehre führt in
föderalistischen- und Verfassungsfragen nicht immer zum Ziel. Soll, wie hier,
ein Akteur der Außenpolitik und sein Amt beschrieben werden, müssen
Verfassungen vielmehr als Rahmen gelten (Thym 2003, 2), in dem Akteure den
Widerstreit ihrer Interessen aushandeln. De-jure-Bestimmungen können von
de-facto-Bestimmungen abgelöst werden, wenn die beteiligten Akteure vom
Gesetzestext abweichende Vereinbarungen ausgehandelt haben. Dies kann auch
stillschweigend geschehen. Der Begriff der Verfassungsrealität beschreibt dabei
zum einen die Praxis noch nicht verregelter Handlungen, zum anderen die von den
Regeln abweichende Praxis verregelter Handlungen. Wie stark der Außenminister
den Rahmen seiner Handlungsmöglichkeiten ausnutzt, hängt vor allem von seiner
Persönlichkeit ab.[34][34]
Im übrigen gilt
selbstverständlich: Solange die den Außenminister betreffenden Artikel im
Verfassungsentwurf Entwürfe sind, haben sie juristisch keine Bedeutung. Erst,
wenn sie im Rahmen des Vertrags über eine Verfassung für Europa vom
Europäischen Rat angenommen und vom Rat der Europäischen Union (nach Zustimmung
des Europäischen Parlamentes) zum Gesetz erhoben werden, gelten sie als
völkerrechtliche Vereinbarungen unter den Mitgliedstaaten. Einigkeit herrscht
darüber, dass der Vertrag vor seinem Inkrafttreten von allen Mitgliedstaaten
ratifiziert werden muss. Wie dies geschieht, ob als Akt der nationalen
Parlamente oder als Plebiszit, das ist Inhalt zahlreicher Auseinandersetzungen.
Zu klären wäre u.a. „die schwierige Frage“ (Guérot 2001, 31), was passiert,
wenn einzelne Mitgliedstaaten den Vertrag nicht ratifizieren (können), etwa,
weil das Volk nicht zustimmt. Gelten dann für diese Länder im Rahmen der EU die
Verträge von Nizza?
B. Genese eines Amtes: Die
EU schafft sich einen Außenminister
Europas
Verantwortungsbewusstsein für die Welt wächst. Unter dem Eindruck der
Terroranschläge vom 11. September 2001 fragt die Erklärung von Laeken, ob
Europa „- nun, da es endlich geeint ist – eine führende Rolle in einer neuen
Weltordnung übernehmen“ sollte, „die Rolle einer Macht, die in der Lage ist, ..
eine stabilisierende Rolle weltweit zu spielen“ (SN 300/01, 3). Und beantwortet
die Frage klar mit „Erwartungen des europäischen Bürgers,“ der sich ein
weltweit engagiertes Europa, das „mehr und besser koordinierte Maßnahmen bei
der Bekämpfung der Krisenherde in Europa und in dessen Umfeld sowie in der übrigen
Welt“ wünsche (SN 300/01, 3f) . Darin wird deutlich: Der „Kern des
Europagedankens nach 1945,“ den Joschka Fischer in seiner Humboldt-Rede vor den
Terroranschlägen vom 11. September als „Absage an das Prinzip der balance of
power“ bezeichnet hat (Fischer 2000, vgl. auch Kagan 2003, 76), wird von der EU
nicht mehr ohne weiteres auf die Welt übertragen. Die EU will Verantwortung in
der Welt übernehmen, und das kann sie nur, wenn sie sich mit der „balance of
power“ auseinandersetzt und an den Gedanken der (amerikanischen) Doppelmoral
gewöhnt, glaubt Robert Cooper[35][35]:
„Im Umgang miteinander halten wir uns an Recht und Gesetz, doch wenn wir im
Dschungel agieren, müssen wir uns nach den Gesetzen des Dschungels richten“
(Cooper 2002). Der erste Außenminister der
Union hätte die Chance, die Ideale Europas mit den Instrumenten der
Machtpolitik zu versöhnen.
B.1 Wer sprach
zuerst vom Doppelhut?
Die Idee, einen
Europäischen Außenminister mit der auswärtigen Politik der Europäischen Union
zu betrauen, ist keine Erfindung des Konvents. Auch Joschka Fischer ist nicht
der Vater dieses Gedankens. Vielmehr handelt es sich „eher um die
Institutionalisierung und Weiterentwicklung eines Trends der europäischen
Außenpolitik, der bereits seit langem absehbar“ war (Risse 2003, 5). Schon vor
der Regierungskonferenz 1996[36][36]
war der Hybridcharakter der EU-Außenpolitik[37][37] als Problem
für die Kohärenz erkannt und diskutiert worden:[38][38] „Für einen
Mann, der den EU-Außenministern vor die Nase gesetzt würde, sehe ich aber keine
Mehrheit,“ antwortete seinerzeit noch Außenamts-Staatsminister Werner Hoyer auf
die Frage nach einem Europäischen Außenminister (Hoyer 1996). Er sollte Recht
behalten. Statt auf einen Außenminister einigte sich der Europäische Rat 1997
in Amsterdam zunächst auf einen Hohen Vertreter des Rates für die GASP,[39][39]
der 1999 beim Europäischen Rat in Köln in der Person von Javier Solana gewählt
wurde. Doch da hatte die Idee eines Europäischen Außenministers bereits einen
starken Fürsprecher bekommen: 1998 war mit Joschka Fischer ein Deutscher
Außenminister angetreten, der offen für eine Europäische Föderation warb (vgl.
Fischer 2000)[40][40]
und einen gemeinsamen Außenminister anstelle der praktizierten, geteilten
Lösung favorisierte. Am 30. Oktober 2001 sah Fischer seine Chance gekommen,
unter dem Eindruck der Terroranschläge des 11. September den institutionellen
Rahmen der EU-Außenpolitik entscheidend zu verändern. Die französische
National-versammlung hatte Fischer an diesem Tag zu einer Rede geladen, die die
Architektur Europas nach dem 11. September zum Inhalt hatte. In dieser Rede
forderte er öffentlich „weitere Integrationsschritte in den Außenbeziehungen
der Europäischen Union, also etwa die Frage nach der Parallelität von Solana
und Patten? Ich habe es jetzt an den beiden Amtsinhabern festgemacht, es hat
aber nichts mit den Personen zu tun, sondern es geht mir um die institutionelle
Frage: Ist es sinnvoll, an dieser Parallelität dauerhaft festzuhalten? Wäre ein
Zusammenfügen unter dem Gesichtspunkt einer besseren Handlungsfähigkeit der
Außenbeziehungen der Union nicht besser?“ (Fischer 2001). Im nächsten Satz
bereits relativierte er die für den französischen Standpunkt viel zu weit
gehenden Vorschläge, indem er es eine „hervorragende Ergänzung zu den nationalen[41][41]
Außenpolitiken [nannte], hier diese Kombination zu verstärken.“ Schließlich:
„Welche praktischen Schritte können wir auf diesem Weg mittelfristig machen?“
Das war eine deutliche Zielvorgabe Deutschlands an den EU-Gipfel von Laeken,
der den Verfassungskonvent vorbereiten sollte. Fischers Vorschlag setzte eine
Diskussion in Gang, die im bekannten Ergebnis des Verfassungsentwurfs mündete.
Der Europäische
Konvent tagte ab dem 28. Februar 2002 und legte am 18. Juli 2003 als Ergebnis
seiner Beratungen einen Verfassungsentwurf vor (CONV 850/03). Der Konvent
sammelte dabei zunächst Vorschläge im Plenum, um sie anschließend nach Themen
sortiert an Arbeitsgruppen weiterzuleiten. Um Fragen der Außenpolitik kümmerte
sich die Arbeitsgruppe VII „Außenpolitisches Handeln“ (vgl. CONV 206/02). Die
AG VII diskutierte dabei vorrangig folgende Fragen der Erklärung von Laeken:
„46. Wie kann auch die Kohärenz der europäischen Außenpolitik vergrößert
werden? 47. Wie lässt sich die Synergie zwischen dem Hohen Vertreter und dem
zuständigen Kommissionsmitglied verbessern? 48. Soll die Außenvertretung der
Union in internationalen Gremien ausgebaut werden?“ (Uplegger I, 6). Die AG VII
war damit auf ihren acht Sitzungen bis zum 4. Dezember 2002 zuständig auch für
die Frage nach der Außenvertretung der Union (Uplegger I, 10 und Matl, 44). In
ihrem Abschlußbericht vom 16.12.2002 verzeichnet die AG VII zur Frage 47
(Synergieverbesserung zwischen dem Außenkommissar und dem Hohen Vertreter),
„dass eine Mehrheit zu einer Lösung tendiert, bei der beide Ämter von einem
‚Europäischen Vertreter für Auswärtiges’ ausgeübt würden“ (CONV 459/02, 5).
Konventspräsident
Valérie Giscard d’Estaing hatte schon früh als Ziel benannt, die
EU-Außenpolitik in eine Hand legen zu wollen.[42][42] Allerdings
war seine Idee einer Ämterverschmelzung noch mit einer Anbindung des
Außenministers an den Rat gekoppelt (vgl. Matl 2003, 43f). Wie zu erwarten war,
trafen im Konventsplenum die Vorschläge des supranational-föderalistischen
Lagers auf diejenigen mit einem zwischenstaatlich-souveränistischen Ansatz, den
beiden Gegenpolen in der Entwicklung der EU. Das irische Institute of European
Affairs (IEA) dokumentiert die Haltung der beteiligten Akteure zum
Doppelhutmodell wie folgt[43][43]:
Den Status Quo von Nizza beibehalten wollten Schweden und Dänemark. Italien,
Großbritannien und Spanien als Vertreter der zwischenstaatlichen Linie schlugen
einen vom Europäischen Rat zu bestimmenden europäischen Außenminister vor
(anders bei Matl, 44: „Frankreich, Großbritannien und Spanien“). Die Kommission
plädierte am 22.05.2002 für „…die schrittweise Fusion der Aufgaben des Hohen
Vertreters und des Kommissionsmitglieds für Außenbeziehungen“ innerhalb der
Kommission (Kom [2002] 247 endgültig, 15). Diesem Vorschlag schlossen sich das
Europäische Parlament (EP), Belgien, Luxemburg und Finnland an. Für das
deutsche Modell („Doppelhut“ = Ausübung beider Ämter von einer Person) waren
die Niederlande, Griechenland, Irland, Österreich, Portugal, Frankreich und
Deutschland.
Der (letztlich
übernommene) Vorschlag des „Doppelhutes“ wurde von Peter Glotz im Namen der
Deutschen Regierung eingebracht (Matl 44).[44][44] Das
Doppelhutmodell entwickelte die Idee der Ämterverschmelzung weiter, für die
auch Elmar Brok als Vertreter des Europäischen Parlamentes (EP) und
Vorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im EP plädiert hatte: „...dass wir die
Aufgabe eines Hohen Beauftragten für Außenpolitik verschmelzen mit der eines
Außenkommissars in der Kommission…“[45][45] Broks
Vorlage wurde am 11. Juli 2002 im Konventsplenum diskutiert und noch in
derselben Debatte aufgegriffen von Peter Glotz, der den Begriff des Doppelhutes
einführte[46][46]
als Kompromiss auf dem Weg zu einer von Deutschland angestrebten
Vergemeinschaftung der EU-Außenpolitik.[47][47] Am 8.
Oktober 2002 diskutierte die AG VII die „Kohärenz des außenpolitischen Handelns
der EU“ (CONV 342/02, 1). Dabei wurden verschiedene Modelle besprochen, mit
denen die Synergie zwischen dem Außenkommissar und dem Hohen Vertreter
verbessert werden könnte. Neben diversen „Doppellösungen“ gab es auch Stimmen,
die eine Ämtertrennung beibehalten wollten (vgl. CONV 342/02, 8).
Ausführlich
wurde das Doppelhutmodell schließlich vom deutschen Regierungsvertreter Gunter
Pleuger in die AG VII getragen, wo der Vorschlag mehrheitlich befürwortet wurde
(vgl. Uplegger I, 11, auch: CONV 459/02, 5). Sein Konzept „Double hat“ lag der
AG VII am 05.11.2002 vor (WG VII – WD 17). Pleuger nannte die Lösung einen
„notwendigerweise weniger vollkommenen Kompromiss“ als die Ämterverschmelzung
und begründete ihn damit, dass der Doppelhut „das derzeit erreichbare Maximum
an Synergiegewinnen“ verwirkliche (WG VII – WD 14, 2). Fragen zum Konzept
beantwortete das Konventsmitglied Hans-Martin Bury als Vertreter der deutschen
Regierung am 25.11.2002 (WG VII – WD 53). Darin klärt er detailliert darüber
auf, wie sich Deutschland die Kompetenzverteilung unter dem Doppelhut
vorstellt.
In der AG VII
musste sich der Vorschlag durchsetzen gegen 3 Alternativ-Optionen: 1.
„Maßnahmen zur Stärkung der Rolle des Hohen Vertreters und zur Verbesserung der
Synergie zwischen den beiden Ämtern,“ 2. die völlige „Verschmelzung der
jeweiligen Funktionen“ und 3. die „Einführung eines ‚EU-Außenministers’, der
dem Präsidenten des Europäischen Rates direkt unterstellt“ ist (vgl. auch die
Fußnoten bei Uplegger I, 11). Bemerkenswert ist, dass die AG VII nicht jenem
Vorschlag eine Empfehlung in ihrem Abschlußbericht gab, den „eine beträchtliche
Anzahl von Mitgliedern“ als „effektivste Lösung“ ansah (CONV 459/02), nämlich:
Die völlige Vergemeinschaftung der Außenpolitik durch Verschmelzung der
Funktionen des Hohen Vertreters mit der Kommission. Bei diesem Vorschlag gäbe
es „nur eine einzige Verwaltung und eine uneingeschränkte parlamentarische
Kontrolle“ (CONV 459/02, 20). Vielmehr bekam der Vorschlag eine Empfehlung, der
als realisierbarste Kompromisslösung angesehen wurde (vgl. CONV 459/02, 20f):
Das Doppelhutmodell berücksichtigt am besten den Systemcharakter der EU als
Mischform aus zwischenstaatlichen und vergemeinschafteten Elementen. Während
Italien, Großbritannien und Spanien durch die Anbindung des höchsten
Außenrepräsentanten der EU an den Rat den Einfluss der Mitgliedsländer stärken
wollten, wäre durch den Vorschlag von Kommission, EP und einem Teil der
Beneluxländer die Außenpolitik durch die Bündelung der außenpolitische
Initiativfunktion bei der Kommission vergemeinschaftet worden. Der deutsche
Vorschlag vereint beide Positionen, indem er sich einer Entscheidung enthält.
Ablehnend
gegenüber einem Doppelhutmodell blieben lediglich Großbritannien, Schweden und
Spanien (Uplegger I, 14). Schweden befürchtete, der Titel „Außenminister führt
zu Assoziationen mit einem Regierungssystem, was in diesem Zusammenhang
unangemessen ist“ (Uplegger I 2003/36, im Original: WD 42 WG VII). Mit Spanien
und Großbritannien zählten zu den Gegnern beide Herkunftsländer der durch das
Amt eines Außenministers der Union zu ersetzenden Funktionsträger, Solana und
Patten. Beide befürworteten anstelle ihrer Ersetzung durch einen
„Doppelhutträger“ die Ausweitung ihrer Kompetenzen. Javier Solana befürchtete
durch die Verschmelzung der Funktionen „mehr Verwirrung denn Synergie“
(Uplegger I, 11). Christopher Patten argumentierte bereits im Oktober 2002,
„dass die Außenpolitik für die meisten Mitgliedstaaten derart eng mit dem
Konzept des Nationalstaats verknüpft sei, dass es nur schwer vorstellbar sei,
dass einer Person über der nationalen Ebene eine ‚Gesamtfederführung’
übertragen“ werde ( CONV 342/02, 4). Deutschland und Frankreich einigten sich
wieder einmal bilateral. In ihrem „Deutsch-französischem Beitrag zum
Europäischen Konvent über die institutionelle Architektur der Union“ (CONV
489/03) vom 16. Januar 2003 fassen Frankreichs Staatspräsident Chirac und
Bundeskanzler Schröder als Reaktion auf einen ersten Verfassungsentwurf des
Konventspräsidiums vom 28.10.2002 u.a. ihre gemeinsamen Vorstellungen von einem
Außenminister der Union zusammen. Das Ergebnis entspricht weitgehend der
Umsetzung im späteren Verfassungsentwurf.[48][48]
Als am 16. April
2003 der Europäische Rat auf seiner informellen Sitzung in Athen die
Konventsvorschläge diskutierte, stimmten dem Doppelhutmodell alle 25 Länder zu[49][49]
– auch die 10 Beitrittsländer wurden gefragt. Der zu diesem Zeitpunkt
vorliegende erste Entwurf eines Verfassungsvertrages (CONV 369/02) wurde in den
den Außenminister betreffenden Fragen nicht mehr wesentlich verändert.[50][50]
Die große Zustimmung des Europäischen Rates ließ die geplante Annahme der
Reformen auf dem Europäischen Rat in Brüssel im Dezember wahrscheinlich werden.
Dies machte den Weg frei für die formelle Ratifizierung der Ost-Erweiterung.
Der Europäische Rat unterschrieb am 16. April 2003 die Beitrittsverträge im
Glauben, der institutionellen Reform der EU stünde nur noch wenig im Wege.
B.2
Außenpolitische Akteure im Verfassungsentwurf
Die vertragliche Grundlage
der GASP wird durch den Verfassungsentwurf erheblich verändert. Nur insgesamt 7
von 40 Artikeln im Vertrag von Nizza, die das außenpolitische Handeln der Union
betreffen, wurden unverändert übernommen oder nur leicht abgewandelt (s.
Tabelle):
|
„Außenpolitische“
Artikel gesamt: |
40 |
1. |
Neue Artikel |
10 |
2. |
Teilweise oder
beträchtliche Änderungen |
23 |
3. |
Leicht abgewandelt oder
unverändert |
7 |
Eigene Tabelle: Vertragliche
Änderungen durch CONV 850/03[51][51]
Dem Verfassungsentwurf wird
eine komplizierte und redundante Struktur nachgesagt.[52][52] Seine vier
Teile entstanden ausgehend von der Idee, dass ein „Basisvertrag“ nur die
„Ziele, die Grundsätze, die Bürgerrechte und den institutionellen Rahmen der EU
enthalten“ sollte (Guérot 2001, 30). Teil I
bildet diesen „Basisvertrag“ gemeinsam mit einem Teil II, der die Charta
der Grundrechte der Union enthält. Teil III ist quasi ein zweiter Vertrag mit
den „Vorschriften für spezielle Politiken“ (Guérot 2001, 30) und einem
angehängten Teil IV, der Schlussbestimmungen und Protokolle zusammenfasst. Die
AG VII „Außenpolitisches Handeln“ hatte in ihrem Abschlußbericht vorgeschlagen,
„die verschiedenen Aspekte des außenpolitischen Handelns der EU .. in einem
Abschnitt des neuen Vertrags zusammenzuführen“ (CONV 459/02, 2). Dies ist in
Teil III Titel V „Auswärtiges Handeln der Union“ (CONV 850/03, 154) weitgehend
gelungen. In den folgenden Artikeln wird der Außenminister explizit erwähnt:
Teil I, Titel IV (Die
Organe der Union) beschreibt seine Aufgaben im institutionellen Rahmen der
Union,[53][53]
wobei Artikel 27 ganz dem Außenminister der Union selbst gewidmet ist (CONV
850/03, S. 16 – 23). Teil I Titel V (Ausübung der Zuständigkeiten der Union)
beschreibt die Rolle des Außenministers innerhalb der Besonderen Bestimmungen
für die Durchführung der GASP (Art. I-39), der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik, und der GSVP (Art. I-40) und der Gemeinsamen Sicherheits-
und Verteidigungspolitik (CONV 850/03, S. 32 – 34).
Teil III (Die
Politikbereiche und die Arbeitsweise der Union) Titel V (Auswärtiges
Handeln der Union) behandelt die Zuständigkeiten und Koordinierungsaufgaben
des Außenministers im Rahmen des gemeinsamen auswärtigen Handelns der Union.
Die Bestimmungen aus Teil I Titel V werden dabei präzisiert (CONV 850/03, S.
155 –163). Außerdem wird seine Rolle beim Abschluss Internationaler
Übereinkünfte (Art. III-227) und in Internationalen Beziehungen (Art. III-229)
festgelegt (CONV 850/03, S. 173 – 176). Teil III Titel VI (Arbeitsweise der
Union), Kap. III (Verstärkte Zusammenarbeit) präzisiert Art. I-43 (Die
Verstärkte Zusammenarbeit) und beschreibt die Beteiligung des
Außenministers am Prozedere der verstärkten Zusammenarbeit (CONV 850/03, 214 –
216). Abschließend findet der Außenminister noch einmal Erwähnung in Teil IV (Allgemeine
und Schlussbestimmungen) in der „Erklärung über die Einrichtung eines
Europäischen Auswärtigen Dienstes“ (CONV 850/03, 239).[54][54]
Eine numerische
Sprachanalyse des Verfassungsentwurfes zeigt,
dass der Text dem Außenminister unter allen wichtigen Funktionsträgern
der EU mit Abstand die meisten expliziten Erwähnungen vor den anderen einräumt.
Der Abstand vergrößert sich, wenn man die Funktionen des Außenministers als
Vizepräsident der Kommission und als Präsident des Ministerrates Auswärtige
Angelegenheiten hinzuzählt (s. Tabelle):
|
Funktion: |
Zahl der Erwähnungen:[55][55] |
1. |
Der Außenminister der
Union |
64 (mit 3. u. 6.: 84) |
2. |
Präsident der
Kommission |
25 |
3. |
Präsident des
Ministerrates |
17 |
4. |
Präsident des
Europäischen Rates |
14 |
5. |
Präsident des
Europäischen Parlamentes |
10 |
6. |
Vizepräsident der
Kommission |
3 |
7. |
Diverse Präsidenten[56][56] |
22 |
Eigene Tabelle: Sprachanalyse der Funktionsträger
in CONV 850/03
Ohne weitere Analyse kann
damit auf die Absicht geschlossen werden, der Person des Außenministers ein
besonders starkes, verfassungsmäßig verankertes Gewicht zu verleihen. Sein
Vorsprung hat aber auch schlicht damit zu tun, dass seine Aufgaben bislang auf
mehrere Schultern verteilt waren: „Zur Zeit gehören zu den Sprechern für Europa
auf der internationalen Bühne der jeweilige Ratspräsident, der
Kommissionspräsident, der Hohe Vertreter und der Kommissar für Außenbeziehungen“
(Lamberto Dini in: CONV 387/02, 2). Entsprechend häufig muss der Außenminister
Erwähnung finden, wenn er künftig die Außenkompetenzen von zwei dieser Sprecher
ganz (Solana, Patten) und von den anderen zum Teil übernehmen soll.
Der Begriff des
Doppelhutes wird der Aufgabenhäufung, die der Außenminister „unter einen Hut“
bekommen soll, kaum gerecht. Die von ihm in Personalunion wahrzunehmenden Ämter
des Hohen Vertreters und des Kommissars für Außenbeziehungen sind schon jetzt
mit jeweils mehreren Funktionen verbunden. So ist der Hohe Vertreter der EU für
die GASP gleichzeitig Generalsekretär des Rates der Europäischen Union (Art.
207 EGV, Läufer 2002, 162) und der Westeuropäischen Verteidigungsunion
(WEU). Außenkommissar Patten koordiniert die Arbeit der anderen mit
Außenbeziehungen befassten Kommissare, er leitet die Generaldirektion
Außenbeziehungen und den Gemeinsamen Dienst für Außenbeziehungen, der
zum Europäischen Auswärtigen Dienst ausgebaut werden soll. Welche dieser
Dienste der Außenminister übernehmen muss, darüber schweigt sich der
Verfassungsentwurf zumeist aus (zum Generalsekretär des Rates z.B. keine
Aussage in Art. III-247 EVE). Im Folgenden ist aufgelistet, welche Aufgaben des
Außenministers im Verfassungsentwurf festgeschrieben werden.
Zu den im
Verfassungsentwurf unter expliziter Nennung des neuen Amtes festgelegten
Aufgaben des Außenministers zählen:
-
die Teilnahme
an den Beratungen des Europäischen Rates (Art. I-20),
-
der dauerhafte[57][57]
Vorsitz in der Ratsformation „Auswärtige Angelegenheiten“ (Art. I-23),
-
als
Außenminister die Leitung der GASP (Art. I-27) und die Vertretung der
GASP nach außen (III-197), als Vizepräsident der Kommission die Koordinierung
und Wahrnehmung der übrigen Aspekte des auswärtigen Handelns der Union mit
Ausnahme der GASP[58][58]
(Art. I-25, I-27 und III-229),
-
die Leitung der
Delegationen der Union in Drittländern und bei Internationalen Organisationen
(Art. III-230)[59][59]
sowie die Koordinierung der Sonderbeauftragten (Art. III-203),
-
die regelmäßige
Anhörung und Unterrichtung des
Europäischen Parlamentes (Art. III-205),
-
die
Koordinierung des Handelns der Mitgliedstaaten in internationalen Organisationen
und auf Internationalen Konferenzen sowie die Vertretung gemeinsamer
Standpunkte der Union beim Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Art.
III-206),
-
die
Verantwortung für die vom Politischen und Sicherheitspolitischen Komitee
wahrgenommene Kontrolle und strategische Leitung von
Krisenbewältigungsoperationen im Rahmen der GSVP (Art. III-208) sowie die
Koordinierung der zivilen und militärischen Aspekte dieser Aktionen (Art.
III-210),
-
die Teilnahme
an den Beratungen jener Mitglieder des Ministerrates, die eine strukturierte
Zusammenarbeit vereinbart haben, sowie die Unterrichtung der Vertreter der
anderen Mitgliedstaaten über die Entwicklung dieser Zusammenarbeit (Art.
III-213),
-
Prüfung und
Stellungnahme zur Kohärenz einer beantragten verstärkten Zusammenarbeit
von Mitgliedstaaten mit der GASP (als Außenminister) einerseits und (als
Kommissionsmitglied) mit der Politik der Union in anderen Bereichen
andererseits (Art. III-325).
Der
Außenminister hat also den Vorsitz des Rates Auswärtige Angelegenheiten, er „leitet
die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik der Union“ (CONV 850/03, 23). Der
Außenminister ist kein Mitglied des Europäischen Rates, nimmt aber an den
Beratungen teil (CONV 850/03, 16). Er darf durch „Vorschläge zur Festlegung der
gemeinsamen Außenpolitik“ (CONV 850/03, 23) beitragen. Durch seine
Doppelhutfunktion kann er sowohl Vorschläge GASP und GSVP betreffend machen
(als Außenminister), er hat ein Initiativrecht aber auch für „die anderen
Bereiche des auswärtigen Handelns“ (Art. III-194, 2).
Der
Außenminister ist mit der Durchführung der GASP betraut (CONV 850/03,
23), er handelt dabei „im Auftrag des Ministerrates“ (CONV 850/03, 23). Nach
außen vertritt der Außenminister die Union in den Bereichen der GASP (vgl. Art.
III-197 EVE), auch in „internationalen Organisationen und auf internationalen
Konferenzen“ und er „führt im Namen der Union den politischen Dialog“ (CONV
850/03, 157). Er trägt auf Antrag der im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen
vertretenen Mitgliedsstaaten auch im Sicherheitsrat den Unions-Standpunkt vor
(CONV 850/03, 160).
Der Außenminister soll einen
Anschubfond für die Durchführung von Missionen der GASP und der GSVP (als
integralem Bestandteil der GASP) initiieren, die nicht zulasten des Haushalts
der Union gehen (CONV 850/03, 162). Er kann gemeinsam mit der Kommission dem
Ministerrat restriktive Maßnahmen gegenüber Drittländern vorschlagen (CONV
850/03, 172). Er empfiehlt dem Ministerrat die Aufnahme von Verhandlungen zu
Internationalen Übereinkünften mit Drittstaaten, sofern diese sich auf die GASP
beziehen (CONV 850/03, 173f). Er und die Kommission sind für die Durchführung
der Zusammenarbeit mit den Vereinten Nationen, dem Europarat, der Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), der Organisation für
Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sowie anderen
Internationalen Organisationen zuständig (CONV 850/03, 176). Der Außenminister
leitet Delegationen der Union in Drittländern und bei Internationalen Organisationen
(CONV 850/03, 176). Er ist gemeinsam mit der Kommission für die Ausgestaltung
der Modalitäten der Solidaritätsklausel zuständig (CONV 850/03, 177). Er ist
vorgesehen als Leiter eines zu gründenden Europäischen Auswärtigen Dienstes
(CONV 850/03, 239). Außerdem ist er Berichterstatter vor dem Parlament und dem
Ministerrat zu allen Maßnahmen der Außenpolitik, explizit in Fällen
restriktiver Maßnahmen (CONV 850/03, 172), der strukturierten Zusammenarbeit
(CONV 850/03, 163) und der verstärkten Zusammenarbeit auf dem Gebiet der GASP
(CONV 850/03, 214f).
Erstmals ist der Ministerrat
nicht mehr allein für die Einhaltung der GASP-Bestimmungen zuständig.
Auch der Außenminister trägt „für die Einhaltung dieser Grundsätze Sorge“ (Art.
III-195/2 EVE). Des weiteren muss er sicherstellen, „dass die vom Europäischen
Rat und vom Ministerrat erlassenen Europäischen Beschlüsse durchgeführt werden“
(Art. III-197/1 EVE).[60][60]
Auch als Vizepräsident der Kommission ist der Außenminister bei den nicht
vergemeinschafteten Aufgaben des außenpolitischen Handelns der EU zumeist
beteiligt: Etwa an der Wahrung der Grundsätze (Art. III-193/3 EVE) und
bei der Vorlage „gemeinsamer Vorschläge“ (Art. III-194/2 und III-200/1 EVE).
Bei nicht die GASP betreffenden Internationalen Übereinkünften (Art. III-225 –
228 EVE) und Beziehungen (Art. III-229 EVE) trägt der Außenminister als
Vizepräsident der Kommission genauso seinen Doppelhut, wie bei der Gründung des
Europäischen Rüstungsamtes, denn das „versieht seine Aufgaben erforderlichenfalls
in Verbindung mit der Kommission“ (Art. III-212/2 EVE).
B.2.3 Wer sonst noch EU-Außenpolitik bestimmt
Der Verfassungsentwurf
ordnet der Person des Außenministers zwei weiterhin getrennte Funktionen zu:
Die Aufgaben des ehemaligen Kommissars für Auswärtige Beziehungen und die
Aufgaben des ehemaligen Hohen Vertreters der EU für die GASP. Ist der
Außenminister damit alleinzuständig für das außenpolitische Handeln der EU?
Diese Frage kann eindeutig verneint werden. Allerdings sind die Zuständigkeiten
für die GASP im Verfassungsentwurf nicht immer präzise formuliert (vgl.
Meyer/Hölscheidt 2003). Im folgenden werden weitere Akteure künftiger
EU-Außenpolitik aufgelistet, die im Verfassungsentwurf genannt werden:
Europäischer Rat und
Ministerrat
Der Europäische Rat (ER)
„legt die Ziele ihrer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik fest. Der
Ministerrat gestaltet[61][61]
diese Politik im Rahmen der vom Europäischen Rat festgelegten strategischen
Leitlinien“ (Art. 39/2 EVE). ER und Ministerrat „erlassen die
erforderlichen Europäischen Beschlüsse“ (Art. 39/4). Der Präsident des
Europäischen Rates (ER), „in dieser Eigenschaft auf seiner Ebene,“ (Art. I-21
EVE), nimmt „unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union die
Außenvertretung der Union in Angelegenheiten der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik wahr“ (CONV 850/03, 17).
Das Politische und
Sicherheitspolitische Komitee
Zur Festlegung der
Außenpolitik beitragen sollen die Stellungnahmen eines Politischen und
Sicherheitspolitischen Komitees[62][62],
das die Durchführung der GASP[63][63]
überwacht (CONV 850/03, 161). Dieses tut es „unbeschadet der Zuständigkeiten
des Außenministers der Union,“ aber auch „unbeschadet des Artikels III-247“
(Artikel III-247 behandelt den Ausschuss, der die Sitzungen des Ministerrates
vorbereitet). Das Komitee nimmt „die politische Kontrolle und strategische
Leitung von Krisenbewältigungsoperationen“ der Gemeinsamen Sicherheits- und
Verteidigungspolitik (GSVP) wahr. Der Ministerrat kann das Komitee dazu
ermächtigen, im Krisenfall Beschlüsse zur GSVP zu fassen (CONV 850/03, 161).
Mitglieder des Komitees sind die Leiter der politischen Abteilungen der
Außenministerien der Mitgliedstaaten. Cameron nannte die wöchentlichen Treffen
des Komitees bereits nach den Nizza-Regeln eine „großartige Verbesserung des
GASP-Motors“ (Cameron 2002, 8).
Die Kommission
Zur Kommission bestimmt Art.
25/1 EVE: „Mit Ausnahme der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und der
übrigen in der Verfassung vorgesehenen Fälle übernimmt sie die Vertretung der
Union nach außen“ (CONV 850/03, 20). Der Außenminister der Union ist in seiner
Funktion als Kommissar für Außenbeziehungen und Vizepräsident Mitglied im
Kollegium der Kommission. Die Kommission kann aus dem Kollegiumsprinzip ein
Mitspracherecht für die Durchführung der Außenvertretung nach Art. 25/1 EVE
ableiten. Der Außenminister ist abhängig vom Präsidenten der Europäischen
Kommission, der die Leitlinien festlegt, nach denen die Kommission arbeitet,
und der ihn gemeinsam mit dem Europäischen Rat ernennt und entlässt (Art.
26/3).
Die Mitgliedstaaten
Art. 39/4 EVE räumt den
Mitgliedstaaten eine Gleichberechtigung in der Durchführung der GASP ein. Darin
heißt es, die GASP wird vom Außenminister „und von den Mitgliedstaaten mit den
einzelstaatlichen Mitteln und denen der Union durchgeführt.“ Außerdem haben die
Mitgliedstaaten das Initiativrecht in der GASP (Art. 39/7 EVE) und der GSVP
(Art. 40/4). Die Kohärenz in der Außenpolitik wird durch Loyalitäts- und
Solidaritätsverpflichtungen gesichert (Art. I-39/5
u. III-195/2 EVE). Die Mitgliedstaaten werden darin zu konvergentem Handeln in „jeder außen-
und sicherheitspolitischen Frage von allgemeiner Bedeutung“ (Art. 39/5 EVE) und
zu einem Eintreten für „die Standpunkte der Union“ (Art. III-206) auch in
internationalen Konferenzen und Organisationen verpflichtet. Ihr
außenpolitisches Handeln ist somit in jeder Hinsicht an die vom Europäischen
Rat vorgegebenen Interessen und Leitlinien der Union gekoppelt. Alleingänge wie
im Irakkrieg sind dennoch denkbar, da sich Sanktionen des Außenministers
dagegen auf das „Anprangern und Beschämen“ beschränken müssen (Risse 2003, 10).
Weitere Akteure
Die Außenvertretung der EU
wird verkompliziert durch die zunehmende Einsetzung von Sonderbeauftragten zu
speziellen Problemen (Cameron 2002, 14). Daran ändert auch der
Verfassungsentwurf nichts (vgl. Art. III-201-205 EVE). Künftig unterstehen die
Sonderbeauftragten dabei dem Außenminister, so dass die Anlaufstelle für Fragen
ihre Zuständigkeit betreffend eindeutiger geklärt ist.
Zu nennen als weitere
Akteure des außenpolitischen Handelns der EU sind das EU-Parlament mit seinem
sehr aktiven Ausschuss für Auswärtige Angelegenheiten (derzeit unter Leitung
von Elmar Brok) und die 128 Vertretungen der EU-Kommission weltweit. Das
Parlament muss vom Außenminister gehört, informiert und berücksichtigt werden
(Art. III-205). Seine Zustimmung ist zu zahlreichen Internationalen
Übereinkünften erforderlich (Art. III-227/7). Die diplomatischen Dienste der Mitgliedstaaten
und der EU betreiben gemeinsam über 2000 diplomatische Missionen weltweit mit
insgesamt mehr als 20.000 Diplomaten, zehnmal mehr als die USA. Das bedeutet
laut Solana aber nicht, dass die EU-Außenpolitik auch zehnmal effektiver sei,
als die der USA (zitiert nach Cameron 2002, 15). Hier liegt zugleich ein hohes
Einsparpotential und ein hohes Konfliktpotential in allen Versuchen, die
„Erklärung über die Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes“ (CONV
850/03, 239) umzusetzen.[64][64]
Der Außenminister bekommt
vom Verfassungsentwurf eine starke Stellung zugewiesen. Er ist der wahre
„Supra-Star“ des Entwurfes, „eine zentrale Innovation“ (Wessels 2003, 294):
Kein anderer Funktionsträger wird häufiger explizit im Text erwähnt, als er,
seine Aufgaben und Kompetenzen gehen weit hinaus über die Möglichkeiten seiner
beiden Vorgänger, dem Hohen Vertreter der EU für die GASP und dem Kommissar für
Außenbeziehungen.[65][65]
Damit wird er „potentiell zu einer ungeheuer mächtigen Figur“ (Howorth 2003,
20), falls seine zahlreichen unterschiedlichen Verantwortlichkeiten nicht die
körperlichen und geistigen Kräfte eines einzelnen Individuums überschreiten und
„zu einer Blockade führen“ (Howorth 2003, 21). Wessels bemängelt, „der Konvent
hat zwar dieses Amt mit einem hohen Erwartungshorizont versehen, für dessen
Erfüllung der Amtsinhaber aber nur über begrenzte Verfahrensinstrumente
verfügt“ (Wessels 2003, 294)[66][66].
Dessen ungeachtet lässt der Entwurf breiten Spielraum für die Ausgestaltung des
Amtes. Zu klären ist u.a., wie viele Stellvertreter der Außenminister bekommt
(„Delegation will be indispensable“, Howorth 2003, 21) und wie er seine
multiple Persönlichkeit angemessen auf diese verteilen kann. Die Entbindung des
Außenministers von der Aufgabe des Hohen Vertreters als Generalsekretär des
Rates wird nicht explizit erwähnt (vgl. Art. III-247 EVE), kann gerade deshalb
aber angenommen werden. Offen gelassen wird, ob sich der Außenminister von
Anfang an auf einen eigenen Apparat stützen kann oder ob sein
„Außenministerium“ zunächst je zur Hälfte bei der Kommission und beim Rat
angesiedelt ist. Die als Protokoll beigefügte Erklärung über die „Einrichtung
eines Europäischen Auswärtigen Dienstes“ (CONV 850/03, S. 239) legt fest, dass
darüber innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten der Verfassung entschieden
werden sollte. Cameron prognostiziert über diese Einrichtung Streit, weil sie
eine Zusammenlegung der auswärtigen Dienste der Kommission und des Rates
erforderlich mache (Cameron 2004, 44). Duke sieht in einem „Minister ohne
Ministerium“ (Duke 2003) das größte Problem eines im Prinzip begrüßenswerten
Entwurfes. Hill (2003) sieht darin „die Gefahr eines weiteren
Glaubwürdigkeitsverlustes für die Europäische Außenpolitik, weil der dafür
verantwortliche ‚Minister’ nicht nur ohne Kleider gesehen werden wird, sondern
sogar ohne Kleiderschrank“. Tatsächlich sind die außenpolitischen Stäbe bei der
Kommission und beim Rat so groß, dass eine Zusammenführung den Minister gut
sein erstes Amtsjahr kosten kann (vgl. Howorth 2003, 21).
Als weiteres Hauptproblem
wird von den meisten Analysten die „unklare Aufgabenverteilung zwischen dem
Präsidenten des Europäischen Rates und dem neuen Außenminister“
(Emmanouilidis/Giering 2003, 31) erkannt, also „wie der neue Präsident des
Europäischen Rates (ER) neben dem … neuen EU-Außenminister Außenpolitik machen
wird“ (Cameron 2004, 44). Zumindest im Verfassungsentwurf spielt der dann
hauptamtliche Ratspräsident im Vergleich zum Außenminister eine so kleine
Rolle, dass befürchtet werden muss, er könnte diese durch ein ausgeweitetes
Engagement in der Außenpolitik zu kompensieren versuchen. Der Entwurf bleibt
hier zweideutig: Der Präsident des ER nimmt die Außenvertretung der Union in
Angelegenheiten der GASP wahr (Art. I-21/2 EVE), der Außenminister aber leitet
sie und führt sie durch. Ein Unterschied zwischen Wahrnehmung und Durchführung
der GASP ist nicht zu erkennen. „Man kann dies als eingebauten Rollenkonflikt
im Institutionengefüge der neuen EU interpretieren“ (Risse 2003, 10), zumal der
Ratspräsident dem Außenminister gegenüber nicht weisungsbefugt ist (Thym 2003,
14). Howorth schlägt eine Arbeitsteilung vor: Der Präsident sollte sich auf im
Wesentlichen nicht GASP und GSVP berührende Themen konzentrieren und Koordination
mit dem Außenminister suchen, wenn diese notwendig erscheint. Im übrigen
vertraut Howorth bei Fragen der Außenvertretung dem diplomatischen Protokoll:
Der US-Präsident wird den Ratspräsidenten treffen, sein Außenminister den
Außenminister der Union.
Nicht geteilt wird hier die
Sorge von Howorth (2003, 22), Cameron (2004, 44) und Emmanouilidis/Giering
(2003, 31) über größeres Konfliktpotential zwischen dem Außenminister und dem
Kommissionspräsidenten. Da die Kommission in Person des Außenministers als
Vizepräsident der Kommission bei allen wichtigen Entscheidungen und Beratungen
dabei ist und der Vizepräsident an das Kollegialitätsprinzip der Kommission
gebunden ist, steht kaum zu befürchten, dass der Kommissionspräsident Argumente
findet, um seinem Vize die Außenpolitikvertretung der Kommission streitig zu
machen. Außerdem schränkt der Verfassungs-entwurf die Außenvertretungsrechte
durch die Kommission stark ein (CONV 850/03, 20). Allerdings könnte durch den
Wegfall des sichtbaren Machtausgleichs zwischen Rat und Kommission eine
„Grauzone unklarer politischer Verantwortlichkeiten“ entstehen, in der Bürger
und Parlamentarier nicht wissen, wen sie verantwortlich machen sollen“ (Thym
2003, 14).
C Erwartungen an den
Außenminister der Union
Aufgezeigt wurde, wie es zur
Entstehung des Amtes des Außenministers der Union kam, in welchem politischen,
juristischen und institutionellen Kontext sich das Amt entwickelte und welche
Aufgaben und Kompetenzen dem Außenminister im Verfassungsentwurf eingeräumt
wurden. Bereits der deskriptive Teil konzentrierte sich dabei auf die Akteure
des außenpolitischen Handelns der EU. Intern wird „die Gewährleistung der
Kohärenz zwischen dem auswärtigen Handeln und der Gemeinsamen Außen- und
Sicherheitspolitik“ als „Hauptgrund für die Schaffung des Postens des
Außenministers“ genannt (CIG 45/03),[67][67] damit also
eine größere Einheit im außenpolitischen Handeln des Außenkommissars und des
Hohen Vertreters für die GASP. Im folgenden Kapitel sollen zwei Erwartungen
aufgezeigt werden, die mit dem Amt eines Außenministers der Union verbunden
sind:
1. Der Außenminister der Union
gibt Europa eine gemeinsame Stimme in der Außenpolitik: One Voice for Europe.
2. Der Außenminister der Union
stärkt die Sichtbarkeit der EU als globaler Akteur: A Better
Visibility.
Die am häufigsten (Thym
2003, 12) genannte Erwartung an die Schaffung des Amtes eines Außenministers
der Union ist: „Europa muss zu einem starken und einflussreichen Akteur auf der
internationalen Bühne werden. Es muss bestrebt sein, mit einer Stimme zu
sprechen.“ So hieß es im Programm des italienischen Ratsvorsitzes.[68][68]
Auch der deutsche Minister des Auswärtigen, Joschka Fischer, verband mit einem
europäischen Außenminister die Erwartung, „dass es eine klarere europäische
Stimme nach außen geben wird“ (Fischer 2003/2).[69][69] Der
Vertreter der Bundesregierung im Konvent, Hans-Martin Bury, nannte den Träger
des Doppelhutes „the single figure and voice of the Union“ (WG VII – WD 53, 3).
All diesen Rufen nach Einer Stimme ist die Wahrnehmung eines Defizits in der
Außenpolitik der Union gemeinsam und der Wunsch nach Behebung dieses Defizits:
Demnach hätte die EU bislang keine gemeinsame Stimme in der Außenpolitik,
braucht aber eine.[70][70]
Selten nur wird darauf hingewiesen, dass „Europa bereits heute in mehr als 80%
aller außenpolitisch relevanten Fragen routinemäßig mit einer Stimme spricht“
(Risse 2003, 12) oder dass es sogar „in 95 Prozent … gar kein Problem“ ist, „in
relativ kurzer Zeit zu einer gemeinsamen Position zu kommen und zu handeln“
(Köhler).[71][71]
Der Ruf nach One Voice for Europe[72][72] soll deshalb
in dieser Arbeit als eine von zwei zentralen Erwartungen an den Außenminister der Union beschrieben
werden. Aber – was ist diese „Stimme“ eigentlich?
Nicht jeder meint dasselbe,
wenn er nach einer gemeinsamen Stimme für Europa ruft. Ein paar generelle,
idealtypische Gemeinsamkeiten aber gibt es: Eine Stimme bei politischen
Willensäußerungen der EU heißt, die Singularität der Meinungen wird gegenüber
der Diversität bevorzugt. Eine Stimme auf der Sprecherebene hat den Vorteil,
dass ein Sprecher seine Machtbasis nicht mit anderen Sprechern innerhalb
derselben Gruppe teilen muss - je größer die Machtbasis, desto größer der Einfluss.
Weitere Eigenschaften der Erwartung an Eine Stimme hängen im wesentlichen von
der (politischen) Position des Benutzers ab: Intergouvernementalisten erwarten
davon die Beibehaltung des Einstimmigkeitsprinzips bei Abstimmungen im Rat über
die GASP. Die Befürworter qualifizierter Mehrheitsentscheidungen können den
demokratischen Charakter der von einer Mehrheit getragenen Einen Stimme
betonen. Die Erwartung kann autoritativen Charakter haben - eine Stimme als
personifizierter Führungsanspruch, womöglich mit unitaristischer[73][73]
Zielsetzung. Sie kann einen unitarischen, identitätsstiftenden Charakter haben
- eine Stimme mit der Aufgabe, Einigung unter den Sprechern herbeizuführen und
dadurch zu einer gemeinsamen Identität (hier: in der Außenpolitik) zu kommen.
Sie kann aber auch als Symbol stehen für eine oder mehrere der vorgenannten
Bedeutungen. In diesem Fall wäre die optische Komponente zentral: Nicht was die
Eine Stimme tatsächlich ist, sondern was sie darstellt und wie sie nach
außen wirkt wäre hier der entscheidende Faktor. Die Aufgabe der Einen Stimme
wäre es dann, die von Cameron konstatierte Schizophrenie der EU nicht allzu
offensichtlich werden zu lassen - oder womöglich sogar zu heilen.
Historisch lässt sich der
Ruf nach der Einen Stimme zurückverfolgen bis zum berühmten Bonmot von Henry
Kissinger aus dem Jahr 1973 zur Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ):
"When I want to speak to Europe, whom do I call?"[74][74] Tonra sieht
in Kissingers spöttischer Haltung einen Auslöser für die Erklärung über die
Europäische Identität (vgl. Gasteyger, 284f). Darin haben 1973 die damals neun
Mitgliedstaaten ihren Willen zu einer schrittweisen Erarbeitung gemeinsamer
Positionen auf dem Gebiet der Außenpolitik erstmals mit der one voice
verbunden: „Europe must unite and increasingly speak with one voice if it wants
to make itself heard and play its proper role in the world“[75][75] (zitiert
nach: Tonra 2003, 11). Seitdem wird das Credo der EU-Außenpolitik
gebetsmühlenartig wiederholt. Als hätte sich fast 30 Jahre lang nichts
geändert, betonte auch Konventspräsident Giscard d’Estaing zu Beginn seiner
Arbeit 2002: Es sei „unabdingbar“ und schon jetzt vorherzusehen, dass der
Konvent Vorschläge machen werde, damit Europa in der Welt künftig mit „einer
Stimme spricht“ (Bolesch 2002). Auch in den dazwischenliegenden fast 30 Jahren
Europäischer Integration war in den Reden der Politiker die Eine Stimme im
außenpolitischen Handeln der EU bestimmendes Ziel. In den völkerrechtlich
verbindlichen Vertragswerken wurde es vorsichtig umschrieben, um Konflikte mit
den nationalen Souveränitäten zu vermeiden, was nicht immer gelang.[76][76]
Gänzlich misslungen ist es der EU nach eigener Einschätzung, in der Irak-Krise
mit einer Stimme zu sprechen, was die Dringlichkeit erhöhte, für die GASP neue
Lösungen zu finden.[77][77]
Mit dem vorliegenden Verfassungsentwurf ist die EU der Erwartung, bald mit
einer Stimme sprechen zu können, näher gekommen, ohne ihr Ziel
allerdings vollständig zu erreichen.[78][78]
Woher stammt das Denkbild
von der Einen Stimme als Vorteilsbringer? Lässt es sich wiederfinden in der
institutionellen Architektur der Mitgliedsländer? Gibt es dort die Eine Stimme
für die Außenpolitik? Zumindest standen die Außenminister von Nationalstaaten
Pate bei der Entwicklung der Idee eines Außenministers der Union: Giscard
d’Estaing formuliert als Ziel der Einen Stimme die „gleiche Augenhöhe“ (Bolesch
2002) mit den außenpolitischen Stimmen von Staaten wie den USA oder Russland.[79][79]
Giscard d’Estaings Erwartung ist es demnach, eine vergleichbare Basis zu
schaffen. Er folgt dabei wie Kissinger oder Joschka Fischer vor ihm
nationalstaatlichen Leitbildern. In diesem Fall projiziert er die
Rollenerwartungen an die Außenminister Russlands und der USA auf den
Europäischen Außenminister.[80][80]
Da das Konzept des „Doppelhutes“ bereits als deutsche Idee identifiziert wurde,
führt dies zu der Frage: Lassen sich im deutschen Rollenvorbild die
Erwartungen, die an die Eine Stimme gestellt werden, wiederfinden? Und wie groß
sind die Unterschiede dieser „identitären Elemente“ (Harnisch 2002, 14) in den
Mitgliedsländern?
Auf der Suche nach dem
autoritativen Ansatz hinter der Erwartung an die Eine Stimme wird man im
Deutschen Grundgesetz nicht unmittelbar fündig. Zwar schreibt Art. 73 GG dem
Bund die ausschließliche Gesetzgebung im Bereich der auswärtigen
Angelegenheiten zu. Eine hierarchische Ordnung für die Exekutivbereiche
Kanzler-, Ressort- und Kabinettsprinzip regelt das Grundgesetz aber nicht. Wer
der Träger der „auswärtigen Gewalt“ (vgl. Grewe 1988) ist, bleibt unklar. Das
GG klärt auch nicht die Frage, ob die auswärtige Gewalt in der alleinigen
Verantwortung der Exekutive liegt oder als kombinierte, Regierung und Parlament
übertragene Gewalt zu verstehen ist (vgl. Krause 1998, 142f). Tatsächlich kann
die Aufgabenverteilung in der Außenpolitik mit dem Verweis auf die Gesetze und
Geschäftsordnungen nicht „realitätsnah beschrieben werden“ (Bierling 1999, 37).
Vorherrschende Meinung ist, dass der Kanzler bei Bedarf „Herr im Hause“ ist
(Siwert-Probst 1998, 13)[81][81],
somit also auch die Außenpolitik bestimmt. Abgeleitet wird diese Haltung aus
der Richtlinienkompetenz des Kanzlers (Art. 65 GG) und seiner
Organisationsgewalt (Art. 64 GG)
.[82][82]
Die wichtigsten außenpolitischen Themen beanspruchen die Regierungschefs
deshalb häufig für sich selbst.[83][83]
Diese Erkenntnis prägte zu Adenauers Regierungszeit den Begriff der
„Kanzlerdemokratie“ (vgl. Hennis 1964). Das Maß an Macht und Befugnissen eines
Außenministers hängt maßgeblich davon ab, wie gut er diese mit dem Kanzler
aushandelt.[84][84]
Unbeschadet der Richtlinienkompetenz des Kanzlers ist der Außenminister die
maßgebliche Institution der Deutschen Außenpolitik. Er arbeitet „selbständig
und unter eigener Verantwortung“ (Art 65 Abs. 2 GG). Laut Geschäftsordnung der
Bundesregierung (GOBReg)[85][85]
ist das Auswärtige Amt (AA) „verwaltungsmäßig für alle außenpolitischen
Aktivitäten zuständig“ (Andreae 1998, 31). Verhandlungen mit dem Ausland oder
im Ausland bedürfen der Zustimmung des AA. Selbst die Delegationsleitung bei
Besuchen von Fachministerien im Ausland liegt offiziell ausschließlich beim
Auswärtigen Amt (Andreae 1998, 31).
Klassische außenpolitische
Akteure in Deutschland sind der Minister des Auswärtigen, der Bundeskanzler und
der Bundesminister für die Verteidigung (Siwert-Probst 1998, 13), m.E. auch die
Ministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, deren
Betätigungsfeld ausschließlich im Ausland liegt. Als Folge der Globalisierung
ist die institutionelle Stimmenvielfalt in der Außenpolitik aber weiter
angewachsen: So ist mittlerweile „jedes Fachministerium faktisch zum
Außenministerium des von ihm verwalteten Sachbereichs geworden“ (Andreae 1998,
30).[86][86]
Rund 250 Arbeitseinheiten anderer Ressorts (ohne BMVg) waren bereits 1998 mit
außen- und europapolitischen Fragen befasst (Bierling 1999, 44), drei
Ministerien hatten eigene Europa-Abteilungen. Seitdem hat die Europa-Politik
durch die wachsende Interdependenz auf allen Ebenen weiter an Bedeutung
gewonnen. Eine Trennung zwischen auswärtiger und Europa- Politik lässt sich
kaum noch vornehmen.[87][87]
Bei quasi allen Terminen des Außenministers lassen sich europapolitische Bezüge
herstellen, auch wenn diese manchmal nur mittelbar durch die bedeutende Rolle
Deutschlands innerhalb der EU entstehen. Das höchste europapolitische
Koordinierungsgremium der Bundesregierung ist der Staatssekretärausschuss für
Europafragen.[88][88]
Er wird geleitet vom Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, Hans-Martin
Bury (SPD),[89][89]
der Deutschland bei allen wichtigen Europaterminen nach außen vertritt, wenn
Fischer verhindert ist. Bury besetzt außerdem den wichtigen Posten des
deutsch-französischen Koordinators.[90][90]
In den Mitgliedstaaten
unterscheidet sich die Rolle des Außenministers nicht wesentlich von der Rolle
des Deutschen Außenministers.[91][91]
In allen Regierungssystemen gilt für die Organisation gleichermaßen: Der
Außenminister wird vom künftigen Ministerpräsidenten für das Amt ausgewählt,
wenn dieser der gleichen Partei angehört, wie sein Außenminister (und dessen
Parteichef ist). Sonst bestimmt ihn die Führung der Koalitionspartei. Der
Außenminister wird formell vom Staatsoberhaupt, also dem Staatspräsidenten oder
Monarchen, ernannt und offiziell von diesem entlassen.[92][92] Wer aber
trägt die Richtlinienkompetenz über die Außenpolitik? Faktisch ist das (auch in
den osteuropäischen Beitrittsländern) der Ministerpräsident (Ismayr 2002, 34).
Ausdrücklich zugeschrieben wird dem Regierungschef die Richtlinien-Kompetenz
aber nur in den Verfassungen von Deutschland, Spanien, Griechenland, Portugal
und Luxemburg. Primus inter pares ist er in Österreich, Dänemark, Norwegen,
Finnland und den Niederlanden (Ismayr 1999, 25). In Frankreich leitet der
Staatspräsident den Ministerrat und hat dadurch eine stärkere Rolle, als sein
Regierungschef, außer in Zeiten der Kohabitation.[93][93] In der
Verfassungsrealität ist für die Macht des Außenminister vor allem von
Bedeutung, wie stark der Regierungschef seine Richtlinienkompetenz in der
Außenpolitik ausübt. Für noch bedeutender hält Ismayr (1999, 25) allerdings die
„formellen und faktischen Kompetenzen [des Regierungschefs] bei der Auswahl und
Entlassung der übrigen Regierungsmitglieder, der Ressorteinteilung ... und
seiner tatsächlichen Möglichkeiten, die Tagesordnung des Kabinetts und des
Parlaments zu bestimmen.“
Bleibt noch die Prüfung auf
den Symbolwert: Die Eine Stimme als unitarisches Konzept, das zugleich
Werteerwartungen an die Union erfüllen soll im Sinne einer Verkleinerung des
von Hill beschriebenen „capabillity-expectations gap“ (vgl. Hill, 1993). Hier
soll das Konzept der Politikvermittlung (vgl. Jarren et.al. 1996, Sarcinelli
1998) als Instrument der politischen Legitimation aushelfen. Stark verkürzt:
Unter dem Begriff Politikvermittlung „... können zunächst sehr allgemein alle
Kommunikationsbeziehungen zwischen dem politischen System und seinen Adressaten
verstanden werden, bei denen das politische System die treibende Kraft ist“
(Czerwick 1998, 253). Ziel dieses Vermittlungsprozesses ist es, ein latentes
Legitimationsdefizit des Systems zu vermeiden, eine breit angelegte Akzeptanz
für konkrete politische Projekte zu schaffen sowie Unterstützung und Loyalität
für das politische System insgesamt zu stimulieren und dauerhaft zu
stabilisieren – und damit letztlich das politische Handeln der Führungseliten
zu legitimieren (vgl. Schmitt-Beck 1994, 126).[94][94]
„Politikvermittlung gewinnt durch das Faktum an Bedeutung, dass der
Legitimationsbedarf eines politischen Systems in dem Maße zunimmt, in dem seine
politischen Entscheidungsstrukturen komplexer, die Willensbildungsprozesse für
den Einzelnen immer undurchsichtiger und die konkrete Zuordnung politischer
Verantwortung an Amts- oder Mandatsträger sowie Institutionen für den Bürger
immer schwerer nachvollziehbar werden“ (Freitag 2001, 10ff).
Legitimationsbedarf hat die
EU für sich auf mehreren Ebenen erkannt: Auf der Ebene der Internationalen
Anerkennung als gleichrangiger Akteur ebenso wie bei der Vermittlung von
Inhalten. Die Personalisierung des außenpolitischen Handelns der EU im Modell
der Einen Stimme wäre nach diesem Modell die Folge der Wahrnehmung eines
Kommunikations- und Legitimationsdefizits und Behebung dieses Defizits durch
die Professionalisierung der Kommunikationsbeziehungen mit anderen
internationalen und interinstitutionellen Akteuren und der Öffentlichkeit. Nach
diesem Ansatz hätten nicht ein tatsächliches Defizit in der außenpolitischen
Konvergenz der EU ursächlich zur Einrichtung eines Außenministers der Union
geführt,[95][95]
sondern vor allem die Auswirkungen der Wahrnehmung eines solchen Defizits –
unabhängig von seiner Validität. Kommissionspräsident Prodi hat es so
ausgedrückt: „Die ‚Vielstimmigkeit’ in internationalen Krisen schwächt die
Glaubwürdigkeit der Union“ (Kom [2002] 247 endgültig, 16).[96][96] Zur Behebung
des Glaubwürdigkeits-Defizits wird zunächst das auswärtige Handeln der EU durch
die Eine Stimme personalisiert. Dies kann besonders in der als „trocken“ oder
„kompliziert“ geltenden EU-Materie zu einer Verbesserung der
Kommunikationsleistung etwa zwischen den EU-Institutionen und der
Öffentlichkeit führen. Mit der Personalisierung der EU-Außenpolitik wächst die
Medienaufmerksamkeit (Pfetsch, B. 2001). Bereits die seit Beginn der Diskussion
um einen EU-Außenminister erfolgte mediale Verknüpfung mit der Person Joschka
Fischers hat dem Akteur EU und den Medien einen leichteren Zugang zur
Darstellung des künftigen außenpolitischen Handelns der EU ermöglicht. Im
Ringen um Glaubwürdigkeit, Anerkennung und Wahrnehmung der EU gilt wie im
Wahlkampf der Parteien: „Wir geben im vollen Bewusstsein, sachlich nicht genug
zu wissen und sachlich nicht entscheiden zu können, dem nach unseren
Dafürhalten besseren Darsteller den Zuschlag“ (Münch 1993, S. 267).[97][97]
Der Ruf nach der Einen
Stimme ist das universalistische Wunsch-Prinzip für das außenpolitische Handeln
der EU: Die Eine Stimme soll „Unklarheiten“ über eine gemeinsame Europäische
Außenpolitik beseitigen und eine vielstimmige EU einen. Das Konstrukt der Einen
Stimme wird dabei einerseits (und zumeist) als Metapher für die Einigung auf
gemeinsame Positionen („single mind“, Thym 2003, 13) benutzt, seltener konkret
als Personifizierung dieser Einigung. Bedeutender ist der Symbolwert für die
Politikvermittlung. Aber auch dort bleibt es ein diffuses Konstrukt, das seine
Gestalt wechselt, je nachdem, welcher Akteur es benutzt. Die Idee eines
Außenministers der Union enthält also die Chance, der EU die geforderte
gemeinsame Stimme zu geben[98][98]
- nicht in der konkreten Person des Außenministers, sondern in dem Symbol für
die Einigung Europas, das er darstellt.
Drei Dinge können ausgesagt
werden: Autoritativ hat in der deutschen Außenpolitik wie in den meisten
EU-Mitgliedsländern nicht der Außen-minister „die Macht der Einen Stimme“,
sondern der Regierungschef. Risse nennt das besonders in Fragen von „Krieg und
Frieden … sowohl normativ geboten als auch politisch verständlich, insofern
nämlich die –auch innenpolitischen- Risiken solcher Entscheidungen nur von den
Regierungschefs selbst unmittelbar zu verantworten sind“ (Risse 2003, 8). Die
Zunahme der Gipfeldiplomatie der Staats- und Regierungschefs führt zu einem
Bedeutungsverlust des Außenministers. Der Kanzler profiliert sich dabei als
eine Art „Super-Außenminister“ (Bierling, 44). Aber „anders als im Verhältnis
zwischen Regierungschef und Außenminister auf der nationalen Ebene ist der
EU-Ratspräsident gegenüber dem europäischen Außenminister nicht weisungsbefugt“
(Risse, 2003, 10).[99][99]
Zweitens: Autonomie und Souveränität in der Außenpolitik als nationale
Hoheitsrechte werden zunehmend von europäischen und internationalen
Interdependenzen durchwirkt. Die Zahl der Stimmen in der nationalen
Außenpolitik nimmt zu. Die „formale Dominanz des Auswärtigen Amtes“ wird
„gerade wegen der Enthierarchisierung der Themen nicht mehr der Realität
gerecht“ (Eberwein/Kaiser 1998, 3, vgl. Grau 1996, S. 83 u. 104). Zumindest in
den Nationalstaaten ist ein Außenminister nicht länger die Eine Stimme, sondern
nur eine Stimme in der Außenpolitik, wenn auch die zentrale. Während sich in
den Mitgliedsländern wie in Deutschland „der Außenminister Bedeutung und
Gewicht im Kabinett erarbeiten muß,“ (Siwert-Probst 1998, 28) bekommt der
Außenminister der Union seine starke Stellung direkt in die Verfassung
geschrieben. Und drittens: Im Kontext der Politikvermittlung findet der Ruf
nach der Einen Stimme seine Berechtigung. Ob die verbesserte Kommunikation zwischen
ihm und seinen Adressaten auch die Kohärenz der EU-Außenpolitik verbessert,
bliebe zu untersuchen.
Die „gemeinsame Stimme“
lässt sich als Binneneinigung auf Außenfragen beschreiben. Darüber hinaus wird
von der Einrichtung eines Außenministers aber auch eine größere Anerkennung der
EU als Internationaler Akteur erwartet – hier stünde also weniger die
Binneneinigung, als vielmehr die Außenwirkung dieser Einigung im Vordergrund.[100][100]
Diese soll vor allem durch eine größere „visibility of the European External
Representative“ verbessert werden (Barbé/Mestres 2004, 4). Die Erwartungen:
Durch einen Außenminister der Union erhalte „die gemeinsame europäische
Außenpolitik .. erhöhte Sichtbarkeit“ und ein „gestiegenes Gewicht“ (Pleuger
in: WG VII – WD 17, 3). Analog zur One Voice for Europe wird hier beides
zusammengefasst A better Visibility genannt (vgl. Cameron 2002, 23). Sie
soll als zweite zentrale Erwartung an das Amt des Außenministers untersucht
werden.
Für was stehen die
Erwartungen der erhöhten Sichtbarkeit und des gestiegenen Gewichts?
Sichtbarkeit meint hier das Wahrnehmungspotential von „Präsenz“ (vgl.
Allen/Smith 1990). Präsenz wird mit Bretherton/Vogler (1999, 5) definiert als
„die Fähigkeit, Einfluss geltend zu machen im Sinne von Beeinflussung der
Wahrnehmungen und Erwartungen anderer. Nicht notwendigerweise durch auswärtiges
Handeln, sondern als Konsequenz interner Handlungsmaximen und Prozesse.“
„Sichtbare Präsenz“ bedeutet, dass dieser Einfluss von einer Öffentlichkeit
wahrgenommen werden kann. Sichtbarkeit steigern heißt, dieses
Wahrnehmungspotential zu maximieren. Öffentlichkeit wird definiert als alle
nicht unmittelbar am Prozess beteiligten gesellschaftlichen Akteure. Wer die
Sichtbarkeit der EU-Außenpolitik steigern will, möchte also möglichst vielen
die Chance geben, sie wahrzunehmen. In einem Außenminister der Union wird diese
Chance gesehen von denen, die mit seinem Amt die Erwartung einer höheren
Sichtbarkeit verbinden.
Auch diese Erwartung geht
von einem Defizit aus: Als zu behebendes Visibility-Defizit wahrgenommen
wird, dass die Außenwahrnehmung der Präsenz des außenpolitischen Akteurs EU
nicht dem Gewicht der EU als Wirtschaftsmacht entspricht. Erkannt wird außerdem
eine „Beschädigung der Glaubwürdigkeit der EU als Akteur in den internationalen
Beziehungen“ ( Maull 2003, 25) durch z.B. den „Uniliateralismus des Deutschen
Bundeskanzlers“ im Irak-Konflikt (Risse 2003, 9), aber auch durch verfehlte
Konsensziele „über Menschenrechte in China“ (Cameron 2002, 7) etc.. Als
Handlungsziele identifiziert werden somit Erhalt, Verbesserung oder Steigerung
von Sichtbarkeit, Gewicht, Glaubwürdigkeit und Anerkennung. Im Folgenden soll
gefragt werden, welche Rolle ein Außenminister der Union für das Erreichen dieser
Ziele spielen kann.
Im Konzept der Einen Stimme
war vom Vorteil der Rangreihenfolge durch Gruppengröße die Rede.
Rangreihenfolgen werden aber auch auf der diplomatischen Protokoll-Ebene formeller
Ränge festgelegt: Ein Staatschef führt in der Regel internationale
Verhandlungen nur mit anderen Staatschefs. „The
Mit der EG betrat erstmals ein solcher Akteur die Internationale Bühne –
„a multilevel political system which, overall, lacks a clearly defined and
universally accepted hierarchy for policy-making” (Webb 1983, 38).[104][104] Die EG/EU war „somehow
beyond international relations“ (Long 1997, 187).[105][105] Sie
befolgte in keiner Weise Normen im Sinne von „kollektiv geteilten Standards
angemessenen Verhaltens auf der Grundlage gegebener Identitäten einer
Gemeinschaft von Akteuren“ (Jepperson/Wendt/ Katzenstein 1996, 54)[106][106].
Schlimmer noch: Sie entwarf ihre eigenen Normen und erwartete, dass die Welt
diese akzeptierte. Als z.B. US-Präsident Nixon 1973 bei der NATO in Brüssel zu
Besuch war, waren die im Ministerrat versammelten Außenminister der
Mitgliedstaaten zwar die legitimen Ansprechpartner für außenpolitische Belange
der EU, „aber man kann schwerlich den Präsidenten bitten, sich mit den
Außenministern zu treffen, wenn gleichzeitig die Staatschefs zum NATO-Treffen
in der Stadt sind … So ein Treffen kann unmöglich zu Entscheidungen führen,
allein schon der Rangunterschiede wegen“ (Kissinger 1982, 157).[107][107]
Zu einem tieferen Verständnis dieser Denkweise kommt, wer diplomatische Ränge
als Symbole begreift, die einst tatsächliche Machtverhältnisse abbilden
sollten, diesen Anspruch aber in einer zunehmend interdependenten und
komplexeren Welt nicht realitätsgetreu einlösen können.[108][108] Dass
dennoch an ihnen festgehalten wird, hat mit der internationalen Verständigung
auf die Normen der Diplomatie zu tun: Wer diese orthodoxe Übereinkunft in Frage
stellt, rüttelt damit am Fundament einer ohnehin auf anarchischen Grundlagen[109][109]
beruhenden Theorie der Internationalen Beziehungen. Akteure auf der
Internationalen Bühne brauchen völkerrechtliche Regeln für ihre
außenpolitischen Verhandlungen („Diplomatie“), und zu diesen Regeln gehört auch
die Einigung darauf, wer mit wem Verhandlungen führen darf.
Seit Nixons Besuch hat sich
einiges geändert: „In vielen Teilen der Welt, einschließlich den USA, wird
Javier Solana gesehen … als ‚der Außenpolitikchef der EU’“[110][110] (Cameron
2002, 13). Er telefoniert regelmäßig mit den Außenministern in Washington oder
anderen Hauptstädten außerhalb der EU (vgl. Cameron 2002, 9). Aber „auf
Augenhöhe“ verhandelt er nicht mit „den Großen“, wie US-Außenminister Powell
oder mit Russlands Igor Iwanow. Solanas Meinung wird gehört, Abkommen
unterzeichnen, autonome Entscheidungen treffen oder durchführen darf er nicht.
So muss die innerinstitutionelle Aufwertung des Hohen Vertreters in
Personalunion mit dem Außenkommissar zum Außenminister der Union von zwei
Seiten gesehen werden:
-
1. Die
Anpassung an intersubjektiv vergleichbare Ränge für das diplomatische Protokoll
war überfällig. Welche nationalen Empfindlichkeiten damit allerdings verletzt
werden, zeigt sich in der Empfehlung der AG VII, dem Träger des Doppelhutes
einen Titel zu geben, der „keiner auf nationaler Ebene verwendeten Bezeichnung
entspricht“ (CONV 459/02). Noch in CONV 685/03 vom 23. April 2003 wird er
„Minister für auswärtige Angelegenheiten“ genannt. Darüber hat sich das
Konventspräsidium mit der Bezeichnung ‚Außenminister der Union’ hinweggesetzt.
-
2. Ohne eine
Angleichung der tatsächlichen Kompetenzen an die höheren Erwartungen, die an
einen Außenminister gestellt werden, würde lediglich ein Papiertiger entstehen.
Ob die im Verfassungsentwurf vorgesehenen Kompetenzen ausreichen werden, um
eine „volle Augenhöhe“ zu erreichen, wird sich zeigen. Welche weiteren Faktoren
dabei eine Rolle spielen, soll im Folgenden diskutiert werden.
Die Beantwortung der Frage,
wer in der Internationalen Politik als Akteur gelten darf, hängt vom Standpunkt
des Betrachters ab: „There is no consensus on what it means to be an actor“
(Jupille/Caporaso 1998, 213). „On the horizons of IR theorists“ (Tonra 2003, 4)
etwa erschien die EU lange Zeit erst gar nicht als Akteur, weil sie nicht dem
klassischen Rollenverständnis der Theorien Internationaler Beziehungen (IB)
entsprach. In den Theorien Internationaler Beziehungen lag das Akteursmonopol
bei den Staaten: Nur sie durften außenpolitisch handeln und internationale
Vereinbarungen abschließen. „Diplomacy … is essentially
being conducted by traditional nation-states“ unterstrich Henry Kissinger 1973
in seiner Rede zum “Year of Europe” (Kissinger 1982, 153). Tonra (2003) kritisiert und
verdeutlicht diese Haltung mit der ironischen Frage: „Wenn man die EU als
Akteur der Außenpolitik akzeptiert, müsste man dasselbe dann nicht auch für die
UNO tun, für die OECD, die ASEAN-Staaten – vielleicht sogar für Coca Cola?“
(vgl. Tonra 2003, 5). Er fügt, diesmal im Ernst, hinzu: „Wenn man die Theorie
Internationaler Beziehungen (IB) rigoros anwenden würde – kann man dann
wirklich die Außenpolitik von jedem der mehr als 200 Einzelstaaten ernst nehmen
und gleichzeitig den Internationalen Einfluss einer politischen Gemeinschaft
ignorieren, die für ein Viertel des Welthandels und –Wohlstands steht?“ (vgl.
Tonra 2003, 5)[111][111]
Heute kann das Dogma der
IB-Theoretiker also nicht mehr gelten. Aber wie soll man umgehen mit den
zahlreichen neuen Organisationen und politischen Einheiten, die seit dem Ende
des zweiten Weltkriegs einen Platz in der internationalen Politik beanspruchen,
wie die UN, die Welthandels-organisation WTO – oder die EU? Noch immer wird die
EU z.B. nicht wie ein Staat von einem an Staaten orientierten internationalen
System automatisch als Akteur anerkannt. Das führt im Denken der EU nicht immer
dazu, sich den Internationalen Regeln anzupassen, im Gegenteil: In ihrem
Abschlußbericht empfiehlt die Konvents-AG VII „Außenpolitisches Handeln“, „dass
die Union sich gegebenenfalls um Satzungsänderungen von Internationalen
Organisationen bemühen sollte, damit eine Mitgliedschaft ermöglicht wird“ (CONV
459/02, 10). Die EU funktioniert zwar in weiten Teilen wie ein Bundesstaat, ist
aber kein föderales System. Dies liegt vor allem in ihrem Hybridcharakter
begründet („hybrid polity“, Manners 2003, 15) als zwischenstaatlicher
Zusammenschluss von Mitgliedstaaten einerseits und als supranationalem
Vertreter derselben Mitgliedstaaten andererseits. Der Hybridcharakter der EU
führt in der Forschung deshalb zumeist folgerichtig zu einer Aufspaltung der
EU-Außenpolitik in ihre beiden unterschiedlichen Entscheidungssysteme: Die GASP
mit ihrem zwischenstaatlichen System wird dabei als die „eigentliche“
Außenpolitik der EU (Lescher, 22) betrachtet. Die Außenbeziehungen der EU im
Rahmen der EG dagegen werden vorwiegend unter den Aspekten ihrer rechtlichen
Grundlagen gesehen (vgl. White 1999, S. 40f und Manners 1998, S. 232-236).
Probleme bereitet auch der Charakter der EU als politische Einheit im Transit,
als moving target mit sich permanent wandelnden Mitgliedszahlen,
Außengrenzen und Vertragswerken. Die EU ist eine politische Einheit, deren
Rolle sich deutlich von denen anderer internationaler Akteure unterscheidet
(Lescher, 22f). Und schließlich fehlt der EU, wie in C.1 dargestellt, eine
gemeinsame Stimme, die ihre Wahrnehmung als Akteur verbessern helfen kann. Hier
kommt der Außenminister der Union ins Spiel.
Ob die Person des
Außenministers als internationaler Akteur oder zumindest als „agent“ oder
Vertreter desselben anerkannt wird, hängt zunächst von der Anerkennung der EU
als internationalem Akteur ab. Gleichzeitig soll das neue Amt
zu dieser Anerkennung der EU beitragen: „…if the constitution of the EU changes
then so might its identity and the way in which it is received by others“
(Manners 2003, 9). Wie aber lässt sich die Identität von etwas erfassen und im Sinne von „Vertrauen
fassen“ kennen lernen, wenn es permanent seine Gestalt wechselt?[112][112]
Indem man Kriterien entwickelt, die diesen Wandel berücksichtigen. In der
Theorie Internationaler Systeme behandeln seit den neunziger Jahren
verschiedene Ansätze von Actorness die Sonderrolle der EU als Akteur auf
der internationalen Ebene und versuchen, eine „dem Akteur EU angemessene
Konzeption zu entwickeln“ (Lescher, 9).[113][113] Neben dem
innerinstitutionellen Problem der split personality der EU wird dabei
vor allem auf die Diskrepanz aus wirtschaftlicher Größe und Mangel an
weltpolitischem Einfluss verwiesen (vgl. Bretherton/Vogler 1999, 27).
Tatsächlich belegen die Fakten, „dass die EU schon jetzt eine effektive und mit
den USA vergleichbare Macht über Krieg und Frieden ausübt. Aber diese
‚Zivilmacht’ liegt nicht in der Bereitstellung von Bomberbataillonen, sondern
eher im stillen Werben um Demokratie und Entwicklung durch Handel,
Auslandshilfe und Friedenssicherung“ (Moravcsik 2002).[114][114] Javier Solana macht es sich zu einfach, wenn
er proklamiert: „Als Zusammenschluss von 25 Staaten mit über 450 Millionen
Einwohnern, die ein Viertel des Bruttosozialprodukts (BSP) weltweit
erwirtschaften, ist die Europäische Union … zwangsläufig ein globaler Akteur“.
Die nominale Zunahme der Präsenz europäischer Streitkräfte „in so entfernten
Ländern wie Afghanistan, Osttimor und der DRK“ (Europäische
Sicherheitsstrategie 2003, 1)[115][115]
ist nur ein Kriterium für Actorness. Das Präsenzmodell
(Allen/Smith 1990) eignet sich dabei vor allem zur Beschreibung der Ausweitung
von Einfluss.
Die Actorness-Modelle (z.B.
Jupille 1998, Manners 1998, ursprünglich Sjøstedt 1977) wollen unabhängig von
konventionellen Faktoren wie konstitutioneller Verfasstheit, diplomatischen
Normen oder schlichter Größe Aussagen treffen können über die Bedeutung der EU
in Internationalen Beziehungen. Sie können auch auf den personellen Faktor der
EU-Außenpolitik angewandt werden, um den es hier geht. Für diese Arbeit soll
deshalb gefragt werden: Welche Bedeutung hat ein Außenminister der EU für deren
actorness, und: Kann er selbst als Akteur im Internationalen System
gelten? Zur Beantwortung dieser Fragen soll der Außenminister (vereinfacht) an
den Kriterien gemessen werden, die Jupille und Caporaso (vgl. Jupille 1998, 214)
zur Ermittlung von Actorness aufgestellt haben und die sie den Kriterien des
Präsenzmodelles hinzufügen. Diese sind: Recognition (Anerkennung), Authority
(Autorität/Einfluss), Autonomy (Unabhängigkeit) und Cohesion (Zusammenhalt).
Gemeinsam sollen sie das Ausmaß an Actorness der EU beschreiben können.
Angewandt auf den künftigen Außenministers der Union ergäbe sich folgendes
Bild:
-
Recognition:
Die mangelhafte Anerkennung der EU durch andere internationale Akteure (vgl.
Kissinger 1982, 157) gab den Ausschlag für erste Versuche einer gemeinsamen
Außenpolitik und in der Konsequenz auch ihrer Personalisierung. Weil der EU
nicht –wie einem Staat- automatische völkerrechtliche und diplomatische de-jure
Anerkennung zuteil wird, muss sie sich um mehr und bessere de-facto
Anerkennung bemühen. Die Einrichtung eines Außenministers ist dabei hilfreich,
weil sie dazu beiträgt, die EU in ein tradiertes und stark verregeltes
diplomatisches System einzufügen: Recognition durch verbesserte Kommunikation
durch Angleichung an vorhandene Normen.
-
Authority: Die
rechtliche Zuständigkeit der Union für die Außenpolitik der Gemeinschaft bleibt
auch mit dem Verfassungsentwurf zumeist abhängig von einer Übertragung dieser
Kompetenzen durch die Mitgliedstaaten (Einzelfallermächtigungen, Rechtsakte).
Der Außenminister besitzt nicht die Generalvollmacht für die Außenpolitik, er
ist lediglich der Vermittler („agent“). Wenn auch die Autorität nach außen zu
handeln de-jure bei den Mitgliedstaaten („principals“) bleibt, so stärkt
doch die erhebliche Verschärfung der Selbstverpflichtung der MS zu Loyalität
und Konvergenz die Autorität des Agenten nach innen. Vor allem, weil dem
Außenminister nun „eine Reihe von Instrumenten“ zur Verfügung stehen, „um
unilaterales Verhalten der Mitgliedstaaten … in die Schranken zu weisen“ (Risse
2003, 10).
-
Autonomy:
Jupille und Caporaso machen zwei Komponenten zur Bedingung von Autonomie:
Institutionelle Unterscheidbarkeit und Unabhängigkeit. Die EU muss mehr sein,
als die Summe ihrer Teile. Analog dazu müsste der Außenminister mehr sein, als
der Vorsitzende des Außenministerrates. Das lässt sich schon aus seiner
Doppelhutfunktion ableiten: Dadurch ist er eigenständig, seine Aufgabe
einzigartig und unvergleichbar, er bleibt allerdings in seinen Aktionen
abhängig von Entscheidungen der Mitgliedstaaten. Die Ausgestaltung und
Finanzierung eines eigenen, institutionellen Apparats wird eine
entscheidende, zur Zeit aber noch völlig unabsehbare Komponente für einen
unabhängigen EU-Außenminister sein: „Establishing it will be a major task of
the UMFA’s first year in office“ (Howorth 2003, 21).
-
Cohesion: Hier
wird das Konzept von Jupille/Caporaso am schwierigsten fassbar: „Cohesion is a
slippery concept“ (Jupille/ Caporaso 1998, 219). Kohäsion als Zusammenhalt von
Werten, Normen und daraus resultierenden außenpolitischen Entscheidungen soll
im Verfassungsentwurf vor allem durch die Einbeziehung der Grundrechtecharta
(CONV 850/03, 47-60) und die in Art. III-193 EVE aufgelisteten Grundsätze
außenpolitischen Handelns, aber auch mit der von Javier Solana vorgelegten
Europäischen Sicherheitsstrategie angestrebt werden. Der Außenminister bekommt
mehrfach die Aufgabe zugewiesen, „für die Einhaltung dieser Grundsätze“ zu
sorgen (z.B. in Art. III-195/2 EVE). Wichtig ist dabei die Output-Kohäsion: Die
Fähigkeit, gemeinsame Positionen unabhängig von Konflikten im Einigungsprozess
zu finden und einzunehmen.[116][116]
Dies wird die schwierigste und größte Aufgabe des Außenministers: Im
Spannungsfeld zwischen Rat und Kommission, zwischen den föderalistischen und
den souveränistischen Mitgliedstaaten und nicht zuletzt innerinstitutionell im
Kompetenzgerangel mit Ratspräsident und Kommissionspräsident zu einer
Output-Kohäsion zu kommen.
Ist der Außenminister der
Union nun ein Akteur nach der Definition von Actorness? Ich möchte mit Tonra antworten: „Even if it is not a fully fledged
actor”, sei es wichtig “to consider its real world capacity to shape events
outside its borders – both by its own volition and in response to third party
expecatations and demands” (Tonra 2003, 8). Der Natur der EU als „evolving entity“
(Jupille/Caporaso 1998, 214) entsprechend sind die ohnehin ständig neu zu
bewertenden Schlussfolgerungen weniger wichtig, als das Bewusstsein um die
Variablen, an denen ihr Handeln gemessen wird.[117][117]
Erreicht der Außenminister
der Union das Ziel einer besseren Sichtbarkeit der EU-Außenpolitik? Zumindest
kann er die Kommunikationsleistung der EU als Internationaler Akteur erheblich
verbessern. Dies geschieht
-
diplomatisch
durch die Erfüllung formaler Kriterien der Protokolle internationaler
Diplomatie und Angleichung intersubjektiver Sprachregelungen,
-
vertraglich-juristisch
durch eine klarere Definition von Handlungs-, Vertretungs- und
Weisungsbefugnissen, und
-
personalpolitisch
durch die Reduzierung der leitenden und ausführenden Akteure außenpolitischen
Handelns der EU.
Die Ausweitung seiner
Handlungsmöglichkeiten macht den Außenminister der Union seinen Internationalen
Partnern als „Amtskollege“ ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen, zumal seine
„Macht“ die kumulierte Macht der Mitgliedstaaten darstellt. Seine eigene Rolle
als Internationaler Akteur ist dabei unbestritten: Die Unterordnung unter
hierarchische Zwänge des EU-Institutionensystems lässt ihm im Vergleich zu
seinen nationalen Pendants sogar mehr Möglichkeiten (solange er der einzige
„Minister“ der EU bleibt). Die „single figure“ ist der Außenminister
aber, wie geplant, nur „below European Council level“ (Bury in: WG VII – WD
53). Der für zweieinhalb Jahre gewählte hauptamtliche Ratspräsident steht
hierarchisch über ihm. Der „supremo would overshadow Mr CFSP wherever he was
located“ (Cameron 2002, 23), wenn der Ratspräsident von seinem Recht der
Außenvertretung Gebrauch macht. Für Europa gilt damit wie für die
Nationalstaaten: Der Außenminister spielt in der Außenpolitik offiziell nur die
zweite Geige. „Außenpolitische Entscheidungen, bei denen es um den Einsatz von
militärischer Gewalt und damit potentiell um Leben und Tod der eigenen
Staatsbürer/innen geht, sind nicht mehr Sache außen- und
verteidigungspolitischer Bürokratien, sondern der Staats- und Regierungschefs
selbst“ (Risse 2003, 8).
Eine better visibility
wird erreicht, weil die konsequente Fortführung der Personalisierung des
außenpolitischen Handelns der EU durch die Schaffung des Außenministers es der
Öffentlichkeit in den Mitgliedsstaaten erleichtert, die Präsenz der EU im
Internationalen Geschehen zu erkennen. Von den nationalen EU-Politiken wird es
abhängen, ob die Öffentlichkeit auch den immer enthaltenen nationalen Anteil an
der gemeinsamen Außenpolitik erkennen kann, oder ob die EU weiter als
Kontrasubjekt wahrgenommen wird.
D Gulliver im Land der Europäer
Dass es einen Außenminister
der Union geben wird, daran kann kein Zweifel bestehen: Seine Einrichtung im
Verfassungsentwurf wird nicht nur als Höhepunkt der Konventsarbeit bewertet,
sie ist auch einer der am wenigsten umstrittenen Punkte gewesen. Wie seine
Arbeit aussehen wird, das hängt –auch hier sind sich die Analysten einig- vor
allem von der Persönlichkeit des Amtsinhabers ab, von der Ausstattung seines
„Ministeriums“ und davon, wie er sich im Spannungsverhältnis zwischen
Mitgliedstaaten/Ratspräsident und EU-Kommission durchsetzen kann. Dass er
Chancen hat, ein bedeutender Akteur in den internationalen Beziehungen zu
werden, wurde bereits ausführlich dargelegt. Im Folgenden sollen eine Bewertung
seiner Rolle versucht und zugleich die Erfahrungen beim Erstellen dieser Arbeit
thematisiert werden.
D.1 Der
Außenminister – Ein Erfolgsmodell?
Mit der Einführung eines
Außenministers wird die Außenpolitik der EU zunächst endgültig personalisiert.
Die Europäische Telefonnummer, die manche bereits beim Hohen Vertreter der EU
für die GASP vermuteten,[118][118]
ist nun erstmals an einen Sprecher für alle außenpolitischen Belange der EU
vergeben worden. Wer für die EU abnimmt und welche Meinung er oder sie dann
vertritt, das kann aufgrund des aktiven Wettstreits der komplexen, multiplen
und relationalen Identitäten der EU (vgl. Manners/Whitman 2003, 397) nur schwer
vorhergesagt werden.
Hat Giscard d’Estaing seinen
Wunsch verwirklichen können? Mehr als das. Wenn die EU weiter wächst, muss der
Außenminister der USA auf eine Leiter steigen, um mit dem Außenminister der
Union „auf gleicher Augenhöhe“ zu verhandeln (vgl. Giscard in: Bolesch 2002).
Zwei Hauptprobleme werden –übereinstimmend mit den meisten Analystenstimmen-
gesehen: Die ungeklärte Frage des Auswärtigen Dienstes[119][119] und die
Abgrenzung zu den außenpolitischen Kompetenzen des übergeordneten, aber nicht
weisungsbefugten Ratspräsidenten. Sollte es bei dem Terminplan bleiben, bliebe
viel Zeit, um diese Fragen zu klären: Im Verfassungsentwurf ist die
Neugestaltung der Kommission mit einem Vizepräsidenten, der Außenminister der
Union ist, erst für 2009 vorgesehen (CONV 850/03, 21).
Grundsätzliche Fragen werden mit dem “Doppelhutmodell” umgangen: „Its
main achievement is its pragmatism which leaves undecided the question whether
the Commission or the (European) Council shall be bedrock upon which the
Europäische Außenpolitik
potenziert nationale Befindlichkeiten. Konsultationen mit den
COREU-Korrespondenten[120][120]
von 25 Ländern setzen mindestens voraus, dass diese Korrespondenten bereits mit
einer nationalen Position aufwarten können. Zuerst müssen sich also 25 Länder
selbst auf eine Haltung geeinigt haben mit all ihren Abhängigkeiten, bevor die
schwierige Suche nach einer Europäischen Position beginnt. Eindeutige Aussagen sind eher selten zu
erwarten, schnelle Entscheidungen realistisch unmöglich und unilaterale
Zwischenfälle nicht ausgeschlossen. Die Zunahme der zu
berücksichtigenden Abstimmungsfaktoren bei einer EU der 25 birgt zudem die
Gefahr in sich, dass Bemühungen um Transparenz und demokratische Legitimation
zunehmend als Hemmschuhe für die außenpolitische Handlungsfähigkeit der EU
empfunden werden. Eine aktive Mitsprache der Mitgliedsländer in der
Außenpolitik kann man als Hindernis begreifen, man könnte sie aber auch als
demokratische Notwendigkeit einfordern, zumindest solange nicht Voraussetzungen
und Strukturen zur Behebung des europäischen Demokratiedefizits geschaffen
werden, wie etwa die Direktwahl eines
EU-Ratspräsidenten. Der Ruf nach mehr Autonomie des Außenministers muss als Ruf
nach weniger Demokratie abgelehnt werden.
D.2 Die Macht
des Supra-Ministers
Mit den Bedingungen für die
Außenpolitik hat sich auch die Frage nach der Macht des Außenministers
verändert. Wer unter Macht Einfluss auf die „traditionellen Indikatoren
Wirtschaftskraft, militärisches Potential, Territorium und Bevölkerung“
versteht (vgl. Eberwein/Kaiser 1998, 8), muss für die EU zu dem Schluss kommen,
dass sie ökonomisch und demographisch selbst den USA an Größe überlegen ist,
militärisch ist sie ihnen weit unterlegen. Die bereits jetzt erhebliche
Dimension der europäischen Außenbeziehungen wird dabei noch nicht
effizient in außenpolitischen Einfluss umgesetzt.[121][121] Der
Machtbegriff muss deshalb für die Europäische Außenpolitik neu definiert
werden, und in gewisser Weise tut dies der vorliegende Verfassungsentwurf:
Macht ist das Maß an Handlungspotential, über das ein Akteur in Internationalen
Systemen verfügt. Dabei ist, wie aufgezeigt, die Berücksichtigung tradierter
(und womöglich überkommener) diplomatischer Ränge ebenso von Bedeutung wie der
Einsatz des Außenministers als medial optimierter und professionalisierter
Politikvermittler. Der Ruf nach der Einen Stimme drückt dabei den Wunsch nach
einfachen Lösungen in einer zunehmend unüberschaubaren Welt aus: Selbst wenn
allen Beteiligten bewusst ist, dass der Außenminister der Union nur innerhalb
eines sehr eng gestrickten Netzes aus gegenseitigen internationalen und
innerinstitutionellen Abhängigkeiten handeln kann, macht die Reduktion seines
Handelns auf das eines Individuums dieses Handeln sinnlich leichter erfassbar.
In seiner vom
Verfassungsentwurf vorgesehen Stärke wirkt der Außen-minister der Union wie ein
Europäischer Gulliver, der von den Liliputanern der Mitgliedstaaten mit
winzigen Seilen gefesselt wird, sobald er nicht aufpasst.[122][122] Die
Fallstricke können dabei symbolisch gelten als die Vielzahl seiner sich zum
Teil scheinbar widersprechenden Aufgaben, vor allem aber als die verschiedenen
Kräfte, die aus bald 25 Mitgliedstaaten in nicht immer dieselbe Richtung an ihm
ziehen werden. Mit einem Europäischen Geist als Lenker wäre dieser
Gulliver eine mächtige und furchteinflößende Marionette. Aber mit in 25
verschiedenen Traditionen, Kulturen und innenpolitischen Rücksichtnahmen
verhafteten Lenkern an 25 unterschiedlich langen Fäden? Ritttberger schreibt:
„Die EU kann immer dann als Akteur auftreten, wenn sich die Prinzipale einig
sind oder wenn den Agenten so viel Handlungskompetenz zukommt, dass z.B. durch
deren Initiativ- oder agenda-setting-Befugnisse die Gefahr der Selbstblockade
der Prinzipale vermieden oder zurück gedrängt und mithin einer kollektiven
Handlungsunfähigkeit oder einem Rückfall in Alleingänge vorgebeugt werden kann“
(Rittberger 2003, 7). Der Verfassungsentwurf der EU gibt seinem Agenten, dem
Außenminister, hohes Maß an Handlungskompetenz vor. Die Möglichkeiten sind also
vorhanden.
Aber selbst wenn ein
Grundkonsens über das außenpolitische Handeln der EU 25 erzielt werden kann,
bleibt als einer von vielen Unsicherheitsfaktoren die Innenpolitik der
Mitgliedsstaaten. Oberstes Interesse einer Regierung ist für gewöhnlich ihre
Wiederwahl. Steht die Wiederwahl eines Mitgliedslandes wegen ihrer
Europapolitik in Frage (siehe Polen), sind Loyalitäten gegenüber Europa
natürliche Grenzen gesetzt. Die „Macht“ des Außenministers ist theoretisch nur
so groß, wie der kleinste gemeinsame Nenner der Mitgliedstaaten. In manchen
Fällen wird es nicht einmal den geben. Die Abstimmungsprobleme werden zunehmen.
Bevor überhaupt ein nationaler Außenminister eine „europäische“ Position
formulieren kann, müssen diese Äußerungen abgestimmt werden mit den Fachressorts,
den zuständigen Abteilungen, darüber hinaus mit den Ländervertretern, den
Fraktionen, schließlich den zuständigen Europäischen Partnern und so weiter.
Dies sind nur die Abhängigkeiten eines Staates. Zwar potenzieren sich
diese Probleme wegen gewisser Synergieeffekte in der EU nicht zu einem Faktor
25, aber dennoch zu einer kaum mehr überschaubaren Größe. Um beim Gulliver-Bild
zu bleiben: Die zu beachtenden Rücksichtsnahmen sind die Seile, die den
Außenminister bewegungsunfähig machen. Von der Flexibilität dieser Schnüre und
von seinem eigenen Geschick wird es abhängen, ob der europäische Gulliver zum
Helden der Liliputaner wird, oder ob sie ihn – wie bei Jonathan Swift -
vertreiben.
Ist der Außenminister der
Union als Akteur mächtiger, als die Präsidenten von Europäischer Rat oder
Kommission? Die Fülle an Erwähnungen im Verfassungsentwurf legt diesen Schluss
nahe. Versieht man die Frage mit dem Zusatz „die Außenpolitik der EU
betreffend“ würde ich sie bejahen. Kein anderer leitender Akteur bekommt so
eindeutig und detailliert Kompetenzen für alle Bereiche des außenpolitischen
Handelns der EU vom Verfassungsentwurf zugewiesen. Solange er seine Aufgaben
nicht z.B. mit einem Verteidigungsminister der Union teilen muss und keine ihn
entmachtenden Hierarchieregelungen zwischen ihm und dem Ratspräsidenten
getroffen worden sind, kann eine starke Persönlichkeit aus dem „Supra-Minister“
eine Position mit einer in der Welt unvergleichbaren Machtfülle entwickeln.
Kritik an der verfassungsmäßigen Ausgestaltung des Amtes ist angebracht,
solange unklare Kompetenzbeschreibungen oder der „eingebaute Rollenkonflikt“
(Risse 2003, 10) mit dem EU-Ratspräsidenten zu einer Beschädigung des
Außenministers als Symbol eines einigen Europas führen könnten. Art. I-21/2 EVE
könnte darauf hindeuten, dass der EU-Präsident seinen übergeordneten
Führungsanspruch in der EU-Außenpolitik nur auf den (selteneren) Treffen der
Staats- und Regierungschefs wahrnimmt, wohingegen der Außenminister der Union
auf den (häufigeren) Ministerratssitzungen der Chef ist. Die
Verfassungsrealität muss hier zeigen, wie viele Stimmen nach außen zu hören
sein werden.
D.3
Außenpolitik und Öffentlichkeit
Nach außen wirkt der
Außenminister zum einen auf der diplomatischen Ebene, zum anderen in der Öffentlichkeit.
Auf der Arbeitsebene sind die Internationalen Beziehungen der EU bereits gut
verankert,[123][123]
auf der diplomatischen Ebene bekommen sie nun Stimme, Gesicht und vor allem
einen leitenden Akteur mit einem intersubjektiv vergleichbaren diplomatischen
Rang. De Facto wird der Außenminister nicht alle Aufgaben außerhalb der EU mit
seiner Stimme vertreten können: Ein Umweltkommissar wird aller
Wahrscheinlichkeit nach ebenso weiter im Rahmen seiner Arbeit weltweit tätig
sein, wie ein Wirtschaftskommissar – was der Aufgabenteilung in nationalen
Regierungssystemen entspräche. Thym glaubt sogar, die Zahl der Stimmen in der
europäischen Außenpolitik wird zunehmen durch die häufigere Entsendung von
Sonderbeauftragten zu speziellen Themen der Außenpolitik – „reflecting a
similar plurality of actors in third states like the United States“ (Thym 2003,
13).
Auch wenn die Stimme des
Außenministers nicht die einzige sein wird, sie kann die stärkste werden. Eine
größere Akzeptanz der EU in Internationalen Beziehungen kann zu einer stärkeren
Präsenz der EU in den Medien führen, damit auch zu einer breiteren
Öffentlichkeit. Die Identifizierung des außenpolitischen Handelns der EU wird
durch die Personalisierung verbessert. Aber welches Bild von der
EU-Außenpolitik wird der Öffentlichkeit vermittelt?
Eine der
Grundvoraussetzungen für Demokratie ist der freie Zugang zu Informationen, im
Verfassungsvertrag geregelt in Art. II-11 („Freiheit der Meinungsäußerung und
Informationsfreiheit“, CONV 850/03, 50). Aus der Erfahrung der Recherchen für
diese Arbeit heraus kann ich behaupten: Die Informationsfreiheit endet, wo sie
nicht mehr mit Staatsinteressen identisch ist. Europäische Außenpolitik ist
eines der bestgehütetsten Staats-geheimnisse der Welt. Der Zugang zu Informationen
wird abgesichert von und vor den Mitgliedsstaaten, vor allem aber
vor der Öffentlichkeit. Von den Mitgliedstaaten werden Informationen
zurückgehalten, damit die von ihnen verfolgten nationalen Strategien nicht
vorzeitig verraten und damit wirkungslos werden. Vor den
Mitgliedsstaaten, wenn die Europäische Außenpolitik zu erfolgreich wird, was
die Gefahr des Empfindens nationaler Souveränitätsverluste vergrößert. Zwei
Beispiele sollen das belegen: Die Informationspolitik der Bundesregierung und
was die Journalisten daraus machen.
„Die außenpolitische Haltung
der Bundesregierung“ ein heikles Gut, das nur wenige öffentlich verkünden
dürfen. Zum einen gibt es kaum einen Politikbereich, in dem eindeutige Aussagen
von Politikern so weitreichende Folgen haben können. Deshalb sind diese
Aussagen so selten, deshalb ist der Aussagewert etwa eines Interviews mit dem
Bundesaußenminister zumeist minimal und seit Fischers Amtsantritt in seinen
Inhalten einigermaßen konstant und in weitgehender Übereinstimmung mit der
Politik seiner Vorgänger. Physiognomisch spiegelt das von Sorge um seine
Verantwortung tief zerfurchte Gesicht Joschka Fischers diese Indifferenz am
besten wider, wenn er zum Nahost-Konflikt Stellung nehmen muss, in dem das
„sowohl als auch“ der Diplomatie mit sich gegenseitig aufhebenden Aussagen
längst Programm geworden ist. Außenpolitik vollzieht sich in kleinen Schritten.
Es liegt nicht im Interesse der politischen Akteure, diese Schritte von einer
Öffentlichkeit nachvollziehbar offen zu legen. Womöglich ist dies mit ein Grund
dafür, warum die Forschung die Interna von Außenpolitik lange Zeit
vernachlässigt hat und Funktionsweisen und Arbeitsabläufe der Institutionen und
leitenden Akteure vergleichsweise wenig erforscht sind. Dabei gönnt die Politik
der Wissenschaft noch verhältnismäßig tiefe Einblicke: Die größeren Zyklen, in
denen Forscher publizieren, bergen weniger die Gefahr in sich, Tagespolitik
beeinflussende Debatten auszulösen. Anders bei den Journalisten. Sie gelten für
gewöhnlich nicht als Partner oder gar Berater der Politik, sondern als
potentielle Bedrohung diplomatischer Strategien. Während die Pressereferate
großer Unternehmen für gewöhnlich bei Journalisten um Aufmerksamkeit buhlen,
ist das „Unternehmen Außenpolitik“ geheime Verschlusssache. Die
Pressereferenten vom Auswärtigen Amt stehen dazu noch in einem besonderen
Spannungsverhältnis: Sie verwalten zwar die Interview-Termine Joschka Fischers,
aber Fischers Stellvertreter, Staatsminister Bury, macht seine Pressearbeit
selbst – und nicht immer decken sich Burys politische Ziele mit denen seines
Chefs. Unter der Ministerebene herrscht Schweigen. Bundesbeamte dürfen für
gewöhnlich nicht für die Bundesregierung sprechen, selten einmal äußert sich
ein Staatssekretär. Und so entzieht sich die genaue Rekonstruktion konkreter
außenpolitischer Gestaltung der potentiellen Wahrnehmung durch die
Öffentlichkeit.[124][124]
In diesem Licht muss auch die neue Transparenz der Konventsarbeit gesehen
werden: Die zeitnahe Veröffentlichung aller Konvents-Dokumente im Internet ist
eine begrüßenswerte Initiative. Wer über die Information, die Zeit und die
technischen Fähigkeiten verfügte, konnte passiv und sogar aktiv am
Konventsgeschehen teilnehmen. Es ist davon auszugehen, dass die
Berücksichtigung des Faktors Öffentlichkeit sowohl die Verhandlungen der
Akteure selbst als auch das Konventsergebnis beeinflusst hat. Und dass dadurch
für die Geheimniskrämer in den Außenministerien eine ungewohnte und
unerwünschte Situation entstand: „Gemeinschafts“-Initiativen konnten auf einmal
eindeutig auf ihr Ursprungsland zurückgeführt werden, manchmal sogar bis auf
konkrete Personen als Initiatoren. Die Referatsebene blieb von dieser neuen
Öffentlichkeit unberührt. Für sie gilt nach wie vor: Erfolge der Europäischen
Außenpolitik, wie die Einigung auf einen Außenminister, dürfen nicht als
Durchsetzung nationaler oder sogar persönlicher Ziele erkannt werden, um keine
internationalen Empfindlichkeiten zu verletzen. Das, was von der Öffentlichkeit
als Politik wahrgenommen wird, ist also zumeist nur die vielfach gefilterte und
aufbereitete Essenz, die die Ministerien als wünschenswerte Publikation
zulassen. Deshalb bleiben auch die nationalen Anteile an Europäischer
Außenpolitik für die meisten Bürger unsichtbar. Diese Tatsache erschwert zum
einen die Identifikation der Bürger der Mitgliedstaaten mit der EU durch die
Verhinderung einer nationalen Rückkopplung. Zum anderen wird die demokratische
Legitimierung umgangen, indem die nationalen Verantwortlichkeiten Europäischer
Außenpolitik unkenntlich gemacht werden. Wen sollen die Bürger abwählen, wenn
sie nicht einverstanden sind mit der Außenpolitik Europas? Bei wem sollen sie
sich beschweren?
Dieses Problem löst auch der
Außenminister der Union nicht, im Gegenteil: Es wird sehr viel schwerer für
ihn, als für seine nationalen Counterparts. Und er wird noch weniger greifbar
sein als Ansprechpartner: Seine Öffentlichkeitsarbeit muss eine in 25 Länder
aufgesplitterte Öffentlichkeit bedienen, jede mit ihrer eigenen
Mediennachfrage. Wie werden die Journalisten auf das für sie zwangsläufig
unbefriedigende, weil verknappte Informationsangebot reagieren, welche
Konsequenzen werden sie ziehen? Sie werden sich – wie auch jetzt bereits auf
nationaler Ebene- fügen in das, was nicht zu ändern ist. Sie nehmen dankbar die
seltenen Termine an, die der Minister ihnen gewährt, um seine Themen zu setzen.
Im übrigen behelfen sie sich mit Spekulationen. Sie ziehen nicht immer richtige
Schlussfolgerungen aus offen erkennbaren Sachzusammenhängen und bleiben im Übrigen
in ihren Analysen der Außenpolitik ähnlich vage wie die Aussagen der
Diplomaten. Welchen Weg die Nachricht vom Werden eines Außenministers der Union
in der Presse genommen hat, das ist Thema des journalistischen Produktes, das
im Anhang beigefügt ist und dessen Vorbereitung diese Arbeit dienen sollte.
Mit dem Regierungswechsel in
Spanien und der Einigung mit Polen über die neuen Abstimmungsmodalitäten wird
die Annahme des Europäischen Verfassungsentwurfes noch unter der irischen
Ratspräsidentschaft möglich. Wer wird erster Europäischer Außenminister?
Im Frühjahr 1999
hatten aufmerksame Journalisten aufgehorcht. Der Grüne Außenminister Joschka
Fischer war gerade ein paar Monate im Amt,[125][125] da
verkündete er: „Ich hoffe, das Amt des Außenministers in Zukunft überflüssig zu
machen“.[126][126]
Fischer hatte damit das Ziel formuliert, möglichst noch während seiner Amtszeit
das Amt eines Europäischen Außenministers schaffen zu wollen. Ein
Außenminister der Union war weder seine ureigene Idee, noch war Fischer ihr
einziger Fürsprecher.[127][127]
Dennoch geschah nun etwas Merkwürdiges. Von der ZEIT bis zur BILD waren sich
alle darin einig, dass Fischer selbst diesen Posten anstrebt.
Mit der von ihm
selbst als „persönliche Zukunftsvision“ bezeichneten Humboldt-Rede[128][128]
hatte sich Fischer anschließend europapolitisch profiliert. Zwar wurde die
Möglichkeit eines europäischen Außenamtes im Redetext mit keinem Wort erwähnt.
Aber gerade diese Auslassung erkannten die Medien nun als Taktik: Schon 1998
hatte Fischer als Grüner Spitzenkandidat „ununterbrochen“[129][129]
dementiert, Deutscher Außenminister werden zu wollen. Noch einmal wollten die
Journalisten seine Dementis nicht glauben. Sie sahen im jüngsten Gerücht das
„gleiche Muster“[130][130]
und folgerten daraus, dass es wohl wahr sei: Fischer strebe das Amt des
Außenministers der Union an. Dabei dementierte Fischer diesmal nicht einmal
mehr, sondern setzte nur ein lapidares “Vergessen Sie’s!“ dagegen.[131][131]
Zunächst aber
musste der Bundesaußenminister seine Europa-Ambitionen innerhalb der
Bundesregierung durchsetzen. Bei den Koalitionsverhandlungen 1998 konnte er
Oskar Lafontaines Anspruch auf ein Superministerium aus Finanzen, Wirtschaft
und den Europakompetenzen noch verhindern,[132][132] ebenso die
im Wahlkampf 2002 erneut aufgekommene Idee eines Europa-Ministers im Kanzleramt
(damit „wäre Fischer nur noch ein Außenminister en miniature – zuständig für
Fernreisen und Exotik“ gewesen.[133][133]
Dann aber avancierte Kanzler Schröder „außenpolitisch zum Chef im Ring“[134][134]
und dehnte seine Hausmacht auf das Außenministerium aus, wo er mit dem
bisherigen Kanzleramtsminister Hans-Martin Bury einen Vertrauten auf den
wichtigen Posten des Europa-Koordinators berief. Der SPD-Mann Bury wurde
Fischers Stellvertreter und sicherte sich die Stelle des deutsch-französischen
Koordinators, die als wichtige Schlüsselposition im europäischen Motor gilt.
[135][135]
Im Kanzleramt schuf Schröder eine eigene Europa-Abteilung.[136][136]
Die Medien
konzentrierten sich dennoch weiter auf Fischer. Was auch immer er für Europa
tat, wurde künftig von Journalisten als Schritt auf dem Weg zu seinem
„EU-Traumjob“[137][137]
gedeutet, etwa Fischers persönliches Engagement als Vertreter der
Bundesregierung im Europäischen Verfassungskonvent, in dem durchaus auch
Minister anderer EU-Mitgliedsländer saßen. Als Einzelheiten des
Verfassungsentwurfes bekannt wurden, fragte Der Spiegel: „Fischer bald nach
Brüssel?“.[138][138]
Da ging man noch davon aus, dass ein künftiger Außenminister der Union
womöglich bereits zum Amtsantritt der neuen EU-Kommission am 1. November 2004
eingesetzt werden würde. Erst, als das frühe Datum sich als unrealistisch
herausstellte, schuf der Kanzler vollendete Tatsachen, indem er sich für eine
weitere Amtszeit von EU-Kommissar Günter Verheugen aussprach. Ein weiterer
Deutscher in der Kommission wäre dann nicht durchsetzbar,[139][139] da es
künftig in der EU-Kommission höchstens noch einen Kommissar pro Mitgliedsland
geben sollte.[140][140]
Wer den Außenminister stellt (der laut Verfassungsentwurf gleichzeitig
Vizepräsident der Kommission sein soll) darf keinen zweiten Kommissar nach
Brüssel schicken.
So fiel es
Fischer am 28. August 2003 leicht, zu verkünden: Er würde im Wahljahr 2006 noch
einmal als Spitzenkandidat der Grünen antreten und sich um das Amt des
Deutschen Außenministers bewerben wollen. Erneut ging er dabei nicht auf
mögliche spätere EU-Ambitionen ein. Das tat statt dessen Daniel Cohn-Bendit,
der ist nicht nur „Grünen-Europapolitiker, sondern Fischers bester Kumpel seit
gemeinsamen Studententagen – und dürfte über Fischers Zukunftspläne Bescheid
wissen,“ schrieb BILD:[141][141]
„Joschka wechselt nach Brüssel, wenn wir die Bundestagswahl 2006 gewonnen
haben. 2007 oder 2008 ist es soweit“.[142][142] Fischers
Dementi kam prompt, aber wie immer wenig überzeugend: „Ich weiß nicht, wo der
das her hat!“[143][143]
Fischer muss das
sagen und Cohn-Bendit sollte es besser wissen. Denn solange Verheugen im Amt
bleibt, ist für Fischer kein Platz. Geht Verheugen, wie geplant, im November
erneut nach Brüssel, könnte Fischer erst 2009 wechseln - und das auch nur, wenn
die Grünen sich 2006 noch einmal an der Bundesregierung beteiligen können. Eine
CDU/FDP-Koalition würde Fischer nicht für das Amt nominieren.[144][144]
Ein vorzeitiger Jobtausch mit SPD-Mann Verheugen erscheint ausgeschlossen, denn
traditionell stellt in Deutschland der kleinere Koalitionspartner den
Außenminister.[145][145]
Ein vorzeitiger Rückzug Verheugens aus der EU-Kommission (und ein Einzug
Fischers) wäre allenfalls in einer schwarz-grünen Koalition ab 2006 denkbar –
es gilt aber als unwahrscheinlich, dass mitten in der Amtszeit einer Kommission
das Personal ausgewechselt wird. Zumal der Verfassungsentwurf selbst den
Außenminister deutlich erst zum 1. November 2009 in die Kommission integriert
und jede Zwischenlösung eine Vielzahl von Abstimmungsproblemen aufwerfen würde.
Verheugen wird am 28. April 2004 60 Jahre alt, eine weitere Amtszeit in Brüssel
würde bestens in seine persönliche Lebensplanung
passen. Allerdings: Auch Javier Solanas Amtszeit endet in diesem Jahr,
Verheugen könnte sein Nachfolger werden. Solana (61) bewirbt sich auch selbst
um eine Verlängerung. Und mit den veränderten Machtverhältnissen in Spanien
stehen die Aussichten des Sozialisten Solanas nicht schlecht.
Für Fischer wird
also entscheidend der Ausgang der Bundestagswahl 2006 sein. Bis dahin könnte er
seinen europapolitischen Kompetenzvorsprung so stark ausgebaut haben, dass ihm
bei einer erneuten Regierungsbeteiligung der Grünen weder in der SPD noch in
der CDU jemand das Amt streitig machen würde. Immerhin hatte sich das
offizielle Europa schon fast an den Gedanken an Fischer als Europäischem
Außenminister gewöhnt und er selbst sich international längst als eigentlicher
Deutscher Europaminister gegen die Widerstände aus dem Kanzleramt etabliert.
Die Langzeitwirkung seiner Humboldt-Rede hält an. Europa ist „sein eigentliches
Thema“[146][146],
sein „eigentliches politisches Projekt,“ das Fischer als „Schleichweg aus
seiner verkorksten Beziehung zum eigenen Land“ diene.[147][147] Nur die
Deutschen wollen laut einer Umfrage ihren beliebtesten Politiker nicht nach
Brüssel ziehen lassen.[148][148]
Die Medien
beschäftigt das Thema weiter, vor allem vor der Europawahl 2004. Mit Blick auf
die mangelhafte Verwurzelung von Fischers grüner Partei in anderen EU-Staaten
(mit der Ausnahme Lettlands, das von einem konservativen Grünen Regierungschef
geführt wird), fürchtet die Frankfurter
Allgemeine Sonntagszeitung: „Sollte Joschka Fischer eines Tages doch wieder
Lust auf den Posten eines europäischen Außenministers bekommen, könnte er dann
am fehlenden parlamentarischen Rückhalt scheitern“[149][149] – weil die
Fraktion der Grünen im Europaparlament zu klein und machtlos ist. Formell muss
das Parlament laut Verfassungsentwurf ein „Zustimmungsvotum“ erteilen. In der
Praxis würde ein politisches Scheitern
allerdings ein politisiertes EU-Parlament mit entsprechend gegeneinander
aufgestellten Fraktionen voraussetzen. Das entspricht (noch) nicht der Realität.
Abgestimmt wird im EU-Parlament weitgehend über Fraktionsgrenzen hinweg, zumal
die Sozialdemokraten des einen Landes oft den Konservativen des anderen Landes
näher stehen, als ihren Fraktionskollegen.
Zu
Personalspekulationen in den Medien sagte EU-Kommissar Günter Verheugen im
taz-Interview: „Zum Decodieren schaut man mindestens so sehr auf das, was nicht
gesagt wird, wie auf das, was gesagt wird. Irgendwann können Sie die Codes
knacken. Wenn Sie dann den Spiegel lesen, lesen Sie zwischen den Zeilen.
Sie wissen, wer was gesagt hat, auch wenn die Quellen verborgen wurden“.[150][150]
Attraktiv ist
das Amt des Europäischen Außenministers allemal: Der erste supranationale
Minister der Welt wird der Leiter der Außenpolitik für die größte
Wirtschaftsmacht der Welt und für 450 Millionen Menschen. Der
Verfassungsentwurf hat den „Supra-Star“ entsprechend üppig berücksichtigt.
Manche fragen bereits, ob seine Kompetenzen nicht sogar die der Präsidenten des
Europäischen Rates und der EU-Kommission in den Schatten stellen. Das könnte
Fischer so passen.
Stephan
Karkowsky, 30.03.2004
Ressort |
Org.einheiten |
|
Abteilungsleiter |
|
Abteilungsebene (Unterabt.- ebene) |
Referatsebene |
|
BK |
Abt. 5 |
X |
MD Silberberg |
BKM |
|
X |
Europabeauftragter MR Möwes |
BPA |
|
X |
|
AA |
Abt. E |
X (in versch. Abt.) |
MD Dr. Cuntz und Staatsminister für Europa Hans Martin Bury |
BMI |
tw. Abt. V und M |
X (in versch. Abt.) |
Abt. V: MD Dr. Henkel Abt. M: MD Dr. Lehngut |
BMJ |
Abt. E |
X (in versch. Abt.) |
MDg Oehler |
BMF |
Abt. E |
X (in versch. Abt.) |
MD’in Selz |
BMWA |
Abt. X |
X (in versch. Abt.) |
MD Koberski |
BMVEL |
Abt. 6 |
X (in versch. Abt.) |
|
BMVg |
|
|
|
BMFSFJ |
|
X (in versch. Abt.) |
Europabeauftragter Christoph Linzbach |
BMGS |
Abt. E |
X |
MD’in Weber-Mosdorf |
BMVBW |
|
X (in versch. Abt.) |
|
BMU |
UA G2 |
X (in versch. Abt.) |
MD Dr. Hendrik Vygen |
BMBF |
Abt. 1 |
X (in versch. Abt.) |
MDg Dr. Herbert Deihl |
BMZ |
UA 30 |
X |
UAL MDg Hinrichs |
Quelle: CvD
beim BPA (jens.alberts@bpa.bund.de),
02.12.2004
Abkürzungsverzeichnis:
ASEAN – Association
of South East Asian Nations
BMVg –
Bundesministerium der Verteidigung
CFSP – s. GASP
CIG – Conference Intergouvernemental
(Regierungskonferenz)
CONV –
Konventsdokument
COREU -
CORrspondance Europénne, das Telexnetz der europäischen Korrespondenten
DRK – Democratic
Republic of Kongo
EAG – Europäische
Atomgemeinschaft, auch: EURATOM
EEA – Europäische
Akte
EG – Europäische
Gemeinschaft
EGKS – Europäische
Gemeinschaft für Kohle und Stahl
EGV – EG-Vertrag
EP – Europäisches
Parlament
EPG – Europäische
Politische Gemeinschaft
EPU – Europäische
Politische Union
EPZ – Europäische
Politische Zusammenarbeit
ER – Europäischer
Rat
EU – Europäische
Union
EuGEI – Europäisches
Gericht Erster Instanz
EUKS – Europäisches
Konventssekretariat
EUV – EU-Vertrag
EVE – Europäischer
Verfassungsentwurf
EVG – Europäische
Verteidigungsgemeinschaft
EWG – Europäische
Wirtschaftsgemeinschaft
EVSP – Europäische
Sicherheits- und Verteidigungspolitik
GASP – Gemeinsame
Außen- und Sicherheitspolitik
GG – Grundgesetz
GOBReg –
Geschäftsordnung der Bundesregierung
GSVP – Gemeinsame
Sicherheits- und Verteidigungspolitik
IB – Internationale
Beziehungen
IEA –Institute of
European Affairs, Dublin
IGC – s. CIG
IR – s. IB
IWF –
Internationaler Währungsfond
Kom -
Kommissionsdokument
KSZE – Konferenz für
Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
MS –
Mitgliedsstaaten (hier: der EU)
NATO –
NGO – Nicht-Regierungsorganisation
OECD – Organisation
für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
OSZE – Organisation
für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa
SITCEN -
UMFA – Unions Minister for Foreign Affairs
UNO – United Nations Organizations
WD – Working Document
WEU –
Westeuropäische Union
WG – Working Group
(Arbeitsgruppe)
WTO – World Trade Organization
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Journal of International Relations, 5, S. 37-66
Abbildungen und Tabellen:
Deckblatt: Gulliver im Lande Liliput,
Deutsches Spielzugmuseum Sonneberg, aus: http://www.bayern.de/HDBG/hacoguli.htm
Seite 10: Grafik – Die Europäische
Union in der Welt, aus: EU-Nachrichten, Themenheft Nr. 2/2002, S. 23
Seite 23: Eigene Tabelle:
Vertragliche Änderungen durch CONV 850/03
Seite 25: Eigene Tabelle:
Sprachanalyse der Funktionsträger in CONV 850/03
Seite 70: Tabelle: Europaabteilungen
in den Bundesministerien, von: Bundespresseamt
Zugangsregelung
Die folgenden Angaben sind
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[1][1] Das Bonmot ist in aller Munde. Es findet sich in seriösen Nachrichtenmagazinen ebenso wieder, wie auf der Webseite der Deutschen Botschaft Moskau (vgl. http://www.deutschebotschaft-moskau.ru/ru/bibliothek/internationale-politik/1998-07/article04.html). Generell kann der Ruf Kissingers nach einem mit allen Befugnissen ausgestatteten Sprecher europäischer Außenpolitik als authentisch angenommen werden: Er ist, wenn man so will, einer der Väter des Gedankens eines Europäischen Außenministers. Erhebliche Zweifel dürfen aber angebracht sein an der Authentizität von Zitaten, die das Bonmot (immer ohne Erstquellenangabe) in direkter Rede wiedergeben.
[2][2] Diese Zahl bezieht sich auf die Bevölkerung der EU-25 nach dem 1. Mai 2004.
[3][3] Die Süddeutsche Zeitung zitiert Giscard hier aus seiner Rede vor der dritten Plenartagung des Konvents am 15./16. April 2002. Im Protokoll der Sitzung findet sich die Passage nicht.
[4][4] Der Außenminister soll in seiner Person unter einem „Doppelhut“ beide Prinzipien des Mehrebenensystems Europäische Union vereinen: Das zwischenstaatliche mit dem supranationalen. Indem er mal das eine, mal das andere vertritt, wird erstmals durch eine Person das gesamte Spektrum der EU-Außenpolitik abgedeckt.
[5][5] Diese Einschätzung kontrastiert scharf mit der geringen Anzahl von Veröffentlichungen, die den Außenminister zu ihrem zentralen Thema machen: Von 298 Beiträgen, die in 2 Nachträgen zur Auswahlbibliografie zum EU-Konvent der Bundestags-Bibliothek verzeichnet sind, beschäftigt sich kein einziger ausschließlich mit Artikel 27 EVE und seinen Auswirkungen.
[6][6] Zur Internetseite des Konventes: http://european-convention.eu.int/bienvenue.asp?lang=DE. Es muss darauf verwiesen werden, dass selbst die ausführliche Dokumentation des Konventes nicht immer vollständig ist und deshalb auch auf andere Protokolle oder Zeitungsartikel zurückgegriffen wurde.
[7][7] Die dänische Ratspräsidentschaft 2/2002: http://www.eu2002.dk/main/, die griechische Ratspräsidentschaft 1/2003: http://www.eu2003.gr/en/cat/0/index.asp und die italienische Ratspräsidentschaft http://www.euitaly2003.it/EN/
[8][8] Die systematische Suche nach Aufsätzen zum Thema wurde dabei bis einschließlich Februar 2004 durchgeführt. Jüngere Aufsätze werden nicht berücksichtigt.
[9][9] Dieser Ansatz neigt am ehesten dem sozialkonstruktivistischen Institutionalismus zu (vgl. neben Manners 2003 [hier aus: http://www.ciaonet.org/wps/mai03/mai03.pdf ] auch Tonra 2003 u. Harnisch 2002, 3 u. 32-34).
[10][10] „Der hier verwendete Begriff der Handlungsfähigkeit … bezieht sich allein auf durchsetzungsfähige Handlungsmöglichkeiten“ (Brückner 1999, 9).
[11][11] Als letztes Standardwerk ist zu nennen: Schwarz, Hans-Peter (Hrsg.) 1976: Handbuch der deutschen Außenpolitik, München
[12][12] Ausführlich dargestellt ist dieser Aspekt bei Cooper (2002), Kagan (2003) und Coopers Antwort auf Kagan (2003).
[13][13] Europäische Politische Zusammenarbeit
[14][14] Zur Einführung in die Geschichte der EU s. Weidenfeld 2002 u. Pfetsch 2001
[15][15] Im August 1954 kam das Aus für die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) und die Europäische Politische Gemeinschaft (EPG) der sechs Gründerstaaten Frankreich, Deutschland, Italien, Niederlande, Luxemburg und Belgien. Schon damals waren eine europäische Verfassung und eine gemeinsame Europäische Armee geplant. Nach Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) 1957 scheiterte im April 1962 auch der nächste Versuch einer Europäischen Politischen Union (EPU). Für einen detaillierten Überblick siehe Röper 2003.
[16][16] Erste gemeinsame Projekte der politischen Zusammenarbeit waren die gemeinsame Vorbereitung der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE), die Helsinki-Schlussakte der KSZE und gemeinsame Stellungnahmen zur Invasion Afghanistans durch die Sowjetunion 1979, zur Polenkrise und der Absetzung des Schahs im Iran. Der Genscher-Colombo-Plan war 1981 Vorläufer der Europäischen Akte (EEA), die 1986 erstmals die EPZ auf eine vertragliche Grundlage stellt. Die EEA trat am 1. Juli 1987 in Kraft. Sie formalisierte in den Bestimmungen zur EPZ (Art. 30) die bisherige Praxis.
[17][17] Die erste Säule war die Europäische Gemeinschaft (EWG, EGKS, Euratom), die dritte Säule die Zusammenarbeit in der Innen- und Justizpolitik (ZIJP), das Dach der EU-Vertrag.
[18][18] Im Maastricht-Vertrag wird in Artikel 13 die Bestimmung der GASP-Leitlinien bei Fragen mit verteidigungspolitischen Bezügen dem Europäischen Rat zugeschrieben. Die WEU (Westeuropäische Union) wird darum ersucht, „Entscheidungen und Aktionen der Union, die verteidigungspolitische Bezüge haben, auszuarbeiten und durchzuführen“ (Art. J4, 2). Der Nizza-Vertrag konkretisiert die gemeinsame Verteidigungspolitik in Artikel 17.
[19][19] Als „vergemeinschaftet“ bezeichnet werden alle Bereiche, die von der EU suprastaatlich kontrolliert werden, z.B. Währung, Handel, Landwirtschaft. Im Gegensatz dazu stehen die „zwischenstaatlichen“ oder „intergouvernementalen“ Bereiche, bei denen die Mitgliedsländer ihre souveränen Rechte behalten und sich in Einzelfallentscheidungen auf gemeinsame Vorgehen einigen, wie z.B. die Verteidigung.
[20][20] Nach Nizza bestehend aus den Staats- oder Regierungschefs der Mitgliedstaaten und ihrem Außenminister, dem Präsidenten der EU-Kommission und einem weiteren Kommissionsmitglied.
[21][21] Seine Amtsantrittsrede ist hier nachzulesen: http://www.dgap.org/IP/ip9911/solana181099.htm vom 12.03.2004
[22][22] Die Verwaltung des Generalsekretariats des Rates leitet Solanas Stellvertreter Pierre de Boissieu (Hafner 2001, 11).
[23][23] Vgl. http://ue.eu.int/Pesc/default.asp?lang=de vom 13.03.2004
[24][24] Vgl. http://europa.eu.int/eur-lex/de/treaties/dat/amsterdam.html#0001010001 vom 06.03.2004
[25][25] Dadurch konnte er sich auf Langfristaufgaben konzentrieren, wie zum Beispiel die Erstellung seines Strategiepapiers: http://ue.eu.int/solana/docs/031208ESSIIDE.pdf
[26][26] Das Papier beruht auf einem Entwurf von Robert Cooper. Es wurde, anders als der Verfassungsentwurf, im Dezember 2003 vom Europäischen Rat in Brüssel verabschiedet. Zu finden ist es hier: http://ue.eu.int/solana/docs/031208ESSIIDE.pdf vom 14.03.2004
[27][27] Eine Studie zur Ausweitung der Macht der Kommission durch ihre ökonomische Kontrolle siehe: Gegout 2003.
[28][28] Vgl. http://europa.eu.int/comm/dgs/external_relations/general/mission_en.htm vom 24.02.2004
[29][29] Gemeint sind hier die im nächsten Punkt aufgeführten Kommissare.
[30][30] In der Kommissionsperiode 1999 - 2004
[31][31] Nielson war außerdem Chef der Politikentwicklungsabteilung, „thus creating an area of grey between Patten and Nielson over where management and policy development start and Stopp“ (Duke 2003, 5).
[32][32] Die vertragliche Genese im Sinne dieser Arbeit beginnt dabei mit dem sog. Amsterdam-Vertrag über die Reform der GASP im Vertrag über die Gründung einer Europäischen Union (EUV) von 1999, in dem mit dem Amt des Hohen Vertreters der EU für die GASP einer der Vorläufer des Außenministers der Union eingeführt wurde.
[33][33] Zu den Bestimmungen über den Hohen Vertreter s. Kapitel A.1.2 dieser Arbeit.
[34][34] Was Brückner (1999, 7) für die EU-Kommission aussagt, gilt analog auch für den Außenminister: „Sie wird versuchen, ihre Aufgaben zu erfüllen, die hierfür notwendigen formalen Rechte zu bewahren bzw. zu erweitern und sich Handlungsmöglichkeiten zu eröffnen, die sie unabhängiger von der Übertragung vertraglicher Kompetenzen und den Restriktionen des komplizierten Verhandlungs- und Entscheidungssystems werden läßt.“
[35][35] Cooper ist der Leiter der Generaldirektion E – Außenwirtschaftsbeziehungen und GASP – im Rat der Europäischen Union.
[36][36] Dazu mehr Informationen bei: Weidenfeld 1998.
[37][37] Gemeint sind hier die Reibungsverluste zwischen den vergemeinschafteten und den zwischenstaatlichen Verfahren.
[38][38] Ausführlich dargestellt in: http://www.europarl.eu.int/igc1996/fiches/fiche24_en.htm vom 15.03.2004
[39][39] Der Amsterdam-Vertrag trat am 1. Mai 1999 in Kraft, am 3./4. Juni 1999 wird Javier Solana vom Europäischen Rat in Köln als Hoher Vertreter für die GASP gewählt.
[40][40] Fischer ließ bereits zum Amtsantritt verlauten, er wolle sein Amt überflüssig machen – indem Außenpolitik künftig supranational auf EU-Ebene stattfindet.
[41][41] Vom Autor kursiv gesetzt.
[42][42] Zuerst in einem Redebeitrag auf der Plenartagung des Konventes am 15./16. April 2002 (vgl. Bolesch 2002), anschließend in zahlreichen Dokumenten des Konventssekretariates (u.a. CONV 307/02, 385/02 und 459/02).
[43][43] Vgl. Liste auf http://www.iiea.com/futeuro/overall_pres.pdf vom 05.03.2004
[44][44] Glotz wurde als Deutscher Regierungsvertreter im November 2002 von Bundesaußenminister Joschka Fischer abgelöst.
[45][45] Brok weiter: „der eine besondere Legitimationsbindung zum Rat hat, weil natürlich die Außen- und Sicherheitspolitik nicht zu 100% allein mit der Gemeinschaftsmethode bewältigt werden kann. Dieser kann eine gemeinsame Analyse und gemeinsame Vorschläge unterbreiten. Aber das ist genau der Unterschied zur Gemeinschaftsmethode: Es geht nicht um ein Initiativmonopol auf Seiten der Kommission, sondern es müssen auch Initiativen von Seiten der Mitgliedstaaten möglich sein.“ http://www.europarl.eu.int/europe2004/textes/verbatim_020711.htm vom 25.02.2004
[46][46] Glotz hat mich in einer Email ausdrücklich darauf aufmerksam gemacht, dass auch er nicht der Urheber der Doppelhutidee war. Diese sei vielmehr vom Referat EUKS (Europäisches Verfassungskonventssekretariat) im Auswärtigen Amt entwickelt worden.
[47][47] Glotz: „Ich meine, er müsste drei Elemente haben. Erstens, dass, was Patten hat, also die Generaldirektion der Kommission, die mit Außenbeziehungen befasst ist. Zweitens, eine eigenständige außenpolitische Einheit, die aus den Leuten besteht, die mit Außenpolitik im Ratssekretariat umgehen, und entsandten Diplomaten aus den Außenministerien der Mitgliedstaaten. Das wäre allerdings eine Arbeitseinheit, die sozusagen in Verantwortung des Rats tätig wäre. Drittens, die funktionierenden Außenvertretungen, die dem Doppelhut berichten, und dabei sollten die Kommissionsdelegationen in EU-Delegationen umgewandelt werden.
Das heißt, wir glauben, wir brauchen in der Tat eine Figur, die eine doppelte Funktion hat, die einerseits Kommissar ist, aber auch im Vertrauen und im Auftrag des Rates in den außenpolitischen Fragen handelt, weil ich einige wichtige Mitgliedstaaten sehe, die in der Tat nicht bereit sein werden, diesen Hohen Repräsentanten einfach als Kommissar einzuordnen wie alle anderen Kommissare. Insofern wäre der Doppelhut eine Kompromissmöglichkeit, die uns jetzt die Möglichkeit gäbe, zwar nicht eine vollständige Vergemeinschaftung der Außenpolitik zustande zu bringen, wie wir Deutschen sie in langer Frist für sinnvoll halten würden, aber doch einen deutlichen Schritt nach vorne zu machen über die Verbesserung hinaus, die der Hohe Repräsentant und Solana jetzt schon gebracht haben!“ http://www.europarl.eu.int/europe2004/textes/verbatim_020711.htm vom 25.02.2004
[48][48] Der Inhalt der Initiative: Ein „Europäischer Außenminister“, der sowohl dem Rat als auch der Kommission angehören soll („Doppelhut“), soll den Vorsitz im Rat Auswärtige Angelegenheiten führen und dort ein
Initiativrecht erhalten. Im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik soll generell das Prinzip der qualifizierten Mehrheit gelten, mit Ausnahme von militärischen Fragen. Administrativ soll der EU-Außenminister über einen eigenen diplomatischen Dienst der EU verfügen können.
[49][49] Vgl. Informal European Council:
Presidency Press Conference: http://www.eu2003.gr/en/articles/2003/4/16/2532/
vom 05.03.2004
[50][50] Vgl. CONV 685/03 vom 23. April 2003: „Entwurf der Artikel des Verfassungsvertrags, die das außenpolitische Handeln betreffen“
[51][51] Diese Tabelle fasst die Ergebnisse der Tabellen in CONV 685/03, 9-11 zusammen.
[52][52] „Es ist nicht gelungen, ein knappes und übersichtliches Verfassungsdokument zu erarbeiten, dessen erster Teil – wie ursprünglich anvisiert – ausreicht, um dem Bürger ein geschlossenes Bild der EU als Verfassung zu vermitteln,“ urteilen Emmanouilidis et al. (2003, 28).
[53][53] Europäischer Rat: Art. I-20, 21, Ministerrat: Art. I-22, 23, Kommission: Art. I-25, 26
[54][54] Weitere Erwähnungen des Außenministers in den Finanzbestimmungen oder seine Rolle bei der Anwendung der Solidaritätsklausel wurden hier zugunsten einer bessern Übersichtlichkeit vernachlässigt.
[55][55] Insgesamt 6 Nominierungen waren nicht explizit, sondern Teil einer Aufzählung, etwa: „Die Präsidenten der Kommission, des Parlamentes und des Europäischen Rates.“ Für dieses Beispiel gab es insgesamt 3 Wertungen.
[56][56] Dazu zählen die Präsidenten des Wirtschafts- u. Sozialausschusses, der EURO-Gruppe, des Europäischen Gerichtshofes, des Rechnungshofes, der Europäischen Zentralbank und des Ausschusses der Regionen.
[57][57] In allen anderen Ratsformationen rotiert der Vorsitz.
[58][58] In Angelegenheiten der GASP übernimmt der Präsident des Europäischen Rates die Außenvertretung der Union, „unbeschadet der Zuständigkeiten des Außenministers der Union“ (Art. I-21).
[59][59] Sowie nach der Einrichtung eines Europäischen Auswärtigen Dienstes, wie sie in der entsprechenden Erklärung in Teil IV vorgeschlagen wird (CONV 850/03, S. 239), die Leitung desselben.
[60][60] Risse hält die Rolle des Außenministers in Fragen der GASP damit für vergleichbar zu der Rolle der Kommission als „Hüterin der Verträge“ (Risse 2003, 9). Durch seine im Verfassungsvertrag verankerten Aufgaben kann der Außenminister „unilaterales Verhalten der Mitgliedstaaten zumindest über eine Strategie des Anprangerns und Beschämens“ in die Schranken weisen (Risse 2003, 10).
[61][61] Hier und im Folgenden vom Autor kursiv gesetzt, um die Aufgabenverteilung zu verdeutlichen.
[62][62] Es besteht aus den Leitern der politischen Abteilungen der nationalen Außenministerien.
[63][63] Die Durchführung der gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik wird geregelt in den Artikeln III-195 bis III-209 EVE.
[64][64] Für eine ausführliche Problematisierung dieses Themas vgl. Duke 2003.
[65][65] Besonderes Gewicht bekommen die vielen Kompetenzen des Außenministers auch durch die veränderten Vertragsgrundlagen der GASP. So wird die Union etwa in Art. III-204 EVE (redundant: Art. III-225 EVE) dazu ermächtigt, die GASP betreffende „Übereinkünfte mit einem oder mehreren Staaten oder internationalen Organisationen“ zu schließen (CONV 850/03, S. 159). Voraussetzung für die ausschließliche Zuständigkeit der Union in diesem Bereich ist aber ein Rechtsakt des Ministerrates (Art. III-227 EVE).
[66][66] Online als pdf-File verfügbar: http://www.iep-berlin.de/publik/integration/heft-4-03/ vom 17.03.2004
[67][67] CIG steht hier für Conference Intergouvernemental, die Regierungskonferenzen, die zwischen den „EU-Gipfeln“ (dem Europäischen Rat) diese vorbereiten. CIG 45/03 ist ein Vermerk des (italienischen) Vorsitzes der CIG für die Delegationen über offene Fragen den Außenminister der Union betreffend.
[68][68] Vorgestellt am 27. Juni 2003 in Brüssel, hier dokumentiert in: Internationale Politik 9/2003, S. 121, als pdf-File zu beziehen unter: http://www.euitaly2003.it/NR/rdonlyres/1745E17F-2384-4ACC-A2E6-6E5EFBF2AED6/0/ProgrammaPresidenza_de.pdf vom 05.03.2004
[69][69] In seiner Regierungserklärung zu den Ergebnissen des Europäischen Rates in Thessaloniki vom 19. und 20. Juni 2003 vor dem Deutschen Bundestag am 26. Juni 2003 in Berlin.
[70][70] Cameron diagnostiziert in der Außenpolitik der EU eine pathologische Vielstimmigkeit: „Als Mensch wäre die GASP längst in die Klapsmühle gesperrt worden und Ärzte würden Vermutungen anstellen darüber, wie sie so lange überleben konnte mit einer so tief gespaltenen Persönlichkeit. Ihre Schizophrenie war von Geburt an vorbestimmt und verschlimmerte sich, als der Hohe Vertreter hinzu kam“ (Cameron 2002, 13).
[71][71] Michael Köhler, stv. Europäischer Korrespondent der EU-Kommission in: EU-Nachrichten Themenheft Nr. 2, 2002
[72][72] Titel einer Tagung der Europäischen Kommission am 05.02.2001, siehe: http://europa.eu.int/comm/external_relations/cfsp/conf/05_02_01.htm
[73][73] Hier: Die zentralen Behörden der EU gegenüber den Ländern stärkende Zielsetzung.
[74][74] Henry Kissinger; zitiert in:
Business Week, 5. Mai 1997
[http://www.usaengage.org/archives/news/970505bw.html].
[75][75] Zur deutschen Version vgl. Gasteyger 2001, S. 284
[76][76] Das Königreich Dänemark sah sich durch die in der Einheitlichen Europäischen Akte 1986 (EEA) vereinbarte Europäische politische Zusammenarbeit in der Außenpolitik zu einer Zusatzerklärung veranlasst, in der es feststellt, dass die EPZ „die Beteiligung Dänemarks an der nordischen Zusammenarbeit im außenpolitischen Bereich nicht berührt“ (Gasteyger 2001, 350).
[77][77] Zu den „Lehren aus dem Irak-Konflikt“ vgl. CONV 685/03, 2.
[78][78] So spielt Risse die Irak-Krise in einem Planspiel unter den Bedingungen des Verfassungsentwurfes kontrafaktisch durch und kommt zu dem Schluss: Die „neuen institutionellen Möglichkeiten des Außenministers wären keine Garantie für den Erfolg europäischer Politik-Koordination“ gewesen (Risse 2003, 10).
[79][79] Giscard hatte auf der Plenartagung des Konvents vom 15./16. April 2002 gefordert, der Außenminister der Union müsse „auf gleicher Augenhöhe mit dem russischen und amerikanischen Außenminister“ verhandeln können (vgl.: http://www.weltpolitik.net/policy-forum/article/1170.html vom 03.03.2004)
[80][80] Einen Überblick zur Theorie der Rollenkonzepte gibt Harnisch 2002, 27-29.
[81][81] Siwert-Probst verweist für diesen Begriff auf Maunz-Dürig-Herzog-Scholz, Grundgesetz Kommentar, Münche, Art. 65, Rand-Nr. 41
[82][82] Aber auch die Organisationsgewalt „erfährt in der Praxis Einschränkungen durch koalitionspolitische Zwänge“ (Siwert-Probst 1998): So hat etwa die FDP seit 1969 die Tradition begründet, dass der kleinere Koalitionspartner das Außenressort bekommt. Diese Tradtion hat Rot-Grün 1998 fortgeführt.
[83][83] So etwa Brandt die Ostpolitik, Schmidt die Außenwirtschaftspolitik oder Kohl die Vereinigungspolitik (vgl. Siwert-Probst 1998).
[84][84] Von Vorteil für den Außenminister wird dabei gewertet, wenn er (wie in den letzten Jahrzehnten in Deutschland Tradition) vom kleineren Koalitionspartner bestimmt wird, da dieser in seiner eigenen Partei und deren Wählern eine unabhängige Machtbasis besitzt.. Kann sich der Kanzler dagegen seinen Außenminister aussuchen, und ist der Kanzler dazu auch noch dessen Parteivorsitzender, fehlt dem Minister diese Unabhängigkeit (vgl. Bierling 38f). Dies war bei Kanzler Adenauer und seinem Außenminister Heinrich von Brentano der Fall (1955-1961).
[85][85] Im Internet hier zu finden: http://www.bundesregierung.de/static/pdf/gobreg.pdf
[86][86] In dieser Arbeit werden die reinen Außenbeziehungen vernachlässigt, die nicht Teil der Außenpolitik sein müssen. Dies sind sie regelmäßig nur dann, wenn sie den gesamtstaatlichen Interessen entsprechen, die vom Kabinett, dem Bundeskanzler und dem AA vorgegeben werden (Andreae 1998, 30).
[87][87] Eine aktuelle Liste der Europaabteilungen der Fachressorts ist zum Vergleich dem Anhang beigefügt.
[88][88] Weiterführende Informationen finden sich bei Andreae, 1998. Vgl. auch Hoyer 1998.
[89][89] Bury ist in der Hierarchie des Auswärtigen Amtes Fischer zwar unterstellt, er genießt als Staatsminister aber eine gewisse Unabhängigkeit: Er ist nicht verbeamtet und als SPD-Abgeordneter im Bundestag stärker legitimiert (vom Volk und von seiner Partei), als etwa die Staatssekretäre, die für gewöhnlich Berufsdiplomaten sind und nicht dem Parlament angehören.
[90][90] Eberwein/Kaiser (1998, 3) sind der Ansicht, dass die Koordinierung der Außenbeziehungen aller Ressorts ganz entscheidend wird“.
[91][91] Der Ausbau der Europa-Abteilungen in den Fachministerien hat auch in den Mitgliedsländern zu einem zunehmenden Bedeutungsverlust der jeweiligen Außenministerien geführt (vgl. Bierling, 45). Eine Reihe von Politikern unter dem Rang des Außenministers kümmert sich dort um Europafragen, ohne den Außenminister selbst dadurch von der Europapolitik zu entbinden. In Belgien etwa war Ministerin Annemie Neyts dem Minister für Auswärtige Angelegenheiten Louis Michel beigeordnet (ebenso Minister Noelle Lenoir in Frankreich), seit 2003 nimmt Staatssekretär Jacques Simonet europäische Aufgaben für Belgien wahr. In Griechenland ist Europa-Minister Anastasios Giannitis Stellvertreter des Außenministers. Die „Europaminister“ Spaniens, Ramón de Miguel y Egea, und Schwedens, Lars Danielsson, sind Staatssekretäre, der Ire Dick Roche Staatsminister beim Premierminister und im Außenministerium. Auch in den Niederlanden (Atzo Nicolai), in Portugal (Carlos Costa Neves) und in Italien (Roberto Antonione) sind für Europa Staatssekretäre zuständig, wobei Italien mit der Organisation des Ratsvorsitzes Rocco Buttiglione betraut hatte, einen „Europa“-Minister ohne eigenen Geschäftsbereich.
[92][92] Er muss für gewöhnlich nicht dem Parlament angehören (Ausnahmen sind Großbritannien, Irland und Malta). In manchen Ländern (z.B. Slowenien, Estland, Slowakei, Frankreich, Luxemburg, Niederlande, Schweden, Portugal) muss er bei Übernahme des Regierungsamtes auf einen Parlamentssitz verzichten oder das Mandat ruhen lassen. Entlassen werden kann der Außenminister fast überall durch den Regierungschef (nicht aber in Italien, Belgien und den Niederlanden), in manchen Ländern auch durch ein Misstrauensvotum des Parlaments. Im Kabinett (Ministerrat) ist der Außenminister gleichberechtigtes Mitglied.
[93][93] Kohabitation meint hier die Zusammenarbeit des franz. Staatspräsidenten mit einer Regierung, die nicht aus seiner Partei gebildet wird.
[94][94] Hier entnommen: Freitag 2001, 11
[95][95] Was sich decken würde mit der Einschätzung, 80 % der Außenpolitik der EU wäre de-facto bereits „ein-stimmig“ (vgl. Risse 2003, 12)
[96][96] Kom 2002 247 endgültig: Mitteilung der Kommission – Ein Projekt für die Europäische Union vom 22.05.2002
[97][97] Hier zitiert nach: Pfetsch, Barbara und Stefan Wehmeier (2001): Sprecher: Kommunikationsleistungen gesellschaftlicher Akteure, in: Jarren, Otfried und Hartmut Weßler (2001): Journalismus – Medien – Öffentlichkeit, Berlin/Zürich, S. 53. Eine erfolgreiche Personalisierung von Politik ist etwa dem deutschen Außenminister Joschka Fischer gelungen, der seit Jahren die Rangliste der beliebtesten Politiker Deutschlands anführt: 76 Prozent Zustimmung im Februar 2004. Quelle: DeutschlandTREND Februar 2004 von Infratest/Dimap, aus: http://www.infratest-dimap.de/politik/deutschlandtrend/dt0402/default.htm vom 06.03.2004.
[98][98] Rittberger sieht abweichend diese Stimme eher im „Amt eines EU-Präsidenten“ verwirklicht (vgl. Rittberger 2003, 29).
[99][99] Auch gegenüber dem
Kommissionspräsidenten hat der Außenminister der Union als Vizepräsident der
Kommission eine größere Unabhängigkeit, als die anderen Kommissare (und als der
deutsche Außenminister vom Kanzler): Als einziger Kommissar wird er nicht vom
Kommissionspräsidenten ausgewählt, sondern vom Rat (vgl. Art. I-26/2 u. I-27/1 EVE).
[100][100] Allerdings sollte auch hier die Innenwirkung der Außendarstellung berücksichtigt werden: Wer sich durch den eigenen “Club“ gut und sichtbar vertreten fühlt, neigt weniger schnell zu unilateralem Handeln.
[101][101] UMFA = Unions Minister for Foreign
Affairs
[102][102] Hier aus: http://www.notre-europe.asso.fr/fichiers/Policypaper7.pdf vom 14.03.2004
[103][103] Den bisherigen Sprechern der EU scheint es damit zu gehen wie im vorvorigen Jahrhundert Henry James’ Romanheld Christopher Newman in The American (vgl. James 1981): Der neureiche Amerikaner versucht aus persönlichen Motiven Einlass zu erhalten in die alte Welt der französischen Aristokratie (er hat sich in die Tochter des Hauses verliebt). Doch obwohl er alle Voraussetzungen mitbringt (er könnte die Familie aus ihrer Finanzmisere befreien), weist die ihn schließlich ab, weil er kein Mitglied ihrer Kaste ist.
[104][104] Hier zitiert nach Manners 2003, 17..
[105][105] Hier zitiert nach Tonra 2003, 4.
[106][106] Hier zitiert nach Harnisch 2002, 32.
[107][107] Eigene Übersetzung.
[108][108] Zu bedenken ist auch das Phänomen der Vergesellschaftung von Außenpolitik durch neue Mitstreiter wie NGO`s und Internationale Organisationen.
[109][109] Einen guten Überblick über die Anfänge der Außenpolitikforschung gibt Harnisch 2002.
[110][110] Am deutlichsten in den Crawls auf CNN zu sehen, wann immer Javier Solana auftaucht: „The EU’s Foreign Policy Chief.“
[111][111] Dabei ist die Sicht auf die EU als gleichwertiger oder sogar überlegener Partner im System internationaler Beziehungen nicht die einzig denkbare. Filtenborg (2002) sieht die EU als „transitional entity“ , die Internationale Beziehungen schafft, selbst aber nur ein Untersystem dieser Beziehungen bleibt.
[112][112] Mit der Osterweiterung verändert die EU 2004 allein ihre Außengrenzen zum sechsten Mal.
[113][113] Keine dieser Arbeiten konzentriert sich dabei auf die Rolle der leading actors. Dabei wird die „important role of roles“, auf die Marika Lerch hinweist (vgl. Lerch, 2001), zumeist unterschätzt. Beim Blick auf die Akteure im Sinne der führenden Personen gilt auch hier: „There are often too many cooks in the kitchen“ (Cameron 2002, 7).
[114][114] Zu finden in: http://www.people.fas.harvard.edu/~moravcs/library/quiet.pdf vom 13.03.2004. Die EU ist die größte Handelsgemeinschaft der Welt mit einem den USA vergleichbaren Bruttosozialprodukt und sie ist bei weitem der größte Lieferant von Entwicklungshilfe. In Lateinamerika ist die EU Haupthandelspartner von Mercosur und dem Andenpakt, außerdem hat sie Freihandelsvereinbarungen mit Mexiko und Chile geschlossen. Sie ist der größte Einzahler ins Budget der UN, der größte Unterstützer des Kyoto-Klimaschutzabkommens und des Internationalen Gerichtshofes (zu allem vgl. Cameron 2002, 6f). Dass das Gewicht der EU politisch nicht z.B. dem der USA entspricht, wird vor allem mit ihrer militärischen Schwäche erklärt (vgl. Kagan 2003 und die Antwort auf Kagan von Cooper, 2003).
[115][115] Hier aus: http://ue.eu.int/solana/docs/031208ESSIIDE.pdf vom 14.03.2004
[116][116] So war zum Beispiel das vorliegende Modell des Doppelhutes nicht das, was „eine beträchtliche Anzahl von Mitgliedern“ für „die effektivste Lösung“ hielt. Es war die Lösung, die die meisten für am ehesten realisierbar hielten (CONV 459/02, 20).
[117][117] Eine Reihe jüngerer Neo-Institutioneller Theorien (vgl. March/Olsen 1989) erklärt das Handeln von Akteuren in der EU als das Ergebnis der Strukturen, die ihr Handeln selbst geschaffen hat. Auf den Außenminister der Union angewandt hieße das: Zur Beurteilung seines Handlungsspielraums innerhalb des Internationalen Systems müssen die strukturellen Effekte der ihn umgebenden Institutionen mit herangezogen werden. Die Genese seines Amtes wäre als tastende Anpassung an ein verändertes Umfeld zu bewerten, mit unklaren Intentionen der Akteure, die sich auch noch im Laufe der Prozesse verändern. (s. auch das Arbeitspapier von PD Dr. Katharina Holzinger zum Neo-Institutionalismus: http://www.politik.uni-essen.de/veranstaltungen/hol-VL-WiSe03FOL7.pdf vom 10.03.2004).
[118][118] Wo sie aber nur die zwischenstaatliche
Hälfte der EU-Außenpolitik vorfanden - Schmalz etwa sah bereits in Solana
„Gesicht und Stimme.“ Mit „Telefonnummer“ meinte er allerdings das rund um die
Uhr erreichbare „Lagezentrum für Partnerstaaten in Krisenfällen“ (Schmalz 2000,
124). Ebenso Rittberger 2003,
1.
[119][119] Noch steht der Außenminister
ziemlich allein da: “The Foreign Minister is going to be appointed without a
Ministry to back him or her up, and indeed without a set of embassies in the
field” (Hill 2003, 2).
[120][120] „Das Herzstück der täglichen Abstimmung ist das COREU (‘correspondance européenne‘) - ein heißer Draht zwischen Korrespondenten in den Außenministerien aller Mitgliedstaaten, im Generalsekretariat des Rates und in der Europäischen Kommission. Der Austausch erfolgt über verschlüsselte Telegramme“ (EU-Nachrichten Themenheft Nr. 2, 2002/12)
[121][121] Zur Unterscheidung von „Außenbeziehungen“ und „Außenpolitik“ vgl. Andreae 31f.
[122][122] Die Abbildung auf dem Deckblatt dieser Arbeit zeigt das Modell: Gulliver im Lande Liliput
(Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg), hier: http://www.bayern.de/HDBG/hacoguli.htm
[123][123] s. dazu die Äußerungen von Risse und Köhler in Kapitel C.1 dieser Arbeit.
[124][124] In unserem Fall sind die Minister und ihre Stellvertreter die sichtbaren Akteure, vorbereitet aber wurde der „Doppelhut“ und seine Durchsetzung im Konvent vom Referat EUKS unter Leitung von Staatssekretär Dr. Klaus Scharioth. Die ständige Beteiligung hunderter deutscher Beamter an Projekten im Ausland wird häufig allein deshalb nicht Thema in den Medien, weil sich kein befugter Sprecher dazu finden lässt.
[125][125] Seit dem 27. Oktober 1998
[126][126] Beste et. al. 2002, 1
[127][127] Fischers Äußerung muss im Kontext gesehen werden: Deutschland hatte im ersten Halbjahr 1999 die Ratspräsidentschaft, im Juni sollte beim Europäischen Rat in Köln ein „Mr. GASP“ bestimmt werden. Welche Befugnisse der haben würde und wie sein Amt heißen würde, war zu diesem Zeitpunkt noch nicht klar. Sicher ist: Ein europäischer Außenminister wurde als Alternative zum dann favorisierten Modell des Hohen Vertreters für die GASP und Generalsekretärs des Rates diskutiert. Schon 1996 hatte aber z.B. Werner Hoyer (FDP), damaliger Staatsminister für Europa im Auswärtigen Amt, erklärt: „Für einen Mann, der den EU-Außenministern vor die Nase gesetzt würde, sehe ich .. keine Mehrheit“ (Hoyer 1996)
[128][128] Fischer 2000. Mit 39 Seiten im Großdruck eine der kürzesten Veröffentlichungen der Edition Suhrkamp aller Zeiten.
[129][129] Geis 2003
[130][130] Geis 2003
[131][131] F.A.Z. 2003
[132][132] Grossinsky 1998: 1998 stand der damalige SPD-Chef und designierte Finanzminister Lafontaine, vier Jahre später Bundeskanzler Schröder selbst hinter dem Versuch, „die Europa-Abteilung aus dem Auswärtigen Amt herauszubrechen“ (Lohse 2003).
[133][133] Beste et. al. 2002, 1
[134][134] Hacke 2002, 8
[135][135] Was das Außenministerium gern als ganz normalen Vorgang hinstellt, ist in Wirklichkeit eine Ausweitung der Kanzlermacht: Bury war Stellvertreter Fischers im Konvent, er vertritt den Außenminister auf den Sitzungen des Ministerrates und übernimmt das wichtige Amt des deutsch-französischen Koordinators.
[136][136] Bury ist seit dem 22.10.2002 im Amt. Sein Vorgänger war Christoph Zöpel, der Günter Verheugen nachgefolgt war.
[137][137] Beste et.al. 2003, 2
[138][138] Der Spiegel 16/2003
[139][139] Der Spiegel 32/2003
[140][140] Bis zum 1. November 2004 stellt Deutschland mit der Grünen Finanzkommissarin Michaele Schreyer und mit Erweiterungskommissar Günter Verheugen (SPD) noch zwei Kommissare.
[141][141] Kellner 2003
[142][142] Cohn-Bendit, 2003
[143][143] Die Welt, 29.11.2003, S. 2
[144][144] Geis 2003
[145][145] Verheugen 2003
[146][146] Beste et.al. 2002, 4
[147][147] Buchsteiner 1999
[148][148] Der Spiegel 21/2003
[149][149] Schuller 2003
[150][150] Verheugen 2003