KDV-Antrag

Wer zum Beispiel in Berlin seinen ersten Wohnsitz hatte, stellte seinen Antrag auf Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgruenden auf folgende Weise:

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Absender:
Name
Strasse
Wohnort
Geburtsdatum oder Personenkennziffer

An das
Kreiswehrersatzamt Berlin
Oberspreestrasse 61 L
12439 Berlin

per Einschreiben / Rueckschein

betr.: Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgruenden unter Berufung auf Artikel 4, Absatz 3 Grundgesetz

Sehr geehrte Damen und Herren,

ich beantrage die Anerkennung als Kriegsdienstverweigerer aus Gewissensgruenden unter Berufung auf Artikel 4 Absatz 3 Grundgesetz.

(eigenhaendige Unterschrift)

P.S.: Zwei Anlagen sende ich nach:
1. Lebenslauf
2. Persoenliche Begruendung

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Wer nicht in Berlin wohnte, veraenderte lediglich die Adresse des zustaendigen Kreiswehrersatzamtes. Wer bereits einen rechtskraeftigen Einberufungstermin erhalten hatte, eine rechtskraeftige Vorbenachrichtigung ueber eine Einberufung zu einem bestimmten Termin, wer bereits Soldat oder Reservist war, adressierte seinen Antrag ebenfalls an das fuer ihn  zustaendige Kreiswehrersatzamt.

Der Antrag wurde nach der abgeschlossenen Musterung vom Bundesamt fuer den Zivildienst, 50964 Koeln, bearbeitet und erst anerkannt, wenn er durch die zwei Anlagen vervollstaendigt worden war.

Um den Rechtsschutz vor der Einberufung bei der Bundeswehr zu bewahren, sollte folgendes beachtet worden sein! Dieser Antrag sollte vor Erhalt des Einberufungstermins oder einer rechtskraeftigen Vorbenachrichtigung zur Einberufung abgesandt worden sein, um den Rechtsschutz vor der Einberufung bei der Bundeswehr zu erhalten, also moeglichst bereits vor der aerztlichen Untersuchung beim Kreiswehrersatzamt ("Musterung").

Die zwei Anlagen zur Vervollstaendigung des Antrags sandte der Antragsteller innerhalb von vier Wochen nach Antragstellung an das Bundesamt fuer den Zivildienst, 50964 Koeln. Es genuegte der eigenhaendig unterschriebene Brief wie oben dargestellt, unter Berufung auf Grundgesetz-Artikel 4 Absatz 3 (Satz 1: »Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.«). Wer eine Fotokopie seines eigenhaendig unterschriebenen Antrags zusammen mit dem Rueckschein aufbewahrte, hatte einen Rechtsbeleg darueber, dass der Antrag beim Empfaenger eingegangen war. Das Formular fuer den Rueckschein (wurde als Postkarte ausgefuellt von der Post auf den Brief geklebt und vom Empfaenger unterschrieben an den Absender zurueck gesandt) war in jeder Postfiliale zu finden.

             1. Lebenslauf:
Der Lebenslauf sollte ein Bild von der Person entstehen lassen, d.h. wesentliche persoenliche Daten wie Geburtsdatum, Geburtsort, Angaben zu Eltern und Geschwistern, zum schulischen und beruflichen Werdegang enthalten. Erwaehnt werden sollten auch Interessensgebiete, Hobbies, Mitgliedschaft in Vereinen, Mitarbeit in Kirchengemeinden, Jugendgruppen o.ae., also insbesondere Aktivitaeten,die einen Zusammenhang mit der Gewissensentscheidung zur Kriegsdienstverweigerung andeuteten oder aufzeigten.
             2. Persoenliche Begruendung:
Die persoenliche, ausfuehrliche Begruendung der Gewissensentscheidung sollte deutlich machen, wie die eigene Gewissensentscheidung zur Kriegsdienstverweigerung zustandegekommen war. Folgende Stichpunkte waren hilfreich: Erziehung/Familie(nschicksale), Kriegserlebnisse und -erinnerungen in der Familie, besondere Anregungen durch Schule, Freundeskreis, persoenliche Erlebnisse, Besuch von Kriegsgraeber- oder Gedenkstaetten und Beschaeftigung mit Themen Frieden/Krieg waehrend Reisen, durch Buecher, Filme, Ausstellungen etc.
Ausserdem sollten die persoenlichen Wertvorstellungen (moralisch, ethisch, religioes) beschrieben werden, die fuer die eigene Person verbindlich waren. Vorgefertigte Formulierungen sollten nicht Eingang finden in den Text. Christliche Glaubensueberzeugungen (5. Gebot im Dekalog: »Du sollst nicht toeten!«; Gebot der Feindesliebe in der Bergpredigt ; »Wer das Schwert nimmt, wird durch das Schwert umkommen!«) oder ethische Grundauffassungen, z.B. zur moralischen Verwerflichkeit von Gewalt oder gewaltsamer Vergeltung (»Was Du nicht willst, das man Dir tu’, das fueg’ auch keinem andern zu!«) oder zum Recht auf Leben oder politisch-pazifistische Grundueberzeugungen zu den Folgen von Krieg und Kriegsvorbereitung, zur gewaltfreien Alternative zum Militaer (Soziale Verteidigung, Ziviler Friedensdienst, Mediation) sollten untermauern, dass der Kriegsdienstverweigerer eine Gewissensentscheidung gegen jeden Kriegsdienst getroffen hatte, die ihn prinzipiell daran hinderte, Menschen auf militaerische Anordnung oder militaerischen Befehl im Krieg zu toeten.
          Buchtip:

        Christian Bartolf (Hg.):
        Mein Gewissen sagt nein. Ausgewaehlte Begruendungen von Kriegsdienstverweigerern

152 Seiten, 6 Abbildungen, kartoniert, ISBN 3-88981-090-X

Diese Sammlung umfasst ausgewaehlte Begruendungen junger Maenner aus den Jahren 1991 bis 1995 in Berlin, die den Kriegsdienst nach Artikel 4, Absatz 3 Grundgesetz verweigerten: "Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden." Ethisch-moralische, religioese, politische und persoenliche Motive leiteten die Antragsteller aus den neuen und alten Bundeslaendern, die allgemeine Wehrpflicht fuer sich in Frage zu stellen.

Christian Bartolf (geb. 1960, Politik- und Erziehungswissenschaftler) hat aus seiner taeglichen Arbeit exemplarische Antraege ausgesucht und nach inhaltlichen Schwerpunkten zusammengestellt. Er fuehrt kenntnisreich in das Thema ein, zeigt die Traditionen der Kriegsdienstverweigerung, gibt praktische Hinweise und macht deutlich, dass bei dieser wichtigen Entscheidung die Besinnung auf das Grundrecht der Gewissensfreiheit unverzichtbar ist.

Dieses Buch ist in vielen oeffentlichen Bibliotheken zu finden.
 

© dieser Website: Christian Bartolf - Stand: 1. Februar 2015

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