Jean Schneider
TAPAS VARIADAS
von Jean Schneider
(Übersetzung Wolfgang Jonas)
Konferenzen sind schön ordentlich formal, aber Dinners bieten oft die zwanglosen Rahmen für Diskussionen mit offenem Ende, für ungeschminkte Meinungen, für brillante Intuitionen... Wegen des offenen Formats von Jonas' Projekt stellen wir uns doch einfach vor, wir befänden uns alle in einem dieser Momente.
Hier sind also einige meiner Überlegungen zu Design und Theorie, mehr oder weniger ausgearbeitet und für einige Leser wahrscheinlich ärgerlich.
1· Was erwarte ich von einer Designtheorie?
- Zunächst sollte sie mich eindeutig klüger machen. Sie sollte mich etwa in die Lage versetzen, ein tieferes Verständnis von bestimmten Transformationen in meiner materiellen Umgebung und ihren Dynamiken zu erlangen, damit ich sie beeinflussen kann - als Designer oder als Bürger.
- Eine Designtheorie, die ich erarbeiten würde, erlaubte mir vielleicht, meine Art Design zu machen (oder nicht zu machen) zu rechtfertigen, und zwar in einer Sprache, die auch Nicht-Designer verstehen. Dann sollte sie mir helfen, meine Art und Weise des Tuns (und die Dinge, die ich tun würde) zu verändern, indem sie mir das Erfinden von Methoden ermöglicht.
- Jede Designtheorie sollte mir erlauben, qualitative Unterschiede zwischen Artefakten zu entdecken, zu beschreiben, zu interpretieren und (vielleicht) zu bewerten.
Und ich denke auch, dass eine Designtheorie, die das Lesen von Geschichte nicht erlaubt, keinen Wert hat: sie ist ein Programm.
Ich glaube, dass jede Designtheorie mir erlauben muss, Methoden (proposalS) und Vorschläge (proposalS) zu bewerten (ich meine: die Differenzen wahrnehmen, nicht sie beurteilen) und mein Verständnis ihrer Vielfalt zu erweitern.
2· Was mich bei den meisten der aktuellen Diskussionen (und mit vielen der Versuche, die angestellt wurden, um Designtheorien zu entwickeln, wenigstens was die letzten hundert Jahre angeht)unglücklich macht
- Einmal herausgebracht (digged out), sind die meisten Texte tatsächlich die Formalisierung einer persönlichen Praxis (wenn nicht gar: eines Projektes) oder eine Art von Manifest, Statement oder Programm. Der produzierte Text ist eine rhetorische Konstruktion, keine Theorie.
- Viele Artikel schlagen heute vor, Design in einer Art Zwischenzustand anzusiedeln: weder Kunst (wir arbeiten mit und für Andere), noch Ingenieurwesen ( Design schließt symbolische Werte ein) oder gar eine Wissenschaft (Designer geben sich nicht mit Wahrheit ab)... es ist Design! Diese ausgearbeiteten Modelle bieten, mutatis mutandis, eine tautologische Definition: design ist design oder Design ist Design.
[Nun, es ist natürlich nicht schwierig, sich bewusst zu machen, dass Künstler mit und für andere arbeiten, dass viele Designer vom neuesten technischen Zeug fasziniert sind, und dass Selbstkritik unter Designern keine besonders verbreitete Aktivität ist...]
Komischerweise (ich gebe zu, hier bin ich gemein) sind viele dieser Artikel lang, kunstvoll gearbeitet und schlagen vielfältige metaphorische Modelle vor: den Kubus, den Stern, den Strom, etc. Die Anzahl der Komponenten, Schichten, Verbindungen, Phasen, etc. ist, in den meisten Fällen die ich erinnere, deskriptiv (und manchmal deklarativ), aber, das eigentlich wichtige dabei ist: die Legitimität der (angenommenen / vorgeschlagenen) Verbindung(en) wird nur selten problematisiert.
> Der "Corpus" auf dessen Grundlage die Formalisierung erarbeitet wird, ist selten (soweit ich mich erinnere niemals) benannt oder analysiert. Es gibt ein ernsthaftes Problem mit der "Realität" (und dies ist ein hübsches Paradox, wenn man bedenkt, dass Design eine ziemlich materielle Wirklichkeit gestalten soll). In diesem Fall ist Intersubjektivität sehr zweifelhaft. Es gehört nicht viel dazu sich auszumalen, dass es zwischen Designern eine implizite Realität gibt; und dass dies eine ziemlich schmale Untermenge unserer materiellen Kultur ist. Das mindeste was man erwarten würde, ist die Angabe dessen, was ausgeschlossen ist, auch nur zeitweise.
3· Was sind die Konsequenzen dieses "Mangels an Realität"
- Debatten werden notwendigerweise vage und verschieben sich hin zu ontologischen Fragen. Nun, die Formulierung der Ontologie des Entwurfsakts oder des zeitgenössischen Objekts / Subjekts sollte vielleicht den Philosophen überlassen werden. Ich meine durchaus nicht, dass wir uns nicht mit den Grundlagen unserer Disziplin(en) befasssen sollten, ganz im Gegenteil, aber unsere Art der Beschäftigung mit diesen Grundlagen erfordert, in diesem Stadium und aus meiner Sicht, mehr Strenge und weniger Aristoteles; mehr bodenständigen Verstand und weniger Philosophie. Wenn man bedenkt, dass es für eine große Mehrzahl von Designern ausreicht, wenn ein Designer designt, um ein Designer zu sein, dann sind Denken über Design, oder Denken mit oder Denken durch Design nicht gerade besonders befriedigend (man schaue sich etwa an, auf welcher Basis die Hochschulen normalerweise Lehrende auswählen). Wenn wir dies als ausreichende Bedingung akzeptierten, dann würde sich der Ansatz, den wir entwickeln sollten, um unsere Grundlagen zu definieren, auf der Seite der reflexiven Praxis befinden, nicht auf der Seite der abgekoppelten Kontemplation.
- Wenn wir darin übereinstimmten, Design als kognitive Fähigkeit zu betrachten und, allgemeiner gesprochen, als eine primäre menschliche Fähigkeit, dann ist die Frage: was können wir den Anthropologen bieten? Mit welcher Begründung können wir die Kontinuität zwischen einem prähistorischen Werkzeug und heutigen Computern verteidigen? Oder können wir, im Gegenteil, störende Momente identifizieren und diese qualifizieren (wie die industrielle oder die französische Revolution für Historiker).
- Wenn wir darin übereinstimmten, dass die Rechtfertigung von Design in seinem Zweck und seiner Brauchbarkeit besteht, wie können wir dann unsere Beziehungen zu denjenigen, für die wir arbeiten, bereichern? Ist es möglich, konkrete Teilhaber im Prozess (stakeholder) mit ethischen Vorstellungen zu vermischen? Können wir demokratische Kontrolle unserer Projekte anbieten, und auf welchen Stufen? Was wären die Werkzeuge dafür? Haben wir die Mittel, um öffentliche Debatte(n) anzuzetteln und das Feedback in den Designprozess einzubeziehen?
- Wenn Design mit der Kreation von Formen zu tun hätte (im besten Sinne (strongest sense)), dann ... hoppla, diese Idee scheint niemand mehr zu mögen.
- Wenn Design eine reflexive und produktive Aktivität wäre, die mit der Evolution unserer materiellen Kultur befasst ist, dann müssten wir einige Verknüpfungen zur Geschichte herstellen und eine Toolbox ausarbeiten, die Verbindungen zwischen jedem Projekt oder Vorschlag und möglichen Alternativen anbietet.
Jetzt seid Ihr an der Reihe
Jean Schneider